Der Killer in dir - Max Reiter - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Killer in dir E-Book

Max Reiter

0,0
12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In jedem von uns steckt etwas Dunkles - was passiert, wenn es geweckt wird?  Ex-Polizist Alex hat ein gutes Leben. Er hält seiner Frau in ihrem Job den Rücken frei, kümmert sich liebevoll um seine kleine Tochter. Bis ein mysteriöser Typ ihn unter Druck setzt. Alex soll einen Auftragsmord begehen. Sonst wird seiner Familie Schlimmes passieren. Alex beginnt ein verzweifeltes Spiel: er gibt vor, das zu sein, was er nie und nimmer ist: ein Killer. Aber die Gefahr weckt etwas Dunkles in ihm. Wird er Grenzen überschreiten? Zu was für Taten ist Alex wirklich fähig?   Verstörend plausibel und soghaft spannend – der neue Thriller von »Erinnere dich!«-Autor Max Reiter

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 382

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Max Reiter

Der Killer in dir

Thriller

 

 

Über dieses Buch

 

 

Gerade hat Alex seine Tochter Sonja in den Kindergarten gebracht und plant die Haushaltsaufgaben, während seine Frau Martha ihren Friseurladen führt. Da spricht ihn ein Typ an und stellt sich als Kurt Wonnegast vor. Alex, der solche Leute aus seiner früheren Zeit bei der Polizei kennt, bleibt misstrauisch. Wonnegast gibt sich erfreut über Alex‘ Tarnung, aber ihm könne er nichts vormachen: Alex sei doch in der Szene als „der Ausputzer“ bekannt. Entsetzt bestreitet Alex, ein Auftragskiller zu sein, aber Wonnegast lässt nicht locker. Er weiß auf einmal alles über Alex‘ kleine Familie und droht ihm immer unverhohlener. Alex weiß nur einen Ausweg. Um Martha und Sonja zu schützen, gibt er vor, den Mordauftrag anzunehmen, und beginnt die Planung. Immer tiefer verstrickt er sich in etwas, was er doch nie tun würde: einen Menschen zu töten. Was geschieht mit ihm? Alex spürt einen dunklen Sog, der ihn selbst erschreckt – und fasziniert…

 

Weitere Titel von Max Reiter:

»Erinnere dich!«

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Das Unbekannte in uns, die Abgründe ganz normaler Menschen haben Thrillerautor Max Reiter schon lange fasziniert. In »Erinnere dich!« ging es ihm um die Art, wie wir mit unserer Vergangenheit umgehen. Dies spielt auch in seinen Kriminalromanen aus dem München der 1950er Jahre, die er unter seinem richtigen Namen Andreas Götz veröffentlicht hat, eine wichtige Rolle. In »Der Killer in dir« folgt er dem Bösen im Alltäglichen mit höchster Thrillerspannung.

Inhalt

I »Wer zum Schwert greift …«

[Brief]

Alex’ Tagebuch

Mai

Juni

Juli

August

September

Oktober

November

II »… der wird durch das Schwert umkommen.«

14. November

15. November

24. November

Fünf Wochen später

I»Wer zum Schwert greift …«

Liebe Martha,

 

wenn du das liest, bin ich bereits tot. Ob es nach einem Unfall oder nach Selbstmord aussieht oder ob meine Leiche spurlos verschwindet und ich als vermisst gelte – wie immer die offizielle Version lauten wird, ich bitte dich inständig, sie zu akzeptieren und auf keinen Fall weitere Nachforschungen anzustellen. Du hast ja erlebt, wozu dieser Mann fähig ist. Denk an Sonja. Ihr beide seid nur sicher, wenn die Wahrheit über mich und mein Schicksal ein Geheimnis bleibt. Weil ich aber weiß, dass du dich niemals mit so vielen offenen Fragen zufriedengeben wirst, sollst du wissen, wie eines zum anderen kam, und zwar von Anfang an. Ich wollte es dir in einem Brief schreiben, doch jedes Wort fühlte sich falsch an. Wie eine Rechtfertigung von etwas, das nicht zu rechtfertigen ist. Deshalb findest du auf dem USB-Stick, den ich dir hingelegt habe, mein Tagebuch. Darin steht, was du wissen musst, offen und ehrlich, so wie ich es in der jeweiligen Situation empfunden habe. Beginn mit den Einträgen ab Mai. Wenn du alles gelesen hast, wirst du hoffentlich das Richtige tun, und das kann nur bedeuten: für immer schweigen. Keine Ahnung, ob du dann noch einen Funken Liebe für mich übrighaben wirst. Selbst wenn, erwarte ich nicht, dass du mir jemals verzeihst. Wie sollte ich? Ich habe dich und Sonja in Lebensgefahr gebracht, aus Gründen, die mir inzwischen selbst unbegreiflich sind. Sieh meinen Tod als die gerechte Strafe dafür an und belass es dabei. Vor allem: Sei vorsichtig! Geh bitte keine Risiken ein, um eine Wahrheit zu enthüllen, die mir nicht mehr hilft und euch nur schadet. Aber du triffst wie immer deine eigenen Entscheidungen.

 

Dein dich liebender

Alex

Alex’ Tagebuch

Mai

3. Mai

Vorhin eine höchst irritierende Begegnung im Leonardo. Ein Typ hat mich mit jemandem verwechselt. Das kommt vor. Aber wie er darauf beharrte, dass ich derjenige sei, für den er mich hielt – das hatte erst skurrile, später bedrohliche Züge. Ich hatte Sonja gerade in der Kita abgeliefert und dabei von einigen der Eltern noch mal reichlich Lob eingeheimst für Sonjas tolle Geburtstagsparty letzte Woche. (Kaum zu glauben, dass die süße Maus schon fünf ist!) Die Spiele und vor allem meine Clownnummer sind anscheinend bereits Legende im Viertel. »Vater des Jahres« nennen sie mich nur noch. Und da saß ich nun an diesem wunderschönen Morgen, genoss meinen Ruhm und meinen täglichen Cappuccino mit Tiramisu, um mich für die vollen Wäschekörbe zu stärken, die zu Hause auf mich warteten. Da fiel mir auf, dass jemand am Nebentisch ziemlich ungeniert zu mir herüberstarrte. Ein Mann, schätzungsweise in den Vierzigern, Undercut mit reichlich Gel im Haar und Solariumbräune auf der ledernen Haut. Schicker Anzug, von Armani oder zumindest in dieser Preislage. Im Mundwinkel einen Zahnstocher, auf dem er lässig herumkaute. So wie man es bei den Gangstern in schlechten Mafiafilmen sieht. Ich war lange genug Polizist, um diese Sorte Mann mit einem Blick zu durchschauen. Seinem gepflegten Äußeren zum Trotz: Der Typ war alles andere als sauber. Irgendwann fiel es schwer, seine Blicke zu ignorieren, und so fragte ich ihn, ob etwas nicht in Ordnung sei. Er grinste bloß und fragte zurück, wieso etwas nicht in Ordnung sein solle. Zwei Männer an zwei benachbarten Tischen in einem Café – das sei das Normalste auf der Welt. Die Art, wie er sprach und sich dabei verhielt, bezeugte das genaue Gegenteil. Und dass er sich neben mich gesetzt hatte, obwohl das Café bis auf uns beide fast leer war, kam mir zumindest auffällig vor.

