Der Junge aus dem Moor - Bettina Clausen - E-Book

Der Junge aus dem Moor E-Book

Bettina Clausen

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Die Herbstferien hatten begonnen. Eugen Luchs, der Märchenonkel, bereitete seinen Wohnwagen für eine längere Fahrt vor. Er wollte mit Peggy wieder einmal auf Reisen gehen. »Wie heißt der Bach, zu dem wir fahren, Onkel Luchs? Ich habe den Namen schon wieder vergessen.« Mit Schürze und Kopftuch stand Peggy vor einem Fenster des Wohnwagens. »Es ist kein Bach, sondern ein kleiner Fluss. Und er heißt Ems.« »Es ist mir auch lieber, wir fahren zu einem Fluss und nicht zu einem Bach«, sagte Peggy und polierte wieder an den Fensterscheiben herum. »Die sind doch längst sauber«, sagte Eugen Luchs lächelnd. »Wirklich?« Peggy trat einen Schritt zurück. Kritisch betrachtete sie das Fensterglas. Dabei krauste sich die schwarze Haut auf ihrem kleinen Näschen. »Du hast recht, Onkel Luchs. Sie sind sauber. Was soll ich jetzt noch machen?« »Nichts mehr«

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Sophienlust – 178 –

Der Junge aus dem Moor

Warum Daniel in Sophienlust nicht glücklich war

Bettina Clausen

Die Herbstferien hatten begonnen. Eugen Luchs, der Märchenonkel, bereitete seinen Wohnwagen für eine längere Fahrt vor. Er wollte mit Peggy wieder einmal auf Reisen gehen.

»Wie heißt der Bach, zu dem wir fahren, Onkel Luchs? Ich habe den Namen schon wieder vergessen.« Mit Schürze und Kopftuch stand Peggy vor einem Fenster des Wohnwagens.

»Es ist kein Bach, sondern ein kleiner Fluss. Und er heißt Ems.«

»Es ist mir auch lieber, wir fahren zu einem Fluss und nicht zu einem Bach«, sagte Peggy und polierte wieder an den Fensterscheiben herum.

»Die sind doch längst sauber«, sagte Eugen Luchs lächelnd.

»Wirklich?« Peggy trat einen Schritt zurück. Kritisch betrachtete sie das Fensterglas. Dabei krauste sich die schwarze Haut auf ihrem kleinen Näschen. »Du hast recht, Onkel Luchs. Sie sind sauber. Was soll ich jetzt noch machen?«

»Nichts mehr«, sagte Eugen Luchs zu seinem Pflegekind. »Jetzt ist der Wagen gut für die Fahrt vorbereitet. Morgen früh beginnt die Reise.«

Die schwarze Peggy konnte vor Ungeduld und Aufregung keine Minute still sitzen. »Henrik will uns heute Nachmittag besuchen und ein paar Kinder mitbringen«, erzählte sie. »Ich weiß nicht, wen er mitbringt. Aber bestimmt nicht alle. Wann verabschieden wir uns von den anderen?«

»Morgen früh, bevor wir abfahren«, sagte Eugen Luchs. Dann vertiefte er sich wieder in sein Reisebuch. Er bereitete jede Reise gründlich vor, auch wenn sie noch so klein war.

Peggy wusste, dass sie ihren Pflegeonkel nicht stören durfte, wenn er schrieb oder las. Deshalb beschloss sie, den Kindern von Sophienlust ein Stück entgegenzugehen.

Eugen Luchs schaute nur kurz von seiner Lektüre auf. »Setz eine Mütze auf und leg einen Schal um den Hals. Es ist kalt draußen.«

In Mütze, Schal und Mantel lief Peggy fünf Minuten später über die Wiesen. Am Morgen war das Gras noch feucht gewesen. Jetzt hatte es die Sonne getrocknet. Wie kann es nur so kalt sein, wenn die Sonne scheint?, dachte Peggy.

Das verstand sie nicht. In Afrika wärmte die Sonne das Land. Als Tochter eines Stammes im afrikanischen Swasiland war Peggy an hohe Temperaturen gewöhnt.

Plötzlich hörte das kleine Mädchen einen langgezogenen Schrei und blieb stehen. Im nächsten Moment hob es beide Arme und ließ sie grüßend in der Luft kreisen.

Pünktchen und Angelika winkten zurück. Henrik von Schoenecker begann zu laufen und erreichte Peggy als erster.

