Der Kuss der Kälte - Zoe S. Rosary - E-Book

Der Kuss der Kälte E-Book

Zoe S. Rosary

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Beschreibung

Ein Land mit drei Provinzen. Drei starke Charaktere, die den Ruf der Freiheit vernehmen. Doch ihre Wege, ihm zu folgen, könnten nicht verschiedener sein.
Jorin kämpft mit den Folgen seines eingeschlagenen Weges. Er stellt fest, dass Regieren umfassender ist, als er erwartet hätte. Linea strebt nach einer friedlichen Lösung für ihr Land, bis sie eine Entscheidung trifft, von der es kein Zurück mehr gibt.
Die uralte Feindschaft zwischen den McBrights und der Königin nimmt neue Züge an. Ryen wagt den einen endgültigen Schritt.
Keiner von ihnen ahnt, dass die größte Gefahr für Eyaland nicht im Sichtbaren liegt, sondern tief verborgen lauert. Ein Bann nimmt an Kraft zu. Ein anderer Bann fordert seine zeitliche Erfüllung. Eyalands Schicksal liegt in der Hand einer einzigen Person.

Linea hat eingesehen, dass die Gesetze in Eyaland in der Form nicht mehr zeitgemäß sind. Doch die Königin weigert sich, diese zu ändern und das Zeitalter zu beenden. Ein Wettlauf beginnt um den Thron. Wer wird Eyaland in Zukunft regieren? Kann Eyaland die Einheit halten oder wird diese zerfallen?
Was tust du, wenn du von der Vergangenheit geküsst wirst?

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Über die Autorin

Eyaland - Trilogie

Über das Buch

Widmung

Karte zu Eyaland

Personenregister

Glossar

Vorwort

Was bisher geschah

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Epilog

Nachwort

Vorschau Band 2

Weitere Bücher der Autorin

 

© Zoe S. Rosary

 

 

Copyright © 2022 Zoe S. Rosary, Wittenberg

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Es handelt sich um eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind ggf. zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Impressum

K. Blossey, Hans-Sachs-Straße 1, 06886 Lutherstadt Wittenberg 

 

Lektorat & Korrektorat

KoLibri Lektorat |Sabine Wagner | www.kolibri-lektorat.de 

 

Text

Zoe S. Rosary | www.zoe-rosary.com

 

Buchcoverdesign

Sarah Buhr / www.covermanufaktur.de

unter Verwendung von Bildmaterial von BestPix; Mikhail Zyablov; Yulia Buchatskaya;

Marti Bug Catcher, FloridaStock / Shutterstock

 

Layout, Satz und Kartenillustration

Christian Blossey |www.mcblossey.com

Über die Autorin

 

 

 

Zoe S. Rosary schreibt Fantasy mit Romantik und Tiefgang. Sie liebt komplexe Geschichten, fremde Welten, leidenschaftliche Charaktere und Happy Ends, obwohl Letzteres immer eine Ansichtssache ist.

 

Zoe S. Rosary, geboren 1980 in Lutherstadt Wittenberg, hat Biologie und Theologie studiert. Nach ihrem abgeschlossenen Studium in Greifswald arbeitete sie in Berlin als Biologin. 2012 zog sie zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern zurück nach Wittenberg und entdeckte dort ihre Leidenschaft fürs Schreiben.

 

 

 

www.zoe-rosary.com

www.facebook.com/zoe.rosary

www.instagram.com/zoe_rosary

[email protected]

Eyaland - Trilogie

 

 

 

Als Prinzessin Linea den Sväreos Anführer Ryen das erste Mal trifft, wirbeln nicht nur ihre Gefühle unkontrolliert durcheinander, sondern die Vergangenheit scheint auf magische Weise die Gegenwart zu küssen. Doch wie sieht die Zukunft des Landes aus? Ein High-Fantasy-Romance-Abenteuer mit dystopischen Elementen.

 

 

 

Band 1: Das Herz der Sväreos

Band 2: Der Kuss der Kälte

Band 3: Die Nebel der Tvibura Fjålls

Über das Buch

 

 

 

Ein Land mit drei Provinzen. Drei starke Charaktere, die den Ruf der Freiheit vernehmen. Doch ihre Wege, ihm zu folgen, könnten nicht verschiedener sein.

 

Jorin kämpft mit den Folgen seines eingeschlagenen Weges. Er stellt fest, dass Regieren umfassender ist, als er erwartet hätte. Linea strebt nach einer friedlichen Lösung für ihr Land, bis sie eine Entscheidung trifft, von der es kein Zurück mehr gibt.

 

Die uralte Feindschaft zwischen den McBrights und der Königin nimmt neue Züge an. Ryen wagt den einen endgültigen Schritt.

 

Keiner von ihnen ahnt, dass die größte Gefahr für Eyaland nicht im Sichtbaren liegt, sondern tief verborgen lauert. Ein Bann nimmt an Kraft zu. Ein anderer Bann fordert seine zeitliche Erfüllung. Eyalands Schicksal liegt in der Hand einer einzigen Person.

 

 

 

 

 

 

 

Ich widme dieses Buch meiner Mama.

Ohne dich hätte ich die faszinierende Welt der Bücher nie entdeckt.

 

 

 

Personenregister

 

Jårrländer :

 

Ryen Alvar McBright: Jarro-Clan

Ida Aradis McBright:Ryens Schwester

Henry Toyvio McBright: Ryens kleiner Bruder

Gerod Kean:Bäcker im Jarro-Clan

Nelly Kjerfaldir: Idas beste Freundin

Maryanna Kjerfaldir:Dorfverwalterin des Jarro-Clans

Mayvin Olvik:Ärztin im Jarro-Clan

Wiebke Eksta:Jarro-Clan, Tochter von Ryka

Ryka Eksta:Pferdehändlerin im Jarro-Clan

Kelf Bailysen:Schmied im Jarro-Clan

Almira Bailysen:Kelfs Tochter

Göran Tarsen:Poststelle des Jarro-Clans

Kjavar Lundi:Jarro-Clan

Arvid Jersen: Stellvertreter der Sväreos

Fiete Bergensen: Gasthofbesitzer im Jarro-Clan

Erek Sunderson:Fischer im Trü-Clan

Thoren McBright:Trü-Clan

Susa McBright:Frau von Thoren McBright

Lennart Fjellardson:Ek-Clan

Ayko McBright:Hav-Clan

Majk McBright: Ulfur-Clan

Norwin Eyrson: Ulfur-Clan

Styrd McBright:Binir-Clan

Tychar McBright: Örn-Clan

Jerg McBright:Vedur-Clan

Silian Njemsen:Vedur-Clan

Ylvi Lardir:Vedur-Clan

Cydda McBright: Alverio-Clan

Nante Verndsen:Alverio-Clan

Liv Vernddir:Nantes Schwester

 

Lavländer:

 

Isa Tangen:Königin

Linea Stjerna Tangen:Kronprinzessin

Elyn Tangen: Isas zweite Tochter

Marou Darin: Heerführerin

Samana Stordahl: Lineas Leibwächterin

Tarja Vardir:spätere Leibwächterin Lineas

Wencke Astdir: stellvertretende Heerführerin

Elta Ekdahl:engste Vertraute der Königin

Henrike Sjöndir:Beraterin der Königin

Talke Najdir: Grenzkriegerin am Pass

Thea Fjoludir: Botenkriegerin

Malin Pjekdahl: Leitung des jårrländischen Stützpunktes für den Vedur-Clan, Alverio-Clan und Jarro-Clan

Irke Osandir:Leitung des jårrländischen Stützpunktes für den Ulfur-Clan, Örn-Clan und Binir-Clan

Urda Dugurin:Leitung des jårrländischen Stützpunktes für den Trü-Clan, Hav-Clan und Ek-Clan

Runa Turdir: Kriegerin, Marous 6

Merle Hjeldir:Kriegerin

Inga Diritin: Kriegerin

Juna Käradir: Kriegerin

Herdis Jörnek:Kriegerin

Bente Harnek: Friseurin in Kastellina

 

Südländer:

 

Fenja Irenia Tangen:Schwester von Isa Tangen

Loan Jorin Tangen: Fenjas Ziehsohn

Vegard Tangen: Fenjas Ziehsohn

Kara Svikdir:Kriegerin in Södvigi

Fiene Bjondahl:Bedienstete in Södvigi

Joruna Ravik:Heerführerin aus Vit Sand

Rike Likardin: Stadtverwalterin von Oljebye

Aaltje Ronura: Stadtverwalterin von Vingetta

Yorick Besydsen:Jorins rechte Hand

Daland Tilvik:Arzt in Södvigi

Jorins beste Freunde: Talyn Wysek, Fenris Lartusen, Peer Tonarsen, Korff Elkjef, Oyestein Servik

Glossar

 

Allfajos: Der Name eines allmächtigen Gottes, an den die Jårrländer glauben.

Barkadur: södländischer Markt, eine Art Basar

Beaninnda/Bea:södländische Begrüßung

Bjinevt-Älskary:die jårrländische Hochzeit

Blasjati:jårrländisches Schimpfwort

Clans:Familien- und Dorfgemeinschaften in Jårrland. Es gibt insgesamt neun Clans. Die Dörfer heißen genauso wie der Clan.

Fenjöndur: Selbstgebrannter, hochprozentiger Alkohol, leicht bitter, würzig aromatisch im Geschmack. Wird in Jårrland getrunken.

Kräuterzusätze: Schafgarbe, Wermut, Wacholder und Engelswurz.

Jårrland: Der nördliche Landabschnitt Eyalands. Die Grenze im Süden bildet der Jårrland-Pass.

Flingrar:eine Getreideart

Flingöd/Flingödli:aus Flingrar gefertigtes Brot und Brotprodukte

Glädjan:Bordell

Glymtland: ein Landabschnitt jenseits des Ozeans

Himelinn:jårrländisches Wort für Himmel, sowohl der sichtbare als auch der unsichtbare

Kastellina:Hauptstadt Eyalands

Lavland: Der mittlere Landabschnitt Eyalands. Die Grenze bildet im Norden der Jårrland-Pass und im Süden die Wüste.

