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Die Chance seines Lebens: Der Journalist Mark Taylor darf den selbst ernannten Kalifen Sa'id interviewen; der Chef der Terrororganisation Dschihad al-Scharia lädt ihn nach Nordsyrien ein. Mark weiß, dass er sein Leben aufs Spiel setzt, besonders, wenn er mit der CIA zusammenzuarbeitet, um Dschihad al-Scharia das Handwerk zu legen. Er entscheidet sich – und gerät in tödliche Gefahr. Ein packender, hochaktueller Thriller.
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Seitenzahl: 514
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Der SCM-Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 9783775173049 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5670-7 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book:Satz & Medien Wieser, Stolberg
Überarbeitete und aktualisierte Auflage 2015 (2. Gesamtauflage)© der deutschen Ausgabe 2015SCM-Verlag GmbH & Co. KG · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 HolzgerlingenInternet: www.scmedien.de · E-Mail: [email protected]
Originally published in English under the title: Interview with the Devil© Copyright der Originalausgabe 2002 by Clay JacobsenPublished by Barbour Publishing, Inc., P.O. Box, 719, Urichsville OH 44683, USA.All rights reserved.
Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.Weiter wurden verwendet:Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung,© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Übersetzung: Dr. Friedemann LuxUmschlaggestaltung: OHA Werbeagentur GmbH, Grabs, Schweiz;www.oha-werbeagentur.chTitelbild: shutterstock.comSatz: Satz & Medien Wieser, Stolberg
WIDMUNG
PROLOG
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
EPILOG
DANKSAGUNGEN
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Die Recherchen für diesen Roman haben mir großen Respekt eingeflößt vor den Journalisten, die täglich in den Krisen- und Kriegsgebieten unserer Welt ihr Leben riskieren. Ihre aufopferungsvolle Hingabe, um uns über das, was in der Welt vorgeht, zu informieren, ist inspirierend.
2002 wurde Daniel Pearl, der Reporter des Wall Street Journal, entführt, gefoltert und ermordet. Sein Schicksal, das ein Beispiel für die enormen Risiken ist, denen Journalisten im Pulverfass des Nahen Ostens gegenüberstehen, hat mich tief bewegt. Und so widme ich diesen Roman ihm, und mit ihm all den Opfern der Anschläge islamistischer Extremisten, vom 11. September 2001 und anderswo in der Welt. Es ist mein Gebet, dass Gott selber ihre Angehörigen trösten wird. Es ist meine Hoffnung, dass es in dieser Welt endlich Frieden werden möge – und ich weiß, dass dies nur möglich ist durch den Friedefürsten, Jesus Christus.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
In der nordsyrischen Wüste,Mitte Januar
Erst nichts, nur schwarze Leere. Dann grüne Funken, wie Glühwürmchen in einer mondlosen Nacht. Zuletzt der Schmerz, in immer größeren Wellen. Mark Taylor kämpfte verzweifelt darum, die Schwärze nicht loszulassen.
Dann trat der erste Gedanke aus dem Nebel. Nicht die Frage, wie es ihm ging, wo er war oder wie viele Knochen er gebrochen hatte, sondern ein verschwommenes Bild seiner Frau. Es zog ihn unwiderstehlich ins Bewusstsein zurück. Seine Augen öffneten sich. Das Licht stach in seinen Kopf, und er schloss sie sofort wieder.
Nach einem Augenblick versuchte er es noch einmal, langsamer. Wo war er? Dann kamen Schritte. Mark hielt das Bild eines nackten Raumes mit Lehmfußboden fest und schloss die Augen erneut. Stimmen. Die Worte verstand er nicht. Arabisch? Sie klangen danach. Die Geräusche und der Schmerz klärten seinen Kopf.
Richtig, er war – irgendwo in der Türkei. Oder doch Syrien? Langsam kam ihm die Erinnerung und die Erkenntnis, dass er in Schwierigkeiten steckte, und zwar in gewaltigen.
Er lag seitlich zusammengerollt auf dem harten Boden. Wie lange er bewusstlos gewesen war – keine Ahnung. Die Stimmen kamen näher. Mark rührte sich nicht, atmete nur, flach und rasch.
Plötzlich ergoss sich eine modrige Flüssigkeit über seinen Kopf, dass er würgte und hustete. Der Schmerz im ganzen Körper war fast unerträglich.