»Wenn man rennt, friert man nicht mehr«, sagte er keuchend. »Freust du dich auf die Reise?« Er schaute Peggy prüfend an.

»Und wie! Jetzt weiß ich wieder, wie der Bach heißt. Es ist ein Fluss«, korrigierte sie sich. »Die Ems.«

»Wo ist die?«, fragte Pünktchen, die inzwischen mit den anderen Kindern herangekommen war.

»Weiß ich auch nicht«, antwortete Peggy kleinlaut. »Da musst du Onkel Luchs fragen.«

»Komm, wir gehen«, drängte Henrik. »Wenn man steht, friert man ja.«

Die kleine Gruppe, die zusammen mit Peggy sechs Köpfe zählte, lief weiter.

»Der Rundfunk hat gemeldet, dass es wieder ein bisschen wärmer werden soll«, sagte Pünktchen zu Peggy.

»Aber nur ein bisschen«, warf Henrik ein.

»Das reicht doch«, meinte Pünktchen. »Richtig warm wird es jetzt im Oktober sowieso nicht mehr.«

»Sag das nicht«, widersprach Henrik ihr. »Ich habe im Oktober schon einmal gebadet.«

»Schwindler!«, rief Vicky entrüstet.

»Vielleicht im Mittelmeer«, sagte Pünktchen. »Aber bestimmt nicht hier.«

»Es war hier«, rief Henrik eigensinnig und blieb stehen, um mit dem Fuß aufzustampfen. »In unserem kleinen Badesee.«

»Ich glaube dir kein Wort«, erwiderte Pünktchen. Vicky lachte, und Peggy verfolgte gespannt die kleine Auseinandersetzung.

»Um was wollen wir wetten?«, fragte Henrik beleidigt.

»Mit dir wette ich nicht«, lehnte Pünktchen ab. »Bei unserer letzten Wette habe ich einen Euro gewonnen, aber bis heute habe ich ihn noch nicht gekriegt.«

»Du kriegst ihn schon noch. Wir können ja wieder um einen Euro wetten«, schlug Henrik vor. »Dann bekommst du entweder zwei Euro von mir oder nichts.« Bei dieser Vorstellung begannen seine Augen zu leuchten.

Pünktchen tippte sich an die Stirn. »Hier!«

»Feigling«, rief Henrik.

Das ärgerte Pünktchen. Sie wollte nicht als Feigling gelten. »Wie willst du beweisen, dass du im Oktober noch gebadet hast? Bei jeder Wette muss man die Wahrheit auch beweisen können.«

»Kann ich«, krähte Henrik. »Kann ich. Ihr braucht nur Nick zu fragen. Der erinnert sich bestimmt, dass wir einmal am ersten Oktober noch im kleinen See gebadet haben.«

»Am ersten Oktober«, wiederholte Vicky. »Vorhin hast du getan, als sei es mitten im Oktober gewesen.«

»Gar nicht wahr«, verteidigte sich Henrik. »Ich habe nur gesagt, es war im Oktober. Und Oktober ist Oktober.«

»Da hat er recht«, sagte Angelika.

Das bedeutete einen Pluspunkt für Henrik. Er wandte sich wieder an Pünktchen. »Willst du nun wetten oder nicht?«

»Nein«, sagte Pünktchen.

Henrik ärgerte sich. Er hatte mit dem Euro schon fest gerechnet. »Will vielleicht jemand anders mit mir wetten?« Er schaute in die Runde. Doch alle Blicke lehnten ab.

»Dann eben nicht«, sagte er verärgert. »Das heißt aber, dass ihr mir doch glaubt. Sonst würdet ihr nämlich mit mir wetten.«

»Also gut«, erklärte Angelika nachsichtig. »Wir glauben dir.« Und damit hatte sie Henrik wieder versöhnt.

Die Kinder hatten inzwischen den Wohnwagen erreicht. »Wo ist Balthasar?«, wollte Henrik wissen.

Balthasar war ein Collie, der bei dem Schriftsteller und dessen Pflegekind lebte.

»Er liegt im Wohnwagen und schläft«, sagte Peggy.

»Warum kommt er nicht heraus?«

»Weiß ich nicht.« Peggy zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist es ihm zu kalt. Aber ich kann ihn ja holen.«

Von dieser Idee waren die fünf Kinder sofort begeistert. Der hübsche Collie gefiel allen, besonders aber seine zutrauliche Art.

