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Dramatischer Kampf um die Letzten ihrer Art
Der Silberrücken Kabirizi ist einer der noch etwa 480 Berggorillas des Virunga-Nationalparks. Um sie vor dem Aussterben zu bewahren, kommt der junge Ökologe Robert Muir 2004 in den Kongo. Doch was als Tierschutz beginnt, entwickelt sich zum mörderischen Kampf gegen Wilderer, Bürgerkriegsmilizen, korrupte Beamte und die Holzmafia. Eine Dokumentation, spannend wie ein Krimi.
Im Virunga-Nationalpark im Kongo lebt die Hälfte des weltweiten Bestands von Berggorillas. Ihre Heimat ist Brennpunkt tödlicher Gefahren: Illegale Holzfällerbanden verwüsten für ein paar Säcke Holzkohle den Regenwald. Bei Vulkanausbrüchen verglüht die Vegetation zu Asche. Und immer wieder fallen Milizen in den Nationalpark ein – denn die Tiere stehen dem Raubbau im Weg, mit dem die Bürgerkriegsparteien ihren blutigen Krieg finanzieren.
Fesselnd schildert der Wissenschaftsjournalist und Afrika-Kenner Sebastian Jutzi das Leben und Verhalten der Berggorillas. Im Zentrum steht dabei das Schicksal von Kabirizi und seiner Sippe. Zugleich lässt Jutzi die Leser teilhaben am lebensgefährlichen Engagement des Naturschützers Robert Muir und der Ranger des Parks. Bei ihren Ermittlungen gegen ein weitverzweigtes Netz der Holzmafia werden Hinterhalte und Morddrohungen für sie zum Alltag. – Ein beklemmender Öko-Thriller.
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Seitenzahl: 462
DerSebastian JutziGorilla
Die letzten schwarzen
Riesen im Kongo – ein dokumentarischer Thriller
Copyright © 2012 by Ludwig Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
www.ludwig-verlag.de
Redaktion: Dr. Sigrun Künkele, Hamburg
Karte im Bildteil: © GeoKarta, Altensteig-Wart
Umschlaggestaltung: Eisele Grafik-Design, München
Umschlagabbildungen: picture alliance / A. Rouse (vorne) und picture alliance / M. Carwardine (hinten)
Satz: Leingärtner, Nabburg
ePub-ISBN: 978-3-641-08315-1
Für Jasmin
Vorwort
In dem Moment, in dem ich hier in Frankfurt diese Zeilen schreibe, schlagen rund 6 000 Kilometer entfernt im Gorillawald Granaten ein. Zwischen den schweren Explosionen ertönen Maschinengewehrsalven. Der Krieg ist zurück im Ostkongo. Rebellengruppen haben sich in den Wäldern des Virunga-Nationalparks verschanzt und erwidern von dort den Beschuss der Regierungstruppen. Wieder flüchten die Menschen vor Mord und Totschlag, heraus aus ihren abgelegenen Dörfern, über die grüne Grenze in die Nachbarländer Ruanda und Uganda oder zumindest in die vermeintlich sichere Lage nahe der größeren Städte. Leid und Elend grassieren erneut entlang der großen Seen im Herzen Afrikas.
Wieder ist auch die Zukunft der Berggorillas ungewiss. Instinktiv werden sie vor den krachenden Einschlägen und dem Feuergeruch geflohen sein, tiefer in den Wald hinein. Doch viele Möglichkeiten bleiben ihnen nicht. Ihr Gebiet, ein Anhängsel des Parks, gerade einmal so groß wie Frankfurt, liegt wie eine Insel in einer dicht von Menschen besiedelten Landschaft, in der jeder Quadratmeter entweder Feld oder Siedlungsfläche ist. Und die Gipfellagen der Vulkanberge sind zu kalt und unwirtlich und die Vegetation dort oben zu schütter für Tiere, die mehr als 15 Kilo Pflanzen pro Tag fressen. Zudem gehen sich Gorillagruppen aus dem Weg, sodass es für die mächtigen Anführer, die Silberrücken, schwierig sein wird, überhaupt noch freie Waldstücke zu finden. Sie werden nicht verstehen, dass die Menschen, die sie in den letzten Jahren als zwar eigenartige, aber dennoch friedliche und freundlich distanzierte Besucher kennengelernt haben, nun nichts anderes als Verderben bringen.