Lunjegish:Mittagspause in Södland, eine Art Siesta

Mjokee:in Lav- und Södland verwendete Schwangerschaftsverhütung

Rikland: westlicher Teil Eyalands im Zeitalter des Fortschritts

Safjärla: Standardgetränk in Lavland, eine Art fruchtiger Perlwein

Södland: Südlichster Teil Eyalands. Die Grenze nach Norden bildet die Wüste.

Sovstellan: Unterkunft der Kriegerinnen in Kastellina

Sväreos: illegale Untergrundkämpfer in Jårrland

Tvibura Fjålls:im Nebel versunkene Zwillingsberge in Jårrland

Våldland:östlicher Teil Eyalands im Zeitalter des Fortschritts

Vinstablom:das Wahrzeichen Kastellinas, der Springbrunnen im Schlosshof mit der Marmorstatue

Viräd:jårrländisches Wort für Feigling

Vivanne: Begrüßungsformel für alle Mitglieder der königlichen Familie

 

Zeitalter:

Eyaland hat eine eigene geschichtliche Einteilung.

 

Zeitalter des Prächaos: Urzeit

Zeitalter des Chaos: Beginn der Menschheit, Nomadentum, ohne Aufzeichnung, nur mündliche Überlieferung

Zeitalter der Unterdrückung: erste Aufzeichnungen: 0-2740

Die Jahre der Befreiung: 2741-2823

Zeitalter der Philosophie: 2824-4278

Zeitalter des Fortschritts: 4279-6853

Die Jahre der Besinnung: 6853-6953

Zeitalter der Femininen Blüte: 6954-7456

 

 

Vorwort

 

 

eninda,

schön, dass wir wieder voneinander lesen. Habe ich dich im ersten Band erschreckt und schockiert? Nun, in diesem Band werde ich etwas tun, wofür mich annähernd jedes weibliche Wesen hassen wird.

Weißt du, warum ich es trotzdem tue? Weil ich es satthabe, dass jeder auf meinem Leben herumtrampelt. Ich habe es satt, ein Spielball für andere zu sein. Mir wurde so viel in meinem Leben genommen und vorenthalten. Ich werde alles dafür geben, mir das zurückzuholen, was mir genommen wurde.

Also tu der lieben Zoe den Gefallen, und sei älter als sechzehn Jahre. Rechne in meinen Kapiteln mit gewaltreichen Szenen. Und wenn du die nicht magst, dann leg das Buch am besten aus der Hand oder überspring meine Seiten. Ich habe dich hiermit gewarnt. Um eines bitte ich dich: Hass mich nicht!

 

Denn ich bin

Jorin aus Södvigi!

Was bisher geschah

 

 

inea, Kronprinzessin von Eyaland, erwählt Ida McBright, die Tochter eines Clanführers, bei ihrer Reise durch Jårrland für Kastellinas Heer. Auf dem Weg zurück nach Kastellina erfährt sie, dass ihre Schwester Elyn in die Hände rebellischer Södländer gefallen ist, die von Jorin aus Södvigi angeführt werden. Linea begibt sich auf die Suche nach Elyn. Zwar kann sie Elyn befreien, ist nun aber selber Gefangene Jorins.

Jorin nimmt Linea mit nach Södvigi und will sich mit ihr den Weg nach Kastellina erpressen. Er fühlt sich von Ida, die Linea auf der Suche nach Elyn begleitet hat, körperlich angezogen und nimmt diese ebenfalls gefangen. Jorins Ziel ist es, Kastellinas Herrschaft zu stürzen und ein eigenes Regime aufzubauen. Er sucht hierfür Allianzen und hofft, diese in Jårrland bei den Clans zu finden, da diese seit ihrer Entstehung unterdrückt wurden. Er hofft, dass Ida für ihn ein Schlüssel ist.

Ryen McBright, Idas älterer Bruder, ahnt, dass seine Schwester in Schwierigkeiten geraten ist und reitet mit seinem besten Freund Gerod nach Södvigi. Er verweigert überraschenderweise Jorin die Allianz und befreit Linea und Ida, die er nach Kastellina zurückbegleitet. Auf dem Weg nach Kastellina entwickeln sich zwischen ihm und Linea Gefühle, die bei beiden nicht erwünscht sind.

Die Königin empfängt ihre Tochter sehr distanziert. Linea erfährt von ihrer Mutter die Wahrheit über Jorin. Als dieser eine zweite Stadt in Södland einnimmt, sammelt die Königin ihre Truppen, um zum Gegenschlag auszuholen.

Ryen und Linea verbringen in Kastellina eine Nacht zusammen, die für beide alles verändert. Als Ryen und Gerod den Rückweg nach Jårrland antreten, wird ihnen der Zugang über den Pass verweigert. Ryen wird nach Kastellina zurückbeordert, während Gerod in der gefürchteten Mine landet.

Linea wird von der Königin nach Södland geschickt, um Truppen an die Städte vor Ort auszuliefern. Mit der Ungewissheit, ob sie erneut in Jorins Händen landet, begibt sie sich auf die Reise.

Prolog

 

 

 

 

hre Hände hatten bereits Schwielen an den Stellen, wo der hölzerne Stiel lag. Ida hatte aufgehört, zu zählen, wie oft Wencke ihr aufgetragen hatte, in dieser Woche die Stallgasse zu fegen. Wenn es nach ihr ginge, so konnte man mittlerweile vom Boden essen. Ihre kleine Waldhütte in Jårrland hatte nie so sauber ausgesehen wie der königliche Stall in Kastellina.

Derweil musste sie zugeben, dass sie die Hütte nie geputzt hatte. Es war Ryens Aufgabe gewesen. So empfand sie es zumindest. Und Ryen war täglich viel zu lange in der Schmiede, um Geld zu verdienen. Er hatte nicht die Zeit, die Hütte gründlich zu reinigen. Ida erinnerte sich noch, wie Ryen Abend für Abend ausrastete, weil sie die Hausarbeit nicht erledigt hatte. Sie hatte sich immer als Kämpferin gefühlt und nicht als Hausfrau, die putzte. Nun befand sie sich an dem Ort, von dem sie geträumt hatte. Und was tat sie? Putzen statt kämpfen.

Ida hatte gehofft, Wencke würde sie zum Training aufstellen. Vor allem, nachdem die Prinzessin vor ihrer Abreise mit Wencke gesprochen hatte. Ida stand dennoch nicht auf dem Plan. Nie! Zu keiner Zeit. In keiner Gruppe. Ida bekam den Stalldienst. Wiebke, Ylvi und Liv schauten sie mittlerweile schon mitfühlend an. Wenn die neuen Wochenpläne aushingen und jeder seine Schicht erfuhr, herrschte zwischen den vier Freundinnen betretenes Schweigen. Derweil war sie besser als die meisten im Sovstellan. Sie hatte immerhin Samana entwaffnet. Das hatte keiner bisher geschafft. Samana galt als ungeschlagene Koryphäe, selbst bei Wencke und Marou.

So stellte Ida all ihre Entscheidungen infrage, während sie aus reiner Langeweile fegte. Vielleicht hätte sie doch mit Gerod und Ryen nach Hause reiten sollen. Vielleicht gab es in Kastellina für sie einfach keinen Platz. Alles lag nur an ihrem verdammten Nachnamen. Wer hieß schon McBright? Sie hasste diesen Namen mehr denn je. Doch ihre Herkunft konnte sie nicht verschleiern.

Gerods enttäuschten Blick, mit dem er sie bei ihrer letzten Begegnung angesehen hatte, konnte sie nicht vergessen. Es war nicht so, dass sie Gerod nicht mochte. Ganz im Gegenteil. Gerod war ein attraktiver und äußerst höflicher Mann. Sie konnte es sich nur nicht vorstellen, mit ihren zarten siebzehn Jahren Bjinevt-Älskary zu feiern. Gerod war dreiundzwanzig. Wie Ryen. Wenn sie einmal so alt sei, würde sie vielleicht anders darüber denken. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, es war eine Lüge. Sie würde nie für Bjinevt-Älskary bereit sein. Das war der Grund gewesen, warum sie nach Kastellina wollte.

Das, was sie am meisten verletzte, war, dass Gerod sich nicht von ihr verabschiedet hatte. Ryen kam allein. Er würde sie wieder aufnehmen. Er war ihr Bruder und dies seine Pflicht. Sie gehörte zur Familie und die Familie hielt immer zusammen.

Ida war sich durchaus bewusst, dass sie dafür gesorgt hatte, dass Ryen zum Gespött in ganz Jårrland wurde. Eine McBright im Heer Ihrer Frostigkeit. Eine McBright ging nicht nach Kastellina. Es grenzte bei den Clans an Verrat. Ein absolutes Tabu. Derweil war Ryen der zukünftige Jarro-Clanführer, wenn ihr Vater sterben würde. Würde der Clan ihm den nötigen Respekt entgegenbringen, obwohl er es nicht einmal geschafft hatte, seine Schwester zur Vernunft zu bringen? Sie wollte nicht Ryens Zukunft zerstören. Nur ihre eigenen Wege gehen.

Ida seufzte und fegte die Stallgasse ein weiteres Mal. Etwas anderes hatte sie ja eh nicht zu tun. Sie gähnte und schloss für einen kurzen Moment ihre Augen, nur um sie im nächsten Atemzug keuchend wieder aufzureißen. Dieses Gesicht. Es schob sich so oft in ihre Träume. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss. Deswegen schlief sie seit Wochen so schlecht. Sein Gesicht. Wenn sie ihn doch nur vergessen könnte. Aber seine dunkelblonden, verstrubbelten Haare. Seine leuchtend grünen Augen und sein verwegenes Äußeres. Sie konnte sich sogar noch seinen Geruch ins Gedächtnis rufen. Er roch erfrischend nach Limetten. Ihr Herz raste. Kalter Schweiß lief ihr über den Rücken. Sie würde Jorin nie vergessen. Das wusste sie.

