Der Geist von Sankt Amarin - Reinhard Schmelzer - E-Book

Der Geist von Sankt Amarin E-Book

Reinhard Schmelzer

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Beschreibung

Arsène Chevalieri ist ein französischer Streifenpolizist mit fragwürdiger Vergangenheit. Neben seiner Arbeit als Gesetzeshüter verfolgt er das Ziel, seinen ehemaligen besten Freund festzunageln, der sich zu einem ranghohen Mafiamitglied hocharbeitete. Unterstützt wird er dabei von Marissa, einer brutalen und rücksichtslosen Geheimagentin und seiner Kollegin Lilly, die es sich zur Aufgabe gemacht hat Arsène auf Schritt und Tritt zu verfolgen und ihn auf seine Gesetzesverstöße aufmerksam zu machen, die er im Verlauf der Geschichte begeht.

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Seitenzahl: 227

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Datum:

26.06.16

Autor:

Reinhard Schmelzer

Genre:

Krimi-Komödie

Gewidmet:

Agent Arthur, der mich in jegliche Hinsicht zu diesem Werk inspirierte.

Abrechnung/Vorwort

Geladener Colt als Phallussymbol, handelnd entgegen des Waffenverbots, der Finger am Abzug, zum Ziel geht der Blick, das Schicksal besiegelt; die Waffe macht Klick, der Tod als Erlöser und das Leben Sadist, weder Himmel noch Hölle sondern sich lenken ins Nichts, Die Entscheidung getroffen; es gibt kein Zurück.

Interpret: Ebenfalls Reinhard Schmelzer

Inhaltsverzeichnis:

Kapitel 1 – Dame und Zwei

Kapitel 2 - Der Unbekannte, auch genannt Inkognito

Kapitel 3 - Marissa die Schreckliche

Kapitel 4 – Körpermalerei

Kapitel 5 - Wiedersehen mit Dario

Kapitel 6 - Der Unbekannte, auch genannt Inkognito Teil 2

Kapitel 7 - Der Geist

Kapitel 8 - Einkaufen mit Todesfolge

Kapitel 9 – Bobby der Übungs-Dummy

Kapitel 10 – Gustav Gun

Kapitel 11 – Abstellgleis

Kapitel 12 – Die verbotene Frucht

Kapitel 13 – Die weiße Bruderschaft

Kapitel 14 – Beweisstück Z

Kapitel 15 – Kugelsicher

Kapitel 16 – Im Keller

Kapitel 17 – Nach dem Tod ist vor dem Tod

Kapitel 18 – Taschenspielertricks

Kapitel 19 – Der Kater danach

Kapitel 20 – Geschäft ist Geschäft

Mulhousegestern ereignete sich an einer dicht befahrenen Kreuzung ein abscheuliches Verbrechen. Passanten wurden Zeugen einer Schießerei, welche ein Todesopfer zur Folge hatte. Ein junger Mann mit algerischen Wurzeln feuerte in ein vorbeifahrendes Fahrzeug. Bei dem Opfer handelt es sich um seine Schwester, die noch am Tatort ihren Verletzungen erlag. Religiöse Motive werden von der Polizei nicht ausgeschlossen (Ehrenmord). Der Beifahrer, der offenbar der Lebensgefährte der jungen Frau war, überlebte mit einer schweren Kopfverletzung. Der Schütze ist noch auf der Flucht.

