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An Joshuas starke Schulter gelehnt, vergisst Maddie die Welt um sich herum! Seit dieser betörend männliche Farmer sie aus höchster Not gerettet hat, träumt sie davon, sich ganz in seine Arme zu begeben und Gipfel der Leidenschaft mit ihm zu erklimmen. Wenn er nur will …
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Seitenzahl: 198
IMPRESSUM
Der Himmel so nah erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 1997 by Leanne Banks Originaltitel: „The Troublemaker Bride“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 975
Umschlagsmotive: Getty Images / Egor Suvorov, Nadiinko
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2022
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751513562
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Maddie starrte aus dem Fenster ihres Wagens. Überall der gleiche Anblick: stehende Autos. Sie befand sich inmitten eines Verkehrsstaus auf dem Highway 81.
So etwas passierte eigentlich nicht in Roanoke, Virginia. Die Bevölkerungsdichte war nicht hoch genug, um Verkehrsprobleme zu verursachen, vor allem nicht auf dem Highway. Laut Radiodurchsage sorgte ein Erdrutsch auf der mittleren Fahrbahn für Verspätungen von bis zu zwei Stunden.
Es wäre nicht so schlimm, wenn sie auf der rechten Fahrspur gestanden und auf die Standspur hätte ausweichen können, um ihr Ziel zu erreichen. Doch sie befand sich in der mittleren Spur. Dabei hatte sie es nicht einmal eilig, zu ihrem Job im Reisebüro zu kommen. Sie hatte den Tag freigenommen. Ein wichtiges Rendezvous hatte sie auch nicht. Sie hatte seit fast neun Monaten keines mehr gehabt.
Ihr Problem war das rhythmische Zusammenziehen ihrer Unterleibsmuskeln. Noch war es eher ein Unbehagen als ein Schmerz, und es tauchte etwa alle fünf Minuten auf. Maddie versuchte sich einzureden, dass es von selbst wieder aufhören würde, aber insgeheim befürchtete sie, es könnte sich doch um Wehen handeln. Und das mitten im einzigen Verkehrsstau in der Geschichte Roanokes, Virginia. Im Regen. Ohne Handy.
Ihr Magen knurrte, und sie wünschte sich zum x-ten Mal, sie hätte ein paar Kekse mitgenommen. Sie spürte ein erneutes Zusammenziehen in ihrem Unterleib; diesmal erforderte es Atemtechnik, um damit fertig zu werden. Maddie stellte sich die Insel Maui vor – weiße Strände, ein wunderbares türkisblaues Meer, Palmen, Regenbogen. Wäre sie jetzt auf Maui, würde sie an einem Mai Thai nippen. Gütiger Himmel, irgendetwas Alkoholisches könnte sie jetzt wirklich gebrauchen.
Ein Anflug von Panik überkam sie. Sie wollte ihr Baby nicht auf dem Highway bekommen. Sie stellte die Scheibenwischer an und hielt verzweifelt nach einem Streifenwagen Ausschau. In diesem Moment wäre sie froh gewesen, einen Polizisten zu sehen. Unglücklicherweise war keiner da.
Verzweiflung überkam sie. Vielleicht sollte sie aussteigen und laufen. Aber hatte die Leiterin ihres Geburtsvorbereitungskurses ihr nicht beigebracht, dass Laufen die Wehen beschleunigte? Und was, wenn sie nicht so weit kam, eine Fahrgelegenheit ins Krankenhaus zu finden?
Als sie sich suchend umschaute, entdeckte sie einen Pick-up mit einem Motorrad auf der Ladefläche, das mit einer Plastikplane bedeckt war. Maddie kam eine verrückte Idee. Aber war diese Idee tatsächlich verrückter, als ihr Baby ohne Hilfe im Wagen zur Welt zu bringen?
Ihrem Instinkt folgend, stieg sie aus ihrem grünen Cabrio und lief an zwei Wagen vorbei bis zum Seitenfenster des Pick-ups. Sie klopfte an die beschlagene Scheibe. Der Mann auf dem Fahrersitz drehte den Kopf und schaute sie an. Maddie lächelte. Er nicht. Sie seufzte und bedeutete ihm, das Fenster herunterzukurbeln.