»Und wieso sehen Sie mich die ganze Zeit so an?«, fragte ich ihn.

»Ist es etwa verboten, Sie anzusehen?«, erwiderte er.

»Nach einer gewissen Zeit schon«, sagte ich. »Dann wird es nämlich zur Belästigung.«

Er lachte auf. »Belästigung? Ich bitte Sie! Das hier ist nur eine flüchtige Begegnung zweier Fremder, die in einem Café zufällig ins Gespräch kommen.«

So wie er das Wort zufällig betonte, war klar, dass nichts an dieser Begegnung zufällig war. Von ins Gespräch kommen konnte auch keine Rede sein. Er hatte eine Reaktion von mir provoziert. Und noch eines begriff ich: Ich kenne ihn zwar nicht, aber er kennt mich. Oder kann es sein, dass ich mich bloß nicht an ihn erinnere? Eigentlich ist mein Gedächtnis für Gesichter und Namen ausgezeichnet. Persönlich begegnet sind wir uns also sicher nicht. Vielleicht ist er jemand, dem ich mal die Tour vermasselt habe, etwa, weil ich einen Komplizen verhaftet hatte, den er für ein krummes Ding brauchte. Solche Leute haben ein langes Gedächtnis. Wie auch immer, ich ging innerlich in Habachtstellung und fragte ihn, wer er sei.

Er beugte sich zu mir herüber und meinte mit gedämpfter Stimme: »Die viel interessantere Frage ist doch: Wer sind Sie?«

»Mir kommt es so vor«, antwortete ich, »als wüssten Sie das längst.«

Er sah mich mit einem Röntgenblick an und raunte: »Da haben Sie verdammt recht.«

»Sagen Sie endlich, was Sie von mir wollen.«

»Was wohl?« Der Mann rückte mit seinem Stuhl näher an mich heran. »Lassen wir das Versteckspiel. Sie sind aufgeflogen, mein Freund. Finden Sie sich damit ab. Das macht vieles zwischen uns leichter.« Sein Zahnstocher bewegte sich beim Reden auf und ab. Mit gedämpfter Stimme fügte er hinzu: »Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ihr Geheimnis ist bei mir sicher. Von meiner Seite aus kein Sterbenswort. Zu niemandem.« Um das zu unterstreichen, legte er den Zeigefinger auf die Lippen.

So wie es aussah, verwechselte mich der Typ mit jemandem aus seinem Milieu. Irgendwas Kriminelles war da in Planung, und das hier war die missglückte erste Kontaktaufnahme mit einem Spezialisten für irgendwas, der ihm empfohlen worden war. Oder einem Insider, von dem wichtige Informationen erpresst werden sollten. Jemandem, der aufgrund eines Missverständnisses zur selben Zeit in einem anderen Café saß und ahnungslos seinen Kaffee trank. Auf einmal kribbelte es mir im Bauch wie früher, wenn eine kalte Spur durch einen neuen Fund plötzlich heiß wurde. Alle Lampen gehen an, du schaltest automatisch von Standby auf volle Energie. Ich hatte wirklich große Lust, in das Gespräch einzusteigen, um mehr über diesen Kerl und seine Pläne zu erfahren. Und sie mit einer kleinen Info an Bruckner zu durchkreuzen. Trotzdem knipste ich die Lampen wieder aus, fuhr die Systeme runter. Ich bin inzwischen seit sieben Jahren nicht mehr beim LKA Berlin. Und dass ich mit Mitte dreißig und besten Karriereaussichten das Handtuch geschmissen habe, hatte einen Grund. Dieser Job kann dich in Situationen bringen, in die du nicht geraten willst. In die ich zumindest nicht mehr geraten will. Deshalb sagte ich zu meinem aufdringlichen Nachbarn: »Sorry, Sie haben den Falschen.«

»Sie sind doch Alexander Leifert?«, fragte der Mann leicht irritiert. »Ex-Bulle – sorry, Ex-Polizist, jetzt Hausmann mit einem Podcast über Verbrechen. Oder etwa nicht?«

Jetzt war ich der Irritierte. Er meinte tatsächlich mich. War er gar kein Krimineller, sondern ein Fan? Warum dann dieses geheimnisvolle Getue? Verarschte er mich? Ich fragte ihn, ob er mich von meinem Podcast her kenne. Ob er ein Hörer sei. Einer von meinen zweiunddreißig Followern.

»Darauf können Sie einen lassen!«, rief er. »Ich folge Ihnen schon eine ganze Weile, und ich bewundere Ihre Arbeit. Ich bin ein absoluter Fan! Keine Übertreibung!«

Ich hatte nicht das Gefühl, dass er über meinen Podcast sprach. Egal, ob er ein Fan war oder ein Krimineller, er nervte mich gewaltig. Und nicht nur das. Etwas Bedrohliches, Unberechenbares ging von ihm aus, wie ich es von Verwirrten und Unzurechnungsfähigen her kenne.

Während ich überlegte, wie ich ihn am geschicktesten abwimmeln konnte, ohne ihn zu provozieren, sagte er: »Wir sollten zusammenarbeiten. Wir wären ein Spitzenteam und könnten viel erreichen.« Als ich erwiderte, dass ich keine Ahnung hätte, worauf er hinauswolle, zwinkerte er mir zu und meinte: »Oh, das wissen Sie sehr gut.« Und dann sagte er: »Sie haben recht. Wir sollten nicht hier darüber reden.«

»Wir sollten überhaupt nicht mehr reden«, erklärte ich schroff. »Sie sehen etwas in mir, das ich nicht bin. Deshalb war’s das jetzt. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.«

Damit wandte ich mich meinem Handy zu.

Der Mann blieb noch eine Weile sitzen, er schien zu überlegen, was zu tun sei, und entschied sich fürs Gehen. Er wünschte mir ebenfalls einen schönen Tag, sprang auf und eilte davon. Erst da schaute ich von meinem Handy wieder hoch und ihm hinterher, beobachtete, wie er in einen weinroten Mercedes SL stieg. Wenig später brauste er am Café vorbei.

Ich hoffe, die Sache ist damit vorüber, doch mein Instinkt sagt mir, dass ich den Mann wiedersehen werde. Er weiß zu viel über mich. Sogar, wo er mich um diese Uhrzeit finden würde, wusste er. Das hat einen Grund. Höchste Zeit, meinerseits ein paar Informationen einzuholen. Ich hatte mir das Kennzeichen des Mercedes gemerkt und rief Bruckner an, damit er checkt, wer der Halter des Wagens ist. Leider erreichte ich nur seine Mailbox. Bis jetzt hat er nicht zurückgerufen.

Dafür hat sich mein alter Herr gemeldet, seine schlechte Laune bei mir abgeladen und sich beschwert, dass wir ihn so selten besuchen. Was muss er sich auch ein Haus im Nirgendwo kaufen. Am Wochenende sind wir eingeladen. Das konnte ich ihm leider nicht abschlagen.