Die Angst, die in ihr aufgestiegen war, als er sie mit gefesselten Händen nackt aufs Bett geworfen hatte, konnte sie nicht abschütteln. Sie spürte immer noch das Einschneiden der Seile an ihren Fußgelenken und Jorins Gewicht auf sich. Er war der letzte Mann, den sie je wiedersehen wollte. Und doch war er der einzige Mann, der sie jede Nacht aufs Neue besuchte und jedes Mal verfiel sie in Panik. Jorin raubte ihre Nächte und ihren Verstand.

Dumpf ertönte das Geklapper von Pferdehufen, die sich dem Stall näherten. Gleich könnte sie die Gasse erneut fegen. Ida atmete tief durch. Ihre Entscheidung, nach Kastellina zu gehen, war richtig gewesen, daran hatte sie dennoch keinen Zweifel. Ryen war der letzte Mann, den sie respektieren und Jorin war der Letzte, den sie je lieben könnte.

Kapitel 1

 

Wir erfanden abwechselnd Enden der Geschichten, die wir erzählten. Manche waren fantasiereich. Andere realistisch. Die Realität war eine Kraft, die uns unser Leben meistern ließ. Die Fantasie allerdings war die Substanz unserer Träume.

– Elisaras Tagebuch –

 

 

eine Fingerspitzen strichen über die glatt polierte Oberfläche eines schwarz-grün gebänderten Steines. Ich nahm ihn in meine Hand. Er war leicht. Dünn. Elegant. Er fühlte sich warm an. An der oberen Kante besaß er ein kleines Loch für ein Lederband. Das orangefarbene Licht der untergehenden Sonne ließ in der schwarzen Maserung helle Punkte aufleuchten. Wie funkelnde Sterne am Nachthimmel. Wie faszinierende Nachtaugen. Der Übergang zur grünen Maserung verlief in unregelmäßigen Wellen. Wie wilde Locken.

Ich umschloss den Stein vollständig mit meiner Hand und atmete tief durch. Der Schmerz in mir war unerträglich. Es war mittlerweile ein wenig Zeit vergangen seit unserer gemeinsamen Nacht. Doch ich konnte Ryen nicht vergessen.

»Gefällt Euch der Stein, Eure Majestät? Oder sucht Ihr nach etwas anderem?«, fragte mich die Verkäuferin.

»Der Stein ist perfekt. Ich würde ihn gern mitnehmen«, erklärte ich.

Ich überreichte der Verkäuferin den Stein, den sie in einen kleinen Lederbeutel steckte.

»Die Sonne geht bereits unter, Eure Majestät.« Marou gesellte sich zu mir, während ich der Verkäuferin ein paar Münzen überreichte.

»Ich würde mir den Sonnenuntergang gern am Strand ansehen.«

Marou knirschte unwillig mit den Zähnen. Natürlich gefiel es ihr nicht, denn dazu müssten wir die sicheren Mauern von Vingetta verlassen. Wencke hatte dafür gesorgt, dass Marou mich nach Södland begleitete, während sie in Kastellina die Einheiten auf eine Auseinandersetzung mit meinem Bruder vorbereitete. Doch niemand außer Mutter, Ryen und ich wusste, dass er mein Bruder war. Die Auslieferung der militärischen Einheiten nach Oljebye und Vingetta verlief wider Erwarten problemlos.

»Ich würde dringend davon abraten, Eu…«

»Natürlich tust du das. Schließlich ist es auch deine Pflicht, Marou. Aber es ist seit Tagen kein Spähtrupp aus Södvigi gesichtet worden. Jorin kehrt entweder noch die Scherben in Perlbyen auf oder ist nach Vit Sand weitergezogen.«

Tarja, Marou und ich verließen den Barkadur von Vingetta. Marou räusperte sich. »Oder aber er befindet sich mit seinen Männern nur knapp außer Sichtweite, was nicht heißt, dass Ihr außerhalb der Stadtmauern sicher seid.«

Aaltje, Vingettas Stadtverwalterin, ließ mittlerweile Tag und Nacht zu allen Seiten die Stadtmauer bewachen. Nach Vingetta durfte man nur noch mit einem gültigen Passierschein einreisen.

»Wenn wir noch lange diskutieren, Marou, ist die Sonne bereits untergegangen und wir haben diese wunderschöne Abendstimmung verpasst.«

Ich steuerte zielstrebig das westliche Stadttor von Vingetta an. Marous genervter Blick, den sie Tarja zuwarf, entging mir nicht. Ich ignorierte ihn. Mir war der Sonnenuntergang wichtig. Er erinnerte mich an die Zeit, die ich in der Höhle unter dem Weingarten verbracht hatte, an die Abende, an denen ich auf Ryen gewartet hatte und an den Kuss nach unserer Auseinandersetzung.

Die Wachen am Stadttor ließen uns passieren. Wenig später saßen wir zu dritt im Sand und starrten auf die unendliche Weite.

»Es wirkt so friedlich und ist es doch nicht«, sagte ich gedankenverloren.

»Macht Euch um den Frieden keine Sorgen. Wencke wird ihn wiederherstellen«, antwortete Marou.

»Das meine ich nicht«, gab ich zurück. »Es ging auch vor Jorins Übergriffen nicht friedlich zu.« Marou und Tarja starrten mich ungläubig an. »In Kastellina vielleicht, Marou. Aber in den anderen Provinzen nicht. Mich ärgert es, dass Mutter in der Gesetzgebung nicht einlenkt.«

»Sie hält sich an Elisaras Gesetze«, wandte Tarja ein.

»Ändert Ihr die Gesetze, wird es der breiten Masse der Bevölkerung bitter aufstoßen. Es sind Randgruppen, die sich auf die Füße getreten fühlen«, argumentierte Marou.

»Es sind nur Randgruppen, weil Kastellina sie zu welchen gemacht hat. Was ist, wenn man ihnen mehr Raum gibt, sich zu entfalten und zu entwickeln? Sicherlich würden sie unsere Gesellschaft bereichern.«

»Es bedarf eine sensible Hand der Führung und eine weise militärische Macht. Sonst fühlt sich die restliche Bevölkerung überrumpelt und geht auf die Straßen. Anarchie wäre die Folge und Eyaland würde als Einheit zerbrechen. Nichts, was zu empfehlen ist«, erwiderte Marou.

»Wenn du ehrlich bist, Marou, hatten wir auch vor Jorins Aufständen keine Einheit. Elisaras Gesetze sind nicht in Gänze verkehrt. Alles, was Elisara wollte, war ein friedliches, einheitliches und vor allem gewaltfreies Eyaland. Ihre Gesetze lassen sich eng und weit auslegen. Nur hat es sich über die letzten Jahrhunderte zu etwas entwickelt, was sicherlich nicht in ihrem Interesse war. Es heißt, dass Lilja Elisaras Absichten am besten umgesetzt hat. Nur finde ich keine Aufzeichnungen von ihr.«

»Vielleicht sollt Ihr auch keine finden«, wandte Tarja ein. »Vielleicht wurden sie mit Absicht beseitigt.«

»Lilja hin oder her. Ihr seid großherzig genug, um Euren eigenen Weg zu gehen. Ihr dürft die Gesetze ruhig weit interpretieren und anpassen. Mit Wencke habt Ihr die militärische Gewalt auf Eurer Seite, um sie weise zu positionieren. Somit könnt Ihr die Randgruppen fördern und für eine Angleichung in der Gesellschaft sorgen.«

Ich ließ mich seufzend zurück in den Sand sinken. Mit verschränkten Armen unter meinem Kopf beobachtete ich den immer dunkler werdenden Himmel.

»Wenn ich Mutter doch nur vorher zu einer Gleichstellung überzeugen könnte, dann würde sich die Konfrontation mit Jorin von allein lösen und Wencke müsste nicht ausziehen, um gegen ihn zu kämpfen«, überlegte ich.

Nur wer würde dann das Land weiterregieren?

»Tut, was Ihr nicht lassen könnt. Aber in einem könnt Ihr Euch sicher sein, Wencke will Euch auf dem Thron sitzen sehen. Samana und ich im Übrigen auch.«

Ich warf Marou einen nachdenklichen Blick zu. Genau das würde dann nicht mehr geschehen.

Kapitel 2

 

Die Verführung, sich gedanklich in der Fantasie zu verlieren, war groß. Alles in mir wollte um jeden Preis die Wahrheit vergessen.

– Elisaras Tagebuch –

 

 

as Arbeitszimmer Ihrer Frostigkeit, Königin Isa III., zu stürmen, gehörte nicht zu meinen glorreichsten Taten. Und erwischte ich Ihre Frostigkeit auf dem falschen Fuß, was für mich, einen verachteten McBright aus dem Jarro-Clan, sehr wahrscheinlich war, würde diese Begegnung heute sehr schmerzhaft für mich enden.

»Hey, warte! Du kannst da nicht so einfach rein!«, rief Talke hinter mir her, als ich das Schloss betrat.

Sie sprang gerade erst von ihrem Pferd. Windhauch hatte ich einfach vor den Stufen zum Eingang stehen lassen. Er würde nicht davonlaufen.

»Wir müssen warten, bis Ihre Majestät uns eine Audienz gewährt!«, keuchte Talke, als sie mir hinterhereilte.

Ich ignorierte sie. Talke hatte mich vom Jårrlandpass, wo man Gerod und mir den Durchgang verweigert hatte, zu viel Zeit gekostet. Zwei Wochen mussten wir wegen Dauerregen in einen Gasthof einkehren, weil Talke sich geweigert hatte, bei Regen weiterzureiten. Besser gesagt, sie hatte in einem Gasthof übernachtet. Mir, einem nutzlosen Jårrländer, hatte die Wirtin den Zutritt verwehrt. Zwei Wochen hatte ich bei Windhauch im Stall geschlafen. Als wir endlich weiterreiten konnten, war der Boden so aufgeweicht, dass wir nur im Schritttempo vorwärtskamen. Mir war das viel zu langsam. Denn in dieser Zeit saß Gerod bereits in der Mine und schuftete.