„Ja?“, fragte er mit einer Stimme, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Aus seinem Autoradio kam ein Heavy-Metal-Song, und anscheinend saß jemand auf dem Beifahrersitz. Aber sie war nicht ganz sicher.
Maddie sah den Mann an und biss sich auf die Lippe. Obwohl er saß, wirkte er groß und furchteinflößend und hart wie Stahl. Seine Augen waren von einem kühlen Grau, sein Gesicht markant. Maddies langjährige Freundin Jenna Jean hielt ihr stets vor, sie urteile vorschnell über Leute. Aber dieser Mann sah eindeutig nicht freundlich aus. Er wirkte nicht so, als hätte er besonders viel Sinn für Humor. Unter anderen Umständen hätte sie sich einfach wieder umgedreht und wäre zu ihrem Wagen zurückgegangen. Doch was sie außer einem Sinn für Humor jetzt ganz dringend brauchte, war das Motorrad dieses Mannes.
„Ich, äh …“ Wieder zogen sich ihre Unterleibsmuskeln zusammen, und sie hob die Hand. „Einen Moment, bitte“, flüsterte sie und konzentrierte sich auf den Türgriff. Einatmen. Ausatmen.
Der Mann wirkte alarmiert. „Was um alles in der Welt …“
Mit Mühe richtete sie sich wieder auf, nachdem es überstanden war. „Funktioniert das Motorrad, das Sie auf der Ladefläche haben?“
„Ja, aber …“
„Ich weiß, das klingt etwas ungewöhnlich“, erklärte sie rasch, um ihre Bitte vor der nächsten Kontraktion hervorzubringen. „Aber meine Wehen haben eingesetzt, und ich muss ins Krankenhaus, bevor …“ Ein Schwall Wasser schoss ihre Beine hinunter. Maddie starrte auf ihre nassen Tennisschuhe. „O verdammt!“
„Wie?“
„Die Fruchtblase ist geplatzt“, sagte sie und erwiderte seinen vorsichtigen Blick. Vielleicht war er doch menschlich. Wenn er nicht so finster dreinschaute, war er beinahe attraktiv. Sie betrachtete ihn genauer. Beim zweiten Hinschauen wirkte er zwar immer noch ein wenig grimmig, aber auch verantwortungsbewusst, dachte sie hoffnungsvoll. Die Stärke, die er ausstrahlte, fand sie anziehend. Und seinen breiten Schultern nach zu urteilen, hatte er wahrscheinlich einen umwerfenden Körper. In einer anderen Situation hätte sie glatt … Maddie sah auf ihren melonenrunden Bauch und verwarf den Gedanken. „Könnte ich mir Ihr Motorrad leihen?“
Das Radio wurde leiser gestellt. „Dad, wer ist denn da draußen?“ Die jüngere männliche Stimme verstummte abrupt. „Eine schwangere Frau“, stellte der Junge nüchtern fest.
Sein Vater sprang aus dem Wagen. „Habe ich Sie richtig verstanden? Sie wollen, dass ich Sie auf einem Motorrad ins Krankenhaus fahre?“
Sie nickte und legte schützend die Hand auf ihren Bauch. „Ich fürchte, mir bleibt keine andere Wahl. Ich will das Baby jedenfalls nicht auf dem Highway 81 bekommen.“ Da er nicht gleich antwortete, stieg erneut Panik in ihr auf. Was, wenn er ihr nicht half? Sie verflocht ihre Finger. „Hören Sie, ich habe nicht viel Geld, aber was ich habe, können Sie bekommen.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bin Reisekauffrau. Vielleicht könnte ich eine Gratisreise für Sie organisieren. Oder ich könnte kochen.“ Ihre Verzweiflung wuchs. „Ich koche Ihnen ein Jahr lang einmal pro Woche Essen, wenn Sie mir nur …“
Ein weiterer Krampf folgte, und diesmal krümmte sie sich vor Schmerzen. Mittendrin hörte sie irgendwelche knappen Anweisungen. Als der Schmerz allmählich nachließ, war das Motorrad abgeladen und der Sohn auf den Fahrersitz des Pick-ups gerutscht. Maddie kämpfte gegen die Tränen der Erleichterung an und lächelte dem Jungen zu, der sie mit großen Augen beobachtete.
„Miss …“, begann der Mann verlegen.
„Maddie Palmer“, stellte sie sich vor und streckte ihm die Hand entgegen.