»Ich hoffe, Sie haben gut geschlummert.« Das Englisch war fast akzentfrei.
Mark spuckte das faulige Wasser aus und wischte sich die Augen. Zwischen drei Männern mit Kalaschnikows stand Ahmad Hani Sa’id, der berüchtigte Anführer des Terrornetzwerks Dschihad al-Scharia. »Ich denke, Mr Taylor«, fuhr er gelassen fort, »wir sollten unsere Unterhaltung fortsetzen.«
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Fünf Tage vorher … MittwochStudio City, Kalifornien7.03 Uhr
Sie saß auf dem Rand der Badewanne, schaute auf ihre Uhr, dann wieder auf den Teststreifen. Sie nestelte geistesabwesend an ihren Fingern, bevor sie wieder den Zeiger der Uhr verfolgte.
Am östlichen Horizont dämmerte es. Tracy Taylor hatte den größten Teil der Nacht wach gelegen. Das ruhige Atmen ihres Mannes neben ihr hatte sie dann und wann für ein paar Augenblicke einschlafen lassen, bis sie wieder wach wurde und weitergrübelte. Ihre Periode war seit drei Wochen überfällig, was an sich nichts Besonderes war, aber diesmal … war irgendetwas anders. Gestern, auf dem Nachhauseweg, hatte sie sich in einer Drogerie einen Schwangerschaftstest gekauft. Sie war zu nervös gewesen, um ihn gleich anzuwenden, und hatte ihn in ihrem Kleiderschrank unter den Pullovern versteckt, bis vor ein paar Minuten die Neugierde zu stark geworden war.
Sie stand auf, trat vor den Spiegel, drehte sich zur Seite, zog das Nachthemd ein Stück von ihrem Bauch fort und strich mit der Hand darüber. Wie würde ihr zierlicher Körper mit so einer Schwangerschaft fertig werden, wenn es denn eine war? Sie blies ihre Wangen auf. Sie musste kichern.
Auf Zehenspitzen ging sie zu der nur angelehnten Tür und lugte ins Schlafzimmer. Mark lag zusammengerollt unter den Decken, sein störrisches braunes Haar wollte in alle Richtungen gleichzeitig. Sein Atem ging regelmäßig und schwer. Ihr Magen kitzelte. Wie würde er …? Sie waren noch kein Jahr verheiratet. Sie wusste, dass er Kinder wollte – irgendwann.
Noch fünf Minuten, dann würde sein Wecker klingeln. Sie schaute nervös auf ihre Uhr. Jetzt.
Damaskus, Syrien17.07 Uhr
Mclintock ging die belebte Suq Saruja entlang, alle paar Schritte einen nervösen Blick über die Schulter werfend. In der schmalen Straße mit den alten Mode- und Juweliergeschäften herrschte das übliche Gewimmel. Die Ladenbesitzer hielten ihm eifrig ihre Waren hin, aber Josh hatte heute keine Lust zum Feilschen. Er ging in Richtung ath-Thaura-Brücke, wo er auf Mustafa warten sollte. So hatte der Anrufer es ihm befohlen. Ein kalter Windstoß kitzelte seinen Nacken, Josh duckte sich tiefer in seinen schwarzen Mantel. Mach schon, Mustafa, dachte er nervös, während er weiterging.
Josh Mclintock war der stellvertretende Leiter des Bereiches »Naher Osten« der Kabelnachrichtenabteilung des National Network und ihr erster Reporter. Er verantwortete alle Aspekte der entsprechenden Berichterstattung unter sich. Seine Basis befand sich in der Türkei, er hätte es nie gewagt, die Grenze zu Syrien zu überschreiten, wäre er nicht gerufen worden.
Nach dem Wiedererstarken des Al-Kaida-Terrornetzes und dem kometenhaften Aufstieg des IS, des Islamischen Staats, befand sich der Nahe Osten in Aufruhr. Aber nun hatte eine andere, neue, wachsende Organisation Amerika auf eigenem Territorium angegriffen und Mclintock hatte einen Kontakt in der Terrororganisation.
