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Philipp Galen erzählt in diesem Krimi die Geschichte eines Mannes, der von seinem eigenen Bruder und Vater überfallen und in ein Irrenhaus gesperrt wird. Aus diesem Irrenhaus kommt er aus eigenem Antrieb nicht wieder heraus. Alle seine Bestrebungen frei zu werden, werden von den Ärzten als Beweis für sein Irre-Sein angesehen. - Da besucht ein ausländischer Arzt für einige Wochen das Irrenhaus und findet den Irren von St. James gar nicht irrsinnig, sondern geistig ganz und gar gesund. Warum, fragt er sich, wurde dieser Mann hier eingeliefert?
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Philipp Galen
Der Irre von St. James
Kriminalroman
Basel, 2017
Es war in den ersten Tagen des Juni im Jahre 1843, als ich, von einer Reise nach Schottland zurückkehrend, denjenigen Teil Englands betrat, in welchem das steilere Gebirge allmählich in die wellenförmigen grünen Hügel übergeht, die, je mehr man sich dem Süden zuwendet, nach und nach sich in das flache Land verlieren.
Es war ein sehr warmer Tag gewesen, und ich hatte, nach meiner Gewohnheit zu Fuß reisend, viel von der Hitze gelitten, so daß ich mit Sehnsucht den kühleren Abendstunden entgegensah, die für den Reisenden so erquickend sind.
Mein Herz, noch erfüllt von den Wundern des Hochlandes, wurde getragen von den schönen Naturszenen, die mich umgaben.
Ich hatte viele fremde und entlegene Länder besucht, nicht nur, um sagen zu können, ich sei dagewesen, sondern ich fühlte mich als Arzt berufen, den Menschen in seinem freuden- und leidenvollen Treiben zu studieren, und ich hatte es mir diesmal zur besonderen Aufgabe gemacht, alle Krankenhäuser von Ruf, vorzüglich aber die Irrenanstalten, zu besuchen, die in England so musterhaft ausgestattet sind, daß sie sogar eine europäische Berühmtheit erlangt haben.
So wollte ich denn eine der namhaftesten dieser Heilstätten aufsuchen, die auf meinem heutigen Wege lag, und längere Zeit darin verweilen – ich meine die Irrenanstalt zu St. James. Mit mancherlei Empfehlungen von London aus versehen und schon daselbst angemeldet, hatte ich von meinem letzten Nachtlager aus mein ganzes Gepäck dahin vorausgesandt und hoffte nun, das alte St. James gegen Abend dieses Tages wohlbehalten zu erreichen.
Gerade nicht sehr ermüdet, denn ich hatte nur eine kleine Tagereise gemacht, sehnte ich mich doch, als der Abend näher und näher kam, nach einem Ruheorte.
Ich war von der gewöhnlichen breiten Landstraße abgewichen, denn ich liebte es, auf einem schmalen Fußwege zu wandern, der mich bald durch Wald und Feld, bald über Wiesen und Moore lockte; noch war ich in den Jahren jener jugendlichen Lebendigkeit und Willkür, der es ein größeres Vergnügen gewährt, bisweilen auf ein kleines abenteuerliches Hindernis zu stoßen, als die breite Fahrstraße entlang zu gehen, die nichts als das unveränderliche Einerlei darbietet.
So war ich also auch diesmal meiner alten Neigung gefolgt und hatte soeben einen schmalen Fußpfad eingeschlagen, der, in schneckenartiger Windung bergab führend, mich in ein kleines, stilles, grünes Tal brachte. Ich stand still und blickte rückwärts die Höhe hinauf, von der ich soeben herabgestiegen war. Die sinkende Sonne, am unbewölkten Himmel langsam dahingleitend, war ihrem Wendepunkte nahe und warf nur noch einige schräge, purpurrot glühende Strahlen auf die höchsten Wipfel der riesigen Bäume jener Anhöhe, während der breite und lange Schatten derselben das tiefere Tal schon dunkler färbte.
So meiner stillen Betrachtung hingegeben, ließ ich mich am Fuße einer schlank gewachsenen Tanne im frischen, duftigen Moose nieder und zog meine Karte hervor, um zu berechnen, wie weit St. James wohl noch von meinem jetzigen Ruheorte entfernt sein könne. Doch, wie es mir oftmals ging, konnte ich auch diesmal den Punkt, an dem ich mich gerade befand, nicht genau auf dem Papier finden, und ich war in einiger Verlegenheit, ob ich nicht ganz vom rechten Wege abgekommen sei, als ich zu meiner Beruhigung einige Menschenstimmen vernahm, die von jener schon erwähnten Höhe zu mir ins Tal herniedertönten.
Bei genauerem Hinhorchen vernahm ich bald, daß es zwei Knabenstimmen waren, die, einen Doppelgesang ausführend, mit ihren klaren Brusttönen anmutig zu wetteifern schienen. Bald auch trennte sich unfern des Gipfels der Höhe das breite Gebüsch, und ich sah, wie ich vermutet, zwei Knaben, die vorsichtig herabstiegen und eine Last aufzuhalten bemüht waren, die den Berg hinab auf sie niederzustürzen drohte. Es war ein Wagen, der eigentümlich gebaut, jenen Krämerkarren glich, wie man sie so häufig in England von Hunden oder einem alten trägen Pferde fortschleppen sieht.
Langsam kamen sie heran, und jetzt gewahrte ich auch hinter ihnen einen älteren Mann, der mit festem Schritte und sicherer Hand den Karren aufhielt, damit er nicht, die Knaben überwältigend, den ziemlich steilen Abhang hinabschieße.
Als der von weitem etwas abenteuerlich aussehende Zug ganz in meine Nähe gelangt war, so daß ich ihn einer genaueren Prüfung unterwerfen konnte, rief der eine der Knaben, der augenscheinlich der älteste von Beiden war, indem er von dem Wagen fortsprang und sich auf das Moos, ziemlich dicht an meiner Seite, niederwarf: »Hier wollen wir ein Weilchen rasten, Vater – das war ein abscheuliches Stück Arbeit, den Berg herab!«
Die Knaben, in Jäckchen und Beinkleidern von grauer Leinwand gekleidet, auf dem Kopfe ein kleines Mützchen von grünem Tuche tragend, sahen einander sehr ähnlich und waren Brüder, obwohl der ältere, der ungefähr sechzehn Jahre zählen mochte, von bei weitem stärkerem Muskelbau und auffallenderem Gesichtsausdruck war als sein jüngerer Gefährte. Es lag etwas Entschiedenes, Keckes auf seinem wohlgeformten Gesicht, das einen kräftigen und tüchtig sich entwickelnden Geist verriet, während der andere, etwa zwei Jahre jüngere Bruder mit seinen hellblauen Augen und blondgelockten Haaren weiche, kindlichere Züge darbot, die, ebenso offen und fröhlich wie die des anderen, doch eine viel zartere, fast weibliche Organisation verrieten.
Dieser angenehme Eindruck, den die Betrachtung der beiden Knaben hervorrief, wurde nicht vermindert durch den Hinblick auf die athletische Gestalt und die auffallend scharf gezeichnete Gesichtsbildung des sie begleitenden Vaters, der von Beruf ein Krämer zu sein schien und über die mittleren Jahre hinaus war, obschon sein dichtes dunkelbraunes Haar noch keine der gewöhnlichen Spuren herannahenden Alters zeigte. Der Umfang seines Armes verriet eine bedeutende Muskelkraft, und der eigentümlich knappe Anzug, den er trug, hob diesen schönen, kräftigen Wuchs nur noch mehr hervor.
Im Ganzen war er wie seine Söhne gekleidet, nur hatte er, zum Unterschied von ihnen, einen dunkelroten, von wollenem Zeuge gewebten, handbreiten Gürtel um den Leib geschlungen, der vorn von einer großen Schnalle zusammengehalten wurde und Papiere oder Geld sicher aufzubewahren bestimmt schien. Seinen starken Haarwuchs bedeckte ebenfalls eine kleine Mütze von grünem Tuche ohne Schirm, wodurch nur noch mehr das Adlerartige seines Gesichtes hervorgehoben wurde. Dieses Gesicht aber, männlich, ernst, mit scharf ausgeprägten, sonnverbrannten Zügen, war wie von einem dunklen Rahmen in einen sehr starken Backenbart eingefaßt, der mit einem großen Schnurr- und Spitzbart um Kinn- und Mundwinkel zusammenlief. Seine große schottische Nase verlieh diesem Gesicht den Ausdruck von Schärfe und Kraft, der den Hochländern so eigentümlich ist, und würde noch mehr aufgefallen sein, wenn er nicht durch die Gutmütigkeit und Biederkeit, die aus seinen dunkelblauen, offenen Augen unverkennbar hervorleuchtete, gemildert worden wäre. Es lag eine Art von gemütlicher und durch nichts zu besiegender Heiterkeit auf diesem merkwürdigen Antlitz, das sogleich Vertrauen erweckte; auffallender aber wurde es bei genauerem Hinblick noch durch einen um seinen Mund mit den kerngesunden Zähnen und die wohlgebildeten, fleischigen Lippen liegenden Anflug von momentaner Wehmut, der einen nicht unangenehmen Gegensatz zu jener Heiterkeit bildete und ihr gewissermaßen einen Zügel anzulegen schien.
Auf dem Hinterteil des kleinen vierrädrigen Wagens, den diese drei Personen zu mir heranleiteten, stand ein ziemlich hohes, korbartiges Gerüst, von starken Weidenruten geflochten; den vorderen Raum nahmen mehrere kleine Kasten und in Wachsleinwand eingeschlagene Pakete ein.
