Geteiltes Leid ist halbes Leid - Bettina Clausen - E-Book

Geteiltes Leid ist halbes Leid E-Book

Bettina Clausen

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Sie mögen mich nicht!, dachte Chris. Sie mögen mich alle nicht, und ich mag sie auch nicht! Mit der Fußspitze schleuderte er einen Kieselstein von sich. Dabei schielte er hinüber zum Spielplatz, auf dem sich die Kinder von Sophienlust jetzt im Kreis aufstellten. Sie begannen ein neues Spiel. Als ein Mädchen nach ihm rief, schaute Chris in die andere Richtung. »Er hört uns doch«, sagte Henrik. »Warum antwortet er nicht?« Pünktchen schaute zu dem Jungen auf der Parkbank. »Soll ich einmal hinlaufen? »Wozu?« »Um zu fragen, ob er mitspielen will.« Pünktchen trat aus dem Kreis. Irgendwie tat ihr der Neue leid. »Aber mach nicht so viele Faxen mit ihm«, rief Henrik ihr nach. »Entweder will er mitspielen – oder er will nicht.« Pünktchen lief über den Rasen.

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Sophienlust – 312 –

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Wie Chris eine Freundin fürs Leben fand

Bettina Clausen

Sie mögen mich nicht!, dachte Chris. Sie mögen mich alle nicht, und ich mag sie auch nicht!

Mit der Fußspitze schleuderte er einen Kieselstein von sich. Dabei schielte er hinüber zum Spielplatz, auf dem sich die Kinder von Sophienlust jetzt im Kreis aufstellten. Sie begannen ein neues Spiel.

Als ein Mädchen nach ihm rief, schaute Chris in die andere Richtung.

»Er hört uns doch«, sagte Henrik. »Warum antwortet er nicht?«

Pünktchen schaute zu dem Jungen auf der Parkbank. »Soll ich einmal hinlaufen?

»Wozu?«

»Um zu fragen, ob er mitspielen will.« Pünktchen trat aus dem Kreis. Irgendwie tat ihr der Neue leid.

»Aber mach nicht so viele Faxen mit ihm«, rief Henrik ihr nach. »Entweder will er mitspielen – oder er will nicht.«

Pünktchen lief über den Rasen.

Ihre Nase ist voller Sommersprossen, dachte Chris.

Pünktchen blieb atemlos vor ihm stehen.

»Willst du mitspielen, Christian?«

»Warum sagst du nicht Chris, wie alle anderen?«

»Also gut, Chris, spielst du mit?«

»Nein!«

»Warum nicht?« Pünktchen setzte sich neben ihn.

»Keine Lust.«

Der Junge bohrte seine Schuhspitze in den Kies.

»Die Lust kommt beim Spielen. Versuche es doch einmal.« Pünktchen sprang wieder auf. »Komm, spiele mit!«

»Nein!«

Pünktchen seufzte. »Na schön, wenn du nicht willst.« Sie drehte sich langsam um. »Wenn du dir es anders überlegst, dann kommst du herüber, ja?«

Chris antwortete nicht. Er schaute dem Mädchen nach, als es zurücklief zu den anderen. Er beobachtete auch, dass die Kinder miteinander sprachen und zu ihm herüberschauten. Am liebsten hätte er ihnen die Zunge herausgestreckt.

Es war heiß, am Himmel war keine Wolke. Es war richtiges Juniwetter. Die Kastanienbäume im Park des Kinderheims Sophienlust waren gerade erst verblüht.

Christian dachte an die Bäume im Garten seines Vaters. Er dachte daran, wie gern er immer beim Rasenmähen geholfen hatte und beim Gießen abends im Sommer. Danach hatten sie sich zu zweit an den Gartentisch gesetzt und gegessen. So schön war das gewesen. Und jetzt? Alles war vorbei. Der Vater wollte wieder heiraten. Nur deshalb war er nach Amerika geflogen. Um diese Frau zu holen, die schuld daran war, dass ihn der Vater in dieses Heim gebracht hatte.