Den Auftakt hatte das »Sonntagsmassaker« gemacht, als innerhalb von ein paar Minuten in Football-Stadien in Chicago, Dallas, New Orleans und Washington vier Busse explodierten, über 12 000 Zuschauer töteten und Zehntausende weitere verletzten. Die Selbstmordattentäter waren mit Schulbussen aus Städten, die an dem Pausenprogramm teilnehmen sollten, in der Halbzeit vor den Stadien vorgefahren. Drei von ihnen waren in die Ladezone unter der Tribüne dirigiert worden, wo die Bomben explodierten. Nur in Chicago hatte ein aufmerksamer Wachmann den Bus nicht hineingelassen, was Tausenden das Leben gerettet hatte.
Dann, am Morgen des 1. Weihnachtstags vor drei Wochen waren wieder innerhalb weniger Minuten Bombenanschläge auf die amerikanischen Botschaften in Saudi-Arabien, Kuwait und Ägypten verübt worden, die 900 Opfer forderten. Die exakte Planung erinnerte an Osama bin Laden. Amerika war im freien Fall.
Alle Indizien, die Geheimdienste und Sicherheitsbehörden sammelten, wiesen in die gleiche Richtung: auf das neue Netzwerk des Dschihad al-Scharia. Sein Führer, Ahmad Hani Sa’id, war den westlichen Nachrichtendiensten ein Rätsel. Man wusste kaum etwas über ihn, außer dass er der Sohn eines saudi-arabischen Ölscheichs und mit 18 Jahren verschwunden war, bevor er in den letzten fünf Jahren als Kopf des Terrornetzwerks, das aus der nordsyrischen Wüste operieren sollte, wieder aufgetaucht war. Unzweifelhaft richteten sich seitdem amerikanische Lenkflugkörper und lasergesteuerte Bomben auf dieses Gebiet der Landkarte.
Die Beziehung zwischen Mclintock und Mustafa war nicht offiziell. Er hielt seinen Umgang mit dem Araber so geheim, dass noch nicht einmal seine Vorgesetzten von ihm wussten. Ein falsches Wort nach New York, und aus wäre es mit den höchst nützlichen Insider-Informationen aus dem Terrornetzwerk, die National News gegenüber der Konkurrenz immer einen Vorteil verschafften.
Es gab natürlich noch einen anderen Grund, den Kontakt geheim zu halten. Josh war sein Leben lieb. Was Mustafa ihm bei der ersten Kontaktaufnahme gesagt hatte, war sehr deutlich gewesen.
»Hallo, Josh.« Die Stimme mit dem starken Akzent ließ Josh erstarren. Er drehte sich langsam um. In einer Seitengasse zu seiner Linken war eine Gestalt in langen Gewändern. Josh schaute hastig die Straße entlang, dann trat er in den Schatten hinter dem as-Sa'ada-Hotel.
»Ich hoffe, es ist was Wichtiges.« Er versuchte, leicht irritiert zu klingen, um die Angst, die er in Mustafas Nähe immer spürte, zu überdecken. Der Mann schien einen direkten Draht zur Führung der Terrororganisation zu haben. Jede Vorhersage, die Josh von ihm erhalten hatte, war präzise gewesen. Die Kollegen staunten; Josh Mclintock, der Meister-Reporter …
Mustafa nahm eine herb riechende arabische Zigarette zwischen die Lippen und tat einen langen Zug. »Deine Reise wird sich lohnen.« Josh antwortete nicht. Er hatte gelernt, dass er besser nicht zu viel sagte.
»Sa’id möchte deinem Sender ein Interview gewähren.«
Josh war schockiert. War das ein Witz? Josh musterte das Gesicht des Terroristen, suchte nach Anzeichen für einen Täuschungsversuch unter dem schwarzen Turban. Aber er sah nur dunkle, ausdruckslose Augen. »Ahmad Hani Sa’id? Das soll ich glauben?« Josh lachte zynisch. »Den hat keiner interviewt oder fotografiert, seit er 18 war.«
»Es ist Zeit«, antwortete Mustafa trocken.