Als der Mann in meine Nähe gekommen, nahm er seine Mütze ab und sagte, indem er sich an meiner Seite im Moose niederließ, mit freundlichem Ton:
»Guten Abend, Sir! Wenn es erlaubt ist, setze ich mich zu Ihnen – in Wahrheit, ein warmer und schöner Abend nach einem heißen Tage!«
»Jawohl!« erwiderte ich und gab den Gruß ebenso freundlich zurück. »Ihr habt da eine schwere Last zu ziehen, wie es scheint, denn Ihr seid samt Euren Knaben in Schweiß geraten!«
»Ja!« rief der ältere der Knaben, »schwer genug für uns, zumal wenn es so heiß ist!«
Der Vater lächelte und schien mit Wohlgefallen auf den dreisten Burschen zu sehen.
»Bob!« sagte er, »du kannst dich jetzt ausruhen, wir sind bald, wo wir sein wollen. – Wohin führt Sie Ihr Weg, Sir?«
»Nach St. James, mein Freund; und es würde mir lieb sein, wenn Ihr mir sagen könntet, ob ich auf dem rechten Wege dahin bin.«
Der Mann sah mich mit einem eigentümlichen Blick an, den ich mir nicht zu deuten wußte, und erwiderte sogleich:
»Bravo! da sind wir Reisegefährten, denn ich will ebenfalls dorthin, und es wundert mich, daß Sie gerade den nächsten Weg gefunden haben, wenn Sie hier nicht bekannt sind.«
»Wie weit haben wir noch?«
»Nun, vier Meilen können es noch sein. Aus diesem Tale kommen wir auf einen grünen Anger. Dann steigen wir eine kleine Anhöhe hinauf und lenken wieder in die Landstraße ein, wo dann das Haus dicht vor uns liegt. Sie sind noch nicht in St. James gewesen, Sir?«
»Nein, es ist das erste Mal, obgleich ich viel davon gehört habe und brieflich schon mit einigen der Beamten daselbst bekannt bin.«
Mein neuer Gefährte ließ ein nachdenkliches Hm! hören und stützte den Kopf auf seine beiden Hände. Einen Augenblick noch schien er nachzusinnen, dann sprang er rasch auf und rief mit lautem, fast barschem Ton:
»Bob! – Will! – Marsch vorwärts – wir kommen vor Mondenschein nicht an. Tummelt euch, ihr Jungen! Wenn es gefällig ist, Sir, so gehen wir zusammen.«
Ich stand auf; die Knaben nahmen die Zugleinen um die Brust und erfaßten die Deichsel des Wagens. Wir Älteren aber schritten langsam hinterher.
Wie mein Begleiter es gesagt, das kleine Tal, in dem wir einige Minuten geruht hatten, mündete in einen weiten grünen Anger, der, ungefähr zwei Meilen weit sich erstreckend, den schönsten weichen Moorgrund bot. Wir waren eben etwa bis zur Mitte gekommen, als wir die Knaben, hinter denen wir, in gleichgültigem Gespräch begriffen, zurückgeblieben waren, stehenbleiben sahen. Wir näherten uns langsam, und als wir dicht bei ihnen waren, bemerkten wir, daß sich Bob auf die Erde geworfen hatte und Will auf der Deichsel saß.
»Nun, warum geht ihr nicht vorwärts?« fragte des Vaters ernste, aber freundliche Stimme.
»Weil wir nicht mehr können!« antwortete Bob mit einem trockenen Tone, während sein sanfterer Bruder ihm einen beschwichtigenden Blick zuwarf.
»Hoho, mein Junge! Sprichst du so! Aufgeschirrt! An die Deichsel, Bursch, und immer vorwärts!«
»Ja!« erwiderte Bob mit einem deutlichen Schmollen in Gebärde und Ton, »du hast gut reden! Du schlenderst gemächlich hinterher und deine armen, schwachen Knaben müssen die ganze Ladung allein ziehen. Der Kuckuck hole den Wagen! Aber ich dächte, du könntest es dir und uns bequemer machen, wenn du dir einen alten Gaul oder ein Paar Doggen zulegtest; solche Hundearbeit ist nicht für Menschen, und umso weniger für Kinder!«
»Da haben wir's!« rief der Vater, und sah mich mit einem ernsten, aber immer noch nicht unfreundlichen Blick an. »Der Junge ist wahrhaftig wie seine Mutter, die sich die Butter nicht vom Brote nehmen ließ – Gott mache sie selig! – Immer Feuer und Flamme; und das kommt ihm in der Tat zu Hilfe, sonst sollte es ihm diesmal schlimm ergehen! Bist du auch so müde, Will?«
»Nun, es geht!« sagte zögernd der sanftere Knabe und senkte errötend seinen lockigen Kopf, so daß man ihm anmerkte, er sei wenigstens ebenso ermüdet wie sein älterer Bruder.
»Ja, nun spricht er nicht!« rief Bob laut aus, »aber mir hat er es gesagt, daß er kaum noch fort kann!«
»Die Knaben sind in der Tat ermüdet«, sagte ich versöhnend, »der Grund ist weich und die Räder schneiden tief ein.«
»Ei ja doch, Sir, ich glaub's ja! Ich habe nichts dawider. Wenn er mir vorher ein gutes Wort gegönnt hätte, wäre ihm schon längst geholfen, aber der Bob ist ein Eisenkopf und ein Brausewind! Auf, Bob! Auf, Will! ich werde mit Hand anlegen!«
Die Knaben erhoben sich langsam und gingen wieder an ihre Arbeit. Der Vater schob hinten an der einen Seite des großen Korbes, ich an der anderen, und so ging es leicht und rasch vorwärts. Nach einer Weile aber wurde der Weg wieder etwas abschüssig, der Wagen rollte fast von selbst und unsere Hilfe war nicht mehr nötig.
Der Vater winkte mir, einige Schritte zurückzubleiben, und sagte dann in leisem Tone:
»Glauben Sie nicht, Sir, daß ich zuviel von meinen Knaben verlange. Ich habe das Einsehen, daß sie über ihre Kräfte nichts leisten können, aber die Umstände brachten es diesmal so mit sich; ich habe es auch schon überlegt, daß ein Paar tüchtige Doggen schneller und dauerhafter sind als diese Kinder. Überdies sehe ich ein, daß es zu ihrem eigenen Besten ist, wenn sie eine regelmäßige Schule besuchen; ich habe sie aber lange Zeit nicht bei mir gehabt und konnte es nicht über mein Herz bringen, mich sogleich wieder von ihnen zu trennen. Trennung tut weh. Wenn sie aber einmal bei mir sind und es sich gerade so fügt, so müssen sie etwas zu tun haben. Der Junge, der Bob, schlägt sonst über die Stränge, und da habe ich ihm denn diesmal die Arbeit eines Zugpferdes bestimmt. Übrigens ist es das erste Mal, und ungewohnte Arbeit ist saure Arbeit! Den Karren habe ich erst gestern gekauft, bisher trug ich meine paar Siebensachen selber auf dem Rücken; da haben Sie meine Bekenntnisse.«
»Ihr habt Recht, die Kinder zu schonen und sie etwas lernen zu lassen; sie scheinen mir Beide Anlagen zu haben, und es wäre schade, wenn auf Kosten ihres Geistes ihr Leib allein angestrengt würde.«
»Das ist auch meine Meinung, Sir! Und so ist es denn jetzt bestimmt, sie sollen in die Schule, ich habe schon meine Gedanken darüber; aber, sehen Sie den schönen Abend, und da kommt der Mond schon langsam hervor, wir haben heute Vollmond, denke ich!«
Wir blieben einen Augenblick stehen und betrachteten stillschweigend die Gegend, die sich bei der abendlichen Beleuchtung in der Tat höchst malerisch ausnahm. Die Luft war milde und erquickend gegen den so heiß gewesenen Tag.
»Halt!« rief der Vater seinen Söhnen zu. »Halt! setzt euch ein wenig und sehet den schönen Vollmond heraufsteigen.«
Wir gingen langsam vorwärts und hatten die Knaben bald wieder eingeholt.
»Sir!« fing der Vater an, als wir auf dem grünen Rasenteppich saßen und nach dem langsam sich hebenden Feuerball voller Spannung und Bewunderung emporblickten, »Sie haben mir gesagt, Sie gingen nach St. James. Darf ich wissen, welches Geschäft sie da haben? Sie verzeihen meine offenherzige Frage, aber ich denke, weil ich selbst keine Gründe habe, meinen Beruf zu verschweigen, ergehe es anderen ebenso.«
Diese Worte wurden gutmütig und treuherzig vorgebracht, daß ich sie gar nicht übel deuten konnte, obwohl sie eine große Neugierde verrieten, und ich erwiderte daher:
»Nun wohl, da Ihr offenherzig zu sein Euch rühmt, so macht den Anfang und erzählt mir Euer Vorhaben und nennt mir Euren Namen, dann will ich gegen Euch ein Gleiches tun.«
»Das ist sehr einfach, Sir, und bald gesagt. Ich bin, wie Sie sehen, zur Zeit ein Krämer und heiße Phillipps. St. James ist einer der vielen Orte, wo ich einen Handel zu machen gedenke, denn ich habe die Erlaubnis, von Zeit zu Zeit daselbst einzusprechen.«
»So will ich denn ebenso kurz sein wie Ihr«, entgegnete ich. »Ich bin Arzt. Ich reise zu meinem Vergnügen und zu meiner Belehrung und besuche deshalb alle Irrenhäuser, wo ich sie finde, denn ich habe, was man in der Welt eine »Passion« nennt, für die armen Kranken darin. St. James aber ist eins der berühmtesten der Art, und ich denke, daselbst vortreffliche Studien zu machen.«
Ich blickte verwundert den Mann an, zu dem ich diese Worte sprach; er hing mit offenem Munde an meinen Lippen und sein Auge flog mit einem auffallenden, halb überraschten, halb zufriedenen Blick über mein Gesicht. Als ich zu Ende war, stieß er sein einsilbiges, diesmal ungemein melancholisch klingendes Hm! hervor.