Peggy öffnete die Tür des Wohnwagens. »Kann ich Balthasar herausnehmen?«

Eugen Luchs legte seine Pfeife aus der Hand und stand auf. »Sind deine kleinen Freunde gekommen?«

»Ja.«

Der Schriftsteller beugte sich aus dem Wohnwagen. »Guten Tag, alle zusammen.«

»Guten Tag, Onkel Luchs«, schall es im Chor zurück.

»Dürfen wir mit Balthasar spielen?«, fragte Pünktchen.

»Selbstverständlich. Aber wenn es euch zu kalt wird, dann kommt herein. Ein heißer Kakao wird euch wieder aufwärmen.«

»Machen wir«, rief Henrik. Für einen Kakao war er immer gern zu haben.

Die Stimmen hatten Balthasar geweckt. Neugierig schob er seinen Kopf an den Beinen von Eugen Luchs vorbei.

»Balthasar«, rief Henrik. »Komm heraus! Komm! Wir wollen ein bisschen laufen.«

Der Collie schaute zu seinem Herrn auf. Erst als dieser nickte, sprang er aus dem Wagen.

Fast augenblicklich begann eine ausgelassene Jagd, an der alle Kinder teilnahmen.

Nach einer Dreiviertelstunde hatten sie sich ausgetobt.

»Jetzt gehen wir hinein und trinken Kakao«, schlug Peggy vor.

Alle waren einverstanden. Sogar der Collie schien müde zu sein.

»Schade, dass ihr verreist«, sagte Henrik.

»Es ist ja nicht für lange«, tröstete Peggy ihn. »In acht Tagen sind wir schon wieder da.«

Eugen Luchs hatte bereits Kakao gekocht und den kleinen Tisch gedeckt.

»Haben wir da überhaupt alle Platz?«, fragte Henrik.

»Ein bisschen eng wird es schon werden.« Peggy suchte alle Sitzgelegenheiten zusammen.

Während die Kinder Kakao tranken und Kekse aßen, sprachen sie von der bevorstehenden Reise. Alle beneideten Peggy ein bisschen und hätten sie am liebsten begleitet.

»Schreibst du uns eine Karte?«, fragte Henrik. Erst danach fiel ihm ein, dass Peggy noch nicht so richtig schreiben konnte. »Du brauchst ja nur deinen Namen darauf zu schreiben«, meinte er großzügig.

Peggy versprach es.

*

Auch am nächsten Tag, einem Sonnabend, schien wieder die Sonne. Die Temperatur war um ein paar Grade gestiegen. Trotzdem war es immer noch viel zu kalt für diese Jahreszeit.

Als Eugen Luchs mit seinem Wohnwagen nach Sophienlust kam, standen alle Kinder vor dem Herrenhaus. »Die gucken ja alle so traurig«, stellte Peggy fest.

In der Tat lag auf jedem Kindergesicht eine leichte Wehmut. Alle dachten in diesem Augenblick dasselbe: Wie gern würden wir mitkommen.

»Das nächste Mal nehmen wir euch alle mit«, rief Peggy aufgekratzt. Sie war in ausgezeichneter Stimmung.

Kunststück, dachte Dominik von Wellentin-Schoenecker, den seine Freunde nur Nick nannten. Ich wäre auch gut aufgelegt, wenn ich so eine Fahrt vor mir hätte.

Während die Kinder den Wohnwagen umstanden, lief Peggy ins Haus, um sich von Schwester Regine und Tante Ma, der Heimleiterin, zu verabschieden.

»Sagt ihr Tante Isi einen schönen Gruß von mir?«

»Machen wir«, versprach Else Rennert. »Und pass auf Onkel Luchs und auf Balthasar auf.«

»Ja, und wenn wir wiederkommen, erzähle ich euch, wie’s war.« Aufgeregt lief Peggy wieder hinaus.

Balthasar war schon in den Wohnwagen gesprungen. »Fahren wir?«, fragte Peggy.

»Ja«, sagte Eugen Luchs und warf einen letzten Blick zurück. Peggy winkte mit beiden Armen aus dem Autofenster. Eugen Luchs hob grüßend die Hand, bevor er den Motor startete. Langsam setzte sich das Fahrzeug in Bewegung.

»Peggy hat’s schön«, sagte Nick und seufzte.