Quelle: Patriotischer Stadtanzeiger, 13ter Januar 2006

Kapitel 1 – Dame und Zwei

Der beißende Gestank des Zigarrenqualms drang in meine Atemwege, als ich die schwere hölzerne Tür öffnete. Der Nebel aus verbranntem Tabak lichtete sich mit jedem Schritt, den ich tat. Ich ging auf sie zu, die Silhouetten, die sich inmitten der Wolke verbargen. Es waren große kräftige Kerle, denen man ihre afrikanischen Wurzeln ganz deutlich ansah. Sie saßen an einem runden Tisch, umgeben von Spielkarten, Aschenbechern und Bierflaschen. Es handelte sich bei ihnen um Macheten schwingenden Elsässer Abschaum. Mitglieder der algerischen Mafia, also Leute die ich abgrundtief verabscheute. „Hey Weißbrot, was treibst du hier? Zu wem willst du?“, fragte mich einer von ihnen. Er sah mich misstrauisch an, so als hätte er mich schon mal irgendwo gesehen. „Ich will zu Maxime“, antwortete ich. Als sie diesen Namen hörten mussten sie lachen. „Habt ihr das gehört Jungs, er will zu Maxime“, machten sie sich über mich lustig. Das Gelächter verstummte, als die Klospülung ertönte und ein Mann im weisen Anzug den Raum betrat. „Da solltet ihr jetzt erstmal nicht mehr reingehen“, warnte er seine Leute und schloss händewedelnd die Tür zur Toilette. Als er mich erblickte schien ihm schlagartig anders zu werden. Es war fast so als hätte er einen Geist gesehen. Wie konnte es sein dass jemand wie ich mich in so einen Schuppen verirrt? „Ich kenne dich“, zeigte er mit seinem ringverzierten Finger auf mich. „Und ich kenne dich“, antwortete ich ihm. Eigentlich hatte ich keine Ahnung wer er war, aber das war in solchen Situationen einer meiner Standardsprüche, um die Leute glauben zu lassen dass ich meine Augen überall hatte und alles wusste. „Du bist doch dieses Bullenschwein, wie war dein Name noch gleich? Ach ja, Arsène Chevalieri“, fuhr er nach kurzem Überlegen fort. „Genau der bin ich und über das B-Wort will ich jetzt mal ausnahmsweise hinwegsehen“, verhöhnte ich ihn und blieb dabei völlig gelassen. Ich war alleine und sie waren zu viert. Da ich Polizist war, hatten sie genau so wenig für mich übrig wie ich für sie. Sie waren bewaffnet und ich nicht. Das lag daran, dass ich wegen einer privaten Angelegenheit hier war. Ich kam nicht um mich mit ihnen anzulegen, im Gegenteil. „Mein Name ist Frank und ich frage mich ehrlich was du hier machst. Was willst du? Suchst du nach Drogen, Prostituierten oder vielleicht nach Waffen? Hier wirst du nichts finden, aber wenn du was in der Richtung brauchst dann geh zur nächsten Straßenecke. Da wird man dir bestimmt weiterhelfen“, machte sich Frank über mich lustig und seine Freunde lachten lautstark über seine Anspielungen. „Er ist auf der Suche nach Maxime“, warf einer von ihnen ein. Frank wurde auf einmal ernst und sagte: „Setz dich“. Er zeigte auf den leeren Stuhl am runden Tisch. Er setzte sich ebenfalls und nahm die Karten in die Hand, die auf dem Tisch verteilt lagen. Er mischte sie immer und immer wieder. Er schwieg dabei, was mich etwas verunsicherte. Es wirkte so als ob er überlegen würde. Er teilte nach mehrmaligen Mischen die Karten aus und fragte: „Darf ich erfahren was du von Maxime willst?“. „Ich glaube das geht nur ihn und mich was an“, antworte ich Frank. Diesen Namen fand ich ziemlich ungewöhnlich für einen Schwarzen. Auch von seiner Art war er irgendwie anders als die anderen, die mit am Tisch saßen. Goldene Ringe zierten seine Finger und eine mit Edelsteinen verzierte Fossil-Uhr sein Handgelenk. Dieses Funkeln spiegelte sich auch in seinen Augen wieder. Es war wie eine Art Killerblick, der jeden erschaudern ließ, doch ich war nicht wie Jeder.