Josh legte den Kopf schief und dachte nach. Wenn Mustafa das ernst meinte, es wäre der Coup seines Journalistenlebens, die Eintrittskarte zu einem der ganz großen Sender. »Ein Interview mit Sa’id? Woher soll ich wissen, dass er’s überhaupt ist?«
Mustafa murmelte die Antwort in seinen langen Bart. »Es wird Beweise geben. Aber dieses Interview ist nicht für dich.«
»Was soll das heißen – nicht für mich? Ich bin seit über drei Jahren in diesem Höllenloch Istanbul und berichte über diesen Scheißkrieg. Ich hab das Recht …«
»Stopp!« Mustafas Hand schoss nach vorne, die Finger gruben sich in Joshs Wange. »Du hast keine Rechte! Deine Leiden in diesem ›Höllenloch‹, wie du das nennst, sind Sa’id egal!«
Josh riss sich los. Er begriff plötzlich, in welcher Gefahr er war. Er schob seinen Unterkiefer nach vorne und rieb sich über die schmerzende Wange. Mustafa fuhr fort. »Das Interview wird in drei Tagen stattfinden, und er wird nur mit einem Mann aus deinem Sender in Amerika reden.« Das Wort »Amerika« sprach Mustafa mit schäumender Verachtung aus.
»Und dieser Mann ist Mark Taylor.«
Studio City, Kalifornien7.10 Uhr
»Und wieder mal ein sonniger Tag hier unten im Süden.« Die Stimme aus dem Radiowecker durchbrach die Morgenstille. Mark schlug schlaftrunken den Knopf, rollte sich auf die Seite und streckte seinen Arm nach Tracy aus. Bis zum zweiten Wecksignal war Kuschelzeit. Als er nur das Kissen fand, öffnete er überrascht die Augen. »Tracy?« Sie war eigentlich ein Morgenmuffel und blieb im Bett, während er sich duschte.
Sie kam aus dem Badezimmer, sprang mit einem Satz aufs Bett und drückte ihn tiefer in die Kissen. »Hast du mich gerufen?« Sie lachte.
»Ja, habe ich.« Mark lächelte. Er konnte sich nicht sattsehen an ihrem schönen, von dem langen, dunklen Haar eingerahmten Gesicht. Er hob seinen Kopf, um sie auf den Mund zu küssen. Sie beugte sich tiefer zu ihm, bis sein Kopf wieder auf dem Kissen lag. Der Kuss dauerte an.
»Heut sind wir aber gut drauf, wie?«, sagte Mark, als sie sich wieder von ihm löste.
Sie legte sich errötend neben ihn. »Warum auch nicht? Es ist ein schöner Tag, und wenn ich dich so daliegen sehe, also …«
Mark lachte. Wenn Tracy ihn mit Stoppelbart, zerzaustem Haar und morgendlichem Mundgeruch begehrenswert fand … warum nicht?
Er wollte sie gerade an sich ziehen, als der Radiowecker wieder losging. Dann landete etwas im Bett, genau zwischen ihnen. Shandy, ihr Hund. Mark schaute in Tracys liebeshungrige smaragdgrüne Augen und kratzte den Hund seufzend hinter den Ohren. Das Digitaldisplay des Weckers zeigte 7.15 Uhr. Er schüttelte den Kopf und stellte den Wecker ab. »Ich muss los. Heute ist Redaktionsmeeting.«
Tracy erwiderte seinen Blick. Sie strich ihm über die raue Wange. »Ich weiß.« Dann ging ein spitzbübisches Grinsen über ihr Gesicht. Sie sprang vom Bett und rannte zurück ins Bad. »Wer ist zuerst in der Dusche?«
»Wann kommst du heute Abend zurück?«, fragte Tracy 37 Minuten später, als Mark sich in seinen silberfarbenen Lexus setzte.
»Nicht sehr spät, so sechs, halb sieben.« Jetzt, wo er frisch rasiert und gekämmt war, zeigten nur noch einzelne Strähnen von Marks Haar nach oben. Tracy fand das süß.
»Gut.« Sie lächelte. »Dann machen wir uns hier ein schönes Dinner, wie wär’s?«
Marks zog die Augenbrauen hoch und lehnte sich ans Fenster. »Musst du heute Abend nicht lernen?«
Tracy beugte sich zu ihm und küsste ihn flüchtig. »Das kann warten. Heute machen wir uns einen schönen Abend.«
Er grinste, während er das Auto startete. »Klingt gut. Also dann bis heute Abend, Liebes.«
Er rangierte rückwärts aus der Einfahrt. Tracy winkte ihm hinterher, während er die Straße hinunterfuhr. Sie hatten sich vor ein paar Jahren kennengelernt, als Mark, ein Fernsehjournalist, an einer Reportage über Meinungsumfragen arbeitete. Er hatte sich die Firma ihres Großvaters für sein Projekt auserkoren, und da Tracy die Pressesprecherin der Firma war, hatte sie Mark in das Geschäft eingeführt. Die beiden hatten sich auf Anhieb gemocht. Aus Sympathie war rasch eine Romanze geworden, die extrem kompliziert wurde dadurch, dass Marks Recherchen zum Sturz ihres Großvaters und seines Medien-Imperiums geführt hatten.