»Du kannst hier nicht rein!«, sagte die Wache an der Tür zum Arbeitszimmer Ihrer Frostigkeit.

Ich kann noch viel mehr, als nur das Arbeitszimmer Ihrer Frostigkeit stürmen!

In meiner Wut über das respektlose Verhalten der Kriegerinnen am Pass war ich nicht zu halten.

»Ich kann! Und Ihr werdet mich sofort durchlassen.«, forderte ich bestimmt.

Noch bevor sie ihre Schwerter ziehen konnten, hatte ich die schweren Türflügel bereits aufgedrückt. Ich platzte mitten in eine Besprechung, was mir reichlich egal war. Mit einem McBright spielte man nicht. Ihre Frostigkeit stand mit Elta, Samana, Wencke und Henrike zusammen am Tisch und starrte auf diverse Karten.

»Was um alles in der Welt soll das?«, rief sie erzürnt und sah mich verwirrt an.

Hinter mir erschien Talke in der Tür.

»Vivanne, Eure Majestät«, japste sie. »Es tut mir leid! Dieser Mann hat ein Tempo …«

»Das interessiert mich nicht!«, fuhr Ihre Frostigkeit Talke an, die sich immer noch auf ihren Knien abgestützt hatte. »Ryen McBright, ich fordere sofort eine Erklärung. Wird man dich denn nie los?«

»Man hat Gerod und mir am Jårrlandpass den Durchgang verweigert. Malin hat Gerod sofort in die Mine werfen lassen und diese Frau behauptet, Ihr hättet einen Erlass herausgegeben, welcher mir die Rückreise nach Jårrland verwehrt.«

Was konkret in diesem Erlass stand, wusste ich immer noch nicht. Talke hatte mir nicht eine Frage beantwortet, sondern mich nur wie einen dummen Esel behandelt.

»Talke. Sprich!«, fuhr Ihre Frostigkeit sie an.

»Eure Majestät, vergebt mir diesen Zwischenfall, aber Ihr hattet einen Erlass vor einigen Monaten herausgegeben, dass Ihr dringend einen Schmied braucht. Und dieser Mann ist Schmied im Jarro-Clan.«

Das war der Grund, warum ich nicht nach Hause durfte? Wegen meines Berufes? Ich verstand es nicht.

»Ist dem so?«, fragte Ihre Frostigkeit mit hochgezogenen Augenbrauen, was ihr Gesicht noch mehr verzehrte.

»Wozu braucht Ihr einen Schmied?«, fuhr ich sie an.

»Antworte auf meine Frage!«, befahl sie.

»Ihr hättet mich nur fragen brauchen, was ich beruflich mache, als ich an Eurem Hof war! Euer Geld, was Ihr uns mitgegeben habt, um unsere Familien zu entschädigen, hat Malin eingezogen mit dem Vorwurf, wir hätten es gestohlen. Nun muss ich mir die Frage stellen, handeln Eure Kriegerinnen in Eurem Sinne? Ja oder nein? Auf intrigante Spiele kann ich liebend gern verzichten«, presste ich hervor.

Talke hatte sich wieder aufgerichtet. Nervös trat sie von einem Bein auf das andere. Samana schaute mich erschrocken an und Henrike sog scharf die Luft an. Das war nicht der Tonfall, den ich an den Tag legen sollte und erst recht nicht die geeignete Wortwahl.

»Talke, was ist geschehen?«, fragte Samana. Sorge schwang in ihrer Stimme.

»Es ist so, wie er es beschrieben hat. Kamen er und sein Freund etwa wirklich aus Kastellina? Wir hatten diese Möglichkeit ausgeschlossen …«

»Warum sollte diese Möglichkeit denn ausgeschlossen sein?«, polterte Ihre Frostigkeit.

»Na ja … Es tut uns leid, wenn wir falsch entschieden haben … Malin hat nur erzählt, dass die zwei Männer nicht die Befugnis hatten, Jårrland zu verlassen und die Clansperre besagt …«

»Ich weiß, was die Clansperre besagt! Und natürlich hatten sie keine Befugnis. Dennoch haben sie meine Tochter aus Loans Händen befreit, worüber ich mich erkenntlich gezeigt habe. Hat Malin damit ein Problem?« Ihre Frostigkeit wurde laut.

»Nein. Sicher nicht. Wir wussten es ni…«

»Natürlich nicht!«, schrie Ihre Frostigkeit, dass Talke neben mir zusammenzuckte. »Ich muss mich nicht jedem gegenüber erklären!«

Talke antwortete nicht mehr, sondern schluckte nur. Draußen ertönten die Fanfaren. Wencke sah Samana an. Ein erleichtertes Leuchten trat in ihre Augen. Samana nickte Wencke zu. Der Königin schien es zu entgehen oder sie ignorierte die Geste zwischen den beiden Kriegerinnen.

»Und nun zu dir, Ryen McBright! Wenn du noch einmal unaufgefordert in mein Arbeitszimmer platzt …«

»Ich würde jederzeit wieder unaufgefordert in Euer Arbeitszimmer platzen, Eure Majestät«, unterbrach ich sie scharf. »Hört auf, mir zu drohen und holt gefälligst meinen Freund aus der Mine!«

»Du vergreifst dich im Tonfall!«, wies sie mich streng zurecht. »Ich muss mir von dir nicht sagen lassen, was ich zu tun habe.«

Ich verzog mein Gesicht. »Ihr wollt ihn doch nicht etwa in der Mine lassen nach alldem, was Gerod und ich für Eure Tochter getan haben?«

Sie schnaubte. »Tu nicht so, Jårrländer, als ob ihr nur wegen meiner Tochter nach Södvigi geritten seid. Euer Anliegen war ein anderes.«

Ich ballte meine Faust und schlug scheppernd auf ihren Schreibtisch.

»Soll das etwa heißen, Ihr lasst ihn in der Mine?« Fassungslos starrte ich sie an.

Sie holte tief Luft und antwortete dann in ruhiger, aber drohender Stimme: »Das soll heißen, dass ich mir diese Option offenhalte.«

Ich funkelte sie mehrere Atemzüge zornig an und presste meine Kiefer fest aufeinander. Verstand sie es nicht oder wollte sie es nicht verstehen? Gerod war mittlerweile seit gut einem Monat in der Mine, weil Talke den Rückweg nach Kastellina unnötig in die Länge gezogen hatte. Selbst wenn sich heute jemand auf den Weg machen würde, müsste Gerod noch weitere Wochen in der Mine durchhalten. Ich mochte mir den Zustand meines besten Freundes nicht vorstellen.

Es klopfte und jemand betrat leise das Arbeitszimmer. Samanas und Wenckes Gesichter wurden mild, als sie zur Tür blickten. Sie nickten und ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. Ich drehte mich nicht um, sondern starrte Ihre Frostigkeit weiterhin zornig an.

»Erklärt es mir! Ich verstehe es nicht! Und erklärt mir, wozu braucht Ihr einen Schmied? Warum kann ich nicht in mein Dorf zurückkehren?«, fuhr ich sie an.

»Ich muss dir gar nichts erklären. Samana, zeig Ryen die Schmiede!«, befahl sie kalt.

Samana machte zwar einen Schritt auf mich zu, zögerte allerdings, da ich mich nicht rührte.

»Ich werde dieses Zimmer nur mit einer zufriedenstellenden Antwort verlassen! Werdet Ihr bitte endlich die Güte haben, auf meine Fragen zu antworten, Eure Majestät. Mit mir spielt man nicht! Auch Ihr nicht!«, fuhr ich sie an.

Talke wurde immer nervöser, während alle anderen mir wütende Blicke zuwarfen.

»Mit mir auch nicht!«, donnerte die Königin zurück. »Und ob dich meine Antworten zufriedenstellen, ist mir reichlich egal. Warum hast du mir nicht gesagt, dass du Schmied bist?«

»Ihr habt nicht gefragt!«, stieß ich hervor. »Und soll ich Euch sagen, warum Ihr nicht gefragt habt? Es hat Euch nicht interessiert, womit ein dummer McBright aus den Clans seinen Lebensunterhalt verdient.«

Ihre Frostigkeit musste sich arg zusammenreißen, um nicht völlig an die Decke zu gehen. »Natürlich interessiert mich das nicht. Aber wenn du Schmied bist, dann kann ich dich in der Tat nicht gehen lassen. Das hätten wir alles anders klären können. Mein Heer braucht neue Schwerter und zwar schnell. Denn Loan hat Perlbyen eingenommen.«

»Ich sollte Jorin beglückwünschen! Wenigstens einer, der sein Wort hält«, schleuderte ich zurück.

Niemand verwehrte mir die Heimreise. Niemand! Es war meine Familie, die mit mir rechnete. Mein kleiner Bruder, der sonst niemanden hatte. Genauso wie mein Vater. Und niemand steckte meinen besten Freund ungestraft in die Mine.

Ich hörte, wie die Wachen an der Tür auf meine Bemerkung die Schwerter zogen. Doch zu meinem Erstaunen gab Ihre Frostigkeit ein Handzeichen der Entwarnung.

»Die McBrights konnten sich noch nie zusammenreißen. Sie haben schon meinen Vorgängerinnen das Leben schwer gemacht. Was will man von ihnen auch erwarten?«, erwiderte sie kalt und abfällig.

»Ihr könnt mich gern beleidigen. Das interessiert mich nicht! Gebt mir einen Erlass, dass ich in mein Dorf zurückkehren und meinen Freund aus der Mine holen kann! Ich lehne ab. Niemals werde ich Schwerter für Euch schmieden, die Ihr gegen Jorin einsetzen werdet, der für mehr Rechte und Freiheit kämpft.«

»Wencke!«, sagte Ihre Frostigkeit, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Erteil am Tor für Ryen McBright eine sofortige Ausgangssperre.«

Hinter mir sog jemand scharf die Luft ein. Ich richtete mich auf und verschränkte die Arme vor meinem Oberkörper. Das wurde immer schöner. Jetzt durfte ich nicht einmal mehr Kastellina verlassen.