Ich hatte keine Angst vor ihm und das merkte er. „Jeremy, mach unserem Gast einen Kaffee“, forderte er einen seiner Leute auf. War das vielleicht ein Code? Nachdem er seine Karten angesehen hatte, zog Frank sich einen seiner Ringe vom Finger und legte ihn inmitten des Tisches. Auch ich blickte in meine Karten. Mein Blatt, Dame und zwei. „Tut mir leid ich habe nichts von Wert dabei“, vertröstete ich ihn. „Wie wäre es mit deinem Gehirn?“, fragte er mich und lachte dabei. In diesem Moment brachte mir einer der Algerier meinen Kaffee. Er hatte nicht nur den Koffeindrink dabei, sondern noch etwas anderes. Ich identifizierte es als Handfeuerwaffe, die er noch in der Tasche behielt, vermutlich um sie auf Anweisung zu ziehen. Wie erwartet war diesem Pack nicht zu trauen. „Checkt ab ob er verkabelt oder bewaffnet ist“, befahl Frank seinen Leuten. Sie tasteten mich daraufhin ab und durchsuchten mich nach Waffen, doch sie fanden nichts. Sie gaben Frank ein Ok-Zeichen, grünes Licht. „Hast du noch einen letzten Wunsch?“, wollte Frank von mir wissen. Ich musste handeln sonst würde ich wahrscheinlich einbetoniert in einer Garageneinfahrt enden. „Wisst ihr bei der Polizei bezahlen sie sehr schlecht, ich könnte eine Art Nebenjob gebrauchen wenn du verstehst was ich meine. Das ist der Grund warum ich zu Maxime will“, bot ich ihm eine Zusammenarbeit an. Dieses Angebot war jedoch nur ein Vorwand um an Informationen zu kommen. Mich als korrupten Bullen auszugeben, schien mir als die einfachste Variante. „Verdien dein Geld woanders wir vertrauen dir nicht. Ganz nebenbei hier hereinzuspazieren und nach Maxime zu fragen war ein Fehler!“, gab er mir zu verstehen und schnipste mit dem Finger. Mein Vorhaben zu Maxime zu gelangen war gescheitert, jetzt ging es nur noch ums nackte Überleben. Man musste kein Genie sein, um zu begreifen was das Fingerschnipsen bedeutete. „Du willst wissen was ich mir wünsche? Wie wäre es mit Zucker für meinen Kaffee?“, wehrte ich mich gegen das Unausweichliche und kippte dem potentiellen Schützen meinen Kaffee über die Hose. Das war Ablenkung genug fürs Erste. Ich packte ihn an seinen Rasterzöpfen und zog ihn zu mir, um ihn als Schutzschild zu benutzen. Daraufhin kramten die Anderen nach ihren Waffen. Ich trat den Tisch um, der zwischen mir und ihnen stand und kramte währenddessen ebenfalls nach einer Waffe, nach der des Schützen den ich fest im Würgegriff hielt. Mir war klar dass sie auf ihren eigenen Mann schießen würden ohne mit der Wimper zu zucken, daher blieb mir nichts anderes übrig als das Feuer zu erwidern, welches auf mich eröffnet werden würde. Zahlreiche Schüsse hallten durch die Seitengassen der Stadt Mulhouse und versetzten die Anwohner in Angst und Schrecken. Wer würde nach Ladenschluss in einer Kneipe eine Schießerei erwarten? Doch eben genau in dieser Zeit spielten sich solche Dinge ab, eben dann wenn andere Leute schliefen oder vor dem Fernseher saßen, auf der Couch mit ihrem Bier. Genau dann wurde auf den Straßen um Leben und Tod gekämpft. Nur im Schutze der Dunkelheit kroch solch ein Abschaum aus seinen Löchern. Es war ihre Zeit, aber auch meine. Als der Kugelhagel verstummte stand von fünf Leuten nur noch einer, und der war ich. Mein Herz raste und das Blut welches ich vergoss, tränkte den Parkett unter den Solen meiner schwarzen Sneakers. Es war kaum zu glauben, aber ich hatte keinen Kratzer. Das arme Schwein war der junge Mann, der für mich die Kugeln kassierte und vor meinen Füßen lag. Dreimal tippte ich ihn mit der Fußspitze an, doch er rührte sich nicht. Ich ging zu den Anderen, doch auch die rührten sich nicht. Auf einmal hörte ich ein leises schmerzerfülltes Stöhnen, es war Frank der ebenfalls überlebte. „Vielleicht willst du mir jetzt sagen wo Maxime ist“, machte ich ihm mit vorgehaltener Waffe klar, dass sich das Blatt gewendet hatte. Verängstigt sah er mich an. „Du bist so gut wie tot“, drohte er mir, ohne mir noch etwas entgegensetzen zu können. Ich sah dass seine Kniescheibe zerschossen war, was mich sehr überraschte. Ich hatte eher auf den Rumpf gezielt. Jedenfalls musste ich Spuren beseitigen, denn dieser Einsatz war nicht abgesprochen, es konnte also von meinen Kollegen als Selbstjustiz missverstanden werden. Ich streifte mir meine Handschuhe über und reinigte mit einem Tuch die Waffe, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Da Frank ohnehin nicht reden wollte und als Zeuge beseitigt werden musste, drückte ich einem seiner toten Kompagnons die Waffe in die Hand. Alles sollte wie eine Schießerei unter Gangstern aussehen. Als Frank merkte dass ich ihn ebenfalls als Zeugen beseitigen wollte, schien er doch kooperieren zu wollen. „Halt stopp ich sag dir was du wissen willst“, erklärte er sich bereit. „Ich höre…“, antwortete ich und wartete ab. „Maxime versteckt sich in Sankt Amarin. Er leitet von dort aus auch seine Geschäfte“, verriet er mir. „Wo genau?!“, machte ich ihm Druck, um mehr zu erfahren. „Das weiß keiner, das musst du mir glauben“, versuchte er sich herauszureden. Als ich die Waffe auf ihn richtete verschränkte er die Arme vor dem Gesicht und vermittelte mir somit, dass er nicht sterben wollte. Er war im Angesicht des Todes viel feiger als ich dachte. „Er lässt sich dort im Tattooladen öfter seine Tribals nachstechen. Er befindet sich direkt an der Hauptstraße, kannst ihn gar nicht verfehlen. Am besten du wartest dort auf ihn. Komm jetzt lass den Scheiß, ich habe dir gesagt was du wissen willst“, flehte er mich an sein armseliges Leben zu verschonen. „Und dafür danke ich dir sehr“, antwortete ich ganz nüchtern und drückte ab.