Wie sollte sie Mark sagen, dass sie schwanger war? Das mit dem Dinner war eine spontane Idee gewesen, aber je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr gefiel ihr die Idee. In der Tiefkühltruhe waren noch zwei Steaks. Oder vielleicht sollte sie etwas Italienisches machen, wie bei ihrem ersten gemeinsamen Essen. Ein romantisches Kerzendinner mit leiser Musik im Hintergrund … Sie schmunzelte, während sie überlegte, wie lange sie ihre Neuigkeit wohl für sich behalten würde.
Aber zuerst musste sie ganz sicher sein. Die Teststreifen aus der Drogerie waren nicht zu 100 Prozent genau. Ein Kind würde ihr Leben total verändern, egal ob sie dazu bereit waren oder nicht. Sie war noch mitten in ihrem Jurastudium. Dieses Studienjahr würde sie ohne Probleme abschließen, aber dann fehlte ihr noch ein Jahr bis zum Examen. Wie sollte sie ihr Studium abschließen mit einem Neugeborenen im Haus? Sie strich sich lächelnd über den Bauch. Das werden wir schon sehen.
Sie ging zurück ins Haus. Ihr erstes Seminar musste heute ohne sie auskommen. Der Termin beim Arzt ging vor.
CIA-Zentrale, Langley, Virginia11.32 Uhr
Während die meisten Leute darüber nachdachten, wo sie ihre Lunchpause an diesem Arbeitstag verbringen sollten, saß Wendy Hamilton schon seit über sechs Stunden an ihrem Schreibtisch. Als CIA-Analystin für verdeckte Überwachung im Nahen Osten musste sie mit den Hühnern aufstehen, um ihre Arbeit zu erledigen.
Sie hatte ihre Geheimdienstkarriere im Januar 2002 begonnen, als eine der Tausenden, die sich nach den Terroranschlägen vom 11. September beim CIA beworben hatten. Man nannte sie die »9/11«-Rekruten.
Wendy hatte Abschlüsse in Psychologie und Soziologie der Elite-Universität von Dartmouth und sprach drei Fremdsprachen fließend: Französisch, Farsi und Arabisch. Sie war 1,60 Meter groß, durchtrainiert und hatte braunes Haar mit naturblonden Strähnen. Sie hatte ihr Studium ein Semester früher abgeschlossen als üblich und sich dann zur Enttäuschung ihrer Eltern beim CIA beworben.
Wendy hatte erst die Hälfte des Berichtsstapels auf ihrem Schreibtisch abgetragen, als ihr Schreibtischnachbar Phillip Nest hereinkam … den Arm voller »TOP SECRET« markierter Berichte. »Hier kommen gleich die nächsten«, murmelte er und setzte den Stapel ab. Wendy und Phillip waren nur zwei der 30 Angestellten, die sich das durch halbhohe Zwischenwände unterteilte Großraumbüro im unteren Stock des Old Buildings teilten. Phillip, der seit über 20 Jahren dabei war, hatte gestaunt, wie rasch Wendy sich in das Spionagegeschäft eingearbeitet hatte. Sie schien einen siebten Sinn für versteckte Querverbindungen zwischen scheinbar zusammenhanglosen Personen und Ereignissen zu haben.
Wendy blickte hoch. »Was Wichtiges?«
»Null Ahnung«, antwortete Phillip. »Hab noch nicht durchgeschaut.«
Wendy blätterte flüchtig das obere Drittel des Stapels durch. Sie seufzte. Zu oft hatte sie den Eindruck, dass ihr Job darin bestand, stundenlang Papiere auf ihrem Schreibtisch zu verschieben oder auf den Bildschirm ihres Computers zu starren. Es war frustrierend. Was sie wollte, waren Fakten über das Terrornetzwerk des Dschihad al-Scharia.