Ihre Bodyguards, die täglich unter ihnen weilten, die Ranger der kongolesischen Naturschutzbehörde, sind längst aus dem Park geflohen, nachdem schon in den ersten Tagen der aufflammenden Kampfhandlungen einer ihrer Kollegen erschossen worden war. Ein weiterer von mehr als 120 Rangern, die im letzten Jahrzehnt im Dienst ihr Leben ließen. Diese Männer sind die wahren Helden des Naturschutzes, die sich aufopfern für eine der eindrucksvollsten Tierarten unseres Planeten, für unsere nächsten Verwandten, für die letzten Berggorillas.
Wie an kaum einen anderen Ort der Welt scheinen im Osten des Riesenlandes Kongo Paradies und Hölle miteinander zu verschmelzen. Die Ufer des Kivusees, mitunter von blühenden Gärten gesäumt, mit der Aussicht auf die Berge, erinnern ans Tessin. Der Reiseprospektslogan von der Schweiz Afrikas drängt sich geradezu auf. Große Flüsse, Savannen, Trocken-, Feucht- und Bergwälder, Seen und Sümpfe, all dies sind Bestandteile eines der reichhaltigsten Nationalparks der Welt. Aktive Vulkane, einer sogar mit einem ständig brodelnden Lavasee, ein Fenster quasi ins flüssige Innere unserer Erde, und dazu Berge, deren Gipfel in 5 000 Meter Höhe sogar von Gletschern überzogen sind. Ein Land aus Feuer und Eis, ein Weltnaturerbe par excellence. Dazu die fruchtbarsten Böden für die Landwirtschaft, bestens versorgt mit Wasser und Sonnenlicht, für einen ganzjährigen Anbau. Und darunter eine Schatzkammer mit Gold, Diamanten, seltenen Metallen, Öl und Gas.
Doch der Reichtum schafft Begehrlichkeiten und der Handel mit Bodenschätzen dient häufig dem Waffenkauf. Zur tödlichen Melange im Kongo kommen weitere Faktoren hinzu: Grenzen, die einst willkürlich von Kolonialherrschern geschaffen wurden, Stammesfehden und die Auswirkungen eines der grausamsten Genozide der Geschichte im Nachbarland Ruanda.
Bereits vor mehr als 40 Jahren hat der Grandseigneur des internationalen Naturschutzes, Professor Bernhard Grzimek, den unfassbaren Wert und die blanke Not des Ostkongos erkannt und erste Spendengelder der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt für die Berggorillas, für die Ranger und letztlich für die Menschen der Region eingesetzt. Damals wurde ein stilisiertes Porträt der charismatischen Tiere zum Logo der Organisation, und so ziert der schwarze Gorillakopf auf grünem Grund auch heute noch Landrover, Flugzeuge oder Expeditionskisten in aller Welt. Die Frankfurter Naturschützer sind ihrem Wappentier bis heute treu geblieben. Nur von schwersten Kriegswirren unterbrochen, reicht das Engagement bis in die heutige Zeit und ganz sicher auch darüber hinaus.
Zu wertvoll ist die Region, zu nah am Paradies, als dass man sie leichtfertig aufgeben dürfte.
Doch bisher laufen Krieg und Krisen im Osten des Kongos weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Nur ab und zu schaffen es Nachrichten in die Negativschlagzeilen der Weltpresse. Von einem echten, Frieden schaffenden Engagement der Staatengemeinschaft, das mehr ist als der Alibieinsatz der Blauhelme, scheint man Lichtjahre entfernt. Und darüber hinaus soll das Herzstück des ältesten Nationalparks Afrikas jetzt auch noch für die Ölförderung freigegeben werden.