Mitten in der Nacht wurde der mulhouser Polizeichef Selpin zu einem Tatort gerufen. Selpin hatte schon viel gesehen und ein äußerst dickes Fell. Ein paar Schwarze, die ohnehin der Polizei bestens bekannt waren, erschreckten ihn wenig. „Sollen die sich doch gegenseitig alle erschießen“, dachte er sich immer schulterzuckend. Er ging unter dem Absperrband hindurch, welches den Ort des Geschehens eingrenzte. Die Leute von der Spurensicherung waren bereits da und es wurden Fotos gemacht. Die Maschinerie der Verbrechensaufklärung lief wie geschmiert. „Da sind sie ja Chef“, wurde Selpin von Lilly begrüßt. Lilly war eine noch sehr junge Polizistin, jedoch für ihren Ehrgeiz bekannt. Sie war bei Kollegen fast schon berüchtigt, als die rothaarige Hüterin der Gerechtigkeit. Sie hatte im Gegensatz zu Selpin dem vieles an seinem runzligen Arsch vorbeiging noch einen Hauch von Idealismus. „Wir haben drei Tote und einen schwer Verletzten. Sie sollten sich mal anhören was der zu sagen hat. Glauben sie mir sie werden es ihm nicht glauben“, klärte Lilly ihren Chef auf und versuchte ihn auf die Aussage des Überlebenden aufmerksam zu machen. Mit dem Verletzten meinte sie Frank, der gerade auf einer Trage abtransportiert wurde. Ich hatte ihn verschont, da ich mit ihm doch noch Mitleid hatte. Es wäre schlicht und ergreifend keine Notwehr gewesen. Ich fand dass es sich ab und an nicht vermeiden ließ jemanden über den Haufen zu schießen, doch jemanden gezielt hinzurichten entsprach nicht meinem Kodex. Außerdem wäre es zu einfach. „Sagen Sie mir was er gesagt hat. Ich verstehe keinen Ghettoslang“, redete sich Selpin heraus, um sich die Arbeit zu ersparen Frank persönlich auszuquetschen. „Er sagte dass ein Polizist hier hereinspaziert sei und mutwillig hier jeden abgeknallt hat“, gab sie Franks Aussage wieder, die natürlich nicht ganz mit der Wahrheit übereinstimmte. „Klar ein Polizist… Und natürlich haben die auch nur für so einen Fall Kanonen dabei. Um sich gegen so böse Menschen wie uns zu verteidigen“, machte sich Selpin über diese Aussage lustig. „Ich bin noch nicht fertig, halten sie sich fest. Bei dem Täter soll es sich um Arsène handeln“, fuhr Lilly fort. „Arsène? Wer soll das sein?“, fragte der in die Jahre gekommene Polizeichef. „Arsène… sie haben ihn doch gestern abgemahnt, weil er die Füße auf ihren Tisch legte“, wurde er von Lilly erinnert. „Arsène…?“, grübelte Selpin weiter. „Arsène Chevalieri. Geschätzte 1,80m groß, schwarze Haare, verschlafener Blick, unverschämte Art. Läuft meistens mit einem Kaffee durch die Gegend“, versuchte Lilly ihrem Chef mich zu beschreiben. „Ach so der… Was soll nochmal mit dem sein?“, fragte Selpin. Sein Kurzzeitgedächtnis war eine Katastrophe, aber das wusste jeder der mit ihm zu tun hatte. „Er soll hier Amok gelaufen sein!“, erinnerte Lilly ihren Chef und wurde dabei schon fast laut. „Ich kann noch sehr gut hören junge Frau. Ich bin der Meinung dass wir für heute Schluss machen sollten. Der Neger redet doch offensichtlich ziemlichen Unsinn.