Nur sie.

Ich kann sie nicht leiden, dachte Chris. Niemals werde ich Mutti zu ihr sagen. Niemals. Wieder flog ein Kieselstein durch die Luft.

Chris stand auf und ging tiefer in den Park hinein. Hier war er endlich allein. Er legte sich bäuchlings ins Gras, riss Halme aus und zerkaute sie. Dann drehte er sich auf den Rücken. Der Himmel war so blau wie auf der Postkarte, die der Vater ihm aus Kalifornien geschickt hatte. Noch ein paar Monate wollte er dort bleiben.

Nur wegen dieser alten Ziege, dachte Chris aufgebracht. Er hatte Sandra Kranz ein paarmal gesehen. »Hässlich ist sie. Alt und hässlich.« Der Junge merkte gar nicht, dass er laut sprach.

»Wer ist alt und hässlich?«, fragte eine Stimme hinter ihm.

Chris fuhr herum.

»Was willst du hier?«, fuhr er die Kleine an.

Heidi, das jüngste Kind im Heim, zuckte zusammen. »Nichts. Ich bin mit Rosenrot spazieren gegangen und habe dich gesehen.« Sie setzte sich neben Chris ins Gras. Ihrem Kaninchen, das Rosenrot hieß, hatte sie ein Halsband umgelegt, an dem eine Schnur hing.

»Warum hältst du es fest?«

»Damit es nicht weghoppelt. Schon einmal ist es ausgerissen. Da haben wir drei Tage nach ihm gesucht. Wenn du willst, kannst du mit ihm spielen.« Heidi wollte nett zu dem Neuen sein.

Chris schüttelte den Kopf. »Ich mag Kaninchen nicht.«

Heidis Hand fuhr über das weiche weiße Fell, als müsste sie Rosenrot trösten. »Wie lange bleibst du in Sophienlust?«

Chris zuckte mit den Schultern.

»Weiß ich nicht. Warum heißt das Heim Sophienlust?«

»Weil …« Heidi überlegte. »Ich hab’s vergessen.«

»Kein Wunder bei so einem dummen Namen.«

»Der ist nicht dumm«, rief Heidi entrüstet.

»Euer ganzes Heim ist dumm.«

»Warum bist du dann überhaupt hier?«

Christians Lippen zuckten. »Weil mein Vater mich hergebracht hat.«

»Und warum hat er dich hergebracht?«

»Das geht dich nichts an!«

»Ich weiß es aber!«, triumphierte Heidi. Die anderen Kinder hatten darüber gesprochen.

»Was weißt du?«

»Dass dein Vati eine …« Heidi konzentrierte sich. »Eine geschäftliche Fahrt nach Amerika macht.« Nun strahlte sie. Sie war stolz darauf, dass sie sich das gemerkt hatte. Dann fragte sie kleinlaut: »Was ist das, eine geschäftliche Fahrt?«

»Mein Vater macht keine Geschäftsreise«, sagte Chris. »Das sagt er nur, weil er diese Frau sehen will.«

Jetzt verstand Heidi überhaupt nichts mehr. »Was für eine Frau?«

»Die, die er heiraten will.«

»Dann kriegst du ja eine Mutti«, rief Heidi.

Chris funkelte die Kleine an. »Ich will keine Mutti. Und so eine schon gar nicht.«

»Kennst du sie denn?«

»Ja.«

»Ich denke, sie ist in Amerika?«, bohrte Heidi weiter.

»Sie war einmal hier zu Besuch.«

»Kommt sie wieder her, wenn sie deinen Vati heiratet?«

»Ich hoffe, sie stirbt vorher.«

Heidi zuckte zusammen. »So etwas darf man nicht sagen.«

»Warum nicht? Ich will ja, dass sie stirbt.« Dass er Heidi erschreckt hatte, gefiel ihm. »Meine Mutti ist auch gestorben.« Seine Unterlippe schob sich nach vorn.