So ist es das große Verdienst von Sebastian Jutzi, den Vorhang zu öffnen und die Welt teilhaben zu lassen an diesem Drama im Paradies. Sachkundig und ungemein spannend beschreibt er die komplexe Welt an den Vulkanbergen und bringt die Hauptdarsteller ins Rampenlicht. Die Gorillas, selbstverständlich, aber auch ihre Begleiter und Beschützer. So kann nur schreiben, wer viele Monate recherchiert hat und selbst ausgiebig vor Ort war, wer Gorillas in die Augen schauen konnte, wer Berggipfel erklommen hat und wer viele, viele Stunden den Rangern und Naturschützern gelauscht hat. Nur wer es vermag, die Faszination dieser Menschen aufzunehmen, wer ihren unbändigen Willen zum Schutz der Natur versteht, nur der kann dies auch an die Leser weitergeben.
Manchmal im Leben verschlägt es uns an Orte, die einen unweigerlich in den Bann ziehen und nie mehr loslassen. So ist es wohl auch Sebastian Jutzi ergangen, als er vor mehr als fünf Jahren zum ersten Mal den Ostkongo bereiste und mit den Rangern durch den Gorillawald zog. Manchmal gibt es Bücher, die einen fesseln und die man nicht mehr aus der Hand legt, bevor sie ausgelesen sind. Genau dies ist diesem Buch zu wünschen. Und Bernhard Grzimek würde anfügen: Und den Gorillas und Rangern ist zu wünschen, dass die Zoologische Gesellschaft Frankfurt sich weiter so stark für sie einsetzt und dass es Menschen gibt, die dies mit ihren Spenden ermöglichen.
Dr. Christof Schenck
Geschäftsführer Zoologische Gesellschaft Frankfurt
Mai 2012
Prolog
Jetzt gilt es. Mit aller Kraft und aller Entschlossenheit, die ein Gorillamann aufbringen kann, muss der Silberrücken diesen Kampf gewinnen – oder sterben.
Ungefähr 13 Jahre ist er alt, sein mit Muskeln bepackter Körper wiegt vielleicht 150 Kilogramm. Wenn er sich auf seinen Hinterbeinen aufrichtet, ist er etwa 180 Zentimeter groß. Die Haare an seinem Rücken und Bauch haben sich erst vor Kurzem grau verfärbt, als Zeichen seiner Manneswürde und seines Anspruchs, einmal eine eigene Familie zu gründen. Schwarz und lang hängen Zotteln von seinen Armen und Beinen.
Jetzt stehen dem prächtigen Tier mächtige Feinde gegenüber. Sie haben den Silberrücken, der noch unter der Herrschaft eines anderen Gorillas lebt, und seine Sippe in den dichten, dampfenden Bergregenwäldern des Visoke-Vulkans im Herzen Afrikas aufgespürt.
Um den Urwaldkoloss herum springen bellende, zähnefletschende Geschöpfe. Wenn er sie anschreit, dann kläffen und knurren sie nur um so lauter. Sie umkreisen ihn und springen vor, nur um seinen Attacken blitzschnell auszuweichen. Sie sind klein, viel kleiner als der gewaltige Affe, und haben seiner Kraft nichts entgegenzusetzen. Aber er bekommt sie einfach nicht zu fassen.
Hinter den Krawallmachern lauern viel größere Wesen. Sie gehen aufrecht und halten Stöcke in ihren Händen. Sie sind gefährlich, mehr als die bellenden Hunde, mehr noch als Schlangen, mehr noch als Leoparden in der Nacht. Sie stoßen dunkle Rufe aus.
Seit Generationen wissen die Gorillas, dass diese Wesen den Tod bringen. Und es kommen immer mehr, um die Affen zu töten.
Vor ihnen muss er seine Gruppe schützen. Der Anführer hingegen hat sich mit den Weibchen und Jungtieren davongemacht. Die Sippe ist das Wertvollste, das ein Gorillamännchen verteidigen kann. Das wird er nun tun, und wenn es ihn das Leben kostet. So einfach werden diese Wesen jedenfalls nicht an ihm vorbeikommen, um seine Verwandten zu töten.