Ein Polizist läuft hier Amok, dass ich nicht lache. Siehst du diese Karten da auf dem Boden liegen? Mit Sicherheit hat einer beim Spielen betrogen und daraufhin ist es eskaliert. Das mit Arsène hat er sich ausgedacht, ist doch klar“, erklärte Selpin seine Sichtweise zu diesem Fall. „Machen sie es sich da nicht etwas zu einfach?“, fragte Lilly ihren Chef. Dieser blickte fragend drein, als ob das noch nie jemand zu ihm gesagt hätte. „Wir sollten die Beweise sichern und Arsène zumindest zu diesem Fall befragen“, schlug die junge Polizistin vor. „Okay, wenn’s Spaß macht. Ich geh wieder schlafen“, sagte Selpin und kehrte Lilly schulterzuckend den Rücken. Die Algerier waren ihm egal. In Polizeikreisen war bekannt, dass er antisemitische Ansichten teilte, das wusste Lilly. Ihr war klar dass er wenig Interesse daran hatte den Fall aufzudecken. Um die Wahrheit herauszufinden musste sie es selbst in die Hand nehmen.

Kapitel 2 - Der Unbekannte, auch genannt Inkognito

Während die Polizei versuchte den Tathergang zu rekonstruieren und die französische Unterwelt nach Vergeltung dürstete, saß ich am Kamin und vernichtete Beweise. Meine Handschuhe, so wie meine anderen Klamotten warf ich ins Feuer. Ich sah zu, wie sie sich schwärzten und auflösten, vereinnahmt von den Flammen der Vergessenheit. Besonders meine Sneakers zu verbrennen fiel mir nicht leicht, denn sie waren von Nike und verflucht teuer. „Alles nur weil die es darauf anlegen mussten“, dachte ich mir und opferte die schicken Treter dem Feuer. Nur in Boxershorts lehnte ich mich zurück um diesen ruhigen und zugleich besinnlichen Moment zu nutzen. Bei dieser Gelegenheit schlug ich ein Buch auf und blätterte darin. Ich klappte es auf, doch nach ein paar Zeilen dachte ich mir bereits: „Was ist das für eine Scheiße“. Ich klappte es zu, um zu sehen um was es sich für einen Wälzer handelte. „Harry Potter?!“, las ich auf dem Buchrücken und runzelte dabei die Stirn. „Der gehört ebenfalls verbrannt“, dachte ich mir und schmiss auch das Buch in den Kamin. Ich beschloss mich einfach nur zurückzulehnen und nachzudenken. Ich wusste jetzt wo sich Maxime aufhielt. Gleich morgen wollte ich anfangen nach ihm zu suchen. Natürlich wollte mir der alte Sack Selpin keinen Urlaub geben. Für den Fall der Fälle hatte ich sogar eine Kündigung vorbereitet. Ohnehin lag mir schon ein Jobangebot vom französischen Geheimdienst vor. Alles was ich dafür tun musste um dort aufgenommen zu werden war es Maxime zu schnappen, was auch einer der Hauptgründe war warum ich mir überhaupt die Mühe machte nach ihm zu suchen. Natürlich gab es noch einen Grund, doch den verdrängte ich die meiste Zeit erfolgreich. Ich hatte einen Anhaltspunkt bei dem es sich lohnte anzusetzen. Ohnehin war mir klar dass Frank nicht plaudern würde, es wäre sein Ende. Bei der algerischen Mafia galt es als Todsünde einen Kollegen zu verraten, erst recht einen Vorgesetzten. Als ich so in meiner Gedankenwelt versunken war, klopfte jemand bei mir an der Tür. Sofort läuteten die Alarmglocken bei mir. „Wer kommt zu so später Stunde noch bei mir vorbei?