»Wann ist sie gestorben?«

»Schon lange. Und dann war ich mit Vati allein, und das war schön …« Er begann wieder zu träumen. Von der Zeit, die er mit seinem Vater allein verbracht hatte.

Heidi beobachtete ihr Kaninchen, das jetzt dicht neben Christians Kopf saß. Er merkte es gar nicht. Erst als Rosenrots Löffel sein Ohr streifte, öffnete Chris die Augen. Er sah das Kaninchen und stieß es von sich.

»Was fällt dir ein?«, rief Heidi aufgebracht. »Du tust ihm doch weh!« Sie bückte sich und nahm Rosenrot auf den Arm.

»Verschwinde mit deinem blöden Karnickel.«

Heidi schluckte. »Du bist gemein!« Sie drehte sich um und lief davon.

»Chris hat mein Rosenrot ein blödes Karnickel genannt«, erzählte sie den beiden Mädchen, die sie bei der Schaukel antraf.

»Warum?«, fragte Vicky. »Habt ihr gestritten?«

»Überhaupt nicht. Ich wollte nett sein und ihn mit Rosenrot spielen lassen. Rosenrot hat ihm nichts getan.«

Am Rande des Spielplatzes, auf einer Bank, saß die Kinderschwester.

Zufällig hatte sie das Gespräch der Mädchen gehört und mischte sich jetzt ein: »Du darfst es Chris nicht verübeln, Heidi. Ich glaube, er ist sehr unglücklich und benimmt sich deshalb so bockig.« Sie legte ihre Häkelarbeit beiseite.

»Schwester Regine.« Pünktchen sprang so plötzlich von der Wippe, dass Vicky auf der anderen Seite zuerst einen Satz in die Luft machte und dann hart auf dem Boden landete.

»Spinnst du?« Vicky rieb sich ihr Hinterteil. »Du kannst doch vorher etwas sagen, wenn du schon abspringen musst.«

Pünktchen entschuldigte sich. »Das wollte ich nicht.«

»Das kann man hinterher leicht sagen«, nuschelte Vicky und kam ebenfalls zu der Bank, auf der die Kinderschwester saß, Schwester Regine versuchte den Mädchen Christians Situation zu erklären: »Jahrelang war Chris mit seinem Vater allein. Seine Mutter ist schon lange tot. Jetzt hat der Vater eine Frau kennen gelernt und will wieder heiraten. Das fängt schon damit an, dass er Chris allein lässt und nach Amerika fliegt.«

»Das würde mich auch ärgern«, meinte Vicky.

»Chris ist eifersüchtig auf die Frau«, vermutete Pünktchen.

Schwester Regine gab ihr recht. »Er befürchtet, dass sich die ganze Zuneigung seines Vaters nun auf diese Frau konzentrieren werde, dass er seinen Sohn nicht mehr lieben werde, was natürlich nicht stimmt.«

»Aber dafür können wir doch nichts.« Heidi schob einen Finger in den Mund. »Wir sind alle nett zu ihm. Da braucht er nicht so patzig zu sein und Rosenrot ein ›blödes Karnickel‹ schimpfen. Rosenrot kann doch nichts dafür, dass Chris’ Vati wieder heiraten will.«

Schwester Regine unterdrückte ein Schmunzeln.

»Nein, Rosenrot kann wirklich nichts dafür. Ich habe euch das auch nur erzählt, weil ich euch bitten wollte, ein bisschen nachsichtig mit Chris zu sein.«

»Will Chris’ Vati eine Amerikanerin heiraten?«, fragte Pünktchen.

»Soviel ich weiß, ist sie Deutsche und lebt nur in den Vereinigten Staaten.« Schwester Regine griff wieder nach ihrer Häkelarbeit. »Sie hat vor einiger Zeit Deutschland besucht und dabei Christians Vater kennen gelernt.«

»Ob er sich in sie verliebt hat?«, überlegte Vicky laut.