Nachmittag

Nichts von Bruckner, dafür Ärger in der Kita. Sonja hat Marie-Claire in die Hand gebissen. Sie wollten beide den großen roten Bagger und konnten sich nicht einigen, wer ihn zuerst bekam. Ich kann Sonja so gut verstehen. Marie-Claire ist ein verwöhntes Biest, das ausrastet, wenn es seinen Willen nicht kriegt. Was soll man anderes erwarten? Ihre Eltern sind beide Anwälte. Wenn ich an die eine oder andere Diskussion mit denen denke, muss ich zugeben, dass es Momente gab, in denen ich auch gern zugebissen hätte. Tapfere Sonja! Natürlich musste ich sie beim Abholen theatralisch ausschimpfen und ihr erklären, dass wir das nicht tun. Leute beißen und so. Ob sie mir das abgekauft hat? Es ist nicht leicht, ihr was vorzumachen. Sie hat die Schläue ihrer Mutter geerbt und meine Kombinationsgabe. Dass ich ihr danach eine Tasse heiße Schokolade gemacht habe, hat meine Glaubwürdigkeit vermutlich nicht erhöht. Sie könnte das sogar als Belohnung aufgefasst haben. Sei’s drum, nach all der Aufregung hat sich meine kleine Verbrecherin die süße Wohltat redlich verdient. Wie sie, während ich diese Zeilen hastig tippe, vor mir am Küchentisch sitzt, im goldgelben Sonnenlicht, das wie für sie gemacht durchs Fenster hereinfällt, und mit Milchschaum auf der Oberlippe – das ist ein Bild für Götter. Gleich werde ich sie ordentlich knuddeln, meinen blonden Engel mit den scharfen Zähnen.

Abend

Bruckner hat sich endlich gemeldet. Sie haben im LKA gerade alle Hände voll zu tun. Neuer Chef, neue Methoden, neue Ansagen. Aber nicht jeder neue Besen kehrt besser. Manche wirbeln einfach nur Staub auf. »Sei froh«, sagt Bruckner, »dass du dich um so ein Hickhack nicht mehr kümmern musst.« Finde ich auch. Trotzdem vermisse ich den Job manchmal. Auch nach so vielen Jahren. Ich habe mich ja nicht verabschiedet, weil mir langweilig geworden wäre.

Nachdem Bruckner Dampf abgelassen hatte, konnte ich ihm endlich die Situation im Leonardo schildern. Als ich fertig war, schwieg er lange, dann hakte er nach: »Von einem kriminellen Vorhaben hat der Typ nichts gesagt, das vermutest du nur. Richtig?«

»Ich kenne diese Typen«, sagte ich. »Er hat von großen Dingen geschwafelt, die wir zusammen erreichen könnten. Vielleicht erhofft er sich was von meinen Polizeikontakten.«

Wenn ich ehrlich bin, glaube ich das nicht wirklich. Je mehr ich über die Begegnung von heute Morgen nachdenke, desto klarer wird mir, dass es diesem Mann um weit mehr geht als nur um ein paar Tipps hier und da. Er hält mich mindestens für korrupt, vielleicht sogar für einen Kriminellen. Keine Ahnung, wie er auf diese Idee kommt. Aber von solchen Vermutungen braucht Bruckner vorerst nichts zu wissen. In seinem Eifer allarmiert er sonst nur die ganze Kavallerie, und das ist das Letzte, was ich gebrauchen kann. Alles, was ich will, ist eine Info zur Identität des Mannes, keine offizielle Ermittlung. Ich möchte selbst ein wenig am Ball bleiben. Wenn die Sache heikel werden sollte, kann ich sie immer noch an ihn abtreten.

Bruckner zickte herum. Er dürfe nicht ohne Anlass Kennzeichen abfragen. Der neue Chef gucke ihnen allen genau auf die Finger.

»Wieso?«, wandte ich ein. »Es gibt doch einen Anlass: Ein besorgter Bürger hat eine verdächtige Person gemeldet.«

Bruckner gab sich murrend geschlagen und versprach, sich zu melden.

Er bemüht sich zwar, es zu verbergen, aber so ganz kommt Bruckner bis heute nicht über meinen Abschied hinweg. Klar, wir waren ein tolles Team. Haben große Fälle gelöst. Ich erinnere mich gut, wie sauer er damals war. Er nahm meinen Schritt persönlich. Obwohl er einen Wechsel, rein menschlich, verstanden hat, nach dem, was mir passiert war. Ich glaube, es wäre für ihn leichter zu akzeptieren gewesen, wenn ich mich bloß hätte versetzen lassen. In ein anderes Dezernat. Oder zur Not in die Verwaltung. Aber als Martha schwanger wurde und meine Auszeit in ein dauerhaftes Dasein als Hausmann überzugehen drohte, konnte er nicht glauben, dass das mein Ernst war. Er hat nach der Geburt seines Jakob zwar auch Elternzeit genommen, ganze drei Monate, und aller Welt erzählt er noch heute, wie erfüllend diese Erfahrung gewesen sei, doch mir hat er mal nach dem vierten oder fünften Bier gestanden, dass es die schlimmsten drei Monate seines Lebens waren. Deshalb hat er bei David und Leonie nur noch zwei Wochen freigenommen. Er ist nun mal Polizist und nichts anderes. Umso mehr freut es mich, dass wir trotzdem Freunde geblieben sind. Das bedeutet mir viel, und wenn ich nicht irre, ihm auch, allem gelegentlichen Sticheln und Zicken zum Trotz. Vielleicht hofft er, dass ich eines Tages ins LKA zurückkehre, und in meinem True-Crime-Podcast sieht er wohl ein Anzeichen, dass ich nicht ganz von der Polizeiarbeit lassen kann. Nun, zumindest mit Letzterem hat er wohl recht. Mir geht es nicht um Hörer, Follower, Abonnentenzahlen und all so was, mir macht das Recherchieren Spaß. Da spüre ich noch mal das alte Feuer. Die Veröffentlichung gibt dem Ganzen nur eine Richtung. Ein Ziel. Einen Sinn.

Es dauerte keine halbe Stunde, bis Bruckner wieder anrief. Der Mercedes SL ist auf einen Kurt Wonnegast zugelassen. Der Name sagt mir rein gar nichts. Bruckner auch nicht. Weil er schon dabei war, hat er Wonnegast gleich überprüft. Es gibt ein paar Vorstrafen wegen Drogenbesitz, aber nur Bagatelldelikte. Anscheinend ein sehr kleiner Fisch. Oder ein großer, dem es bisher gelang, allen Netzen geschickt auszuweichen. Für Letzteres spricht der dicke Wagen.

Was soll ich tun? Hoffen, dass Kurt Wonnegast von selbst erkennt, dass ich nicht sein Mann bin, und er mich nicht mehr belästigt?

Irgendwo da draußen wird gerade ein Verbrechen geplant. Menschen werden zu Schaden kommen, materiell oder körperlich oder beides. Vielleicht verliert sogar jemand sein Leben. Kann mir das wirklich egal sein?