“, dachte ich mir und griff zum Kaminstab. Mein Herz schlug immer schneller und schneller. Ich stellte mich neben die Tür und machte mich schon einmal auf alles gefasst. Als ich nach mehrmaligem Klopfen nicht öffnete wurde kurzerhand die Tür eingetreten. Fest umklammerten meine Finger den Stab aus Gusseisen in meiner Hand. „Arsène?“, rief die Stimme nach mir. Die Stimme kam mir bekannt vor, doch ich reagierte darauf erst nicht und ging stattdessen in Angriffshaltung. Ich wartete ab. Eine kleine zierliche Person betrat durch die eingetretene Tür meine Wohnung. Diese roten Locken… war das etwa…? „Arsène?“, sah mich Lilly fragend mit vorgehaltener Knarre an. „Oh man hast du mich erschreckt“, atmete sie auf und nahm den Lauf aus meinem Gesicht. „Und du mich erst. Ich hätte dir fast den Schädel eingeschlagen“, antwortete ich ihr und wies sie auf den Kaminstab hin, den ich augenblicklich zu Boden fallen ließ. „Ich glaube ich hätte dich vorher erschossen“, wehrte sie sich gegen die Unterstellung ein leichtes Opfer zu sein. Sie war viel zu stolz und zu Stur, um zuzugeben, dass sie langsamer gewesen wäre als ich. Was natürlich der Fall gewesen wäre. Sie war klein und zierlich, eigentlich kein Gegner. Dennoch versuchte sie seit jeher mit jedem zu konkurrieren, der schon länger bei der Polizei war als sie. „Warum stehst du hier eigentlich in Unterhose?“, fragte sie und blickte mich skeptisch an, während sie mich musterte. „Warum trittst du meine Tür ein?“, hielt ich dagegen und machte sie damit auf den Tatbestand des Hausfriedensbruchs aufmerksam. „Ich habe zuerst gefragt“, argumentierte sie plump. „Darf man nicht mal leichtbekleidet in seiner eigenen Wohnung herumlaufen, ohne dumme Fragen gestellt zu bekommen und mit einer Knarre bedroht zu werden?“, diskutierte ich mit ihr und fragte mich immer noch was sie bei mir machte. Es war ja von einer Seite ganz gut, dass es sich bei dem ungeladenen Gast nicht um einen schießwütigen Algerier handelte. Jedoch musste ich sagen, dass mir Lilly einen Tick zu neugierig war, aber wie konnte ich sie nur loswerden? „Meinen Informationen zufolge hattest du eine Schießerei mit der algerischen Mafia, da darf man sich ja mal Sorgen machen oder?“, begründete sie den Hausfriedensbruch und erhoffte sich davon mir einige Informationen entlocken zu können. „Algerische Mafia? Nie gehört. Ist das eine neue Hip Hop - Gruppe oder so?“, nahm ich sie ein wenig auf den Arm und versuchte sie so in die Irre zu führen. „Komm veräpple mich hier nicht. Ich weiß dass du dort warst“, stocherte sie weiter. „Dass ich wo war?“, stellte ich mich weiter erfolgreich dumm.