Seine große warme Hand umschloss ihre. „Joshua Blackwell“, erwiderte er mit vor Besorgnis angespannter Miene. „Schaffen Sie es bis zur Standspur?“
Sie nickte. „Ja, vielen Dank.“
Joshua folgte ihr. „Sparen Sie sich Ihr Dankeschön lieber, bis wir das Krankenhaus erreicht haben.“ Vorsichtig setzte er erst ihr einen Helm auf und dann sich selbst, bevor er auf das Motorrad stieg.
Maddie betrachtete das Motorrad skeptisch und stieg vorsichtig auf. Motorräder waren nicht für schwangere Frauen gebaut. Sie biss die Zähne zusammen und umklammerte seine Taille.
„Können Sie so sitzen?“
„Ja“, flüsterte sie und kämpfte mit einem neuen Krampf.
„Wie groß sind die Abstände zwischen den Wehen?“
Maddie wartete, bis der Schmerz abklang. „Unter vier Minuten.“
„Na fabelhaft“, murmelte er. „Also, halten Sie sich fest. Ich werde so schnell und ruhig wie möglich fahren. Wenn Sie spüren, dass eine neue Wehe kommt, drücken Sie mich, schreien Sie, treten Sie mich – nur lassen Sie es mich wissen.“
Ihre Meinung von Joshua stieg um zehn Punkte. Er war stark, er war praktisch und am wichtigsten: Er war da. „Einverstanden.“
Er nickte kurz und startete den Motor. „Na dann los!“
Sie schafften es in siebzehn Minuten und zweiunddreißig Sekunden bis zum Krankenhaus. Joshua zählte mit. Für Maddie musste es eine höllische Fahrt gewesen sein. Bei ihrer Ankunft war ihr Gesicht schmerzverzerrt. Sie fiel förmlich vom Motorrad. Die Mannschaft der Notaufnahme half ihr in einen Rollstuhl und fuhr sie hinauf in die Entbindungsstation. Sie riefen Joshua Anweisungen zu, ihnen zu folgen.
Er war nie der Typ gewesen, der blind irgendwelchen Anweisungen folgte, aber diesmal tat er es. Eine rothaarige schwangere Lady ins Krankenhaus zu fahren hatte seinen Adrenalinspiegel steigen lassen. Er wusch sich, zog sich einen sterilen Papieroverall an und wurde in den Kreißsaal geführt.
„Hallo“, sagte Maddie, und in ihrer Stimme klang Erleichterung mit, als er zur Tür hereinkam. „Sie meinten, mein Geburtshelfer schafft es nicht rechtzeitig.“
Er runzelte die Stirn. „Was ist mit Ihrem Mann?“
„Ich habe keinen.“ Sie wandte den Blick ab.
Joshua betrachtete sie lange. Ihr Gesicht wirkte selbst im Kontrast zum gelblichen Krankenhausnachthemd blass. Sie sah jung und ängstlich aus. Abgesehen von ihrem dicken Bauch war sie schmal und zart gebaut. Ein heftiger Beschützerinstinkt überkam ihn, und trotz der merkwürdigen Umstände musterte er sie weiter. Sie hatte volle Brüste und wohlgeformte Beine. Über ihre Hüften konnte er nichts sagen, da sie momentan verschwunden waren. Doch vermutete er, dass sie schlank waren. Außerdem hatte sie Sommersprossen auf der Nase.
Mit wachsamer Neugier in ihren braunen Augen beobachtete sie ihn. Die Art, wie sie das Kinn reckte, verriet ihm, dass sie eine Kämpfernatur war. Und irgendetwas an ihrem Mund signalisierte ihm, dass sie eine leidenschaftliche Frau war. Kurz flackerte seine Neugier auf.
„Sie brauchen nicht zu bleiben, wenn Sie nicht wollen“, erklärte sie.
Gefangen von einem seltenen Augenblick der Unentschlossenheit, unterdrückte Joshua einen Fluch, als Maddie die Augen schloss und wieder tief einzuatmen begann.
Ihr Gesicht war schmerzverzerrt. „Ich muss pressen. Holen Sie die Schwester – nein!“, rief sie keuchend und streckte den Arm nach ihm aus, da er sich abwandte. „Bleiben Sie.“
Er ließ sie seine Hand umklammern. Für eine kleine Frau hatte sie einen starken Griff. „Atmen Sie flach“, befahl er und erinnerte sich dunkel an die Geburt seines Sohnes vor sechzehn Jahren.