»Was findet Ihr dabei, Ihr scheint Euch zu wundern?«
»Wundern, Sir? Warum das? Wo es leider Verrückte gibt, muß es auch, Gott sei Dank! Ärzte geben, die sie zu heilen versuchen; es muß aber eine schwere Aufgabe sein, obwohl höchst interessant. Hm.«
»Gewiß höchst interessant, und belehrend obendrein!«
»Und es ist auch ein gutes Werk, Sir, solchen Unglücklichen den verlorenen Verstand wieder zu verschaffen.«
»Gewiß!« sagte ich; »aber gehen wir wieder weiter, sonst kommen wir zu spät an.«
Und wir brachen alsbald wieder auf. Wir waren aber noch keine hundert Schritte gegangen, als Mr. Phillipps wieder das Wort nahm:
»Soviel ich weiß«, sagte er, »gibt es sehr viele belehrende Fälle da unten, Sie werden da auch den – den Irren von St. James kennenlernen, denke ich.«
Diese Worte, ziemlich unbefangen an sich, wurden doch mit einem gewissen Nachdruck vorgebracht und schienen mir etwas, um mich so auszudrücken, lauernd gesprochen zu sein.
»Den Irren von St. James?« fragte ich. »Wer ist das?«
»Ein Verrückter, Sir, ohne Zweifel, wie es deren viele in dem Hause gibt – was weiß ich!«
»Aber Ihr nennt ihn den Irren von St. James, warum wird er so genannt? Es muß doch seine Bewandtnis haben, gerade ihn den Irren von St. James zu nennen, da es doch daselbst der Irren viele gibt.«
»Nun, Sir! Das werden Sie ja selbst sehen, wenn Sie ihn kennen lernen. Ich für meine Person, der ich darüber nur eine untergeordnete Meinung habe, denke, man nennt ihn so, weil er ein ganz eigentümlicher, gebildeter und oft ganz vernünftiger Mann ist, der nur bisweilen seine tollen Anfälle hat, und weil so ein gewisses, geheimnisvolles Dunkel um ihn schwebt, doch lassen Sie es gut sein; wenn Sie sich aber, nachdem Sie ihn gesehen haben, vielleicht für ihn interessieren sollten, und das dürfte leicht möglich sein, so könnte es ganz gut für ihn sein.«
»Wieso gut für ihn?«
»Nun, lassen wir das, lassen wir das, Sir! Sagen Sie mir lieber, wo Sie Ihr Englisch gelernt haben; Sie sprechen es sehr gut, und doch höre ich, daß Sie kein Engländer sind.«
»Ihr seid auch keiner, mein lieber Mr. Phillipps!« sagte ich lächelnd.
Der Mann sah mich aufmerksam von der Seite an, dann lächelte er ebenfalls und erwiderte:
»Sie haben ein gutes Ohr, ich hätte es nicht gedacht, denn ich spreche für einen Schotten ein ziemlich reines Englisch; ja, ich gestehe es, ich bin eigentlich ein Schotte, oder vielmehr nur ein halber, denn meine Mutter war so gut englisch wie die Mutter dieser Knaben, aber mein Vater«, setzte er mit einem gewissen Stolz hinzu, »war echt schottisch, und das konnten Sie mir eigentlich gleich ansehen.«
»Das habe ich auch mehr gesehen als ich es gehört habe, mein Freund«, erwiderte ich. »Ihr habt eine echt schottische Physiognomie, aber ich will ebenso offenherzig sein wie Ihr, ich bin ein Deutscher von Geburt.«
»Ah!« rief der Mann, »habe ich es mir doch gedacht!« und er betrachtete mich zu meiner Verwunderung noch einmal so freundlich wie vorher.
»Nun, ist es etwas so Seltenes, einen Deutschen in England reisen zu sehen?«
»Nein, durchaus nicht, aber es freut mich, Sir, es freut mich sehr, und ihn wird es noch mehr freuen!« setzte er halblaut und mit eigentümlich weichem Tone hinzu.
»Welchen ihn?« fragte ich.
»Nun, nun, warten Sie die Zeit ab, ich will damit nur sagen, daß ich auch einige Jahre in Deutschland war und daß ich auch etwas von Ihrer schweren Sprache verstehe, ich bin mit meinem früheren Herrn dagewesen, ja, Sir, so ist es!«
»Ei, das ist mir ja ganz außerordentlich lieb!« rief ich aus und bot ihm die Hand, die er kräftig schüttelte. »Ihr glaubt nicht, wie gern man in fremden Ländern seine Muttersprache hört, und wenn es Euch recht ist, unterhalten wir uns jetzt Deutsch.«
»Ich bin dabei!« rief der Krämer Phillipps auf Deutsch aus, das er, wie ich in der Folge der Unterhaltung sah, ziemlich geläufig, obwohl mitunter falsch sprach, und nun unterhielten wir uns von Deutschland, und konnten nicht müde werden, mein schönes, stilles Vaterland zu loben und uns unseres Zusammentreffens zu freuen.
Das Gespräch wurde durch Bob unterbrochen, der jetzt im Ernst klagte, daß er und Will vollends müde seien.
»Noch eine halbe Stunde, mein Junge!« sagte der Vater; »und wenn du sie ohne Murren erträgst, so ist dir ein halber Schilling gewiß.«
»Das ist sehr gut!« erwiderte Bob mit einem eigentümlich zweifelhaften Kopfschütteln. »Wenn ich ihn nur erst hätte!«
»Damit du deinen Lohn sicher hast, Bob«, sagte ich, »so hast du von mir hier für's Erste einen ganzen Schilling, und du, kleiner Will, nimm auch einen.«
»Danke, Sir!« sagten Will und Bob zugleich. »Ich werde es Ihnen einst eingedenk sein!« fügte aber Letzterer hinzu.
»Was führt der alberne Junge für närrische Reden!« rief der Vater. »Halten Sie es ihm zugute, Sir, er ist ein Naseweis und Wildfang!«
»Sei doch still, Bob, und fass' tüchtig an, wir sind ja bald da!« flüsterte Will leise.
Wir beiden Erwachsenen halfen jetzt noch einmal den Wagen vorwärtsschieben, denn es ging bergan. Nach einigen Minuten hatten wir den Gipfel der Anhöhe erreicht und befanden uns jetzt auf der Landstraße, die mit Pappeln eingefaßt war. Jetzt ging der Mond helleuchtend auf, wir standen still und sahen vor uns in eine offene, lachende, vom sanften Mondlicht lieblich beleuchtete Gegend.
Ungefähr eine gute Büchsenschußweite vor uns, wenigstens schien es mir so nahe zu sein, lag in der Mitte eines weiten Kessels, zum Teil hinter großen Baumgruppen verborgen, ein ungewöhnlich langes und hohes Gebäude, dessen helle Farbe bei dem jetzigen Abendlichte dem Beschauer beinahe glänzend entgegentrat. Seine drei deutlich zu unterscheidenden Stockwerke waren, soweit man die Fenster durch die Schatten der Bäume erblicken konnte, sämtlich und gleichmäßig hell erleuchtet, was einen überaus freundlichen Anblick in dieser stillen Abendlandschaft gewährte. Vor dem Gebäude lehnte sich an die vor uns liegende Wand dieses großen Kessels ein weiter, mit vielen Bäumen und Buschwerk besetzter Raum, der mir eine parkartige Einrichtung zu verraten schien; wenigstens kam es mir vor, als wenn ich in dem unbestimmten glitzernden Mondlicht mit hellem Kiessande beworfene Wege und hie und da zerstreut liegende, weiß angestrichene Ruhesitze wahrnähme. Rings um diesen Park herum lief eine hohe steinerne Mauer, an welcher sich in ziemlich gleichmäßiger Entfernung voneinander kleine Häuserchen oder vielmehr Türmchen befanden, aus deren runden Fenstern hier und da ein schwacher Lichtschein hervorbrach. Auch konnte man, obwohl nur sehr undeutlich, einen Graben hinter der Mauer unterscheiden, der mit Wasser angefüllt war, über welchen bei jedem Türmchen eine kleine, hölzerne Brücke führte.
Das Ganze hatte somit das Ansehen einer Festung, welche absichtliche Einrichtung durch spätere Wahrnehmung noch deutlicher hervortreten sollte.
Alles dieses bemerkte ich jedoch nicht im ersten Augenblick meines Hinschauens, denn das auffallende Benehmen meiner Begleiter, besonders des älteren, lenkte meine ganze Aufmerksamkeit zunächst auf diese hin.
Wir waren nämlich auf der höchsten Spitze des Berges angelangt, von wo aus man das erleuchtete Gebäude zuerst wahrnehmen konnte, als er in einem aus Freude und Trauer gemischten Tone ausrief:
»Ach! da ist es ja, das alte St. James!«
Dann aber seinen Söhnen einen leisen Wink gebend, den diese sogleich verstanden und befolgten, nahmen sie alle drei ihre kleinen Mützen ab und, in tiefem Stillschweigen verharrend, das Auge vorwärts gewendet, schienen sie ein kurzes Gebet zu verrichten.