»Auch nicht viel schöner als wir«, widersprach Pünktchen ihm. »Wenn sie zurückkommt, muss sie auch wieder in die Schule gehen.«

»Aber was sie bis dahin alles sieht«, überlegte Henrik laut. Er schaute dem Wohnwagen nach, bis er nicht mehr zu sehen war. Dann zerstreuten sich die Kinder allmählich.

Peggy saß neben Eugen Luchs. Balthasar hatte es sich weiter hinten bequem gemacht. Anfangs schaute er noch neugierig aus dem Fenster. Aber Autofahrten machten ihn immer schläfrig. Meist schlief er schon nach einer halben Stunde ein.

»Kommen wir heute noch an die Ems, Onkel Luchs?«

»Aber ja. Irgendwann heute Nachmittag.«

Mit der Antwort war Peggy zufrieden. Sie schaute aus dem Fenster und dachte daran, dass sie am Vortag noch hatte in der Schule sitzen müssen. Da gefiel ihr so eine Fahrt mit Onkel Luchs schon besser. »Die nächsten Schulferien sind zu Weihnachten. Verreisen wir da auch wieder, Onkel Luchs?«

Der Schriftsteller musste lachen. »Die Herbstferien haben noch nicht einmal richtig begonnen, und du denkst schon wieder an die Weihnachtsferien.«

»Weil Ferien doch das Schönste an der Schule sind«, verteidigte sich Peggy.

»Lass das bloß nicht deinen Lehrer hören.«

»Es ist eine Lehrerin.«

»Oh! Das hatte ich vergessen.«

Peggy grinste. »Siehst du, du kannst auch einmal etwas vergessen.«

»Das habe ich auch nie bestritten.«

»Doch«, sagte Peggy eigensinnig. »Als ich neulich vergaß, meine Schulaufgaben zu machen, sagtest du, so etwas darf nicht passieren.«

»Eins zu null für dich«, erwiderte er schmunzelnd, sodass Peggy sich die Hände rieb.

Um neun Uhr schaltete Eugen Luchs das Autoradio ein. »Mal sehen, was wir für Wetter kriegen.«

»Schönes«, sagte Peggy schnell.

Er schaute sie lächelnd an, dann lauschte er auf den Nachrichtensprecher, und Peggy hing wieder ihren Gedanken nach. Balthasar war längst eingeschlafen.

Sie waren den ganzen Tag unterwegs. Zur Mittagszeit legten sie nur eine kurze Rast ein und fuhren weiter.

Während der Fahrt beschäftigte sich der Schriftsteller in Gedanken mit dem Reisebuch, an dem er gerade schrieb. Deshalb beantwortete er Peggys gelegentliche Fragen nur einsilbig.

Am späten Nachmittag trafen sie hinter dem Städtchen Rheine auf die Ems.

»Die ist aber groß«, staunte Peggy.

»Sie ist breit«, korrigierte Eugen Luchs.

»Bleiben wir hier?«

»Nein«, sagte er. »Wir fahren noch ein Stück weiter.«

Sonnenschein hatte sie auf der ganzen Fahrt begleitet. Jetzt, am späten Nachmittag, hatte ein leichter Wind auch die letzten Wölkchen vom Himmel gefegt.

»Jetzt fahren wir ja wieder weg von dem Fluss«, rief Peggy enttäuscht, als sie der Landstraße in nördlicher Richtung folgten. Die Straße verließ die Ems.

»Der Fluss bleibt in unserer Nähe«, sagte Eugen Luchs. »Du kannst ihn nur nicht sehen.«

»Ich möchte ihn aber lieber sehen.« Peggy zog eine Schnute.

Sie durchfuhren die Städte Lingen und Meppen, und dort begegnete ihnen auch wieder die Ems.

»Sie ist noch da.« Peggy strahlte. »Wie weit fahren wir noch, Onkel Luchs? Hier ist es doch so schön.«

»Wir fahren, solange es Tag ist«, schlug er vor.

Damit war Peggy einverstanden, und Balthasar stellte ohnehin keine Ansprüche. Er wollte nur ab und zu einmal hinaus und das Bein heben.

Schon hinter Meppen hatte die Moorlandschaft begonnen. Der eigenartige Reiz dieser Gegend faszinierte Eugen Luchs. »Hier bleiben wir«, entschied er.

Sie verließen die Hauptstraße und folgten einem Sträßchen, das an der Ems entlangführte.