Wencke nickte kurz. Sie trat an mir vorbei, verließ aber nicht den Raum. Ich presste die Lippen fest aufeinander.

»Du bekommst deine Passgenehmigung, sobald ich meine Schwerter habe.«

»Eure Majestät! Ich bin …«

»Was? Was willst du sein? Ein freier Mann?« Sie lachte spöttisch auf. »Wohl kaum. Wenn ich einen Schmied brauche, dann hole ich mir auch einen. Ob es dir gefällt oder nicht. Ihr arroganten Jårrländer könnt von Glück reden, dass ich jeweils einen Schmied in eure zurückgebliebenen Dörfer lasse. Selbst das könnte mir egal sein! Ihr steht mir und Eyaland zu Diensten, vergiss das nicht. Deine persönlichen Interessen sind mir egal.«

Ich starrte sie sprachlos an. So deutlich hatte mir bisher keiner gesagt, wie gebunden wir waren. Ihre scharfen Worte trafen mich unerwartet an einem empfindlichen Punkt.

»Du solltest wissen, wo dein Platz ist«, setzte sie fort.

»Ich weiß, wo mein Platz ist, Eure Majestät, und der ist nicht hier in Eurer Schmiede. Ich weigere mich, Schwerter für Euer Heer anzufertigen.«

Ich wandte mich um, richtete meinen Blick auf die Tür und kam keine zwei Schritte weit. Dort stand Linea, die mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.

»Wencke! Führ ihn ab in den Disziplinarraum.«, ertönte die Stimme Ihrer Frostigkeit hinter mir. »Dort wird er zur Besinnung kommen.«

Ich hörte, wie Wencke ihr Schwert zog. Unmittelbar danach spürte ich eine drohende Schwertspitze direkt in meinem Rücken. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich hatte nur Augen für Linea.

»Nein. Nicht! Bitte, Mutter.«, ertönte ihre zarte Stimme. »Wencke?«

Unruhig wanderten ihre Augen ängstlich von mir zu Wencke und dann zu Ihrer Frostigkeit.

»Ryen.« Es war nur noch ein Flüstern, was ihre Lippen verließ, dennoch entging mir ihr flehender Unterton nicht.

Ihre Lippen, die so süß geschmeckt hatten. Ich schloss meine Augen und holte tief Luft. Dann wandte ich mich erneut um. Wenckes Schwert schabte über meine Lederjacke. Ich schob mich an ihr vorbei und ging zwei Schritte auf die Königin zu.

»Wenn ich hierbleibe und für Euch arbeite, lasst Ihr dann meinen Freund aus der Mine frei?«

Atemzüge verstrichen. Abschätzig musterte mich die Königin.

»Nach deinem Theater, McBright, muss ich darauf nicht eingehen.« Sie holte tief Luft. »Aber ich will nicht so sein. Ich komme dir entgegen. Wencke, gib bitte Thea Bescheid, sie möchte morgen zur Mine aufbrechen, um seinen Freund dort herauszuholen. Sie soll eine halbe Einheit Kriegerinnen mitnehmen, die Malin ersetzen. Malins kompletter Stützpunkt wird mit Runa nach Kastellina kommen.«

Sprachlos starrte ich die Königin an.

»Da staunst du, nicht wahr? Ich komme deinem Clanvolk sehr weit entgegen, indem ich Malin ersetzen lasse. Deine Ausgangssperre bleibt.« Sie hob ihren Blick und sah zu Wencke. »Ryen McBright hat Kastellina nicht ohne meine Genehmigung zu verlassen!«

»Ich kläre das sofort, Eure Majestät«, sagte Wencke. »Seid Ihr sicher, dass Ihr meine Anwesenheit nicht mehr benötigt?«

Ich spürte Wenckes unsichere Blicke auf meinem Rücken. Die Königin lachte spöttisch in meine Richtung.

»Er wird mir nichts tun. Geh! Und die Wachen können ebenfalls mein Zimmer verlassen.«

Hinter mir verließen die Kriegerinnen den Raum. Die Tür fiel ins Schloss.

»Also …«, holte Ihre Frostigkeit tief Luft. »Mein Heer braucht Schwerter.«

Wenn sie meinte, sie könnte mich mit einer kleinen Gefälligkeit kaufen, hatte sie sich gewaltig geirrt. Natürlich würde es dem Dorf guttun, wenn Malin abgezogen werden würde. Aber ich musste nach Hause. Sie konnte mich hier nicht festhalten. Obendrein wollte ich Jorin nicht in den Rücken fallen. Wenn ich eine ganze Stadt an meiner Seite hätte, würde ich ebenfalls für meine Freiheit kämpfen.

»Dieser Krieg, Eure Majestät, ist vermeidbar. Gebt den Männern mehr Rechte und mehr Freiheiten.« Meine Stimme blieb dieses Mal ganz ruhig, aber nicht weniger bedrohlich.

Sie holte aus und donnerte mit ihrer Hand auf den Schreibtisch. Samana trat unruhig von einem Bein auf das andere. Die Atmosphäre spannte sich an.

»Ich werde nicht die Königin sein, die das Zeitalter der Femininen Blüte beendet. Und du bist nicht in der Position, mir zu sagen, was ich zu tun habe und was nicht. Es ist leicht für einen dahergelaufenen Dorftrottel, kluge Ratschläge zu erteilen. Also wie lange brauchst du, um mein Heer mit Schwertern auszustatten?«, wiederholte sie ihre Frage.

Das ging kaum abfälliger. Ich schwieg. Mir gefiel das nicht. Ich wollte nicht, dass meine Schwerter im Kampf gegen Jorin eingesetzt worden. Andererseits war sie mir gerade entgegengekommen und würde unseren Stützpunkt neu besetzen. Obendrein würde sie Gerod aus der Mine holen.

Da ich nicht sofort reagierte, sagte sie: »Besser du tust es freiwillig. Denn wenn ich dich erst dazu zwingen muss, sieht es schlecht aus für dich. Und, glaub mir, es würde mir leichtfallen, dich wegen Mitwisserschaft und Verschwörung mit Loan Jorin Tangen anzuklagen und zu verurteilen. Alles, was Eyaland schadet, hat keine Daseinsberechtigung in diesem Land.«

Mir blieb keine andere Wahl. Noch nie wurde ich so ungerecht behandelt. Selbst Lineas Verurteilung im Frühjahr war ein Witz hiergegen.

»Es ist nicht zu schaffen, Eure Majestät, Euer gesamtes Heer innerhalb einer überschaubaren Anzahl an Wochen mit neuen Schwertern auszustatten«, antwortete ich leise.

Die Gesichtszüge Ihrer Frostigkeit blieben angespannt. Ihre Kieferknochen mahlten aufeinander.

»Aber ich kann die vorhandenen Schwerter auf ihre Funktionalität überprüfen und sie ausbessern«, bot ich ihr an.

Sie lief um den Schreibtisch und setzte sich. Lange ruhten ihre Augen auf mir.

»Samana, wie viel Zeit bleibt uns?«, frage die Königin und rieb sich die Stirn.

»Es ist anzunehmen, dass Runa in zwei bis drei Monaten mit den Kriegerinnen von den Stützpunkten zurück ist«, erklärte Samana.

»Ihr zieht die Stützpunkte ab?« Ich zog meine Stirn in Falten.

Ein hinterlistiges Lächeln umspielte die Lippen Ihrer Frostigkeit.

»Sollte es dich interessieren?«

Ich sog hörbar die Luft ein. Besser, ich tat gleichmütig und nicht weiter interessiert. Einmal mehr fluchte ich innerlich, dass ich nun in Kastellina festsaß. Es wäre die Chance der Sväreos gewesen.

»Du hast vier bis fünf Monate, Ryen McBright, um mein Heer gegen Loan zu rüsten. Turid und die anderen Schmieden in Kastellina werden dir dabei helfen.«

»Unter einer Bedingung.«

Ihre Frostigkeit seufzte. »Was willst du noch?«

»Ich stelle keine Standardschwerter her.« Ich stützte mich auf ihrem Schreibtisch ab und beugte mich zu ihr hinüber. »Sie werden individuell angepasst. Und ich teste jedes Schwert, was ich hergestellt oder ausgebessert habe, persönlich. Mit meiner Schwester!«

Ihre Frostigkeit starrte mich eine Weile an, nickte dann allerdings.

»Elta, hol bitte für fünf Monate deinen Sold aus der Schatzkammer und gib ihn Thea mit für seine Familie! Das ist ein weiteres Entgegenkommen von meiner Seite. Ich muss dich nicht bezahlen. Eyaland steht über der Familie, Ryen. Und solltest du mich noch einmal so herausfordern, machst du Bekanntschaft mit unserem Disziplinarraum und der halbe Jarro-Clan wandert wegen dir in die Mine«, sagte sie trocken. »Samana, gib Ida Bescheid, dass sie ihrem Bruder in der Schmiede zur Verfügung steht und ihre sonstigen Dienstpläne gestrichen sind. Aud soll Ryen freien Zugang zur Küche ermöglichen und Fiene möchte ihm ein Gästezimmer herrichten. Die Ausgangssperre bleibt. Ich überlege es mir entsprechend deines Verhaltens, wann und ob ich sie aufheben werde.« Sie sah mich scharf an. »Du kannst gehen und du, Talke, auch! Ich möchte nicht, dass du wieder zurück zum Pass reitest. Melde dich bei Wencke zum Dienst.«

Samana und Talke verneigten sich und gingen. Ich starrte sie noch ein paar Atemzüge an und ballte meine Hände zu Fäusten. Dass Pa und Henry weitere fünf Monate auf mich verzichten mussten, gefiel mir nicht. Wenigstens waren sie finanziell abgesichert. Eltas Sold würde für die beiden sicherlich ein ganzes Jahr ausreichen.