„Verkaufe mich nicht für dumm. Du warst dort, aber warum? Und vor allem warum riecht es hier nach verbrannten Schuhgummi?“, fragte sie mir weiter Löcher in den Bauch und ging zum Kamin. „Liegt es vielleicht daran, dass hier jemand Beweise verbrennt?“, fand sie heraus und beugte sich zum Feuer herunter. „Ich kann dir das Ding noch immer über den Kopf ziehen“, drohte ich ihr und zeigte auf den Kaminstab, der auf dem Boden lag. „Versuche es und ich reiße dir bei lebendigem Leib die Hoden aus dem Sack!“, gab sie mir in ernstem Ton zu verstehen. „Hör zu, du hast zwei Möglichkeiten, entweder ich verhafte dich hier und jetzt und du weißt dass ich das kann. Oder du sagst mir warum du in dieser Bar warst. Dann können wir das Zeug auch verbrennen lassen“, unterbreite sie mir ihr Angebot. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken sie in mein Geheimnis einzuweihen, doch sie war einfach zu neugierig. „Okay ich verrate dir wie und warum das so abgelaufen ist. Aber du musst mir versprechen, dass das unter uns bleibt“, forderte ich von ihr. „Schieß los“, sagte sie und pflanzte sich auf die Couch. Dort machte sie sich breit, als wären es ihre vier Wände. Sie überschlug die Beine und griff zu dem Glas Wein, welches ich zuvor für mich einschenkte.

Nachdem ich die Tür, die Lilly mutwillig zerstörte, wieder notdürftig repariert und mir etwas Frisches angezogen hatte, plauderten wir ein wenig. „Also der Grund warum ich in der Kneipe war ist Folgender…“, fing ich an meine Beweggründe zu erklären. Lilly sah mich mit ihren großen grünen Augen an, als würde sie förmlich aufsaugen wollen, was ich zu sagen hatte. Ich fuhr fort: „Meine Mutter war total die Spießerin, eine geldgeile Immobilienmaklerin. Sie betrachtete meinen Vater mehr als eine Jugendsünde statt eine Jugendliebe. Mein Vater lebte in Mulhouse, dort besuchte ich ihn jedes Wochenende. Zusammen schraubten wir an Autos, spielten Fußball und schauten Zeichentrickfilme. Nach einiger Zeit hatte ich sehr viele Freunde in dieser Gegend. Dieser Freundeskreis wurde zu einer Clique und diese Clique wurde zu einer Gang. Wir nannten uns die 13te“, begann ich ihr meine Geschichte zu erzählen. „Die 13te?“, fragte Lilly verwundert.

„Ja die 13te. Kennst das ja bestimmt. Keine dreizehnte Reihe im Kino, oder im Flugzeug. Auch ein Zimmer 13 wirst du in den meisten Hotels nicht finden. Wir waren genau wie diese Zahl, nämlich absolut nicht gern gesehen“, erklärte ich ihr und sie schien verwundert, doch hörte mir weiter aufmerksam zu. Ich wies sie auf meine Tätowierung hin, in Form einer römischen dreizehn. „Dies ziert seit fast 10 Jahren mein Handgelenk. Ein damaliger Freund hat es mir gestochen, sein Name ist Maxime“, erzählte ich Lilly. „Maxime? Wer soll das sein?“, wollte die Polizistin wissen. „Meinen Informationen zufolge ist er mittlerweile eine ganz große Nummer bei der algerischen Mafia!“, klärte ich sie auf. „Und warum bist du jetzt in der Kneipe Amok gelaufen?“, wollte die Ermittlerin in Zivil nun endlich erfahren. „Ich wollte nur wissen wo Maxime ist, die haben angefangen zu schießen“, verteidigte ich mich. „Was willst du tun wenn du ihn gefunden hast?“, stellte mir Lilly die entscheidende Frage. Ich zog die Augenbrauen nach oben und zögerte mit der Antwort. In diesem Moment klopfte es an der Tür, die ich kurz zuvor reparierte. Handelte es sich hierbei zur Abwechslung um gebetenen Besuch? Ich wagte dies zu bezweifeln „Sind das die Algerier?“, fragte Lilly mit ungewollt zitternder Stimme. „Woher soll ich das wissen?“, sagte ich und zuckte mit den Schultern. Ich riss ihr die Dienstwaffe aus der Hand, welche sie gerade aus ihrem Halfter unter der Jacke zog und lud sie durch. „Gehe am besten in die Küche“, kommandierte ich sie herum. „Das mache ich ganz bestimmt nicht. Gib das her!“, holte sie sich auf unsanfte Weise den Revolver zurück.