Peggy war hellauf begeistert. »Können wir hier bleiben, Onkel Luchs?«

»Ich glaube schon. Wir müssen nur noch einen geeigneten Lagerplatz finden.« Eugen Luchs fuhr jetzt langsam. Die Sonne war tiefer gesunken und warf lange Schatten. Bevor sie untergeht, müssen wir eine geeignete Stelle gefunden haben, dachte er.

Sie fanden genau das, was sie suchten, in der Nähe von Papenburg. »Hier bleiben wir«, entschied Eugen Luchs. »Und zwar dort drüben, wo die Ems den Bogen macht.«

Peggy war einverstanden. »Aber wie kommen wir da hinüber, Onkel Luchs?«

»Wenn ich mich nicht täusche, führt ein Feldweg bis zum Flussrand.« Er gab wieder Gas.

»Du hattest recht«, rief Peggy und deutete mit dem ausgestreckten Arm nach vorn. »Sieh nur! Wir brauchen nicht einmal über die Wiesen zu fahren.«

»Das wäre in dieser Gegend auch gefährlich.«

»Warum?«

»Weil es eine Moorlandschaft ist«, erklärte der Schriftsteller. Als Peggy ihn verständnislos anschaute, schilderte er ihr die Gefahren des Moors.

Mit offenem Mund lauschte Peggy. »Das klingt ja richtig gruselig, Onkel Luchs«, meinte sie schließlich. »Ich verspreche dir, dass ich nie über eine fremde Wiese laufen werde.«

»Das darfst du auch nicht. Denn wenn du die Gegend nicht kennst, kann es sein, dass der Boden plötzlich unter dir nachgibt.«

»Und dann rutsche ich hinein?« Peggys schwarze Augen waren groß und rund.

»Du rutscht nicht hinein, du sinkst ein. Ganz langsam sinkst du tiefer und tiefer.«

Peggy überlegte. »Wenn es so langsam geht, muss man doch wieder herausspringen können.«

»Nein. Der Boden hält dich fest wie ein Saugnapf. Das Moor lässt den, den es einmal in seiner Gewalt hat, nicht mehr los.«

Sie hatten inzwischen die geteerte Straße verlassen. Langsam holperte das Auto mit dem angehängten Wohnwagen über einen schmalen Feldweg. Peggy hatte den Kopf aus dem Autofenster gesteckt. Misstrauisch beobachtete sie den Boden, über den sie fuhren.

Neben einer kleinen Baumgruppe hielt Eugen Luchs. Es war ein verträumtes Plätzchen ganz in der Nähe des Flusses.

»Schön ist es hier«, flüsterte Peggy andächtig.

Eugen Luchs stellte den Motor ab und stieg aus. Fast augenblicklich sprang auch Balthasar aus dem Wagen und rannte zu dem nächsten Baum. Nachdem er ihn gründlich beschnuppert und für gut befunden hatte, hob er sein Bein.

»Ihm gefällt es hier auch«, stellte Peggy fest.

»Zieh deine Jacke an und setz deine Mütze auf«, riet Eugen Luchs ihr. »Hier weht ein kalter Wind.«

»Kalt war es bei uns auch«, sagte Peggy. »Aber es hat nicht so gewindet.«

»Geweht heißt das.« Eugen Luchs prüfte die Windrichtung. Dann stellte er den Wohnwagen so, dass der Wind die fensterlose Seite traf. Obwohl der Wohnwagen eine Bremse hatte, befestigte er die Räder noch zusätzlich mit Steinen.

Ein paar Minuten lang schaute Peggy ihm zu. Dann rief sie nach Balthasar. Aus Erfahrung wusste sie, dass ihr Pflegevater noch eine Zeit lang beschäftigt sein würde.

»Ich gehe ein bisschen mit Balthasar spazieren, Onkel Luchs.«

»Aber bleibt auf der Straße. Nicht über fremde Äcker oder Wiesen laufen.«

Balthasar sprang aufgeregt hinter Peggy her.

Einen Moment lang schaute Eugen Luchs den beiden nach, dann beschäftigte er sich wieder mit dem Wohnwagen.

Er war schon fast mit seiner Arbeit fertig, da hörte er hinter sich ein Geräusch. Er dachte, Peggy sei zurückgekommen, und reagierte deshalb nicht sofort. Erst als es still blieb, drehte er sich um. Denn Peggy pflegte ihn, wenn sie von einem Spaziergang zurückkehrte, immer gleich mit einem Wortschwall zu überfallen.