Als ihr Gebet beendet war, schlug der Vater seine Arme ineinander, stützte sein Kinn auf seine etwas erhobene rechte Hand, und ich sah, wie er mit ungeheuchelter Traurigkeit und Rührung schweigend auf das vor uns liegende Gebäude hinabschaute. Nachdem er sein Auge einige Minuten lang an dem Anblick desselben gesättigt hatte, ließ er die Hand sinken, ein tiefer Seufzer entquoll seiner Brust und kaum hörbar für mich murmelte er die Worte:
»Da bin ich einmal wieder bei ihm, Gott gebe, daß es bald das letzte Mal sei!«
»Habt Ihr einen Verwandten oder einen Freund in dem Hause, Mr. Phillipps?« fragte ich teilnehmend.
»Einen Verwandten? Nein!« erwiderte er und schüttelte traurig seinen Kopf, »aber einen Freund, einen Freund, ja, mag sein, ich bin ja hier sein einziger Freund, ja, ja, den hab ich dort, Sir!«
»Und ist er unter den Kranken oder unter den Gesunden?«
Hier vernahm ich wieder das bedeutsame Hm! welches er jedesmal auszustoßen schien, wenn ich eine bestimmte Antwort auf meine Frage erwartete. Doch setzte er diesmal, obwohl etwas zögernd und mit unsicherem Tone, hinzu:
»Ohne Zweifel befindet sich der, den ich meine, unter der Zahl der Kranken.«
»So habt Ihr auch wohl vorhin für sein Wohl gebetet?«
»Gewiß, Sir, indessen, wenn das auch nicht wäre, ich bitte jedesmal Gott, wenn ich dies traurige Haus sehe und mich eine ungewöhnliche Rührung ergreift, mir meinen und der Meinigen Verstand zu erhalten, denn Sir, glauben Sie mir, es gibt nichts Unglückseligeres, als – als – verrückt zu sein. Und nun, Jungen«, rief er plötzlich laut, als erwache er aus einem unfreiwilligen Traume, »nehmt die Deichsel und marsch vorwärts.«
Wir schritten alle Vier rüstig den Abhang auf der Landstraße hinab, und es dauerte nicht lange, so kamen wir an die erste der hölzernen Brücken, die über den ziemlich breiten und mit Wasser angefüllten Graben führte und mit einem starken und hohen Gitter, wie man es an einem Stadttore findet, verschlossen war.
»Das ist ja ganz festungsartig hier!« sagte ich.
»Warten Sie nur ein klein wenig, das wird noch besser kommen; jetzt folgen noch zwei Brücken und dann erst kommt die zwanzig Fuß hohe Mauer, mit ihren spitzen Widerhaken höchst künstlich verziert.«
»Diese starke Befestigung«, erwiderte ich, »setzt eine Besorgnis voraus, die mir nicht ganz klar ist.«
»Haha! Ist das nicht klar genug, Sir? Man fürchtet die Entweichung. Seitdem aber die Brücken und die Mauer und die vielen Wärter und Aufseher, die wie Spürhunde auf jeden Schritt und jedes Wort passen, und alle diese Teufeleien im Schwunge sind, kann kein Mensch unbemerkt heraus und hinein. Nun, was das Hinein betrifft, freilich, das hat gute Wege, aber das Heraus, Sir, das ist ein übler Umstand. Haha!«
»Aber ich dächte, so viele Vorkehrungen wären kaum nötig, um Wahnsinnige zurückzuhalten; sie sind doch keine Gefangenen.«
»O ja, doch, Sir! Wir sind in St. James, müssen Sie bedenken. Hier gibt es an die fünfhundert mehr oder minder Wahnsinnige, und diese Herren und Damen wollen behütet sein. Und denken Sie nur, wie viele reiche Leute darunter sind und welche schöne Summe jährlich für sie gezahlt wird, es kostet Geld, mit Anstand verrückt zu sein, ach! und dies Geld verliert man nicht gern. So mancher Springinsfeld von Gentleman würde sich trotz ihrer Höhe und trotz der Wachsamkeit der Aufseher doch auf die Mauer begeben und sich in Gottes freier Welt ein wenig umschauen wollen, wenn die allerliebste Verzierung mit den kleinen, spitzen Stacheln nicht wäre.« Und er ließ wieder sein bitteres Haha! hören, das mehr wie eine verhaltene Anklage als eine offene Ironie klang. – »Aber, heda! alter Brummbär, sollen wir denn ewig vor deinem Gitter stehen?« rief er laut und warf etwas unsanft einen Stein an ein Fenster des Türmchens, worin der Wärter wohnte, vor dessen verschlossenem Eingange wir schon eine Weile standen.
Eine in der Tat brummende Stimme ließ sich aus dem Innern des Hauses vernehmen, und gleich darauf trat ein bejahrter Mann, in einen Pelz gehüllt, heraus, um zu fragen, wer da sei.
»Ich bin's, Phillipps, der Krämer, mein Junge, und habe Tabak mitgebracht, einen Schilling das Pfund, wie du ihn längst gewünscht hast, morgen kannst du ihn kosten, he?«
»Das ist brav, Mr. Phillipps, aber was zum Teufel habt Ihr denn da für ein Gespann von jungen Eseln mit der seltsamen Korbtakelage?«
»Das kannst du dir auch bei Tag besehen, Dick, die jungen Füllen sind meine Söhne und in dem Korbe sind meine Waren, und hier ein Gentleman, ein Besucher, glaube ich, nicht, Sir?«
»Jawohl, jawohl, Mr. Phillipps!« sagte ich, »und ich will zum Besuche beim Herrn Direktor, mein werter Dick«, fügte ich, zu diesem gewandt, hinzu.
»Sie können alle passieren, Gentlemen!« erwiderte der Mann im Pelze und schloß, als wir sein Gitter überschritten hatten, hinter uns wieder zu.
»Sie taten Recht, daß Sie sagten, mein werter Dick«, flüsterte Mr. Phillipps, »man kann nicht wissen, wie man diese Leute künftig einmal gebraucht; ein freundliches Wort zu sprechen macht so wenig Mühe und trägt oft hohe Zinsen. Hollah! aufgemacht, Vetter Jenkins! ich bin's, Phillipps, der Krämer!«
Abermals schloß uns ein Mann das Tor auf, und wir wurden mit denselben Zeremonien eingelassen. Auf ähnliche Weise kamen wir durch ein drittes Gitter und befanden uns nun endlich innerhalb der großen Mauer, die den Park von St. James umschloß, der hinter dem Hause lag, welches uns bis jetzt seine Rückseite zugekehrt hatte.
Hier ließ Phillipps seine Söhne mit dem Wagen stehen, indem er ihnen den Bescheid gab, auf seine Wiederkehr zu warten, die sogleich erfolgen sollte, sobald er mich zum Direktor geführt haben würde. Wir durchschritten jetzt Beide den weitläufigen Park und kamen endlich an das große Hintertor des Hauses, welches ebenfalls verschlossen und von einem eigenen Schließer beaufsichtigt war. Hier erfuhren wir, daß der Direktor der Anstalt mit seiner Familie und einigen Beamten im Garten, der vor dem Hause gelegen war, beim Abendessen sei. Das Vordertor, gleichfalls verschlossen, ward uns von dem Oberportier geöffnet, und wir traten nun in einen, soviel ich sehen konnte, sehr wohl unterhaltenen und mit Blumenbeeten und schönen Staudengewächsen verzierten Garten, aus dessen einem Laubgange wir die Stimmen einer munteren Gesellschaft vernahmen, die in einem höchst heiteren Geplauder begriffen zu sein schien.
»Das klingt ganz gut für ein Irrenhaus«, dachte ich, als Phillipps zu der Gesellschaft getreten war und den Direktor einen Augenblick hervorzukommen bat, wozu wir uns hatten entschließen müssen, da im Augenblick kein anderer Diener in der Nähe war. Der Gerufene erschien sogleich und trat nach einigen Worten des Krämers schnell auf mich zu, worauf ich mich ihm vorstellte und zugleich erklärte, wie ich auf meiner Reise Phillipps begegnet und von diesem in den Bereich seines Gebietes eingeführt worden sei.
Der Direktor, Mr. Elliotson, ein hochgewachsener und wohlbeleibter Mann, der noch nicht fünfundvierzig Jahre zählen konnte, erfreute sich sehr einnehmender Gesichtszüge und eines gefälligen, obschon etwas vornehmen Wesens, welches seiner Erscheinung eine gewisse Würde verlieh. Er drückte mir herzlich die Hand, als ich ihm meinen Namen genannt und die mir aufgetragenen Grüße ausgerichtet hatte Dabei gab er mir die Versicherung, daß er mich mit Freuden schon lange erwartet und zu dem Ende eine Wohnung habe einrichten lassen. Er ließ mir die Wahl, ob ich mich schon jetzt dahin zurückziehen oder an der Gesellschaft im Garten teilnehmen wolle, wo er mich sogleich seiner Familie und einigen Beamten des Hauses vorstellen könne.
Ich wählte das Letztere, und so ward ich denn in eine große Geisblattlaube geführt, die durch mehrere Lampen erleuchtet war und in der ich eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft bei dem Nachtisch eines guten kalten englischen Abendessens versammelt fand.
Unsere Ankunft und die von Seiten Mr. Elliotsons erfolgende Vorstellung meiner geringen Person unterbrach sogleich ihre lebhafte Unterhaltung, und sie waren artig genug, ihre Aufmerksamkeit von dem Gegenstande, der sie beschäftigt hatte, ab und auf mich zu wenden.