Erstaunlicherweise gehorchte Maddie und atmete, bis der Drang zu pressen vorbei war. Als Joshua seine Hand zurückzuziehen versuchte, schüttelte sie den Kopf. Ihre Augen waren angstvoll geweitet.
Sein Herz zog sich zusammen. Es war ein seltsames, beinah vergessenes Gefühl. „Ich bin innerhalb von dreißig Sekunden wieder zurück. Das verspreche ich.“
Ihre Blicke verschmolzen, und er erkannte, dass sie ihm vertraute. Es ging ihm durch und durch, doch er schüttelte dieses Gefühl ab. Darüber würde er sich später Gedanken machen müssen. Jetzt wartete erst einmal ein Baby darauf, zur Welt gebracht zu werden.
Joshua hielt sein Versprechen und war rasch wieder zurück, mit einer Krankenschwester im Schlepptau. Nachdem die Schwester Maddie untersucht hatte, ging alles sehr schnell. „Nicht pressen. Ich hole den Arzt.“
„Wo steckt er?“, empörte sich Maddie. „Macht er vielleicht gerade eine Kaffeepause? Männer sind nie da, wenn man sie braucht.“ Sie bekam einen neuen Krampf. „Wer hätte gedacht, dass so ein winziges Loch in einem Kondom …“, sie schluchzte, „so viel Schmerz verursachen kann. Im Geburtsvorbereitungskurs hat man mir gesagt, wenn die Schmerzen kommen, soll ich mir etwas Schönes vorstellen. Wenn ich auf Maui wäre, würde ich im klaren Meer schnorcheln. Ich würde …“ Sie hielt inne und schrie. „Wo ist der Doktor?“
Joshua nahm ihre Hand und hielt sie, selbst als ihre Fingernägel sich tief in sein Fleisch gruben. Endlich tauchte der Arzt auf, und Maddie presste dreiundzwanzig angespannte Minuten, bis ihr Sohn zur Welt kam. Die Schwester wickelte das Baby ein und legte es Maddie auf die Brust.
„Er ist wunderschön“, sagte sie, und Tränen liefen über ihre Wangen. „Er ist so wunderschön.“ Sie berührte seinen kahlen Kopf und die schrumpeligen Ohren. „Du hattest es aber eilig, wie?“, murmelte sie.
Dieser Moment war so intim, dass Joshua sich plötzlich überflüssig vorkam. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und dachte daran, zu verschwinden.
Maddie sah zu ihm auf. Sie schniefte laut, und dann lächelte sie. „Ist er nicht wundervoll?“
Joshua betrachtete das Baby und lächelte ebenfalls. „Ja, er ist schon etwas Besonderes.“
„Möchten Sie ihn halten?“
Verblüfft zögerte er.
„Nur zu“, drängte sie ihn und hob ihm das Bündel entgegen.
Joshua nahm das Baby übervorsichtig auf den Arm. Es war so klein und zerbrechlich, und doch so lebendig. Er sah das kleine menschliche Wesen an, das seinen Blick erwiderte. Das Baby reckte seine Faust.
Joshua dachte an Patrick. Er hatte in Abwesenheit seiner Frau immer das Beste für seinen Sohn getan, doch über die jahrelangen Bemühungen, das Richtige zu tun, war etwas in seinem Innern gestorben. Trotz seiner Anstrengungen hatte Patrick etwas von ihm gebraucht, das er ihm nicht hatte geben können. Daher stellte Joshua nun nach zwölf Jahren zum ersten Mal fest, wie sich eine längst vergessene Wärme in ihm ausbreitete. Dieses Gefühl war so wenig vertraut, dass er nichts damit anzufangen wusste.
Eine Schwester kam hereingeeilt. „Ms. Palmer, die Leute, die Sie uns zu benachrichtigen baten, sind im Wartezimmer und wollen Sie unbedingt sehen. Mr. Benjamin Palmer …“
„Mein Bruder“, sagte Maddie. „Und ich wette, die andere Person ist Jenna Jean.“
„Ms. Jenna Anderson“, erklärte die Schwester.