Ein Piepsen des Computers unterbrach sie. Irgendetwas hatte eine der vielen Alarmeinstellungen aktiviert, die sie eingerichtet hatte. Sie legte die Berichte beiseite und griff nach der Maus, den Blick auf dem Dialogfenster des Bildschirms. »Was gibt’s?«, fragte Phillip, der hinter ihr saß.
»Wieder ein Bericht der NSA, der Sa’id erwähnt«, erwiderte Wendy. Sie bekam täglich Hunderte dieser Alarme, aber man konnte nie wissen, ob der nächste nicht etwas Wichtiges ankündigte. Sie öffnete das Dokument, das das Piepsen ausgelöst hatte, und fing an zu lesen. Sie merkte, wie ihr Herz zu rasen begann.
National Studios, Hollywood, Kalifornien8.51 Uhr
Mark stoppte seinen Lexus hinter drei anderen Wagen, die vor dem Tor der National Studios warteten. Seit den Anschlägen auf die Football-Stadien im November war es jeden Morgen die gleiche Prozedur. Sobald er die Pförtnerloge unter dem riesigen Bogen mit dem Studiologo erreichte, entriegelte er den Kofferraumdeckel, damit einer der Wächter ihn durchsuchen konnte, während der andere seine Papiere prüfte. Beide kannten ihn gut. Nach den Anschlägen vom 11. September hatte es eine Zeit lang ähnliche Überprüfungen gegeben; jetzt waren sie wieder eingeführt.
Für Mark waren sie eine tägliche Erinnerung an den Krieg der Terroristen gegen Amerika und ein Anlass, auf der Fahrt zum Studio für sein Land und seine Politiker zu beten. Die Freiheiten, die ihm so lange selbstverständlich gewesen waren, wurden ihm mit jedem Tag wertvoller. Er erreichte das Produktionsbüro ein paar Minuten vor dem Meeting, sodass er seine Tasche noch neben seinen Schreibtisch stellen konnte, bevor er in das Besprechungszimmer ging.
Ihre Sendung hieß Across the Nation und war ein Nachrichtenmagazin. Das National Network hatte nicht den Status der vier großen Sender, aber es holte auf. Es erreichte mittlerweile 90 Prozent der amerikanischen Haushalte, und die Einschaltquoten der Sendungen über den Krieg gegen den Terror lagen bei einigen Zuschauergruppen höher als bei CNN und Fox News. Across the Nation war jetzt in seinem dritten Jahr und wurde zweimal wöchentlich ausgestrahlt, am Sonntag- und Donnerstagabend.
Mark setzte sich neben seinen Produzenten Ross Berman, einen Riesen von einem Mann, der gegen Mark, der Levis und Jeanshemd trug, mit seinen dunkelgrauen Bügelfaltenhosen und schwarzem Hemd mit Sportjacke wie ein männliches Model aussah. Als Journalistikabsolvent der renommierten Princeton-Universität, der erst vor Kurzem zum Team gestoßen war, hatte er noch viel zu lernen, aber das mochte Mark ihm nicht sagen. »Ich hab das Interview mit Senatorin Boxer klargemacht«, flüsterte Ross.
»Wann?« Mark selbst war es nicht gelungen, das Interview über eine neue Gesetzesvorlage im Senat zu kriegen.
»Morgen Nachmittag vor der Sendung. Dann ist sie in der Stadt.«
Mark nickte. Das war perfekt.
»Mark und Ross, Frank will euch sprechen, jetzt sofort!« Heather Franklin, die Sekretärin des Produktionsleiters, stand in der Tür des Besprechungsraums. Mark warf Ross einen fragenden Blick zu, bevor er aufstand. »Was haben wir jetzt wieder verbrochen?«
Frank Russell saß hinter seinem Schreibtisch und schaute zum Fenster hinaus. Mark hatte großen Respekt vor seinem Boss, einem langjährigen früheren NBC-Reporter. Russell vertrat den klassischen Journalismus und lag gewöhnlich entweder mit den Chefs des Senders oder mit der juristischen Abteilung im Clinch. Er hatte Mark angelernt und ihm eingetrichtert, dass das A und O seines Jobs die Story war und dass er sich bei der Suche nach der Wahrheit von keinen akademischen Korinthenkackern stören lassen durfte. »Setzt euch, Jungs«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
Sie setzten sich. Nach einem Augenblick drehte sich Russell auf seinem quietschenden Ledersessel um. Obwohl er so verdrießlich aussah wie immer, spürte Mark, dass etwas Besonderes passiert war. Russells Glatze glänzte im Licht der Deckenlampe, als er den Kopf leicht neigte, um die beiden über den Rand seiner Lesebrille anzuschauen. Seine Augen! Richtig – sein Blick war schärfer, lebendiger als sonst. »Ich hatte gerade 'nen Anruf von Steve Thompson, dem Chef unserer Kabelnachrichtenabteilung in New York.« Er nahm die Brille ab und sah Mark an, während sich sein Mund zu einem leichten Lächeln verzog. »Scheint so, als ob du Ahmad Hani Sa’id interviewen darfst.«
Mark blinzelte ungläubig. Russell wartete geduldig. Ross reagierte zuerst – mit einem aufgeregten Fluch.