Eigentlich wollte ich Martha vorhin beim Essen von Wonnegast erzählen. Hören, was sie von der Sache hält. Und habe es dann doch nicht gemacht. Es gab wie immer viel anderes Zeug zu bereden, klar, aber ich frage mich, ob das der wirkliche Grund war. Ich war ein paarmal kurz davor, doch etwas hielt mich zurück. Keine Ahnung, was. Allerdings weiß ich auch so, was sie sagen würde: Jeden Tag passieren Verbrechen, die du nicht verhindern kannst, also halte dich von solchen Leuten fern, damit du in nichts reingezogen wirst.

Und hat sie nicht recht?

7. Mai

Ein herrliches Wochenende auf dem Land liegt hinter uns. Meine Bedenken, Papa könnte uns die Stimmung mit Vorwürfen und mieser Laune verderben, waren zum Glück unbegründet. Aber bei meinem alten Herrn weiß man eben nie, was einen erwartet. Und die letzten Wochen war er am Telefon ungenießbar. Deshalb habe ich den Besuch ja so lange aufgeschoben. Aber er hat es sich richtig schön gemacht in dem kleinen Häuschen, das muss ich zugeben. Sogar mit Gemüsegarten. Gemüseanbau! Mein Vater! Ein Blumenbeet hat er außerdem angelegt. Für die Bienen, sagt er. Hätte nicht gedacht, dass das in ihm steckt. Wenn Mama das sehen könnte. Das sind die Momente, in denen ich wünschte, dass sie irgendwo über uns sitzt und uns zusieht. Sonja hat sicher ihren Anteil daran, dass sich Papa in den letzten Jahren so gewandelt hat. Was war er früher für ein Stinkstiefel. Und erst, wenn er betrunken war. Nicht auszuhalten! Seit Sonjas Geburt trinkt er nicht mehr. Gute Idee von Martha, das zur Bedingung für den Umgang zu machen. Nie hätte ich gedacht, dass er das schafft. Aber er hat Sonja vom ersten Tag an vergöttert. Und Sonja liebt ihren Opa. Obwohl er manchmal ruppig sein kann. Auch zu ihr. Gestern, zum Beispiel, als sie nicht in den Garten wollte, weil ihre Folge PAW Patrol noch nicht zu Ende war. Papa schimpfte über den Quatsch, mit dem das Fernsehen die Kinder verblöde, über die Dummheit der Leute im Allgemeinen usw. Sonja schüttelte das ungerührt ab und sagte streng: »Ich muss das jetzt gucken, Opa.« Und als er nicht aufhörte, zu schimpfen und zu zetern, meinte sie bloß: »Das verstehst du nicht, Opa. Wenn du willst, darfst du mitgucken. Du musst aber leise sein!« Papa setzte sich zu ihr und sagte kein Wort mehr. Martha und ich haben uns beim Abwasch in der Küche gekringelt vor Lachen. Er ist Wachs in ihren kleinen Händen. Wie wir alle.

Heute sind wir mit dem Mietwagen rauf an die Ostsee gefahren. Es war natürlich viel zu frisch, um sich in Badeklamotten am Strand zu sonnen oder gar ins Wasser zu gehen. Der Wind war auch ziemlich kräftig. Trotzdem ein herrlicher Ausflug. Das Meer ist bei jedem Wetter grandios. Es hat eine eigene Persönlichkeit, hat seine Launen und Stimmungen. Mal spuckt es dir ins Gesicht oder zeigt dir die kalte Schulter, dann wieder lockt und umgarnt es dich. Martha und ich teilen die Liebe zum Meer. Wir können stundenlang schweigend über das Wasser schauen, mit dem Gefühl, dass das Meer gleichzeitig in uns hineinschaut. Was es wohl sieht?

Wir saßen windgeschützt in einem Strandkorb, und weil Sonja ihren Opa über den Strand hetzte, auf der Suche nach Treibgut, Muscheln und besonderen Steinen, hatten wir diese Zeit ganz für uns allein. Sie sind selten und kostbar geworden, diese kleinen Inseln ungestörter Zweisamkeit. Mir wurde bewusst, dass ich völlig vergessen habe, wie es war, eine andere Frau zu lieben. Nein, ich habe die Frauen vor Martha nicht vergessen. Keine einzige. (So viele waren es ja auch nicht.) Nur an das Gefühl kann ich mich nicht mehr erinnern. Dass ich jemals für eine andere ähnlich empfunden haben könnte wie für Martha – es fällt mir schwer, das zu glauben.

Unsere Zweisamkeit wurde gestört, als Sonja aufgeregt angerannt kam und uns unbedingt etwas zeigen musste, was sie und Opa gefunden hatten. Sie konnte nicht warten, bis wir uns aus dem Strandkorb hievten, sondern lief voraus. Opa bewachte den Fund, den Sonja bestaunte und mit einem Stöckchen vorsichtig betastete: eine tote Möwe. Der Körper des Vogels war unter dem Gefieder schon deutlich verwest. Wir begruben ihn mit allen Ehren im Sand, legten ein Kreuz aus Steinen und Muscheln über das Grab und hielten eine Schweigeminute ab. Sonja war tief ergriffen von unserer improvisierten Bestattung, und ich war ergriffen von ihrem heiligen Ernst. Ein Tag der großen Gefühle endet hier. (Nicht ganz. Martha lockt mit ihren Reizen.)

8. Mai

Bin bei der Suche nach einer Geschichte für eine neue Podcast-Folge auf einen hochinteressanten Mordfall aus den Siebzigern gestoßen, der auf erschreckende Weise zeigt, welches Rätsel der Mensch ist. Es geht um eine Frau aus Düsseldorf, die mit ihrer Familie in etwa so gelebt hat wie wir: Häuschen in guter Lage, keine finanziellen Sorgen oder ehelichen Probleme, alles gut. Trotzdem hat die Frau eines Tages alle vergiftet: ihren Mann, zwei Kinder, sogar den Hund. Zu ihrem Motiv hat sie geschwiegen. Sie wirkte, wie es in dem Bericht heißt, als sei sie mit sich und ihrer Tat völlig im Reinen. Da tut sich auf einmal ein Abgrund auf. Nicht, weil ich befürchte, dass Martha mich mit einem leckeren Abendessen vergiften könnte. Das wird nicht passieren. Schließlich bin ich der Koch im Haus, ohne mich würde sie verhungern oder an Junkfood zugrunde gehen. Und ich hege keinerlei mörderische Absichten, gegen niemanden, am allerwenigsten gegen sie. Aber vermutlich hätte die Mörderin aus Düsseldorf das ein paar Wochen oder Monate vor ihrer Tat auch gesagt.

Nein, ich mache mir keine Sorgen, dass unser Leben so krass kippen könnte. Die Geschichte erinnert mich nur daran, wie mein eigenes Leben schon einmal komplett gekippt ist, und das jagt mir auch nach so langer Zeit eine Gänsehaut über den Rücken.