„Richten Sie ihnen aus, ich werde sie in ein paar Minuten sehen. Und“, fügte sie mit einem boshaften Funkeln in den Augen hinzu, „sagen Sie ihnen, ich hätte Fünflinge zur Welt gebracht.“
Die Schwester stand mit offenem Mund da und schaute auf das Kind auf Joshuas Arm. „Wie bitte?“
„Nur zum Spaß“, erläuterte Maddie. „Die beiden wollen Paten werden.“ Sie lachte und sah zärtlich zu Joshua und dem Baby. „Ich wette, als Sie heute Morgen aufwachten, hatten Sie keine Ahnung, dass Sie eine schwangere Lady aus einem Stau befreien und ihr bei der Geburt ihres Babys beistehen würden.“
„Das kann ich wirklich nicht behaupten“, gestand er und fand, dass in ihrem kleinen Finger mehr Lebendigkeit steckte als in seinem ganzen Körper. Er empfand Neid und fühlte sich gegen seinen Willen zu ihr hingezogen. Diese beiden neuen Gefühle beunruhigten ihn. „Hier ist er“, sagte er und beugte sich über Maddie, um ihr das Baby zurückzugeben.
Sie hielt es in einer natürlichen mütterlichen Art an die Brust. In einer ebenso natürlichen Bewegung winkte sie Joshua näher zu sich heran. „Kommen Sie“, bat sie und verblüffte ihn völlig, indem sie ihn auf die Wange küsste. „Danke. Sie waren heute ein Held.“
Er sah sie an und fühlte, wie sich etwas in ihm veränderte. Er räusperte sich und wich blinzelnd zurück. „Kein Problem“, murmelte er. „Ich sollte jetzt gehen. Kümmern Sie sich um das Kind. Und passen Sie auf sich auf.“ Zu seinem eigenen Erstaunen sträubte sich etwas in ihm dagegen, einfach wieder aus Maddie Palmers Leben zu verschwinden.
Joshua erinnerte sich nicht mehr an den genauen Tag, an dem er aufgehört hatte zu träumen. Er wusste nur, dass er seit Jahren nicht mehr im Schlaf träumte. Als er in dieser Nacht in sein großes Bett stieg, erwartete er keine Träume. Er lauschte auf die Stille im Haus. Er sagte sich, dass es eine gute Stille war. Besonders nach dem Lärm dieses Tages.
Er dachte an die Termine für die Stuten, die gedeckt werden sollten. Er dachte an seinen Sohn und dass die Distanz zwischen ihnen mit jedem Tag ein Stück größer wurde. Es störte ihn, aber er wusste, dass Patrick erwachsen wurde, und das bedeutete nun einmal, dass er sich von seinem Dad entfernte.
Seine Gedanken kehrten zu dem Bild von Maddie mit ihrem neugeborenen Sohn zurück, was die Erinnerung an Patricks Geburt weckte. Joshua und seine Frau waren viel zu jung gewesen, um die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, doch sie hatten es dennoch getan. Sie waren voller Hoffnungen und Träume gewesen, hatten Pläne für die Zukunft geschmiedet …
Das war vor Gails Krankheit gewesen. Bevor sie vor seinen Augen dahinwelkte und starb. Patrick war damals erst vier. Irgendwann nach ihrem Tod hatte Joshua aufgehört zu träumen. Aber das war in Ordnung, redete er sich ein. Er hatte seine Arbeit zu erledigen, und er hatte damit zu tun, als Alleinerziehender zurechtzukommen. Das Leben war eine ernste Angelegenheit. Er hatte keine Zeit für Träume.
Es war früher Abend, und auf der Ranch der Blackwells herrschte Ruhe. Joshua blätterte die Zeitung durch. Die einzigen Geräusche, die man hörte, waren das Rascheln des Papiers, ein leises Klopfen mit dem Fuß, das von seinem Sohn stammte, der gerade seine Hausaufgaben machte, und das Hecheln des deutschen Schäferhunds Major, der vor der Haustür herumschlich.
Joshua war die Stille gewöhnt. Wenn er es sich gestattete, darüber nachzudenken, konnte er das Gefühl, das die Stille in ihm weckte, benennen: Leere. Doch Joshua war ein viel beschäftigter Mann mit der Verantwortung für eine erfolgreiche Pferdefarm und seinen Sohn. Da blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, was ihm fehlte.