Ich fand hier die Gattin des Direktors und seine Kinder, einige Beamte des Hauses mit ihren Familien, die beiden unverehelichten Ärzte und den Prediger. Auch waren noch einige unverheiratete Personen beiderlei Geschlechts zugegen, und namentlich zeichneten sich die Damen durch eine geschmackvolle Toilette und ein freundliches Entgegenkommen vorteilhaft aus, so daß die ganze Versammlung mit ihrem ungezwungenen, vertraulichen Wesen mir bald offenbarte, wie man auch in einem Irrenhause ganz harmlos und behaglich in guter Gesellschaft leben könne.
Nachdem ich einen Imbiß genommen, wandte sich das Gespräch auf die Gegenden, aus denen ich herkam, auf die Hochlande, auf meine früheren Reisen und von da höchst freundlich auf mein gutes, ehrliches Deutschland, das ich so innig liebe.
Ich sprach, wie es mir immer geht, wenn ich warm werde und der Gegenstand mein Herz beschäftigt, mit Eifer und Lebhaftigkeit, und man hörte mir, wie es schien, aufmerksam zu. Unter allen Zuhörern bemerkte ich einen, der mir vom ersten Augenblick an aufgefallen war und der in bescheidener Entfernung von der übrigen Gesellschaft, bald stehend, bald sitzend, einen lebhaften Anteil an dem Gespräch nahm, indem er kein Auge von mir verwandte und mit seinen Blicken, wie gefesselt, an meinen Lippen hing.
Der noch junge Mann, der alle Eigenschaften männlicher Schönheit auf seinem Gesichte trug, saß mir schräg gegenüber, etwas seitwärts von der übrigen Gesellschaft. Die vom Lampenlicht herrührende und nicht ganz vorteilhafte matte Beleuchtung hinderte mich, seine einzelnen Züge genauer zu studieren; was ich aber sah, befriedigte mich nicht allein, sondern forderte mich zu einer umständlicheren Forschung auf.
Er war groß, mehr schlank als stark, aber in wunderschönen Verhältnissen gebaut. Sein blasses, scheinbar etwas leidendes Gesicht, seine hohe, edle, Nachdenken verratende Stirn, sein glänzend schwarzes Haupthaar, vor allem aber sein blitzendes, tiefes und intellektuelles Auge erweckten sogleich in mir das Verlangen, in näheren Verkehr mit ihm zu treten und den Geist, der in diese schöne Hülle gekleidet war, genauer kennenzulernen. Er hatte mich vom ersten Augenblick meines Eintretens an unaufhörlich, beinahe auffallend betrachtet und meinen Erzählungen eine ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt. Als ich von Deutschland sprach, nickte er mir einige Male beifällig zu, als wenn er mir sein Einverständnis dadurch anzeigen wolle, so daß ich bei mehrfacher Gelegenheit meine Worte ausdrücklich an ihn allein richtete.
Nichtsdestoweniger aber antwortete oder sprach er nie, und doch drückte seine Miene den Anteil aus, den sein Inneres an der Unterhaltung nahm.
Soweit ich an diesem Abend bemerken konnte, war er eigentümlich gekleidet, denn er trug ein kurzes schwarzseidenes Jäckchen ohne Schöße; ein feines batistenes Hemd, um dessen Kragen ein buntseidenes Tuch nachlässig geschlungen war, bedeckte seine breite Brust und ließ so den männlich kräftigen Hals wahrnehmen, der auf den starken Schultern so vornehm stolz getragen wurde. Seine kleinen weißen aristokratischen Hände umgab ebenfalls ein schmaler Batiststreifen; den unteren Teil seiner Kleidung konnte ich nicht genauer betrachten, doch war sie auch von dunkler Farbe.
Bald wurde das Gespräch wieder geteilt, man sprach in Gruppen geschieden über mannigfaltige Gegenstände, bis endlich der Ablauf der zehnten Abendstunde der Unterhaltung ein Ende machte und der Direktor sich freundlich erbot, mich auf mein Zimmer zu führen, das, im untersten Stockwerk gelegen, mich, den Müden, wie er sagte, mit allen wünschenswerten Bequemlichkeiten erwartete.
Ich verabschiedete mich und stieg mit Mr. Elliotson ein paar Stufen in dem Hauptgebäude empor und befand mich bald in einem freundlichen Zimmer, welches die Aussicht nach dem Garten darbot, den wir soeben verlassen hatten.
»Wenn Sie nun noch ein Bedürfnis haben, mein lieber Doktor«, sagte mein Begleiter, »so ziehen Sie diese Schelle, man wird jeden Ihrer Wünsche möglichst bald erfüllen.«
Ich dankte verbindlichst und Mr. Elliotson wollte sich schon entfernen, als mir noch etwas einfiel.
»Noch ein Wort, mein bester Mr. Elliotson!« sagte ich. »Wer ist der junge schöne Mann in dem schwarzen Anzuge, mit der hohen Stirn und der Adlernase?«
»Aha! gefällt Ihnen der? Das glaube ich wohl, nun, das ist Mr. Sidney, einer unserer Pfleglinge, in der Nachbarschaft und von den Bewohnern unseres Hauses gewöhnlich der ›Irre von St. James‹ genannt.«
»Was!« rief ich, »es ist ein Wahnsinniger?«
»So ist es, lieber Doktor! – Und nun schlafen Sie wohl, eine gute Nacht und angenehme Träume!«
Er ging und ließ mich über diesen seinen unerwarteten Ausspruch in tiefes Sinnen versunken zurück.
Das war also der Irre von St. James! Gerechter Gott! so jung, so schön und wahnsinnig!
Hier fiel mir, ich weiß nicht durch welche Ideenverbindung hervorgerufen, plötzlich und unwillkürlich das sonderbare Hm! meines ehrlichen Krämers wieder ein. Ich konnte nicht unterlassen, ein ebenso geheimnisvolles, einsilbiges Hm! auszustoßen und über das schreckliche Schicksal dieses Menschen nachzudenken, der, mit allen Gaben seines Schöpfers verschwenderisch ausgestattet, der höchsten, unentbehrlichsten Gabe ermangelte, des gesunden, zum Leben voller Selbstbewußtsein unerläßlich notwendigen ungetrübten Verstandes.
Ich bin oftmals im Leben, und namentlich in meinem Berufe als Arzt, über den merkwürdigen und unerklärlichen Einfluß erstaunt gewesen, den ein menschliches Antlitz in unserer Seele zurückläßt, das nicht allein überaus schön und edel ist, sondern einen unklar und nebelhaft in uns liegenden Keim zu wecken scheint und dadurch, wir wissen selbst nicht wie und warum, unserer Stimmung eine Richtung gibt, die sie vorher nicht hatte. Von jenem Eindruck rede ich, der wie ein geistiger Wink, ein Ausfluß von oben uns überrascht, den wir nicht bezeichnen, sondern nur empfinden können, der, schnell wie der Blitz sich in unser Herz grabend, uns mit Teilnahme erfüllt.
Warum zieht uns dieser tiefe, ruhige, unbefangene Blick des doch nur menschlichen Auges so unwiderstehlich an? Warum klopft unser Herz diesem auf jener Stirn sichtbaren Herzen entgegen? Was will dieser stumme Mund uns, was wollen wir der schweigsam uns gegenüberstehenden Erscheinung sagen? Jenes edle, so ruhige und so schöne Gesicht schwebte mir jetzt wie eine wesenlose Erscheinung vor, die ich in mir zum Wesen gestalten wollte, und was unsere Phantasie einmal erst mit Wärme erfaßt hat, das hält sie mit dauernder Kraft, nach allen Seiten es ausforschend, entwickelnd, Umfang, Inhalt und Tiefe des neugeschaffenen Problems zu ergründen suchend.
Bei aller Ergebung und männlichen Fassung, die auf diesem ausgezeichneten Antlitz thronte, lag etwas auffallend Trauriges in seinen blassen, ich möchte sagen, ein unseliges Geheimnis verbergenden Mienen. Das aber war die Traurigkeit des Wahnsinns nicht, die mir so oft in ihren stark ausgeprägten Zügen entgegengetreten war, nein! diese sanfte, stille und ergebene, doch aber nicht stumpfe Traurigkeit sah aus, als wenn sie aus einer zwar kummervollen und gepreßten, aber doch entschlossen und nur dem Geschick unterliegenden Seele käme. Aus ihr erst mochte der Wahnsinn allmählich entsprungen sein, nachdem die Hoffnungslosigkeit in Verzweiflung übergegangen war. Ja, nur so konnte dieser Mensch gefallen sein, dessen Zustand mir nun klarer wurde. Wenn aber diese Traurigkeit vielleicht zu heben, diese Hoffnungslosigkeit zu erhellen und diese Verzweiflung zu vernichten war, konnte dann nicht auch der Wahnsinn selbst zu besiegen sein? Ich muß gestehen, dieser Anschein hatte etwas für sich, was mich mit Hoffnung erfüllte. Ach! und um diese marmorne Stirn, die den Stempel des Göttlichen so unverfälscht trug, in dem leidenden Zuge um den gepreßten Mund, in dem strahlenden Blicke dieses tief dunklen, eine so klare Seele verratenden Auges lag etwas so unaussprechlich Verständiges, Geistreiches – Geistreiches? Kann ein Wahnsinniger geistreich sein? Gibt es doch viele Wahnsinnige, die, nur in einer einzigen Richtung abirrend, im Übrigen ganz gescheite, außerordentlich begabte und vorurteilsfreie Menschen sind!