Ein einziger Augenblick, und alles war anders. Die Bilder sind alle in meinem Kopf, und manchmal kehren sie zurück, ohne Anlass oder Grund. So wie jetzt. Reinhard »Rokko« Langhoff, der plötzlich eine Waffe auf mich richtet. Ein Mann, von dem jeder wusste, wie gefährlich er war. Den Ausdruck in seinen Augen werde ich nie vergessen. Wie ein gehetztes Tier. Schiere Panik. Aber da war noch etwas anderes in diesen Augen: die pure Lust, mich zu töten. Es würde ihm einen tiefen Genuss bereiten, mich in meinem Blut liegend sterben zu sehen. Kein Gedanke an die Konsequenzen. Überhaupt kein Platz für irgendwelche Gedanken. So wenig wie bei mir. Wir funktionierten beide nach einstudierten Reaktionsmustern, nur mit dem Unterschied, dass ich den Bruchteil einer Sekunde früher abdrückte als Langhoff. Das kostete ihn das Leben und rettete das meine. Und doch war auch mein Leben auf eine bestimmte Art zu Ende. Denn von da an war ich nicht mehr nur der smarte LKA-Ermittler, ich war derjenige, der Rokko Langhoff auf dem Gewissen hat. Einen Verbrecher, ja, aber eben auch einen Menschen. Der Sohn einer Mutter und eines Vaters, nicht böse von Anfang an, sondern böse geworden aus irgendwelchen Gründen. Und nun war er tot. Gestorben durch meine Hand. Die Gewalt über Leben und Tod zu haben machte mir Angst. Erschütterte mich. Danach konnte ich nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Obwohl alle sagten, dass es um den Toten nicht schade sei. Dass ich mich richtig verhalten hätte. Gemäß den Vorschriften. So eine Erfahrung öffnet dir die Augen über so manches, auch wenn du nie ganz verstehst, was es in dir bewirkt. Eines jedoch habe ich damals verstanden: Ich darf nie wieder in eine Situation wie diese geraten. Nie wieder.

Abend

Schöne Bescherung. Wurde heute Morgen, als ich beim Schreiben im Leonardo saß, von Marthas Anruf unterbrochen. Krasser Notfall. Wasserschaden im Salon. Die Arme musste in knöcheltiefem Wasser zum Haupthahn waten. Gott sei Dank fand sie ihn gleich und drehte ihn zu. Allerdings war der Schaden schon angerichtet. Martha bringt nichts so schnell aus der Ruhe, aber da war sie den Tränen nahe. Ich sprang ins Auto und fuhr sofort hin, um beim Aufwischen und Trockenlegen zu helfen. Es sah schrecklich aus, war dann aber nicht ganz so schlimm, wie anfangs befürchtet. Conny und Rieke halfen fleißig mit, in ein paar Stunden war das Schlimmste beseitigt. Der Boden ist zum Glück gefliest, die Wände waren davor schon feucht und sind jetzt halt noch ein bisschen feuchter. Martha war trotzdem deprimiert. »Dieser Laden bringt mir echt kein Glück«, meinte sie. Ich verstand das nicht. Ihr Friseursalon läuft gut, und so was kann überall passieren.

Als wir fast fertig waren, rauschte endlich ein Typ von der Hausverwaltung in einem klapprigen VW Golf heran und meinte bloß lakonisch: »Shit happens.« Ein Herr Zeigler oder Zickler. Martha kriegte schon ihre roten Flecken auf den Wangen, was kein gutes Zeichen war. Solange der Haupthahn zugedreht war, konnte sie nicht wieder arbeiten. Wir suchten nach der Ursache der Flut, was bedeutete, Martha, Conny und Rieke gingen hinter Herrn Zeigler oder Zickler her. Die Quelle des Übels war schnell gefunden. In der Wohnung über Marthas Salon herrschte ebenfalls Land unter, die Badewanne war randvoll. Offenbar hatte jemand vergessen, den Wasserhahn zuzudrehen. Fragt sich nur, wer und ob »vergessen« das richtige Wort ist. Die Wohnung steht seit Wochen leer.

»Das ist ja komisch«, kommentierte Herr Zeigler oder Zickler mit messerscharfem Verstand.

Martha hatte sofort einen Verdächtigen. »War gestern nicht von Ihnen jemand hier?«, fragte sie, obwohl es keine Frage war.

Herr Zeigler oder Zickler fletschte ebenfalls verbal die Zähne. »Von uns war’s bestimmt keiner. Vielleicht war ja eine von Ihren Damen hier oben und wollte ein Bad nehmen.«

Conny und Rieke schnaubten empört.

»Was unterstellen Sie da meinen Mitarbeiterinnen? Frechheit!«, rief Martha. »Dieses Drecksloch von einer Wohnung war doch hoffentlich abgeschlossen!«

»Dieses Schloss ist kein großes Hindernis! Das kriegt meine Oma mit ihrer Haarnadel auf. Und Haarnadeln haben Sie da unten genug!«

»Es ist doch die Aufgabe Ihrer Hausverwaltung …«

So ging es hin und her. Bevor der Streit weiter eskalierte, warf ich mich todesmutig dazwischen und beruhigte die Gemüter.

Beim Rausgehen sagte Zeigler oder Zickler etwas, das mir seither durch den Kopf geht: »Haben Sie sich in letzter Zeit irgendwelche Feinde gemacht? Falls ja, vielleicht wollten die Ihnen eine Botschaft schicken.«

Ich weiß nicht mehr, was Martha darauf erwiderte, aber mir kam sofort jemand in den Sinn: Kurt Wonnegast. Galt die Botschaft nicht Martha, sondern mir? Doch was für eine Botschaft sollte das sein?

9. Mai

Ein Unglück kommt selten allein. Nach dem Wasserschaden in Marthas Salon gestern ließ sich heute Kurt Wonnegast wieder blicken. Das war natürlich kein Zufall.

Schon von der Kasse im Drogeriemarkt aus sah ich ihn an meinem Auto lehnen. Als ich rauskam, grinste er mich an. Und spielte dabei mit einem Springmesser herum. Klinge rein, Klinge raus. Es sollte wohl zugleich lässig und auf eine unterschwellige Art bedrohlich wirken, und Letzteres war es auch. Andererseits lasse ich mich nicht so leicht einschüchtern. Ich wies Wonnegast darauf hin, dass Springmesser in Deutschland verboten seien. Er grinste bloß noch breiter und meinte: »Sie zeigen mich hoffentlich nicht an.« Trotzdem (aber sicher nicht wegen meiner Warnung) steckte er das Messer weg. Er wartete geduldig, bis ich meine Einkäufe in den Kofferraum gepackt hatte, bewegte sich keinen Zentimeter von der Stelle. Erst als ich einsteigen wollte, trat er an mich heran und versperrte mir den Weg.

»Wir müssen reden«, sagte er.

»Ich wüsste nicht, worüber«, erwiderte ich und fügte mit Betonung an: »Herr Wonnegast.«

Es beunruhigte ihn nicht im Geringsten, dass ich seinen Namen kannte. Im Gegenteil. »Wie ich sehe, haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht«, sagte er zufrieden. »Lassen Sie uns reden, Alex«, wiederholte er dann. »Ich darf Sie doch Alex nennen?«

Ich hätte dem Kerl eine aufs Maul geben und wegfahren sollen. Ich habe es nicht getan. So leicht wird man solche Typen nicht los. Sie kleben dir an den Hacken wie Hundescheiße. Dass er mich in irgendwas Illegales reinziehen wollte, war offensichtlich, und das weckte erneut meine Neugier und den Rest polizeilichen Pflichtgefühls, der sich immer mal wieder meldet. Durfte ich die Gelegenheit, ein Verbrechen zu verhindern und einen Kriminellen hinter Gitter zu bringen, wirklich ungenutzt vorüberziehen lassen?