Ohne mich abschließend zu verbeugen, wandte ich mich ab, um ihr Arbeitszimmer zu verlassen. Linea sah mich mit großen Augen an. Ihre zarten Wangen färbten sich vor Verlegenheit. Wieder einmal bremste sie mich völlig aus.

»Vivanne, Eure Majestät!«, sagte ich förmlich zu ihr, verbeugte mich und holte meine Begrüßung nach, die ich vorhin nicht fertiggebracht hatte.

»Es freut mich, Euch wiederzusehen«, antwortete Linea leise.

Für wenige Atemzüge starrten wir uns an. Einmal mehr wusste ich, dass sie mein Gegenpol war. Mein Gegenüber, das mich vervollständigte. Doch ich war nicht genug für sie und würde es nie sein. Ich war nur ein Jårrländer, den ihre Mutter drehen, schieben und wenden konnte, wie es ihr gefiel. Den ihre Mutter gerade vor ihren Augen gedemütigt hatte. Nie war die Distanz zwischen uns größer als in diesem Moment.

»Prinzessin Linea, seid bitte so freundlich, und lasst Ryen McBright vorbeitreten. Er hat zu tun.«

Linea trat zur Seite. Zögerlich ging ich an ihr vorbei. Ihr süßlicher Duft mit einem Hauch von Vanille stieg mir sofort in die Nase. Ich mochte ihren Duft. Fast war es, als ob die Melodie zwischen uns wieder einsetzte. Fünf Monate … Bei Allfajos, nie war die Versuchung größer. Linea war mein Fall!

Kapitel 3

 

Angst – sie tat etwas mit einem. Jeder entwickelte im Laufe seines Lebens eine ganz eigene Art und Weise, mit ihr umzugehen. Doch niemand konnte sagen, dass sie nicht ihre Spuren hinterlassen hatte.

– Elisaras Tagebuch –

 

 

 

as Blut rann wie Wasser die Straßen entlang und versickerte in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen. Das Röcheln und Stöhnen der Einwohnerinnen von Vit Sand vernahm ich noch in meinen Ohren. Es war der reinste Albtraum. Vit Sand stank nach Tod und Verderben. Es war das dritte Mal, dass ich diesen Geruch einatmete. Dreimal hätte ich darauf verzichten können. Ich hasste ihn. Und ich hasste Isa, dass sie es so weit hatte kommen lassen. Die Städte einzunehmen, war unsere einzige Chance, wenn wir nicht irgendwann als Opfer in Södvigi in der Falle sitzen wollten.

Södvigi ging das Flingrar und der Platz aus. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass alle Männer aus ganz Södland Zuflucht bei uns gefunden hatten. Die eingelagerten Vorräte in Perlbyen kamen uns zugute. Mit ihnen würden wir über den Winter kommen. Oyestein war mehr als nur zufrieden. Doch dann? Wie weiter? Von Wein und Fisch allein konnten wir uns nicht dauerhaft ernähren. Isa würde uns niemals Handelsbeziehungen anbieten und erpressen lassen wollte ich mich auch nicht.

Die Winter in Södland verliefen mild. Schnee gab es nicht. Dafür Regen. Es war eigentlich die Zeit, in der das Land fruchtbar wurde. Im Frühjahr reifte die Ernte, sodass man sie im Frühsommer einfahren konnte.

Ich hatte Oyestein mit den verbliebenen Männern in Södvigi darauf angesetzt, Flingrar anzubauen. Sie würden damit lange beschäftigt sein. Ein Feld anlegen. Aussäen. Bewässern. Hoffen, das etwas in dem fruchtlosen Sand wuchs.

Perlbyens Weingut war für uns ein großer Gewinn. Auch die Kokosplantagen von Vit Sand fielen nun in unsere Hände. Dazu unzählige Nutztiere wie Ziegen und Schweine. Für Käse und Fleisch war gesorgt. Fisch gab es auch. Es sah also gar nicht so schlecht aus, wenn man von Feuerholz, Erz und Flingrar absah. Aber der Preis war teuer und extrem hoch. Ich wünschte, ich hätte ihn nicht zahlen müssen.

Nach Vit Sand würden wir weiterziehen. Die ungeschützten Siedlungen an der Ostküste! Und zur Krönung Orkensbye! Orkensbye war das Tor zu Lavland. Danach kam nur noch Kastellina.

Vingetta und Oljebye schenkte ich mir vorerst. Das würde zu viel Zeit kosten. Ein Weingarten reichte erst einmal und den Olivenhain würde ich mir später holen.

Yorick presste sich ein Stück Stoff auf die blutende Wunde seines linken Armes. Talyn wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und Fenris ließ Wasser über seinen Kopf laufen. Müde und erschöpft versuchten meine Männer, wieder zu Kräften zu kommen. Ich wusste noch nicht, wie viel wir verloren hatten.

Korff stapfte zielstrebig auf mich zu, eine zappelnde, sich wehrende Frau hinter sich her schleifend. Sie war verletzt. Blut und Dreck klebten in ihrem Gesicht. Ihre Haare hingen zerzaust herunter.

»Lass mich los!«, schrie sie hysterisch.

»Kannst du gern haben.« Er grinste frech.

Mit Schwung warf er sie mir vor meine Füße.

»Wer ist das?«

»Vit Sands Heerführerin. Ich wollte dir das Vergnügen lassen, ihr Leben zu beenden.«

Sie funkelte mich wütend an.

»Wie viele von ihnen sind noch am Leben?«, fragte ich.

»Von den Frauen?« Korff zuckte mit den Schultern. »Genügend, wenn du mich fragst. Du weißt doch, Jorin, dass ich nicht zählen kann. Von den Kriegerinnen ist die hier die letzte.«

Für mich war es so selbstverständlich, dass ich es immer wieder vergaß. Ich brauchte unbedingt einen Lehrer für meine Männer.

»Wie viele Männer?« Ich sah Yorick an.

»Nicht viele und auch keine, die uns weiterbringen. Die meisten sind im Sommer zu uns geflohen.«

Ich nickte. Selbst in Perlbyen hatten wir nicht viele Männer gefunden. Södvigi war durch Fenjas Glädjan die Stadt mit der größten männlichen Bevölkerung gewesen. In allen anderen Städten waren es bedeutend weniger. Wie nur sollte Eyaland zu einer starken Nation werden, wenn es keine Männer gab? Es würde Generationen dauern, eh sich die drastische Geburtenmanipulation erholt hatte.

»Kinder?«

»Höchstens fünfzig.«

»Verdammt. Das sind zu wenig!« Ich verdrehte die Augen.

Überall dasselbe. Ich sah auf die Heerführerin Vit Sands hinab. In ihren Augen stand die Abscheu. Sie wusste, dass ihre letzte Stunde geschlagen hatte, doch ich würde sie ihr nicht gönnen. Sie sollte sich Zeit ihres Lebens an diesen Tag erinnern können.

»Korff, hol mir doch bitte ein Pferd aus den Ställen.«

Korff nickte und zog los. Yorick sah mich fragend an.

»Du solltest deine Wunde nähen lassen«, sagte ich ihm.

»Mach ich! Daland ist noch mit den anderen beschäftigt.«

»Pass auf, dass du nichts reinkriegst. Ich brauch dich noch!«

Yorick grinste. Er wusste, dass ich ohne ihn nicht so weit gekommen wäre und ich wusste es auch. Ohne alle meine Männer. Korff reichte mir die Zügel eines Pferdes.

»Steig auf!«, befahl ich der Heerführerin vor mir.

Unglauben stand in den Augen der Heerführerin. Dann schüttelte sie zu meiner Überraschung den Kopf.

»Nein! Damit du mich von hinten abschießen kannst?«

Ich lachte und stieß ihr meine Stiefelspitzen in die Rippen.

»Nein! Damit du nach Kastellina reiten kannst.«

»Du lässt mich am Leben?«

»Ja. Überraschung. Ich kann auch barmherzig sein.« Ich zwinkerte ihr zu. »Und jetzt tu, was ich dir sage, bevor ich es mir anders überlege!«

Vorsichtig starrte sie mich an. Sie traute mir nicht. Auf ihr Vertrauen konnte ich gern verzichten. Nur sehr langsam erhob sie sich. Als sie sich auf das Pferd zog, stand der Schmerz in ihr Gesicht geschrieben.

»Bestell Isa schöne Grüße von mir. Im Frühjahr stehe ich vor Kastellinas Toren. Und du solltest mir nicht noch einmal unter die Augen treten. Denn ein zweites Mal lasse ich dich nicht am Leben.«

Sie presste ihre Beine an das Pferd und galoppierte an.

»Da hast du ganz schön hoch gepokert«, warf mir Talyn vor. »Im Frühjahr? Wenn wir weiterhin nur ein paar Männer finden, haben wir nicht genügend zusammen, um gegen Kastellina zu ziehen.«

»Mag sein, Talyn. Dennoch will ich Isa nicht in Sicherheit wiegen, dass wir uns nur auf Södland konzentrieren.«

Wir suchten uns für diese Nacht ein Bett. Die Frauen sperrten wir vorerst ein. Es waren tatsächlich einige. Wir hatten das erste Mal die Einwohnerinnen, die sich nicht wehrten, am Leben gelassen. Ab morgen begann das Aufräumen und Organisieren. Der übliche Mist!

Kapitel 4

 

Kinder waren mit den kleinsten Dingen zufrieden. Ihnen reichte es, ein regelmäßiges Essen zu bekommen und einen Platz in den Schlafkoven zu finden. Alles andere war für sie ein Abenteuerland. In jedem kleinen Stein vermochten sie, ein potenzielles Spielzeug zu erkennen.