»Ist das – ist das dein Ernst?«, stotterte Mark.
»Todernst, wenn ich das so sagen darf.«
»Aber das ist unmöglich!«, rief Mark aus. Wo? Wann? Hundert Fragen schossen ihm durch den Kopf. »Wie das denn?«
»Der hat doch noch nie ein Interview gegeben«, platzte Ross heraus. »Warum jetzt? Und warum Mark?«
»Das hab ich Steve auch gefragt«, sagte Russell. »Was wir wissen, ist dieses: Josh Mclintock ist heute in Damaskus von einem Kontaktmann des Dschihad al-Scharia angesprochen worden, mit der Nachricht, dass Sa’id bereit ist, ein Interview zu geben, und dass Mark Taylor in drei Tagen da sein soll. Warum, wissen wir nicht, wir wissen nur, wo und wie wir ihn kontaktieren können.«
»Das ergibt doch keinen Sinn«, murmelte Mark, mehr zu sich selber. »Wir haben Korrespondenten überall im Nahen Osten. Mclintock läuft bestimmt das Wasser im Mund zusammen. Warum ich?«
»Keine Ahnung.« Russell lächelte breit. »Aber das ist deine große Chance, mein Junge, du brauchst sie nur zu packen.«
»Dann wollen wir darauf eingehen?«, fragte Mark.
»Worauf du dich verlassen kannst.« Russell hielt inne, dann fixierte er seinen jungen Reporter intensiv, den Kopf leicht zur Seite gelegt. »Warum auch nicht?«
»Ich weiß nicht.« Mark versuchte, sich zu konzentrieren. »Ich meine – nach alldem, was da in den letzten Monaten passiert ist, sollen wir da wirklich Propaganda für den Kerl machen?«
»Komm, Mark, wir sind Journalisten.« Russell lachte, bis er Marks ernste Miene sah.
»Aber wir sind auch Amerikaner.« Mark stand auf und trat an das Fenster, ein Stoßgebet um Gottes Führung im Kopf. »Wenn ich wüsste, wo Sa'id jetzt ist, würde ich unsere Luftwaffe hinschicken, um ihn in die Hölle zu bomben.« Er drehte sich zu Russell zurück. »Frank, der Typ hat mehr Menschen umgebracht als bin Laden.«
»Du meinst das ernst, nicht wahr?«, fragte Russell.
»Was kann der der zivilisierten Welt schon zu sagen haben, außer einem Geständnis, bevor er erschossen wird?«
»Mark«, warf Ross ein. »Denk doch mal, was das für deine Karriere bedeuten kann, und für unser Magazin.«
Mark schnaubte, ging zurück zu seinem Stuhl und schüttelte den Kopf. »Hier geht’s um was anderes als meine Karriere oder unsere Einschaltquoten, Ross.«
Russell lehnte sich auf seinem Sessel zurück, wieder quietschte es. »Ross, ich würde mich gerne mal 'ne Minute alleine mit Mark unterhalten.«
»Okay, Frank.« Ross stand auf. »Was immer du willst.«
CIA-Zentrale, Langley, Virginia12.12 Uhr
Wendy klopfte an die offene Tür. »Hast du 'ne Minute Zeit?«
»Klar, komm rein.« Jack Murphy sah von seinem Computer auf. Er war der Zweite Direktor der CIA-Abteilung »Naher Osten«, Wendys Abteilung, die seit den jüngsten Anschlägen solche Überstunden fuhr. Er sah ganz nach Arbeit aus: Seine Anzugjacke hing über seinem Stuhl, seine Ärmel waren hochgekrempelt, die Krawatte lag irgendwo in seinem vollgestapelten Büro. Jack war erst 45, aber die letzten Jahre hatten ihn erschöpft. Sein Haar war merklich dünner geworden, die Schläfen grau. Die letzten beiden Tage war er nicht aus dem Büro gekommen.