Als ich in meinem Zimmer allein war, rief ich mir die ganze soeben gehabte Erscheinung wieder vor Augen. Ich brauchte nicht lange zu rufen, sie hatte schon Boden in mir gewonnen und saß fest in der Tiefe meines geistigen Seins; denn jene hohe, gebieterische Stirn stand immerwährend und unverrückt vor meinem Auge. Ich besichtigte meine beiden Zimmer, was ich stets auf Reisen zu tun pflege, ehe ich mich niederlege, aber wenn ich aus dem einen Zimmer in das andere trat, glaubte ich die dunkle, große Gestalt mit dem duldsam geneigten Kopfe und der unnachahmlichen Haltung vor mir stehen und mich fragend anblicken zu sehen.
Endlich legte ich mich nieder und schloß die Augen; da war sie auch da, und erst nach vielem Bemühen, den Schlaf zu erjagen, schlief ich endlich wirklich ein, aber ich träumte von ihr.
War es eine dunkle Ahnung, die mir andeuten wollte, wie das Geschick jenes Menschen mit meinem Verhalten in einer noch unbekannten Verbindung stehe? – ich weiß es nicht, aber es war so, und ich nahm es willig auf, indem ich beschloß, aufmerksam und des Augenblicks gewärtig zu sein.
Als ich am nächsten Morgen nach einem unruhigen Schlafe erwachte, fielen schon die Strahlen der Sonne in mein Gemach. Ich fuhr mit der Hand über die Stirn ich besann mich auf alles, was ich am Abend vorher gesehen, gedacht und geahnt, was ich im Traume zum zweiten Male durchlebt hatte.
Da klopfte es an meine Tür und der Direktor trat herein.
»Aha!« rief er, als er mich noch im Bette sah, »Sie sind also ein Langschläfer, nun, das wird sich bald ändern. Hier ist man früh wach, denn es gibt viel Arbeit, und Sie werden es schon lernen, mit uns des Morgens tätig zu sein.«
Ich wollte mich entschuldigen, als er lächelnd erwiderte:
»Sagen Sie nichts, ich scherze nur. Schlafen Sie aus, und wenn es Ihnen genehm ist, kommen Sie alsdann zu mir hinüber, dann will ich Sie mit der Einrichtung unserer Anstalt bekannt machen.«
»Ich werde sogleich aufstehen«, antwortete ich, »in einer halben Stunde stehe ich zu Ihren Diensten.«
»So will ich Ihnen Ihr Frühstück senden und Sie in einer halben Stunde selbst wieder abholen. Adieu!«
Bald nach seinem Weggehen erschien ein halb blödsinniger Knabe, den man mir zum Diener gegeben zu haben schien, denn er besorgte auch meine Kleider und brachte mein Frühstück. Nachdem ich dasselbe eingenommen, kam der pünktliche Mr. Elliotson wieder, nahm meinen Arm und führte mich im Hause umher.
Ich erlaube mir, eine treue Schilderung von dem Zustande zu geben, in welchem ich dieses wegen seiner Einrichtung und seiner umfassenden Mittel mit Recht berühmte Irrenhaus antraf.
Was zunächst die Baulichkeit desselben und seine nächste Umgebung anbelangt, so war das Gebäude, wie ich schon erwähnt habe, ein sehr großes, durchaus massives, erst vor einigen Jahren wieder neu ausgebautes Haus, das aus einem Hauptgebäude und zwei Flügeln bestand, welche letztere, vorn und hinten weit über die Vorder- und Hinterfront hinausreichend, ein Stockwerk mehr trugen und so das Ansehen zweier stattlicher Türme hatten.
Die ganze rechte Abteilung des Gebäudes war für die weibliche, zahlreichere Hälfte, denn es werden überall mehr Frauen als Männer wahnsinnig, die linke für die Männer bestimmt. Über einem sehr wohnlich eingerichteten Erdgeschoß erhoben sich drei große Stockwerke, deren oberstes mit einem halbflachen Zinkdache versehen war, die sämtlich aber durch große und vergitterte Fenster von gleicher Größe erhellt wurden.
Die ungeheure Vorderfront des Gebäudes, von einigen vierzig Fenstern Ausdehnung, sah in den Blumen- oder Erholungsgarten der Anstalt, in welchem die Männer und Frauen abgesondert zu bestimmten Stunden des Tages die freie Luft genießen und sich an dem reizenden Anblick und dem Duft der Blumen erquicken konnten.
Große, grüne Rasenplätze wechselten anmutig und regelmäßig mit buschreichen Anpflanzungen ab; an dem zierlich erhaltenen Kiesweg entlang zogen sich teils üppig grünende Buchsbaumhecken, teils waren sie von einem dichten Gehege duftender Lavendelblumen eingefaßt.
Schattige Lauben, mit Bänken und Tischen versehen, reihten sich zu beiden Seiten aneinander, und außer ihnen, ebenfalls unter einem schattigen Gebüsch oder an einen breiten Baumstamm sich lehnend, boten sich den Ermüdeten bequeme Sitzbänke dar.
An den äußersten Grenzen dieses Erholungsgartens waren zu beiden Seiten breite, dunkle Weingänge gezogen, die mit ihrem reichen Blätterschmuck überall die hohe Mauer verdeckten, die auch hier, wie hinter dem Gebäude, die ganze Anstalt umfaßte.
In der Mitte dieses einladenden Aufenthaltsortes sprang täglich auf einem runden, mit Wasserblumen besetzten Rasenstücke ein dreißig Fuß hoher Wasserstrahl, der aus dem großen Wasserbassin in der Badeanstalt gespeist wurde und von welchem aus biegsame Lederschläuche nach allen Teilen des Gartens liefen, nicht allein ihn zu bewässern, sondern auch in der heißen Jahreszeit die Luft abzukühlen bestimmt.
Dieser Teil der Anstalt war, wie gesagt, nur dem Vergnügen und der Erholung der Bewohner derselben geweiht.
Hinter dem Hause aber lag der bei weitem größere, mit schönen uralten Bäumen geschmückte, von breiten Kieswegen durchschnittene und ebenfalls mit gefälligen Ruheplätzen besäte Park.
In ihm befanden sich, durch Hecken und Zäune voneinander abgesondert, die Räume für die Spiele, die gymnastischen Übungen und die zur Kur notwendigen Arbeiten der Irren.
Hier sah man zuerst einen großen Platz, zum Zerkleinern des Holzes bestimmt, eine Arbeit, die überall für eine vortreffliche Beschäftigung Gemütskranker gilt.
Dicht daneben war die sogenannte Rennbahn, ein mit weichem Sande bestreuter großer Platz. Hier zogen die Kranken zu ihrer Belustigung und zur Übung ihrer Kräfte das Seil; hier liefen sie um die Wette, hier übten sie sich im Ringen und Springen.
Dann kam die Kegelbahn, sehr beliebt und fleißig besucht. Sie trennte die Rennbahn von dem freien Ballplatze, der ebenfalls ein großer Lieblingsaufenthalt für viele Spiellustige war und von wo aus man denn auch stets ein lautes Rufen und Jauchzen vernahm.
An den Ballplatz schloß sich der sommerliche Fechtplatz, wo mit Degen von Holz und Korbgeflecht und von Einigen, denen man größeres Zutrauen schenken konnte, auch mit eisernen unter steter Aufsicht und Anleitung der dazu angestellten Lehrer gefochten wurde.
An diesen Raum lehnte sich der allbeliebte Turnplatz, und hier vorzüglich war es, wo man die seltsamsten Übungen, die sonderbarsten Anstrengungen und die bisweilen vollendetsten Geschicklichkeiten der im Allgemeinen scheuen, nur in einzelnen Fällen tollkühn sich abarbeitenden Menge sah.
Nach dem Turnplatze folgte die Reitbahn, die im Winter überdeckt werden konnte; denn auch für diese wohltätige Leibesübung war vortrefflich gesorgt und die duldsamsten Schulpferde standen dicht daneben in den massiven Ställen.
Hinter diesen Spiel- und Übungsplätzen lagen die Küchen- und Obstgärten, die meistenteils unter Anleitung zweier Gärtner von den Irren selbst bestellt wurden. Übrigens nahmen Männer und Weiber an diesen Arbeiten teil; doch nie arbeiteten die verschiedenen Geschlechter zu gleicher Zeit und an gleichem Orte.
Ich war von dieser Ausstattung angenehm überrascht und konnte nicht umhin, dem Direktor meinen ungeteilten Beifall darüber auszudrücken. Er schien sich über meine Bemerkungen zu freuen, und ich erfuhr von ihm, daß dies nach und nach entstanden sei und jedes Jahr erweitert und den Umständen gemäß verbessert wurde.
»Aber die Kosten, mein lieber Sir, wo kommen die her?«
»Das ist unsere geringste Sorge, denn sie müssen wissen, daß wir von Seiten des Staates einmal reich begabt sind, dann aber auch sowohl durch reichliche Spenden und Vermächtnisse zahlreicher Gönner, wie auch durch einen vortrefflich verwalteten Grundbesitz unterstützt werden; weshalb denn auch die, Ihnen vielleicht übermäßig erscheinende Besoldung der hier Angestellten möglich ist. Namentlich sind unsere beiden Arzte vortrefflich gestellt. Ärzte müssen gut gehalten werden, wenn sie ihre schwere Pflicht mit Liebe und Selbstaufopferung üben sollen, denn es gibt keinen edleren, aber auch keinen mühevolleren Beruf als den ihrigen. Tag und Nacht ohne Ruhe, stets für das Wohl anderer tätig besorgt, muß die kurze Mußestunde, die ihnen von ihrem sauren Tagewerke übrig bleibt, sorgenlos und angenehm verfließen können, damit sie neue Liebe und Kraft zu ihrem Werke finden.«
Dieses Gespräch fand statt, als wir uns aus dem Parke in das Innere des Hauses zurückbegaben, um auch dies zu besichtigen.