„Hey pass doch auf, das Teil ist entsichert!“, warnte ich sie lauthals. „Geh mir aus dem Weg!“, machte sie ihrem Ärger Luft und schupste mich zur Seite, um in Richtung Tür zu gehen. Sie wollte mir beweisen, dass sie taff genug war, mit solchen Umständen klar zu kommen. Als sie nah genug an der Tür war wanderte ihr Blick in Richtung Türspion. Doch genau in diesem Moment flog ihr die ganze Tür entgegen. Die Tür die ich gerade zuvor reparierte, wurde von der Person die von draußen klopfte, aus den Angeln getreten und stieß mit Lillys Kopf zusammen. „Na toll jetzt ist das scheiß Teil endgültig kaputt!“, regte ich mich auf, während wieder auf mich das Feuer eröffnet wurde. Der Schütze benutzte eine leichte Handfeuerwaffe gekoppelt mit einem Schalldämpfer. Zu schnell musste ich in Deckung gehen, um die Person zu erkennen, um die es sich handelte. Ich sah nur dass sie eine Ski Maske trug, bevor ich mich hinter dem Sofa versteckte, welches anschließend von lautlosen Projektilen durchsiebt wurde. Zum zweiten Mal in dieser Nacht, sah ich mein ganzes Leben im Schnelldurchlauf an mir vorbeiziehen. Ich dachte immer wieder zu an meinen damaligen besten Freund, der oft zu mir sagte: „Du bist zu langsam Amigo“. Das stimmte, zumindest in diesem Moment hätte ich nicht schnell genug sein können, doch ich war es nicht. Gerade als die Himmelstore sich vor meinem geistigen Auge öffneten, stellte der Schütze das Feuer ein. Er kickte Lillys Waffe weg, welche vor ihr lag. Sie selbst wirkte benebelt, keine Ahnung ob sie in diesem Moment etwas mitbekam. Ich vernahm einen leichten Luftzug, aber woher? „Stimmt ich hab ja das Küchenfenster offengelassen“, fiel mir wieder ein. Jetzt hieß es entweder alles oder nichts. Ich wohnte im zweiten Stock und musste erstmal an der Schusswaffe des Attentäters vorbei, ohne dass er mich in einen Schweizerkäse verwandelt. „Alles oder nichts“, flüsterte ich vor mich hin und hechtete zur Küche, die mit einem Sprung zu erreichen war. Meine Wohnung war nicht besonders groß, was mir in dem Fall vielleicht das Leben rettete. Ich rannte zum Fenster. Es fehlte die Zeit um es sich jetzt noch anders zu überlegen. Ein nagelneuer Bugatti stand genau dort an der Stelle, an der ich vor hatte zu landen. „Warum nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?“, dachte ich mir und sprang. Der Typ in der Ski Maske war mir dicht auf den Versen, doch er war nicht schnell genug. „Ah…!“, schrie ich als ich mich todesmutig am Fensterbrett abstieß und mich in den freien Fall begab. Unsanft prallte ich auf dem Dach des Sportwagens auf. Die Fensterscheiben des Pkws klirrten und das Blech bog sich nach innen. Es dauerte nicht lange bis ich die volle Aufmerksamkeit der Straße auf mich gelenkt hatte. Das laute und nervende Geräusch der Alarmanlage war kaum zu überhören und riss sogar den hartnäckigsten Schnarcher aus dem Tiefschlaf. Mein potentieller Henker wollte sich erst aus dem Fenster lehnen um auf mich weitere Schüsse abzufeuern, doch er erkannte anscheinend seine Chance und flüchtete. Zumindest machte er sich nicht mehr großartig bemerkbar. Er warf mir noch einen letzten flüchtigen Blick zu, bevor er sich wieder in meine Räumlichkeiten zurückzog.

Frank stocherte mit wenig Begeisterung im Krankenhausfraß herum, der ihm vorgesetzt wurde. „Das alles wegen diesem Arsène“, dachte er sich und spießte eine der Erbsen auf seiner Gabel auf, um sie gegen die Wand zu schleudern. Ein Blick an die Wand verriet schon, dass sein Mittagessen ihm nicht besonders schmeckte. Überall hafteten kleine grüne Flecken. Es sah fast schon aus wie ein Sternenbild, nur eben aus Erbsen. Ein Arzt betrat mit einer Schwester das Zimmer. „Hallo Herr Assad. Mein Name ist Dr. Rosmarin. Wie geht es ihnen?“, wollte der Mediziner von Frank wissen. „Wie soll es mir schon gehen? Ich habe eine Schießerei überlebt. Das war so eine Art Nahtoterfahrung, wissen