»Das muss ja was Aufregendes sein.« Er musterte Wendys entschlossenes Gesicht. »Na, was hast du Schönes für mich?«
Sie schloss die Tür hinter sich, trat zu ihm und reichte ihm ein Schriftstück. Sie setzte sich ihm gegenüber. »Die NSA hat gestern Abend ein Gespräch zwischen Josh Mclintock – das ist der Nachrichtenchef in Syrien – und Steve Thompson, dem Leiter des Senders in New York, abgehört.«
Jacks Brauen gingen in die Höhe, während er das Blatt überflog. Es war immer heikel, wenn die CIA Gespräche amerikanischer Medien anzapfte. Diese Informationen musste man wie ein rohes Ei behandeln. »Und worum ging es?«
»Sieht so aus, als ob sie einen Interviewtermin mit Sa’id bekommen haben.« Wendy wartete, bis ihr Chef sie ansah. »In drei Tagen.«
Jack schoss aus seinem Stuhl, eine Mischung ausgesuchter Flüche ausstoßend. Dann fragte er: »Und warum ausgerechnet jetzt?«
»Null Ahnung. Aber für mich beweist das etwas, was ich schon lange glaube. Mclintock hat einen Kontakt im Dschihad al-Scharia.«
»Das denke ich auch.« Jack rieb sein Kinn und las das Protokoll des Telefongesprächs erneut, jetzt langsamer. Dann schaute er Wendy an, ein Lächeln glitt langsam über sein unrasiertes Gesicht. »Weiß du, was das bedeutet, Wendy?«
»Klar.« Sie erwiderte sein Lächeln. Sie fühlte eine völlig neue Aufregung. »Wir haben Sa’id!«
[Zum Inhaltsverzeichnis]
National Studios, Hollywood, Kalifornien9.14 Uhr
Russell schloss die Tür seines Büros. »Nun gut, Mark, ich versteh dich nicht. Das ist doch der Traum jedes Reporters. Was ist dein Problem?«
»Ich weiß nicht, Frank«, antwortete Mark ehrlich. Er wunderte sich selber, dass dieses Interview mit Sa’id ihm so zuwider war. Er wartete, bis Russell sich auf Ross’ Stuhl gesetzt hatte, dann fuhr er fort: »Dass wir Sa’id Sendezeit geben wollen, damit er für seinen perversen Dschihad Propaganda machen kann, das ist …«
»Das hatten wir eben schon«, unterbrach Russell ihn. »Schau her, Mark, du piesackst mich seit Monaten, dass du etwas über die Gefahr des militanten Islam machen willst, und jetzt hast du deine Chance!« Er hielt inne, um Marks Reaktion zu beobachten. »Da steckt noch mehr dahinter, oder?«
Mark atmete tief ein und wieder aus. »Ja. Das hat damit zu tun, wie unsere Branche mit diesem Krieg gegen den Terror umgeht. Als unsere Sender dieses erste Bin-Laden-Band live von Al-Jazeera übernahmen, ohne darüber nachzudenken, ob nicht womöglich ein versteckter Aufruf für weitere Anschläge enthalten war – das war unglaublich dumm. Dann dieses ganze Gerede darüber, dass Journalisten neutral zu sein haben, damit uns ja keiner nachsagen kann, dass wir Propaganda für das Weiße Haus machen. Neutral, Frank? Propaganda fürs Weiße Haus? Wir stehen im Krieg mit kriminellen Verrückten, die unser Land zerstören wollen, und bezeichnen uns stolz als neutral, als ob wir über Scharmützel irgendwo weit weg berichten. Das ist doch irrsinnig.«
Russell seufzte. Diese Diskussion hatten sie in den vergangenen Jahren schon mehrere Male geführt.
»Entschuldige, Frank«, fuhr Mark fort. »Aber jetzt schickt halt der nächste Verrückte seine Leute über den Ozean, um sich selber und so viele Amerikaner wie möglich umzubringen …«
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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