Durch das große Eingangstor, wenn man vom vorderen Garten hereinkam, trat man in eine Art geräumiger Vorhalle, die von den aufwärts führenden Treppen durch eine verschließbare Glaswand geschieden war und von deren hochgewölbter Decke eine glänzend polierte metallene Lampe, die vom Einbruch der Dunkelheit an bis zum hellen Morgen mit sechs großen Flammen brannte, herabhing. Steinerne, breite Treppen führten doppelt gewunden hinauf in die höheren Stockwerke und hinab in die hellen und weiten Räume des Erdgeschosses.
In diesem letzteren befanden sich die Küchen, die Vorratskammern, die Wasch- und Rollstuben und ebenso die Wohnungen der Hauswarte, der Köche, der Mägde, der Waschfrauen und vieler anderer Personen, die in dem großen Hause zu allerlei Dienstverrichtungen gebraucht wurden.
Die langen und von Zeit zu Zeit durch Glastüren verschlossenen Korridore waren breit, hell und hoch und durch eine hinreichende Anzahl vortrefflicher Lampen hell zu erleuchten.
Jetzt traten wir in das erste Stockwerk. Die Zimmer desselben waren fast glänzend eingerichtet. Im ersten Teile des Hauses befanden sich die Wohnungen der Oberbeamten: des Direktors, des Predigers, der Ärzte, des Verwalters, des Apothekers, mehrerer Lehrer und vieler anderer, auch waren hier die Besuchszimmer gelegen, also auch die meinigen. Von den Zimmern der Ärzte und des Direktors liefen sinnreich konstruierte Schallröhren in die oberen Stockwerke, mittels welcher sie alles vernehmen, aber auch ihre Befehle schleunigst hinaufsenden und ebenso schnell hinaufgerufen werden konnten.
In der linken Hälfte des Hauptgebäudes befanden sich die Bibliothek, die Apotheke, die Bandagen- und Instrumentenkabinette und mehrere größere und kleinere Säle, wie z. B. der Konferenzsaal, das Billard- und Lesezimmer der Beamten, einige Erholungs- und Gesellschaftssäle für die Irren, sowie ebensolche für den Unterricht und verschiedene Männerarbeiten bestimmt.
In dem linken Flügel, innerhalb des sogenannten Turmes, lag die ziemlich große Kirche der Anstalt, die, würdig, aber einfach geschmückt, mit einer sehr wohlklingenden Orgel versehen war.
Im rechten Flügel des unteren Stockwerkes lagen die Säle für die weiblichen Handarbeiten, die Spinnstuben, die Lernzimmer und die Unterhaltungssäle für die Frauen und Mädchen.
Das zweite und dritte Stockwerk war gleichmäßig einfach, aber höchst zweckdienlich ausgestattet. Hier nämlich lagen die Krankensäle und kleineren Krankenzimmer in einer langen Reihe nebeneinander, die Privatzimmer in den Flügeln, die allgemeinen im Hauptgebäude. Die jüngeren Leute, männliche und weibliche, wohnten im dritten Stockwerk, die älteren im zweiten, damit sie nicht so hoch zu steigen brauchten.
Zwischen je zwei Krankenzimmern befand sich jedesmal ein Wärterzimmer, welches groß genug war, vier Wärter bequem beherbergen zu können, die sich zwei und zwei nacheinander ablösten, so daß jederzeit zwei im Krankensaale verweilten. Bei den Frauen waren dies natürlich Wärterinnen, ältere und jüngere, größtenteils Frauen derer, welche bei den männlichen Kranken denselben Dienst verrichteten. Es waren dies sämtlich sehr verständige, auserlesene und kräftige Personen, die wohlunterrichtet und gut besoldet wurden und welche vor ihrer förmlichen Anstellung eine bestimmte Lernzeit durchmachen mußten.
In den Flügeln beider Seiten lagen außerdem die Badestuben und die sonst zur Kur notwendigen Örtlichkeiten mit den dahin gehörenden Gerätschaften.
Namentlich aber waren die Badestuben und die dazu erforderlichen Räumlichkeiten mit einem gewissen Luxus und allen möglichen Bequemlichkeiten ausgestattet. Da waren Dusch-, Staub-, Tropf-, Dampf-, Sturzbäder und alle die mannigfaltigen Abarten derselben.
Außerdem befand sich dort ein großes Billardzimmer mit zwei Billards darin für die Kranken.
Die Krankensäle selbst waren höchst reinlich, luftig und hell. Die Erleuchtung geschah durch vortreffliche, am späteren Abend grün beschattete Lampen.
Die weiß überzogenen, reinlichen Betten, auf eisernen Rollfüßen beweglich, standen in zwei parallellaufenden langen Reihen, eine an den Fenstern, die andere an der entgegengesetzten Seite. An dem Kopfende eines jeden Bettes stand eine Art Tisch, mit verschließbaren Fächern und Kasten versehen, am Fenster eine Kommode, am Fußende ein Stuhl und ein stets mit weißem Sande gefüllter, zierlicher Spucknapf; über dem Bette hing ein kleiner Spiegel und die den Kranken bezeichnende sogenannte Nationaltafel; die anderen notwendigen Bedürfnisse lagen hinter einer grünen Gardine verborgen.
Die Privatzimmer waren natürlich nach den Mitteln und dem Geschmack ihrer Bewohner eingerichtet, doch sah ich nur wenige davon, denn ich wollte den Besitzern derselben mit meiner Neugierde, die fast allen Kranken so lästig ist, nicht beschwerlich fallen.
Auf jedem Treppenabsatze in jedem Stockwerke, ebenso an jeder Wendung des Hauses war ein Türsteher angestellt, der das Aus- und Eingehen der Kranken und die Besucher überwachte.
Den Privatzimmern gegenüber lag jedesmal ein Wärterzimmer, denn jeder Einzelne dieser Kranken hatte seinen eigenen Aufseher oder Aufseherin, die jedoch unter sich von vierundzwanzig zu vierundzwanzig Stunden abwechselten.
Im rechten Flügel endlich, der Kirche im linken gegenüberliegend, befand sich der große Konzertsaal der Anstalt, der über fünfhundert Personen faßte, ein ungeheurer, hoher und weiter Raum, der auch für Theatervorstellungen hergerichtet werden konnte, denn auch für diese Art von Erholung war in St. James vortrefflich gesorgt. Von der Decke dieses Saales hingen drei große prächtige Kronleuchter herab; die Wände matt rosenrot, mit sinnig abgeteilten Feldern, in denen Blumenstücke gemalt waren, zählten auf jeder Seite vier kleine Nischen, in welchen sich kleine Statuen befanden, von denen jede einen kleinen gläsernen Wandleuchter hielt, so daß, wenn bei einer Feierlichkeit alle Lichter brannten, hundertundzweiundfünfzig Flammen den Saal erleuchteten.
Die acht Fenster in diesem Saale konnten durch wolkenartig gearbeitete weiße Vorhänge verschlossen werden.
Der Platz für das Orchester war etwas erhöht, der übrige Teil des Saales mit Stühlen und Bänken vollständig besetzt.
»Das alles ist ganz vortrefflich, Sir«, sagte ich zu dem Direktor, der mich auf alle Einzelheiten aufmerksam machte, »ich habe nie etwas Ähnliches an Zweckmäßigkeit, Geschmack und Eleganz gesehen.«
»Ja! und nun sollen Sie unsere Musik hören«, erwiderte er, »da werden Sie erst staunen. Dieser versöhnende Geist ist eins unserer kräftigsten und beliebtesten Heilmittel, und erst seit drei Jahren sind wir vollständig mit allen nötigen Instrumenten und ihren Spielern versehen. Sehr viele Irre haben bisweilen eine wahre Leidenschaft für die Musik und die Erlernung von musikalischen Instrumenten. Man begreift erst die beruhigende Wirkung dieser göttlichen Kunst, wenn man Gelegenheit hat, sich so davon zu überzeugen, wie wir sie haben. alle Sinne der Wahnsinnigen sind mehr oder weniger stumpf; der des Gehörs allein, und zwar des Gehörs für Musik, scheint feiner ausgebildet zu sein als die anderen, was mir ein Beweis ist, daß beim Wahnsinn das Gefühlsvermögen bei weitem entwickelter ist als irgendein anderes. Daher ist denn auch bei uns die Musik das letzte und kräftigste Beruhigungsmittel für die Aufregung der Leidenschaft und die Überspannung der Nerven.«
»Sie mögen Recht haben«, unterbrach ich ihn, »zumal die Erfahrung auf Ihrer Seite ist, aber Sie werden mir die Bemerkung erlauben, daß die Musik nicht immer beruhigt, im Gegenteil, sie regt sogar bisweilen auf.«
»Ganz gewiß! Aber diese Klippe umgehen wir dadurch, daß wir unsere Musikstücke nach unserem Zwecke wählen oder diejenigen Kranken von der Aufführung ausschließen, bei denen doch noch irgendeine Aufregung zu fürchten wäre.«
»Aber woher nehmen Sie die vielen Musiker, die zu einem ordentlichen Orchester gehören?«
»Das scheint in der Tat schwieriger als es ist. Nicht allein fast alle unsere Beamte sind musikalisch und spielen die verschiedenartigsten Instrumente, sondern auch einige Irre sind ausgezeichnete praktische Musiker, ja, wir haben sogar einige Komponisten darunter, und was nun unsere Musiklehrer betrifft, so leisten sie das Möglichste, und sie werden auch durch ihre glücklichen Erfolge ermuntert, denn ihre Schüler machen ihnen Ehre und diese selbst streben nach Beifall und Lob, denn der Mensch, auch der Verrückte, ist nie ohne Ehrgeiz. Übrigens musizieren wir fleißig, denn wir geben regelmäßig alle Jahre vier große Konzerte und alle acht Tage ein kleines, und dann teilen wir für die vorzüglichsten Leistungen angemessene Preise aus. Zu diesem Behufe haben wir auch einen Musikorden gestiftet, und Sie werden die Inhaber desselben mit Stolz und erhobenem Selbstgefühl ihre unschuldigen Insignien tragen sehen und sehen können, welche Nacheiferung eine solche Belohnung hervorzurufen im Stande ist. Ebenso geben wir regelmäßig jedes Jahr zwei Theatervorstellungen, und wenn Sie so lange hierbleiben, wie Sie uns versprochen haben, so sollen Sie sich von dem Nutzen derselben und den Freuden, die sie schaffen, genügend überzeugen. Doch diese Seite unserer Bestrebungen ist vorzugsweise Sache des Oberarztes, der sein ganzes Augenmerk auf diese Kurart gerichtet hat.«
Die Kranken selbst, die wir auf ihren Zimmern trafen, fand ich alle mit etwas Nützlichem beschäftigt; sie erhoben sich sämtlich bei unserem Eintreten und erwiesen dem Direktor durch eine Verbeugung ihre Achtung und ihr Wohlwollen.