Jetzt endlich hat der Silberrücken einen der Kläffer gepackt. Seine mächtige Faust greift nach dem kurzhaarigen Fell und schleudert den jaulenden Hund zu Boden. Dann stürzt sich der Gorillamann auf den Gegner, versetzt ihm einen betäubenden Schlag und löscht sein Leben mit einem weiteren Hieb auf den Schädel aus.
Ihm bleibt keine Zeit, seinen Triumph auszukosten, denn schon sind die Kumpane des Getöteten wieder an ihm, schnappen nach Armen und Beinen. Da trifft den Silberrücken ein Stoß in den Rücken. Brennender Schmerz flammt durch seine Schulter.
Rasend vor Wut wirbelt er herum und erblickt hinter einem der zähnefletschenden Hunde den Mann, der ihm einen Speer in den Rücken gerammt hat. Die Augen des Jägers sind weit aufgerissen. Schrecken und Furcht sprechen aus ihnen.
Mit einem zornigen Schrei will sich der Gorilla auf den Wilderer stürzen, doch weicht dieser zurück – zwischen dem Affen und seinem Häscher kläfft der Hund und fletscht die Zähne.
Da, erneut ein Stoß in den Rücken. Der Stich trifft den Gehetzten knapp unterhalb des gewaltigen Brustkorbes. Er schmerzt mindestens so sehr wie die erste Verwundung.
Wieder wirft der Silberrücken seinen Körper in Richtung des Angriffs. Auch hier bellt ein Hund, auch hier zieht sich ein Mann mit einem Speer zurück.
Blut strömt in breiten Bächen über den Rücken des Gorillas. Der Lärm, die Schmerzen, die wie toll herumspringenden Hunde, die Menschen – all das verwirrt den kampfbereiten Silberrücken. Er hält für einen kurzen Moment inne, um neue Kraft zu schöpfen.
Da fährt ihm ein Stich in die Seite. Wieder hat eines der Wesen zugestoßen.
In unbändigem Zorn auf seine Peiniger bäumt sich der Gorilla auf. Er wird sich jetzt auf die Feinde stürzen und sie unter sich begraben. Er muss eine Entscheidung herbeiführen, denn lange wird er sie nicht mehr aufhalten, das spürt er.
Noch während er seinen Oberkörper aufrichtet, fährt ihm ein weiterer Speer in den dadurch entblößten Unterleib. Der Gorillamann fühlt den Schmerz, spürt aber auch, wie seine Beine nachgeben und die Muskeln seiner Arme schwach werden. Die Welt beginnt, sich in einem merkwürdigen Kreisel zu drehen. Eine eigentümliche Dämmerung legt sich über seine Augen.
Langsam, wie in Zeitlupe, sackt der imposante Körper in sich zusammen, fallen Arme, Brustkorb und Kopf schwer zu Boden. Wie von ferne hört der Gorilla das Bellen der Hunde, die Rufe der Menschen. Kaum merkt er, wie sich Zähne in das dichte Fell seiner Arme und Beine schlagen. Kaum spürt er, wie ihm der letzte Speerstoß tödlich in die Brust fährt.
Dann ist er tot.
Hastig schneiden die Wilderer Kopf und Hände des Affen ab. Weiße leben in der Gegend oder kommen als Touristen hierher, ins Grenzgebiet zwischen Ruanda und Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, mitten in Afrika. Sie kaufen diese Körperteile als Souvenirs. Ein Händler hat 20 Dollar für den Kopf eines Silberrückens geboten. Ein verlockender Lohn.
Noch am selben Tag, dem 31. Dezember 1977, finden Helfer der amerikanischen Biologin Dian Fossey die Leiche und bringen sie in ihre Forschungsstation. Die Zoologin hatte den Affen Jahre zuvor »Digit« getauft – nach digitus, dem lateinischen Wort für Finger. Ihr war aufgefallen, dass er seinen einen durch eine Wunde entzündeten Mittelfinger in einer absonderlichen Position hielt.