– Elisaras Tagebuch –

 

 

ie hätte mir erträumt, an dem Tag, an dem ich mit meiner kleinen Eskorte in Kastellina eintraf, Ryen wiederzusehen. Es setzte ungeahnte Gefühle in mir frei. Von Freude, über Schmerz bis hin zu Erregung war alles dabei. Seinen unendlichen Knoten trug ich am Fuß. An das Drücken des Lederbandes am Stiefel hatte ich mich mittlerweile gewöhnt. Spürte ich es nicht, fehlte mir etwas. So war er immer bei mir und erinnerte mich an unsere eine gemeinsame Nacht. Beim Baden oder Ankleiden, wenn Tarja mir half, legte ich es ab. Bisher war es mir gelungen, das Band vor Tarja zu verbergen. Niemand sollte davon wissen.

»Du bist also wieder zurück!«, sagte Mutter, als wir allein in ihrem Zimmer waren.

Wir waren im Schlosshof angekommen. Während Marou und die anderen sich um die Pferde kümmerten und Tarja die Sachen in mein Zimmer trug, hatte ich Mutter in ihrem Arbeitszimmer aufsuchen wollen.

»Warum erstaunt Euch das? Hat Euch meine Ankündigung nicht erreicht?«

»Doch, sie kam an. Gab es Zwischenfälle?«, wollte Mutter wissen.

»Nein. Die Einheiten wurden an Oljebye und Vingetta ausgeliefert. Aaltje und Rike waren äußerst dankbar und sind beunruhigt über die gegenwärtige Situation.«

»Ein wenig müssen sie sich noch gedulden, bis wir Loan aus dem Weg geräumt haben.«

»Müssen wir ihm auf diese Weise begegnen?«

»Willst du ihn wüten lassen?«

»Nein, natürlich nicht. Wir könnten die Gesetze anpassen. Sie sind fünfhundert Jahre alt. Wir leben unter anderen Verhältnissen als Elisara.«

»Linea, das Thema haben wir bereits diskutiert.« Mutter sah mich missbilligend an und erhob sich von ihrem Stuhl.

»Wir könnten die Geburtenkontrolle aussetzen«, argumentierte ich weiter.

»Es gibt zu wenig Männer. Die Einwohnerzahlen würden sinken.«

»Dann wenigstens die Geburtenmanipulation. Lassen wir genauso viele Jungs wie Mädchen …«

Mutter donnerte mit der Hand auf den Tisch. »Linea! Schluss jetzt! Ich kenne deine Ansichten und mir wird angst und bange, wenn ich nur daran denke, dass du eines Tages meine Position übernimmst.«

Ich richtete mich auf und atmete durch. Natürlich gefiel es ihr nicht und es war unbequem.

»Im Moment habe ich andere Probleme, als die Gesetze zu ändern. Darum kann ich mich kümmern, wenn Loan nicht mehr eine Stadt nach der nächsten überfällt.« Nachdenklich strich sich Mutter über ihr Kinn. »Wenigstens verfügst du über das Talent, das Temperament der McBrights zu zügeln. Das wird dir bei zukünftigen Entscheidungen in Jårrland viel Ärger ersparen. Hast du die McBrights auf deiner Seite, musst du dich um Jårrland nicht groß kümmern.«

Jårrland war noch einmal ein ganz anderer Fall als Södland. Grundsätzlich sah ich das Problem weniger bei den McBrights als bei Mutter und ihrer harten Führung. Kaum zu glauben, was geschehen wäre, wenn ich nicht zu diesem Zeitpunkt im Arbeitszimmer erschienen wäre. Ryen hätte nicht nachgegeben und Wencke hätte ihn in den Disziplinarraum verfrachtet.

Ich trat näher an ihren Schreibtisch.

»Musstet Ihr Ryen so demütigen? Der Dialog hätte auch anders verlaufen können.« Ich war gereizt.

Mich nervte es gewaltig, dass Mutter kein gutes Haar an den Jårrländern ließ. Ich hatte Ryen und Gerod mein Leben zu verdanken.

»Die Wahl hat er mir nicht gelassen. Glaubt er denn wirklich, er kann mein Arbeitszimmer stürmen und dann auch noch meinen Befehl verweigern oder mir gar Anweisungen erteilen?«

Ich war sprachlos. Aber nicht Ryen gegenüber, sondern Mutter. Eine Ausgangssperre! Fehlte noch, dass sie ihn in Ketten legen ließ. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie jemals eine Ausgangssperre verhängt hatte außer mir gegenüber, wenn ich gegen sie rebellierte. Schon lange war es nicht mehr vorgekommen. Damals vor fünf Jahren in Manor, wo ich fast mit meinem Leben bezahlt hatte, war das letzte Mal gewesen.

»Ich gehe mich dann frisch machen. Gibt es noch etwas für mich vor dem Abendessen zu erledigen?« Ich ging nicht auf ihre Entrüstung ein und versuchte gleichzeitig, meine eigene hinunterzuschlucken.

Mutter ließ sich wieder auf den Stuhl am Schreibtisch nieder und rieb sich die Stirn. Sie sah in diesem Augenblick schrecklich müde und geschafft aus. Jorin setzte ihr zu. Ihr eigener Sohn bekämpfte sie. Ich verstand nicht, warum sie sich so dagegen wehrte, den Männern mehr Freiheiten zuzusprechen. Ryen hatte es nicht umsonst angesprochen. Es wäre eine simple Handlung mit großer Wirkung. Sie hatten es verdient, frei zu sein. Doch Mutter kam ihnen nicht einmal in Sachen Geburtenkontrolle entgegen.

Und Jorin den Thron geben? Eine Zukunft für Ryen und mich wäre dann tatsächlich möglich. Aber es fühlte sich nicht richtig an. Diesen Gedanken durfte ich nicht zu Ende führen. Es fühlte sich an wie Verrat an Eyaland und an Elisara, die alles gegeben hatte, um die Menschheit zu retten. Eine Frau musste Eyaland regieren. So hatte sie es festgesetzt. An Jorins Händen klebte zu viel Blut. Ich wollte ihn nicht tot sehen, aber auch nicht auf dem Thron.

»Setz zwei Briefe in meinem Namen auf. Den einen an die Wächterinnen der Mine, um die Freilassung von Gerod Kean aus der Mine zu bewirken und den zweiten an Malin. Sie wird ab sofort nach Kastellina zurückbeordert. Thea soll den gesamten Stützpunkt auswechseln und zusammen mit Runa zurückkehren. Malins Querschlag kann ich nun wirklich nicht gebrauchen«, forderte meine Mutter.

»Es ist schrecklich, dass Gerod in der Mine ist.« Die Worte kamen nur flüsternd über meine Lippen.

»So schrecklich ist das gar nicht, Linea! Wir haben derzeit einen sehr hohen Bedarf an Eisenerz, um unser Heer entsprechend auszurüsten. Jeder Mann in der Mine ist ein Gewinn. Ich habe nur wegen Ryen entschieden, Gerod aus der Mine zu holen. Eigentlich müsste ich halb Jårrland einziehen lassen, um das erforderliche Erz verfügbar zu machen. Nur ist dort gerade auch Erntezeit. Jårrland jetzt in ihrer Ernte zu prellen, ist genauso ungut für unsere Kasse. Außerdem brauche ich die Kriegerinnen von den Stützpunkten im Heer.« Sie seufzte. »Loan hat überhaupt keine Ahnung, was er für einen Schaden und Durcheinander anrichtet! Ich verstehe bis heute nicht, warum Loan kein Mädchen geworden ist.«

Sie nannte ihn immer Loan. Nie Jorin. Und warum ihr erstgeborenes Kind ein Junge und kein Mädchen war, konnte ich ihr schlecht beantworten. Für mich spielte es keine Rolle. Sie war weder mit Jorin noch mit mir zufrieden.

»Natürlich verfasse ich die Briefe. Möchtet Ihr sie noch gegenlesen, bevor sie rausgehen?«

Ich ging nicht auf ihr weiteres Jammern ein. Sie würde sich von mir eh nichts sagen lassen. Hoffentlich fühlte sich Ryen von ihr nicht allzu sehr in seinem Stolz verletzt.

»Nein. Gib sie Thea, sobald du sie fertig hast. Ich vertraue dir, Linea. Und schön, dass du unversehrt wieder zurück bist.«

Es war das erste Mal, dass sie so etwas sagte. Es fühlte sich gut an. Dennoch betonte sie »vertraue« mit Nachdruck. Ich wusste genau, dass dies sich nicht nur auf die Briefe bezog. Höflich verabschiedete ich mich und verschwand zuerst in meinem Zimmer, um mich umzuziehen, und dann in der Bibliothek, um die Briefe aufzusetzen. Es war das erste Mal seit Ryens Abreise, dass mir ein ehrliches Lächeln gelang.

 

In den nächsten Tagen ging es am Hof drunter und drüber. Ständig kam jemand mit Anweisungen von meiner Mutter zu mir, die umgehend zu erledigen waren. Noch ein paarmal versuchte ich, mit ihr über unsere Gesetze zu diskutieren. Doch mittlerweile ließ sie mich bei diesem Thema nicht einmal mehr ausreden.

Gelegentlich stahl ich mir einen Blick auf den Hof, wo Ida, Wiebke, Ylvi und Liv immer wieder hektisch in Turids Schmiede rannten. Ida schien es zu gefallen, dass Ryen wieder zurück war. Zumindest sah ich sie oft lachen.

Sie wirkte gelöster mit Ryen an ihrer Seite, obgleich er ihr gegenüber ein entschiedenes und für meinen Geschmack zu bestimmtes Auftreten an den Tag legte. Darüber musste ich mich irgendwann mit ihm unterhalten.

Das Hämmern in der Schmiede erfüllte bereits zum Morgengrauen Kastellina und selbst spät in der Nacht verstummte es nicht. Ryen schien unermüdlich zu arbeiten und beschallte den gesamten Hof und die halbe Stadt. Mich wunderte es, dass Mutter sich nicht über den Lärm aus der Schmiede aufregte. Aber vermutlich wusste auch sie, wann bei Ryen eine Grenze erreicht war. Wenn sie ihm jetzt noch Vorschriften und zeitliche Vorgaben unter die Nase hielt, würde er gänzlich rebellieren. Mir gefiel er. Er war auf der einen Seite so bestimmt und wild und auf der anderen extrem zärtlich und sanft. Er ließ sich nicht gern etwas sagen, dennoch war er aufmerksam und hörte zu. Er war treu und sensibel. Kein Rebell.