Pünktchen schüttelte den Kopf. »Das ist doch wohl klar. Sonst würde er sie doch nicht heiraten wollen.«

Vicky verteidigte sich: »So klar ist das nun auch wieder nicht. Es gibt schließlich auch Leute, die einander heiraten, obwohl sie einander nicht mögen.«

»Das gibt es nicht.«

»Das gibt es doch.« Vicky stampfte mit dem Fuß auf. »Stimmt es, Schwester Regine?«

»So etwas mag schon vorkommen. Nur glaube ich nicht, dass Herr Schubert aus Berechnung heiraten will.«

»Wer ist Herr Schubert?«, fragte Heidi.

»Chris’ Vater«, antwortete Vicky ungeduldig.

Heidi nahm ihr Kaninchen auf den Arm. »Ich gehe mit Rosenrot zum Haus.«

»Das sollten wir alle tun«, schlug die Kinderschwester vor. »In einer halben Stunde gibt es Abendessen.«

Sie packte ihre Handarbeit zusammen. Pünktchen und Vicky gingen nebeneinander.

»Eigentlich müsste sich Chris doch freuen, dass er wieder eine Mutti kriegt«, meinte Vicky. »Ich würde mich freuen.«

»Du weißt ja nicht, wie sie ist. Vielleicht mag sie keine Kinder.«

»Hm, das kann sein.« Vicky seufzte. »Am schlimmsten ist, dass wir morgen wieder in die Schule gehen müssen. Warum vergehen die Sonntage bloß immer so schnell?«

»Weil es Sonntage sind.«

Vicky blieb stehen. »Das ist vielleicht ’ne Antwort.«

»Es stimmt doch. Außerdem brauchst du nicht zu jammern. In drei Wochen fangen doch die großen Ferien an.«

»Gott sei Dank!« Vicky legte den Kopf in den Nacken und breitete die Arme aus. »Jeden Tag baden gehen …«

»Wenn schönes Wetter ist.«

»Du kannst einem aber auch die ganze Freude verderben, Pünktchen.«

»Wieso? Ich habe nur das gesagt, was stimmt. Es könnte doch sein, dass es den ganzen Sommer verregnet.«

»Hör bloß auf!« Vickys Arme fielen herab. »Daran mag ich nicht einmal denken. Das wäre hundsgemein.«

»Wäre es auch.« Pünktchen musterte Vickys Arme. »Du bist schon wieder viel brauner als ich.«

»Wirklich?« Vicky streckte beide Arme von sich, um sie zu betrachten. »Ich werde immer schneller braun als du.«

»Warum werde ich bloß immer rot?«

»Weil du blond bist und Sommersprossen hast.«

Pünktchen blieb stehen. »Was haben denn die Sommersprossen mit dem Braunwerden zu tun?«

»Ganz einfach: Rothaarige werden schwer braun und haben außerdem Sommersprossen. Und du hast auch Sommersprossen.«

»Ich bin aber nicht rothaarig«, widersprach Pünktchen ihr entrüstet.

»Nun rege dich nicht gleich auf. Ich habe ja nicht gesagt, dass du rothaarig bist. Nur, dass du Sommersprossen hast. Und ein bisschen rötlich sind deine blonden Haare doch.«

»Das finde ich nicht«, widersprach Pünktchen ihr erneut. Sie wollte nicht rothaarig sein, und ihre Sommersprossen mochte sie auch nicht. »Ich möchte einmal so braun werden wie Nick.« Sie verdrehte die Augen.

»Das wirst du nie. Nick ist mit seinen schwarzen Haaren ein ganz anderer Typ.«

»Das weiß ich.« Sie hatten das Herrenhaus erreicht. Pünktchen sprang als Erste die Stufen empor. Die etwas rundliche Vicky kam langsam nach.

Die meisten Kinder waren schon im Haus. Sie wuschen sich die Hände oder saßen in der Halle oder im Aufenthaltsraum.