Indem sie lernte, wie sie sich den Tieren am besten näherte, ohne sie zu verscheuchen, konnte sie sich schließlich inmitten eines Familienverbandes aufhalten. Fossey schloss Freundschaft mit den Affen, sie saß zwischen den schwarzfelligen Tieren, kraulte sie, raufte mit ihnen. Besonders Digit hatte sie wegen seiner freundlichen, neugierigen und fürsorglichen Art ins Herz geschlossen.
Digits Tod war das vielleicht traurigste Ereignis für Fossey, wie sie selbst schrieb. Zugleich brachte ihr dieser Verlust aber auch einen seltenen Erfolg im Kampf gegen Wilderer. Kurz nach Digits Tod stellte sie einen der Männer, die den Gorilla getötet hatten, und verhörte ihn. Er verriet fünf weitere Jagdgesellen, die an der Hatz auf den Silberrücken beteiligt gewesen waren. Einige, nicht alle, wurden verhaftet und bestraft.
Fossey hatte ihre Forschungen bereits 1966 in der damaligen Demokratischen Republik Kongo begonnen. Sie schlug ihr Zelt, das gerade einmal zwei auf drei Meter maß, mit zwei Helfern zunächst bei Kabara im Schatten des Mikeno-Vulkans im Virunga-Nationalpark auf. Diese provisorische Unterkunft diente ihr als Arbeits-, Schlaf- und Wohnraum. Fossey, die mit großer Hartnäckigkeit und enormem Enthusiasmus zu Werke ging, schien am Ziel ihrer Wünsche.
Doch im Juli 1967 kamen bewaffnete Soldaten, um sie abzuholen. Der damalige Parkdirektor hatte die Männer angewiesen, die fremde Weiße nach Rumangabo, dem Hauptquartier der Wildhüter im Nationalpark, zu bringen, weil er ihre Sicherheit nicht mehr garantieren konnte. Kämpfer des kongolesischen Separatisten Moïse Kapenda Tshombé lagen in schweren Gefechten mit der Regierungsarmee. Fossey flüchtete zunächst ins Nachbarland Uganda, weil sie fürchtete, dass die kongolesischen Soldaten sie nicht beschützen würden. Wegen der anhaltend unsicheren Lage im Osten des Kongos errichtete sie ihr neues Forschungscamp dann auf ruandischem Boden.
Die Biologin mit dem herben Charme erkannte früh die Macht der Bilder und nutzte sie für ihre Zwecke. Sie ließ sich zwischen den Affen fotografieren und filmen. Eine Weiße unter den als Urwaldmonster und Frauen raubende Bestien verschrienen Menschenaffen erregte Aufmerksamkeit. Fossey wurde mit ihrem Buch »Gorillas im Nebel« berühmt und organisierte den Kampf gegen die Wilderei in den Gorillawäldern – mit teilweise mehr als zweifelhaften Methoden, da sie Hütten vermeintlicher Wilderer niederbrannte, Vieh erschoss und Gerüchte streute, sie besitze magische Kräfte, mit deren Hilfe sie Menschen verfluchen könne.
Fast genau acht Jahre nach Digit wurde auch Fossey im Alter von 53 Jahren Opfer eines Gewaltaktes. Sie starb am 24. Dezember 1985 nach einem heftigen Kampf in ihrer Hütte im Schatten der Virunga-Vulkane, bei dem zwei Machetenhiebe ihren Schädel spalteten. Man fand Fossey neben ihrem Bett, mit ihren eigenen, ausgerissenen Haaren in der Hand. An ihrer Seite lag ihre Pistole. Sie hatte wohl noch versucht, die Waffe zu laden, im Gewühl aber nach der falschen Munition gegriffen.