Er spähte über den Rand seiner Zeitung zu Patrick. Vermutlich hielt sein Sohn ihn für einen strengen, humorlosen und kühlen Mann. Joshua fragte sich, ob er vielleicht tatsächlich so geworden war. Sofort verdrängte er diese unproduktive Überlegung, schaute wieder in seine Zeitung und ignorierte die Distanz zwischen ihm und seinem Sohn. Doch die Stille, die endlose, leere Stille blieb.
Major knurrte.
„Platz!“, befahl Joshua.
Major gehorchte für einige Sekunden, ehe er erneut aufsprang und zu bellen anfing. Patrick sah von seinen Hausaufgaben auf. „Was hat er denn?“
Joshua zuckte die Schultern und stand auf, um den Hund herauszulassen. Kaum hatte er die Tür geöffnet, hörte er das Knattern eines kaputten Auspuffs. Der Auspuff gehörte zu einem Wagen, der die schmutzige Straße entlang auf sein Haus zukam. Während Major wie verrückt bellte, spähte Joshua mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit. Er schaltete die Außenbeleuchtung an. Der Wagen kam ihm vage vertraut vor, aber er konnte sich nicht genau erinnern, woher.
Das grüne Cabrio hielt ruckartig vor seinem Haus. Kurz darauf wurde die Fahrertür geöffnet, und in Majors Gebell stimmte das Geschrei eines Babys ein.
Patrick kam zu Joshua. „Was …“
Die beiden Blackwell-Männer schauten verblüfft zu, wie Maddie Palmer ihr Baby in ein Tragetuch legte, das vor ihrem Bauch hing, zwei große Körbe nahm und an Major vorbei die Treppenstufen heraufstapfte.
„Hallo“, rief sie fröhlich. „Erinnern Sie sich noch an mich? Sie haben mich vor sechs Wochen ins Krankenhaus gefahren und mir bei der Geburt meines Babys beigestanden. Ich habe Ihnen ein Jahr lang einmal pro Woche eine Mahlzeit versprochen, und ich versuche, meine Versprechen zu halten. Also, hier ist die erste Mahlzeit.“
„Wie bitte?“ Joshua starrte sie ungläubig an. Sie konnte doch unmöglich annehmen, dass er sie vergessen hatte. Noch nie zuvor hatte er eine schwangere Frau auf dem Motorrad ins Krankenhaus gefahren.
„Essen“, sagte Patrick erfreut. „Sie hat uns etwas zu essen gebracht, Dad.“
„Das ist nicht nötig.“
Sie zuckte die Schultern. „Es ist alles fertig.“
Als das Baby sich erneut meldete, nahmen Joshua und Patrick ihr die beiden Körbe ab. „Das ist wirklich nicht …“, begann Joshua erneut.
„Hier ist Kuchen!“, rief Patrick, als hätte er seit Jahren keinen mehr gesehen.
„Kommen Sie herein“, bat Joshua, da das Baby lauter schrie.
„Ich habe unterschätzt, wie lange ich brauchen würde, um Sie zu finden“, erklärte sie und folgte ihm zum Sofa. „Außerdem habe ich mich verfahren und musste einen Ihrer Nachbarn, Mr. Crockett, nach dem Weg fragen. Er ist ein griesgrämiger Mensch, nicht wahr?“
„Sie haben an Otis Crocketts Haus angehalten?“, meinte Patrick und richtete seine Aufmerksamkeit für einen Moment vom Essen auf Maddie. „Hat er Sie mit dem Gewehr bedroht?“
„Er hat damit nicht direkt auf mich gezielt“, berichtete Maddie und hob ihren schreienden Sohn aus dem Tragetuch. „Aber er hatte es über die Schulter gelegt, und er war nicht sehr hilfreich. Ich habe ihm gesagt, dass er dringend an seiner Ausdrucksweise arbeiten muss. Die war grässlich.“
„Gütiger Himmel“, murmelte Joshua. Maddie wirkte so hilflos, und Otis feuerte gern seine Waffen ab. „Halten Sie bloß nicht bei Otis Crockett. Er war schon vor Gericht wegen seines aufbrausenden Temperaments.“
„Er sollte an seiner Persönlichkeit arbeiten“, erklärte sie über das Geschrei des Babys hinweg.