»Na gut«, sagte ich, »klären wir das ein für alle Mal.«

Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, bereute ich sie schon wieder, denn Wonnegast ging zu seinem Mercedes. »Nehmen wir meinen Wagen«, sagte er.

Ich zögerte. »Wo fahren wir denn hin?«, fragte ich.

»Ich muss Ihnen etwas zeigen.« Als ich mich nicht bewegte, fügte er hinzu: »Keine Sorge, bis vier sind wir wieder zurück. Sie schaffen es locker, die kleine Sonja von der Kita abzuholen.«

Eine Gänsehaut kroch mir über den Rücken. Wonnegast kannte nicht nur den Namen meiner Tochter, er wusste auch genau, dass ich sie immer um halb fünf von der Kita abhole. Wenn er aber so viel über mich weiß, wie kann er sich dann gleichzeitig derart in mir irren und mich mit jemand anderem verwechseln?

Wir fuhren in seinem Mercedes SL zu einer Spielhalle in Kreuzberg, die wegen Renovierung geschlossen war. Von Plastikfolie umhüllt, standen Spielautomaten, ein Billardtisch, eine Bar und anderes Mobiliar herum. Was fehlte, waren die Handwerker. Nur ein Typ in Lederkluft war da. Wonnegasts Faktotum und Aufpasser und wohl überhaupt der Mann fürs Grobe. Sein Chef hielt es nicht für nötig, ihn mir vorzustellen. Dass er Martin heißt, weiß ich, weil Wonnegast ihn mehrmals so anredete. Martin hielt sich im Hintergrund, während sein Chef mich herumführte und mir dabei mit glänzenden Augen vorschwärmte, was er mit dem Laden vorhabe. Der alte Krempel, der überall rumstehe, komme weg, es werde alles neu und schick gemacht, und im Nu sollte die Neueröffnung über die Bühne gehen, unter dem Namen Las Vegas Berlin. Auf diesen albernen Namen war Wonnegast besonders stolz. Ich nickte bloß zu allem, mich interessierten seine unternehmerischen Pläne kein bisschen. Dass die Spielhalle lediglich die legale Fassade für illegale Geschäfte im Hinterzimmer sein soll, ließ er mehrfach durchblicken: Glücksspiel, Drogen, vielleicht Menschenhandel. Das Übliche eben. Am Ende der Tour gab Wonnegast Martin ein Zeichen, der holte zwei Stühle für uns heran, und während wir uns an einen der von Plastikfolie überspannten Tische setzten, machte er sich wieder unsichtbar.

»Das hier ist nur der Anfang«, schwadronierte Wonnegast. »Die Wachstumschancen sind allerdings gewaltig. Das heißt, wenn man den Willen dazu hat. Die Entschlossenheit. Rücksichtslosigkeit bis hin zur Brutalität. Und da kommen Sie ins Spiel.«

»Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen könnte«, sagte ich verblüfft.

Wonnegast rollte mit den Augen wie über ein dummes, ungelehriges Kind. »Können wir mit dem Unsinn nicht langsam aufhören?«, fragte er. Er dachte wirklich, ich würde ihm was vormachen, und ich bemerkte, dass ihm das allmählich auf die Nerven ging. »Ich weiß, dass Sie der Ausputzer sind.«

Keine Ahnung, was für eine Reaktion er von mir erwartet hatte. Sicher nicht die, die er kriegte. »Ausputzer?«, sagte ich. »Da sind Sie bei mir falsch. Ich putze nur bei mir zu Hause. Mehr schaffe ich nicht. So ein Haushalt ist ein Fulltimejob.«

Wonnegast fand das nicht witzig. Ich eigentlich auch nicht. Aber jeder geht mit Stress anders um. Und ich stand gehörig unter Stress. Ich kenne solche Typen wie Wonnegast zur Genüge. Sie tun so, als hätten sie Manieren. Sind immer freundlich, auf diese geschäftsmäßige Art. Bis sie nicht mehr freundlich sind und das Raubtier rauslassen. Und schon schlug Wonnegasts Faust völlig unvermittelt wie ein Hammer auf meine Hand, die locker auf der Tischplatte lag. Im ersten Moment dachte ich: Scheiße, er hat mir sein Springmesser durch die Hand gejagt! Und – fuck! – ich schwöre: Ich habe das Metall gespürt, als hätte es meine Hand wirklich durchbohrt. Hat es zum Glück nicht. Es war nur Wonnegasts Faust. Na ja, was heißt nur! Meine Hand schmerzte höllisch, so als seien meine Knochen zerbröselt, und sie tut immer noch weh, auch wenn nichts gebrochen ist.

»Schluss mit dem Schwachsinn!«, schnauzte Wonnegast mich an. »Wir reden jetzt wie Erwachsene miteinander. Sie sind der Ausputzer. Es hat keinen Sinn, das zu leugnen. Ihr Versteckspiel ist vorbei.«

Ich schwor ihm, dass ich keine Ahnung hätte, wer dieser Ausputzer sein soll und was seine Aufgabe ist. Aber da mir der unter Kriminellen übliche Jargon geläufig ist, musste er mir nicht wirklich erklären, was der Ausputzer macht. Er ist der Mann für besondere Aufgaben, der blutige Zeichen setzt, gefährliche Mitwisser oder Rivalen beseitigt usw. Und in Wonnegasts Augen bin ich nicht nur irgendein Ausputzer wie viele andere, ich bin der Ausputzer. Der König der Ausputzer sozusagen. Ich habe in meinem ganzen Leben nichts von diesem Typ gehört. Weder in meiner aktiven Zeit noch später von Bruckner. Es muss jemand sein, dem es gelingt, seine Identität völlig geheim zu halten. Seine Auftraggeber kennen ihn nur unter seinem Pseudonym: der Ausputzer. Keine dumme Strategie. Wenn einer seiner Auftraggeber auffliegt und zu reden anfängt, um die eigene Lage zu verbessern, kann niemand ihn verpfeifen, er bleibt der Umriss auf dem Fahndungsplakat mit dem großen Fragezeichen in der Mitte.

Ich setzte gerade an, Wonnegast erneut zu versichern, dass er den falschen Mann habe, doch bevor ich ein Wort sagen konnte, schoss mir eine Frage durch den Kopf: Bin ich wirklich aus dem Schneider, wenn Wonnegast einsieht, dass er mich mit jemandem verwechselt hat? Oder weiß ich nicht bereits zu viel von seinen Plänen? Eigentlich hat er zwar nichts erzählt, wofür man ihn drankriegen könnte. Schon gar nichts Konkretes. Trotzdem. Kann er mich, einen Ex-Bullen, einfach gehen lassen, mit einem »Sorry für die Unannehmlichkeiten«? Immerhin versucht er gerade, mich als Profikiller anzuheuern.