Der Mörder nahm keine Wertsachen an sich, obwohl sich viel Bargeld in der Hütte befand. Wer Fossey tötete, ist bis heute ein Rätsel, und umso heftiger blühen die Spekulationen rund um ihren gewaltsamen Tod. Manche vermuten den Racheakt eines Wilderers, manche die Revanche eines Bauern, dessen Vieh Fossey getötet hatte, oder die Verzweiflungstat eines Hexengläubigen. Andere mutmaßen, sie sei selbst der ruandischen Regierung lästig geworden, weil sie sich dagegen wehrte, die Gorillas als touristische Attraktion zu nutzen und Geld mit organisierten Touren zu den Affen zu verdienen. Fossey fürchtete unter anderem – und das nicht zu Unrecht –, dass Besucher auch gefährliche Krankheitserreger einschleppen und dadurch den Fortbestand der Berggorillas gefährden könnten.
Wer nun tatsächlich hinter dem Mord steckt, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Der Stein auf Fosseys Grab, das man im ruandischen Karisoke Research Center direkt neben der letzten Ruhestätte des Gorillas Digit findet, trägt die Inschrift »Niemand liebte Gorillas mehr«.
I
Kongo. Kein Wort hätte Robert Muir besser davon überzeugen können, dass er die richtige Wahl getroffen hatte.
In einem Landrover rumpelt er über die Pisten Afrikas. Zahlreiche Bodenwellen schütteln den Wagen und seine Ladung durch. Die Vibrationen des Gefährts und das Röhren des Motors breiten sich im Körper aus, durchdringen jede Faser, bis er das Gefühl hat, selbst nur noch aus Vibration und Dröhnen zu bestehen. Die Reifen des Fahrzeugs wirbeln Staub auf, der sich durch die kleinste Ritze zwängt und alles, inklusive der dichten Haare des 27-Jährigen, mehlig bedeckt.
Was hatte der Offizier an dem Militärposten noch gesagt? Der Soldat hatte ihm eine Eskorte mitgeben wollen. Das vor ihm liegende, von Banditen gebeutelte Land sei viel zu unsicher, um ihn alleine fahren zu lassen. Er wäre ein zu leichtes Opfer.
Robert hatte davon gehört. Auch hatten ihm alle empfohlen, von der Serengeti aus nördlich um den Viktoriasee herumzufahren, um in die Demokratische Republik Kongo zu gelangen. Aber die ihm eigene Zuversicht und ein Blick auf die Landkarte hatten ihn die wesentlich kürzere Route wählen lassen, direkt aus dem Herzen der Serengeti durch den Westen Tansanias und Ruanda bis zu seinem Einsatzgebiet, den Virunga-Vulkanen im Osten des Kongos.
Robert hatte sich nichts dabei gedacht, als er den Offizier, der ihm die Eskorte anbot, fragte, ob sie ihn nur bis zur ruandischen Grenze oder bis zur Grenze des Kongos begleiten würde. Das schlug wie ein Blitz ein. Noch nie hatte er erlebt, dass ein Wort einen Menschen so überraschen, ja entsetzen konnte. Spöttisch hatte ihn der Posten durchgewunken. Die Gedanken des Soldaten waren deutlich von seinem Gesicht abzulesen: »Du armer Irrer, du brauchst keine Eskorte.«
Immer weiter westwärts fahrend grübelt Robert, was er von dieser Reaktion halten soll. Doch ehe sich Zweifel oder Ängstlichkeit breitmachen, hebt ihn ein gewaltiger Schlag aus dem Sitz. Gedankenverloren hat er eine tückische Bodenwelle übersehen. Der Landrover fliegt mehrere Meter weit, und Robert hat Mühe, das Lenkrad im Griff zu behalten. Geschickt fängt er den Wagen ab, der hart auf der Piste landet. Der Aufprall ist so heftig, dass er seine Wirbelsäule staucht. Dem wagemutigen Briten wird klar, dass er sich besser konzentrieren muss. Einen Überfall von Kriminellen könnte er quasi als höhere Gewalt noch akzeptieren. Aber aus eigener Unachtsamkeit auf der Strecke zu bleiben, wäre eine unverzeihliche Dummheit.
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