„Halten Sie nicht …“, begann Joshua mit Nachdruck von Neuem, verstummte jedoch, da Maddie ihr Hemd aus dem Hosenbund zog. Seine Miene musste sie irritiert haben, denn sie hielt inne. „Der süße Fratz muss unbedingt gefüttert werden. Sicher haben Sie so etwas schon gesehen, aber …“
„Geh in die Küche, Patrick“, meinte Joshua und folgte ihm. Er rieb sich den Nacken und ermahnte seinen Sohn dazu, sich von Maddie wegzudrehen, während sie ihr Baby stillte.
„Dad, das ist doch nichts Besonderes. Es ist ganz natürlich.“
„Das kannst du jemand anderem erzählen. Ich war auch mal sechzehn.“ Allmählich verstand er, warum die meisten Wirbelstürme nach Frauen benannt waren. In weniger als zwei Minuten war es Maddie gelungen, sein ruhiges, friedliches Zuhause auf den Kopf zu stellen.
Er nahm das Geschirr aus den Körben und servierte das Essen, wobei er registrierte, dass das Baby still war. Das bedeutete, dass es gefüttert wurde und Maddies Brüste nackt waren. Kein Grund, in Aufregung zu geraten, sagte sich Joshua. Wie Patrick schon festgestellt hatte, war es ganz natürlich. Allerdings war es lange her, seit eine Frau in seinem Wohnzimmer gesessen hatte, ganz zu schweigen von einer Frau mit nackten Brüsten.
Joshua verdrängte dieses Bild aus seinem Kopf und konzentrierte sich auf das Essen. Es war viel besser als das Rührei, das er für heute vorgesehen hatte.
„Das ist fantastisch“, meinte Patrick und nahm sich noch ein Stück gebratenes Huhn.
„Genieß es“, bemerkte Joshua trocken. „Es wird für eine Weile deine letzte fantastische Mahlzeit sein.“
„So lange nun auch wieder nicht“, mischte sich Maddie ein.
Er drehte sich zu ihr um und sah ihre wieder geordnete Kleidung und das anziehende Lächeln auf ihrem Gesicht. Er hob die Brauen. „Ach nein?“
„Ganz recht.“ Zärtlich tätschelte sie dem Baby den Rücken. „Ich habe Ihnen ein Jahr lang einmal pro Woche eine Mahlzeit versprochen.“
„Das ist nicht nötig. Es war nett von Ihnen, dass Sie uns heute Abend etwas gebracht haben, aber damit sind wir quitt“, erklärte er, Patricks Protest ignorierend. „Es ist weder sinnvoll noch vernünftig, uns jede Woche ein selbst gekochtes Essen zu bringen.“
Maddies Lächeln wurde breiter. „Es war auch nicht sinnvoll oder vernünftig von Ihnen, eine schwangere Frau auf Ihrem Motorrad ins Krankenhaus zu fahren und ihr anschließend bei der Geburt beizustehen, nicht wahr?“
„Ich …“
„Das ist ein ausgezeichnetes Argument“, mischte sich Patrick ein.
Joshua presste die Lippen zusammen. Gegen seinen ewig hungrigen Sohn und den Wirbelsturm Maddie würde er hart sein müssen. „Es ist nicht …“
„Ich sollte mich jetzt besser auf den Weg machen“, sagte Maddie und sammelte die Körbe und einige bereits leere Teller ein. „Maui ist ein bisschen launisch, und da ich mich hier schon nicht bei Tageslicht auskenne, geschweige denn im Dunkeln, will ich mich lieber nicht mehr verfahren.“
Völlig verwirrt stand Joshua auf. „Maui?“
„Oh, so habe ich meinen Wagen genannt. Vor ein paar Jahren musste ich mich zwischen einer Reise nach Maui und dem Kauf eines neuen Wagens entscheiden. Ich entschied mich für Maui und beschloss meinen Wagen danach zu benennen, zur Erinnerung für jedes Mal, wenn er kaputtgeht.“ Sie schaute auf ihr schlafendes Baby. „Hast du nicht zugehört, was ich dir gestern Nacht gesagt habe?“, flüsterte sie. „Du sollst doch auf mich warten, bevor du einschläfst.“
Das Baby rührte sich nicht.
Maddie warf Joshua und Patrick einen ironischen Blick zu. „Männer.“
Patrick lachte. „Wie heißt er eigentlich richtig?“