»Mal angenommen, ich bin der, für den Sie mich halten«, sagte ich vorsichtig, »wie sind Sie auf mich gekommen?«

»Ich dachte schon, Sie fragen nie!«, platzte er heraus. »Sie haben sich selbst verraten! Tja, so was passiert den Besten.«

Ich dachte nur: Wovon redet der Mann? Bis vor einer Minute wusste ich noch nicht mal, dass es einen Profikiller mit dem Decknamen »der Ausputzer« gibt. Wie konnte ich etwas preisgegeben haben, von dem ich nicht den leisesten Schimmer hatte?

»Wann soll ich das getan haben?«, fragte ich mit einem vermutlich nicht besonders geistreichen Gesichtsausdruck.

»Na, in Ihrem ersten Podcast. Ich bin ein absoluter Fan von diesen True-Crime-Geschichten. Kann gar nicht genug davon kriegen. Und so bin ich auf Sie aufmerksam geworden. Der Mord an der Ostsee vor sechs Jahren. Seehotel Möwe. Der letzte Job, den der Ausputzer erledigt hat, bevor er abgetaucht ist.« Er beugte sich vor und zwinkerte mir zu. »War Rokko Langhoff eigentlich ein Auftragsjob? Okay, Sie müssen es mir nicht verraten. Sie haben Ihre Prinzipien. Das respektiere ich. Wie auch immer: Der Bulle, der zum Auftragskiller wird – genial! Ich verstehe nur nicht, warum Sie diese Tarnung aufgegeben haben. Sie werden Ihre Gründe gehabt haben. Jedenfalls, als Denis Dragos das Zeitliche segnete, waren Sie rein zufällig auch an der Ostsee. Im selben Hotel.« Er wiederholte es mit besonderer Betonung: »Rein zufällig.«

Ich war baff und bin es noch, während ich das niederschreibe. Wonnegast meinte meinen Ostsee-Urlaub mit Martha vor sechs Jahren. Den letzten, den wir als Paar unternahmen. Im Jahr danach kam Sonja. Was Wonnegast sagte, stimmt insofern, als während unseres Urlaubs im Hotel tatsächlich jemand ermordet wurde, und ich habe daraus wirklich meinen ersten Podcast gemacht: Mord an der Ostsee – Wer tötete Denis D.? Aber da ich den Mord nicht begangen habe, kann ich schlecht Täterwissen preisgegeben haben.

Ich wollte Wonnegast gerade danach fragen, als sein Handy klingelte. Dann wurde er hektisch, musste dringend weg. Ein Notfall in der Familie. Meinte, alles Weitere würden wir beim nächsten Mal bereden. Im Rausgehen warnte er mich davor, irgendjemandem von unserem Gespräch zu erzählen. In meinem eigenen Interesse. Und falls ich auf die Idee käme, ihm etwas anzutun, solle ich es besser lassen. Er habe Vorkehrungen getroffen. »Es kann so viel passieren«, drohte er. »Mal ein Wasserschaden in einem Friseursalon. Mal ein bedauerlicher Unfall, bei dem ein Kind verletzt oder gar – Gott behüte! – getötet wird …«

Damit war es offiziell. Der Wasserschaden in Marthas Salon – das geht wirklich auf ihn. Ich musste mich zusammenreißen, um dem Dreckskerl nicht eine reinzuwürgen. Einen Friseursalon versauen ist eine Sache – Sonja bedrohen eine ganz andere. Wenn Wonnegast ihr etwas antut, werde ich wirklich zum Ausputzer. Und der Müll, den ich dann in die Tonne befördere, ist er.

10. Mai

Seit gestern muss ich ständig an unseren Ostsee-Urlaub vor sechs Jahren denken. Die Erinnerungen, die ich mit dem Seehotel Möwe verbinde, zählen zu den schönsten in meinem ganzen Leben. Das Meer, ausgezeichnetes Essen, Wellness und ganz viel spontaner Sex – so feierten Martha und ich damals den Abschied von unserer Zweisamkeit als kinderlosem Paar. Wir hatten uns entschlossen, ein Kind zu bekommen. Dass der Erfolg unserer Bemühungen nicht allzu lange auf sich warten lassen würde, konnten wir zwar nicht wissen, aber wir glaubten fest an uns. Wir fühlten ein bisschen Trauer, eingepackt in ganz viel Vorfreude, und ließen uns durch nichts in unseren zweiten Flitterwochen stören. Nicht einmal von dem Mord, der eines Nachts buchstäblich vor unserer Nase begangen worden war. Am Morgen nach der Bluttat weckte uns nicht das übliche Kindergeschrei vom Pool, mit dem bisher jeder unserer Tage begonnen hatte. Stattdessen wuselten unter unserem Balkon Polizisten in Uniform und Zivil sowie Leute von der Spurensicherung herum. Im Pool war ein toter Mann aufgefunden worden. Martha verzichtete lieber auf diesen Anblick und verschwand unter die Dusche. Wie alle Hotelgäste wurden wir befragt, ob wir in der Nacht oder sonst irgendwann Beobachtungen gemacht hatten. Ich erinnere mich gut an die Kollegen. Ein Mann, eine Frau. Beide noch ganz frisch. Sehr höflich. Überkorrekt. Dass ich ein ehemaliger Kollege war, verschwieg ich. Keine Ahnung, wieso. Ich glaube, ich habe mich geniert. Die beiden weckten in mir das Gefühl meines eigenen Anfangs bei der Polizei. Meine Hoffnungen und Erwartungen. Ich war einer von ihnen gewesen, und jetzt war ich es nicht mehr. Ein Gefühl des Ungenügens vielleicht, des Scheiterns. Obwohl ich mit mir und meiner Vergangenheit im Reinen bin und mein Leben, wie es jetzt ist, genieße. Wie auch immer, die Befragung war schnell zu Ende: Wir hatten die ganze Nacht tief und fest geschlafen und daher nichts gesehen und nichts gehört. Punkt.

Was mich betrifft, stimmt das nur zum Teil.

Ich hatte an jenem Abend wohl einen Drink zu viel gehabt, denn ich fiel todmüde ins Bett und schlief gleich ein. Doch ich schlief nicht durch. So gegen vier Uhr wachte ich auf, mit einem Brummschädel und einem leichten Schwindelgefühl. Um frische Luft zu schnappen, ging ich hinaus auf den Balkon, und dort wurde ich schnell klarer im Kopf. Unser Zimmer lag im vierten Stock, unter uns befand sich der Hotelpool. Luftlinie circa hundertfünfzig Meter. Vielleicht auch weniger, ich weiß es nicht mehr. Der Pool selbst war so spät nachts unbeleuchtet, doch die Laternen auf der Liegefläche außen herum spendeten genug Licht, um den schattenhaften Fleck im Pool ausmachen zu können. Was war das, was dort im Wasser schwamm? Ich holte mein Handy, öffnete die Foto-App und zoomte auf die Stelle, konnte aber nicht viel mehr erkennen als mit bloßem Auge. Zu wenig Licht und zu weit entfernt. Ich sagte mir, dass es vermutlich nur eine Decke oder ein anderes Ding sei, das ins Wasser gefallen war. Und doch ließ mich der Verdacht nicht los, dass es auch ein Mensch sein könne. Ich rief an der Rezeption an, die eigentlich rund um die Uhr besetzt sein sollte, erreichte aber niemanden. Deshalb ging ich selbst los, um nachzusehen.