Dominik von Wellentin-Schoenecker, den alle nur Nick nannten, suchte seinen Halbbruder Henrik. Er fand ihn schließlich im Eisenbahnzimmer und trieb ihn zur Eile an.

»Wir haben Mutti versprochen, zum Abendessen zu Hause zu sein. Also, komm schon!«

Henrik – viel jünger als Nick – hatte keine Lust, nach Gut Schoeneich zurückzuradeln. »Können wir nicht hier übernachten?«

»Dann hätten wir Mutti und Vati vorher Bescheid sagen müssen.«

»Wir könnten doch zu Hause anrufen?«

Nick schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Erstens haben wir unsere Schulsachen nicht dabei, und die brauchen wir morgen früh. Zweitens sind wir nicht für die Schule angezogen. Oder willst du morgen in Turnhose und T-Shirt zur Schule fahren?«

»Mir wäre das egal.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Nick gab seinem Halbbruder einen gut gemeinten Rippenstoß. »Also, komm schon, bevor’s Ärger gibt.«

Chris Schubert saß auf den Treppenstufen vor dem Herrenhaus. »Bis morgen, Chris«, rief Henrik, bevor er auf sein Fahrrad stieg. Henrik und Chris besuchten als einzige die Volksschule in Wildmoos. Alle anderen Kinder gingen schon auf das Maibacher Gymnasium.

Während Chris den beiden Brüdern nachschaute, dachte er daran, dass dieses ganze Kinderheim mit seinem großen Park, mit den Pferden und Weiden Nick gehörte. Das hatte Henrik erzählt.

Ob er gelogen hatte? Kaum, denn die anderen, die zugehört hatten, hatten zu allem genickt. Chris überlegte, ob man sich wie ein König fühlte, wenn einem das alles gehörte? Aber Nick benahm sich ganz normal. Er gab auch nicht an.

»He, träumst du?«

Chris drehte sich um. Vor ihm stand ein Junge, der zwei oder drei Jahre älter war als er – Fabian. Er sagte: »Es gibt Abendessen.«

»Ich habe keinen Hunger.«

»Du musst trotzdem in den Speisesaal kommen.«

»Warum?«

»Weil das nun einmal bei uns so üblich ist. Wenn du nicht kommst, gibt’s bloß Ärger.«

Trotzig schob Chris sein Kinn nach vorn. »Dann soll’s eben Ärger geben.«

Das verstand Fabian nicht. »Du kannst dich doch wenigstens in den Speisesaal setzen. Wenn du dann wirklich nichts isst, ist es halb so schlimm.«

»Nein.«

»Nun komm schon«, drängte Fabian. »Ich will dir doch bloß helfen.«

»Ich will nicht, dass mir jemand hilft.«

»Du bist wirklich komisch.« Fabian war ratlos. Einen Moment blieb er noch neben Chris stehen, dann zuckte er mit den Schultern und ging ins Haus.

Beim Austeilen des Essens durfte jeden Tag ein anderes Kind helfen. An diesem Sonntag war Irmela, das älteste Mädchen unter den Kindern, an der Reihe.

»Der Neue fehlt«, sagte sie zu Schwester Regine. »Soll ich ihn suchen?«

»Ich mache das selbst.« Schwester Regine gab Irmela die Suppenschüssel und verließ den Speisesaal.

Sie fand Chris vor dem Haus. »Hast du keinen Hunger?«

Der Junge schüttelte den Kopf.

»Ins Haus kommen musst du trotzdem.« Schwester Regine nahm Chris einfach bei der Hand.

»Ich will aber nichts essen.«

»Du brauchst nichts zu essen, wenn du keinen Hunger hast. Niemand zwingt dich dazu.« Die Kinderschwester brachte Chris in den Speisesaal. Dann beachtete sie ihn nicht weiter. Sie wusste, jeder Zwang war hier fehl am Platze, würde den Jungen nur noch störrischer machen. Wenn er Hunger hat, dann isst er auch, dachte Schwester Regine, und sie behielt recht.