Übrigens fand ich alle Gattungen von Irren, wie sie gewöhnlich in Irrenhäusern gefunden werden, auch hier vor. Von den Stumpf und Blödsinnigen, die mehr Tieren als Menschen gleichen, an, den sogenannten Melancholischen, die die Einsamkeit lieben und düstere, schwere Blicke um sich werfen, dann den eigentlichen Narren, die ewig schwatzen und nirgends Ruhe finden, bis zu den Tobsüchtigen hinauf, die teils durch Zwangsjacken, teils durch ernsthaftere Mittel unschädlich gemacht werden müssen, sah ich alle die traurigen Übergänge dieser leider so häufigen und bei den übertriebenen Anforderungen und steigenden Bedürfnissen des jetzigen Lebens immer mehr und mehr sich ausbreitenden entsetzlichen Krankheit.
Was die Kleidung der Kranken betrifft, so bestand die der Ärmeren allgemein in reinlichen, leinenen, blau und weiß gestreiften Beinkleidern und Überröcken, anständigen Halstüchern, dunkelblauen Tuchwesten und wollenen Strümpfen und Schuhen; die Frauen waren dementsprechend gekleidet. Die Bemittelteren dagegen, besonders die Privatkranken, die ihr eigenes Zimmer bewohnten, kleideten sich nach ihrem eigenen Geschmack; nur füge ich die Bemerkung hinzu, daß närrische und übertrieben luxuriöse oder kokette Kleidungen, sogenannte Phantasieroben, nicht geduldet wurden.
Auffallend war mir die Menge junger und wirklich recht hübscher, sogar einiger schöner Mädchen, die alle mehr oder weniger geschmackvoll, viele gar elegant und reich gekleidet waren.
So hatte ich denn die meisten Krankenzimmer besucht, und ich hatte alle Ursache einzugestehen, daß viele meiner Erwartungen übertroffen worden waren.
Die Wohnung des Irren von St. James aber, nach der ich ein so lebhaftes Verlangen trug, war mir nicht gezeigt worden, auch erwähnte der Direktor ihn gar nicht, obgleich er mich auf einige andere Privatkranke aufmerksam gemacht hatte. Gern hätte ich etwas Näheres über ihn erfahren, allein ich beschränkte noch meine Neugierde, indem ich mir vornahm, erst meine eigenen Beobachtungen über ihn zu sammeln, bevor ich mir die genauere Auskunft von seinen Pflegern erbat.
Hierauf führte mich Mr. Elliotson in seine eigene Wohnung, die ich wie das vornehmste Haus in London ausgestattet fand. Bei dem zweiten Frühstück, welches ich hier mit meinem gastfreien Wirte einnahm, hatte ich auch das Vergnügen, den Prediger der Anstalt näher kennenzulernen, der zufällig eben in die Türe trat, als der Kork von der ersten Flasche gezogen ward.
»Haha, Mr. Bromfield!« sagte der Direktor lächelnd, »Sie können keinen Pfropfen springen hören, ohne dabeisein zu müssen.«
»Sagen Sie lieber, ich habe ein gewisses Ahnungsvermögen, wo einer springen wird«, antwortete Mr. Bromfield, »denn sonst hätte ich unmöglich so schnell hiersein können, da der interessante Knall geschah, als ich gerade zwischen Tür und Angel stand.«
»Sie haben doch keinen Schaden von dem Schreck davongetragen, wie?«
»O nein, Sir! Sie wissen ja, ich liebe derartige Geräusche und habe auch viel dergleichen in meinem Leben gemacht«, setzte er mit einem heiteren Blick auf mich hinzu.
Dies waren die ersten Worte, die ich den Geistlichen von St. James in meiner Gegenwart mit dem Direktor wechseln hörte, und ich schloß daraus, daß Beide auf einem guten Fuße miteinander standen; auch ging das Gespräch noch eine Weile in ähnlicher Art fort, und ich konnte hinlänglich bemerken, daß Mr. Bromfield ein lustiger Gesellschafter und eben kein Duckmäuser war. Meine späteren Erfahrungen über ihn bestätigten denn auch diese Meinung vollkommen; er war gerade das Gegenteil davon.
Übrigens war er ein höchst origineller Mensch, der außer seinem weißen Halstuche mit lang herabhängenden Zipfeln, und seinem langen, bis weit über die Knie herabreichenden schwarzen Rocke nichts Priesterliches an sich hatte. Sein Gesicht war ohne Bart, immer heiter und von einer etwas rötlichen Farbe, besonders aber fielen mir seine lebhaften Augen auf.
Mr. Bromfield war bei weitem mehr der Geselligkeit und ihren reellen Freuden als den abstrakten Studien einer in zu enge Grenzen gewiesenen Wissenschaft zugetan, und er wollte sich auch jetzt, glaube ich, für die vielen Schicksalsprüfungen, die er hatte bestehen müssen, dadurch schadlos halten, daß er den Rest seines kostbaren Lebens wie ein echter Lebenskünstler hinbrachte. Denn er war früher als ein guter Kanzelredner berühmt, in einer kleinen wohlhabenden Stadt Englands Pfarrer gewesen, hatte aber diese einträgliche Stelle, ich weiß nicht aus welchen Gründen, verlassen und sich zufolge eines Befehls auf ein königliches Schiff verfügen müssen, das für eine drei Jahre dauernde Weltumseglungsreise bestimmt war.
Mr. Bromfield nahm jede Gelegenheit wahr, sich von den guten Sitten der Bewohner der Welt zu unterrichten, und er zog eine dreijährige Wasserreise einem vielleicht ebenso lange dauernden Aufenthalte an einem langweiligeren Orte, wo es auch sehr viel Wasser gab, vor. Der gute Mann kehrte nach überstandener Prüfungszeit nach England zurück, und es ist kein Wunder, daß ein so langes Verweilen unter so vielen Wilden, die er gesehen, ihn eben nicht viel zahmer gemacht hatte, und so sah er sich genötigt, auch aus dem beschwerlichen Marinedienst Seiner Majestät zu scheiden.
Jetzt aber hatte der in alle Welt wandernde Jünger nicht mehr viele Aussichten auf eine gute Pfarrei, aber der Himmel, der seine Lieblingskinder immer beschützt und versorgt, fügte es, daß einige ihm noch nicht erstorbene Gönner, die die Welt liebten, wie er sie liebte, ihm soviel Einsicht und Erfahrung zutrauten, um den Wahnsinnigen in einer entfernten Provinzstadt täglich einige heilsame Lehren zu geben. So kam er denn nach jener Irrenanstalt und von da, weil er sich in seinem neuen Berufe durch einen gewissen Takt auszeichnete, den er bis dahin noch nicht besessen, durch abermalige Verwendung jener Gönner nach St. James.
Hier stand er seinem Amte mit einem gewissen natürlich-gesunden Sinne vor, und sein früher etwas flüchtiger Charakter hatte sich endlich gesetzt. Dennoch aber liebte er immer noch Witz und Scherz, auch war er dem Vergnügen der Jagd und anderen erlaubten Zeitvertreiben wie der lebenslustigste Jüngling ergeben. Ich ergötzte mich an seinen Erzählungen von den vielen Bekehrungen, die er bei verschiedenen wilden Völkern versucht haben wollte und die ihm, wie er sich rühmte, meistenteils dauerhaft geglückt waren, sehr. Ob er aber Heiden zu Christen oder Christen zu Jägern bekehrt hatte, das weiß ich in der Tat nicht anzugeben, denn als ich ihn danach fragte, lachte er herzlich und meinte: wir verständen uns für eine halbe Stunde Bekanntschaft schon ziemlich gut.
Nach Beendigung unseres Frühstücks begab ich mich auf mein Zimmer, wo ich jedoch nicht lange allein blieb, denn es ließen sich Mr. Lorenzen, der Oberarzt, und Mr. Derby, der Unterarzt, bei mir anmelden. Es dauerte nach den ersten freundschaftlichen Begrüßungen gar nicht lange, so waren wir im lebhaftesten Gespräch über die Behandlung Geisteskranker begriffen.