An diesem Nachmittag hatte ich Tarja mit Botengängen in die Stadt geschickt. Ich gab vor, in der Bibliothek ein wenig mit Elyn lesen zu wollen. Doch dorthin ging ich nicht. In einer unbeobachteten Minute schlüpfte ich aus dem Schloss und überquerte den Hof in Richtung Schmiede. Turid, unsere Hofschmiedin, kam mir entgegen.

»Vivanne, Eure Majestät! Kann ich Euch helfen?«, fragte sie höflich.

Sie trug eine Lederschürze und darunter nur ein sehr knappes, dünnes Top, das gerade mal ihre extrem muskulöse Brust verbarg. Der Herbst hatte mittlerweile Einzug in Lavland gehalten. Ich fragte mich, ob es ihr nicht zu kalt war.

»Nein danke, Turid. Meine Mutter lässt fragen, ob es gut vorwärtsgeht«, log ich, um keinen Verdacht zu erregen.

Ich hasste Lügen. Mein Herz trommelte dabei viel zu aufgeregt. Ob wegen der Lüge oder wegen Ryen wusste ich nicht. Es würde mich noch einmal verraten. Nur der grün-schwarz gebänderte Stein, den ich verdeckt in meiner Hand hielt, schien mich zu beruhigen.

»Ryen versteht etwas von seinem Handwerk und seine Arbeit sieht sehr qualitativ hochwertig aus«, sagte Turid anerkennend. »Ich komme kaum mit dem Einschmelzen hinterher.«

»Das freut mich, wenn ihr gut zusammenarbeiten könnt«, gab ich knapp zurück.

»Richtet der Königin aus, dass alles nach Plan verläuft.« Turid grinste mich an.

»Das mache ich. Du hast sicher nichts dagegen, wenn ich noch einen Blick in deine Schmiede werfe?«

»Nein, natürlich nicht. Es ist nur sehr heiß dort drin, Eure Majestät. Also verweilt nicht zu lang!«

»Danke. Das habe ich nicht vor.«

Turid ging weiter ihrer Wege und ich lief zum Eingang der Schmiede. Sofort kam mir ein Schwall heißer, verbrannter Luft entgegen.

Ich sah in das Dunkle der Schmiede hinein und erblickte sogleich Ryen. Er klopfte mit dem Hammer ein Schwert gerade. Das Hämmern war ohrenbetäubend in schnellem, regelmäßigem Rhythmus. Auch Ryen trug nur eine durchgehende Lederschürze ohne Hemd. Seine schwarze Reithose und seine Stiefel. Immer wieder wischte er sich seine dunklen Locken, die nass an seiner Stirn klebten, aus dem Gesicht. Seine Haare waren etwas nachgewachsen. Die Locken, die wild in alle Richtungen fielen, so als ob sie sich nicht für eine Richtung entscheiden konnten, passten zu ihm.

Schweißperlen schimmerten im Licht des Feuers auf der Stirn. Auch verschwitzt und mit Rußflecken sah er einfach unwiderstehlich gut aus. Ich an Turids Stelle würde den ganzen Tag gar nichts auf die Reihe bekommen, wenn Ryen hier arbeiten würde.

Ich sah sein Leinenhemd an einem Haken neben mir am Eingang hängen. Schnell knotete ich das Lederband mit dem grün, schwarz gebänderten Stein an eines der Leinenbänder. Ich drehte das Hemd so, dass man den Stein nicht auf den ersten Blick sehen würde. Aber Ryen würde es wissen. Seinen unendlichen Knoten würde ich ihm nicht mehr zurückgeben. Ich brauchte ihn für mich und dieser Stein war für ihn.

Immer noch schlug er donnernd mit dem Hammer auf die glühende Klinge des Schwertes. Mit einem einfachen Räuspern würde ich wohl nicht seine Aufmerksamkeit erlangen. Aber weiter hineingehen wollte ich auch nicht. Was wäre, wenn Turid zurückkam? Was, wenn uns jemand hörte? Nein, in der Öffentlichkeit konnte ich keine Fassaden fallen lassen.

So blieb ich eine ganze Weile am Eingang stehen, griff immer wieder nach dem Ärmel seines Hemdes und atmete genüsslich seinen angenehm herben Waldduft ein, der dem Kleidungsstück anhaftete. Meine Gedanken schweiften unkontrolliert ab.

Eine Hand auf meiner Schulter ließ mich zusammenzucken.

»Es tut mir leid, Eure Majestät. Ich wollte Euch nicht erschrecken.« Es war Ida.

»Schon gut. Ich habe dich nicht kommen hören.«

»Nein, natürlich nicht. Ryen macht einen riesigen Lärm.« Ida lachte.

»Ja. Das stimmt.«

»Kann ich etwas für Euch tun? Wolltet Ihr etwas Bestimmtes?«, fragte Ida.

Das Zischen von heißem Eisen im kalten Wasser wirbelte die stickige Luft in der Schmiede durcheinander. Ryen sah plötzlich auf und unsere Blicke begegneten sich. Sofort ertönte ein neues lautes Hämmern. Dieses Mal von meinem Herzen.

Ich schluckte, wandte mich zu Ida und sagte: »Nein danke, Ida. Ich wollte gerade gehen.«

Ida verbeugte sich. Ich verließ eilig, ohne mich noch einmal umzudrehen, die Schmiede. Doch Ryens Blicke spürte ich noch lange auf meinem Rücken.

 

Es war am Abend gegen neun Uhr, als es an meiner Tür klopfte. Ich trug mein cremefarbenes Schlafkleid. Tarja hatte ich bereits weggeschickt. Das Hämmern in der Schmiede war vor etwa einer halben Stunde verstummt. Ryen? Sofort spürte ich die Hitze in meinem Körper.

Mit klopfendem Herzen öffnete ich die Tür. Doch zu meiner Überraschung stand Elyn in ihrem Schlafkleid vor meiner Tür.

»Lässt du mich rein, Linea?«

»Natürlich!«

Ich schloss hinter ihr die Tür, während sie sich selbstverständlich in meine Decken auf meinem Bett kuschelte. Elyn kam in den letzten sechs Nächten, seitdem ich aus Vingetta zurück war, annähernd jeden Abend zu mir. Am Anfang hatte ich gedacht, sie freute sich nur, dass ich wieder zurück war. Doch da sie heute wieder vor der Tür stand, bedrückte sie scheinbar etwas. Ich legte meinen Arm um sie.

»Wenn du jeden Abend kommst, Elyn, bekommt es bald jemand mit. Mutter schläft noch nicht und es würde ihr bestimmt nicht gefallen. Willst du mir nicht sagen, was dich beschäftigt?«

»Ich weiß. Ich hab nur solche Angst, Linea. Mutter ist irgendwie anders geworden. Sie schreit viel mehr. Donnert nur noch Befehle. Und dann dieses ständige Gehämmer aus der Schmiede. Ich will keinen Krieg. Ich werde diese Bilder nicht los, wie er eine Kriegerin nach der nächsten vor meinen Augen erstochen hat.«

»Das verstehe ich, Elyn. Ich will auch keinen Krieg. Aber Mutter zieht eine Gesetzesänderung nicht in Betracht.«

Ich hatte auch lange zu tun, die Bilder des verwüsteten Lagers zu vergessen. Ryen hatte sie jedoch durch schöne Träume ersetzt. Wieder einmal plagte mich das schlechte Gewissen.

»Ich habe mitbekommen, wie viel du mit ihr zurzeit diskutierst. Ich will nicht, dass sich irgendetwas ändert, Linea.«

»Elisaras Gesetze sind nicht mehr zeitgemäß, Elyn.«

»Mag sein. Dennoch fühlte ich mich immer wohl mit ihnen.«

»Die Bequemlichkeit darf uns nicht regieren, Elyn. Sie lässt uns ausruhen und in den Momenten verweilen, in denen wir handeln müssen. Elisara hasste Krieg. Jorin mit einem Heer entgegenzutreten, ist nicht der richtige Weg.«

Elyn schwieg eine Weile und ließ sich tiefer in die Kissen sinken.

»Meinst du, Jorin würde uns töten?«

»Auszuschließen wäre es nicht.«

Ich sah in Elyns bestürztes Gesicht und lächelte sie liebevoll an. Zärtlich strich ich über ihr Gesicht.

»Du musst an etwas Schönes denken, Elyn. Solange Mutter sich nicht reinreden lässt, können wir eh nur sehr wenig ausrichten.«

»Denkst du an was Schönes?«

Ich lächelte. »Ja, meistens.«

Ryen! Meine Gefangenschaft bei Jorin belastete mich nicht mehr. Obendrein war Jorin mein Bruder. Ich verstand ihn und irgendwie musste es mir gelingen, Gleichheit in Eyaland zu erwirken, ohne meinen Thronanspruch zu verlieren.

»Es tut so gut, bei dir zu sein, Linea. Darf ich bei dir schlafen? Nur noch diese Nacht. Versprochen!«

Das war nicht gut. Vielleicht würde Ryen … Aber eigentlich war das unwahrscheinlich. Die letzten Tage war er nicht gekommen und ich hatte ihn nicht holen lassen. Zum einen weil Elyn da war und zum anderen sollte es nicht so aussehen, als ob ich ihn bräuchte. Ich brauchte ihn. Aber … Ich konnte einfach nicht. Ich liebte ihn und wollte mit ihm zusammen sein. Doch wie empfand er? Mutter hatte ihn in seinem Stolz verletzt. Vermutlich wollte er mich gar nicht sehen.

»Natürlich kannst du bei mir schlafen, Elyn«, sagte ich sanft und drehte die Öllampen ab, während Elyn tiefer in die Kissen rutschte. »Stört es dich, wenn ich noch ein wenig lese?«