Als ich mich dem Pool näherte, bemerkte ich Blutspuren am Beckenrand. Ein paar Schritte weiter bestätigte sich meine Befürchtung endgültig: Zwei Meter fünfzig unter mir, auf dem Grund des Beckens, lag eine Leiche. Voll bekleidet, mit einem großen, dunklen Fleck auf der Brust. Und da war Blut im Wasser. Sehr viel Blut. Einen Unfall schloss ich aus. Einen Suizid ebenso. Also ein Mord. Ziemlich sicher mit einer Stichwaffe, denn einen Schuss hätte jemand in der Stille der Nacht gehört, selbst mit Schalldämpfer. Trotz des schwachen Lichts erkannte ich in dem leblosen Körper den großkotzigen Typen, der alle im Hotel seit Tagen nervte. Seinen Namen erfuhr ich bei der Befragung durch die Polizei: Denis Dragos. Wie später zu lesen war, hatte er eine ellenlange Liste an Vorstrafen. Drogenhandel, Zuhälterei, illegale Autorennen. Und ich werde nie vergessen, wie er Martha am Morgen des Tages, der sein letzter sein sollte, beim Frühstück anpöbelte, nur weil sie es sich erlaubt hatte, ihm am Buffet nicht sofort Platz zu machen. Ich war drauf und dran gewesen, mich mit ihm zu prügeln. Aber klug, wie Martha nun mal ist, sagte sie: »Mit solchen Typen prügelt man sich nicht. Sie sind es nicht wert, und es geht nie gut aus.«

Da stand ich also zu nachtschlafender Zeit am Hotelpool, mit einer Leiche im Wasser vor mir. Die natürliche Reaktion in so einer Situation wäre es gewesen, den Notruf zu wählen. Zumal für einen ehemaligen Mordermittler wie mich. Doch das tat ich nicht. Ich stand nur da und starrte auf die Leiche. So wie ich schon einmal auf eine Leiche gestarrt hatte. Eine, die durch einen Schuss aus meiner Waffe gestorben war: Rokko Langhoff. Das war zwar schon fast zwei Jahre her, und auch wenn die Situation hier nicht mit der von damals zu vergleichen war, erlebte ich eine Art Déjà-vu. Und das lähmte mich. Ich dachte an alles, was der Schuss nach sich gezogen hatte: Befragungen, Protokolle, psychologische Betreuung. Fragen über Fragen, auf die ich immer dieselben Antworten gegeben hatte, bis sie in meinen Ohren hohl und leer klangen. Wenn ich den Toten meldete, würde es wieder unendlich viele Fragen geben. Erfuhren die Kollegen von der Auseinandersetzung am Frühstücksbuffet, würden weitere Fragen folgen. Ich hatte keine Sorge, dass ich wegen eines letztlich harmlosen Streits ernsthaft in Verdacht geraten könnte, Denis Dragos ermordet zu haben. Trotzdem würde ich tiefer in eine Sache verwickelt, in die ich am liebsten überhaupt nicht verwickelt werden wollte. Ich musste weg. So schnell wie möglich. Für den Mann im Wasser würde es keinen Unterschied machen, ob er jetzt oder erst in einer Stunde gefunden werden würde. Er war dann noch genauso tot.

Ich wollte gerade verschwinden, da bemerkte ich, dass ich in etwas Feuchtes getreten war: Blut. Ich stand mit meinen Flipflops mitten in einer Blutlache. Hastig reinigte ich meine Latschen im Pool. Als ich fertig war, entdeckte ich einen Abdruck meines rechten Flipflops in der Blutspur. Und auch in der Blutlache. Ein Anflug von Panik streifte mich. Da bemerkte ich neben einem Blumenkübel eine kleine Gießkanne, die offenbar ein Kind vergessen hatte. Genau das, was ich brauchte, um meine Abdrücke und mit ihnen einen Großteil des Blutes von den Fliesen in den Abfluss zu spülen. Als ich damit fertig war, machte ich mich davon, und da niemals nach einem mysteriösen Mann gefahndet wurde, der am Tatort Spuren beseitigt hatte, ging ich davon aus, dass niemand mich beobachtet hatte.

 

Ob Wonnegast weiß, dass ich in jener Nacht am Pool war? Hat mich doch jemand gesehen? Jemand, der viele Jahre geschwiegen hat, bis Wonnegast ihn zum Reden brachte? Schwer vorstellbar. Außerdem hat Wonnegast von einem Detail in meinem Podcast gesprochen, das mich angeblich verraten hat. Ich wünschte, ich hätte damals schon Tagebuch geführt. In den alten Aufzeichnungen zu lesen, würde meine Erinnerungen sicher auffrischen. So habe ich mir eben den Podcast in den letzten Tagen zigmal angehört, doch ich finde einfach nicht, was Wonnegast gemeint haben könnte.

Nacht

Vorhin, bei einem Glas Wein, sagte Martha: »Irgendwas bedrückt dich. Das spüre ich ganz deutlich.« Dann streichelte sie mir sanft über den Handrücken, so wie sie es manchmal macht, um mich zu entspannen, und was auch immer funktioniert. Nur diesmal nicht. Ich zog meine Hand zurück, sagte, es sei nichts, trank einen Schluck Wein und vermied es, ihr in die Augen zu sehen. Sie glaubt mir nicht. Sie kennt mich zu gut. Wir saßen lange da und schwiegen. Als ich das Schweigen nicht mehr aushielt, fragte ich sie, wie die Dinge im Salon stünden. Ob nach dem Wasserschaden alles wieder laufe. Sie erzählte mir von ihrem Streit mit dem Vermieter. Dass sie kündigen wolle, etwas Neues suche, aber im gleichen Kiez, sie wolle Conny und Rieke nicht verlieren, es sei schwer, so gute Friseurinnen wie die beiden zu finden usw. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, sie erzählte es ja nicht zum ersten Mal, wir haben schon gestern darüber gesprochen. Ich nippte ab und zu an meinem Wein und dachte an Wonnegast, den toten Denis Dragos auf dem Grund des Pools, Rokko Langhoffs mordlüsternen Blick und wie meine Kugel seinen Körper traf, und da fiel mir etwas ein, an das ich mich bis dahin nicht erinnert hatte. Als meine Kugel Rokko erwischte, er durch die Wucht des Einschlags seinen Schuss verriss und seine Kugel in den Himmel schickte (während er selbst zur Hölle fuhr), da dachte ich: BÄMM! Wie albern, wie banal, wie unangebracht. BÄMM! Wie kann man in so einem existenziellen Moment etwas so Oberflächliches und Kindisches denken? Ich schäme mich vor mir selbst.

13. Mai

Ich hänge in der Luft. Seit Tagen nichts von Wonnegast. Ist das ein gutes Zeichen? Ich habe meine Zweifel. Solche Typen sind wie Kaugummi in den Haaren. Die kriegst du nicht mehr los. Und je länger ich nichts höre, desto mehr kreisen meine Gedanken um ihn. Jedenfalls muss Wonnegast sich seiner Sache sehr sicher sein, um mich, einen Ex-LKA