Die Nebel der Tvibura Fjålls - Zoe S. Rosary - E-Book

Die Nebel der Tvibura Fjålls E-Book

Zoe S. Rosary

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Beschreibung

»Du kannst nicht die Vergangenheit ändern, Ryen. Aber du kannst die Vergangenheit verstehen, um die Gegenwart zu verändern und die Zukunft neu zu schreiben.«

Linea erleidet seit der Krönung immer stärkere und unkontrollierbarere Kälteschübe. Sie sieht kaum eine Möglichkeit, dem Fluch zu entkommen, den sie durch den Kuss von Elisara auf sich gezogen hat. Unbeherrschtheit gepaart mit Kraftlosigkeit dominieren ihr Leben. Es gibt nur einen, der ihr diese Kälte nehmen kann, doch fühlt sie sich gänzlich unfähig, diesen zu finden und in ihr Leben zu lassen.

Parallel verschwinden Frauen am alten Minenzugang an der Grenze nach Jårrland. Als sich die mysteriösen Ereignisse häufen, begibt sich Ryen auf die Suche nach einer Lösung. Doch diese führt ihn unweigerlich zu den Nebeln der Tvibura Fjålls.

Ein uralter Fluch droht, Eyaland für immer zu verschlingen. Das große Finale des High Fantasy - Epos mit einer verbotenen Liebe

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Über die Autorin

Eyaland - Trilogie

Über das Buch

Widmung

Karte zu Eyaland

Personenregister

Glossar

Was bisher geschah

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Epilog

Nachwort

Weitere Bücher der Autorin

 

© Zoe S. Rosary

 

 

 

Copyright © 2022 Zoe S. Rosary, Wittenberg Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Es handelt sich um eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind ggf. zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

Impressum

K. Blossey, Hans-Sachs-Straße 1, 06886 Lutherstadt Wittenberg 

 

Lektorat & Korrektorat

KoLibri Lektorat |Sabine Wagner | www.kolibri-lektorat.de 

 

Text

Zoe S. Rosary | www.zoe-rosary.com

 

Buchcoverdesign

Sarah Buhr / www.covermanufaktur.de

unter Verwendung von Bildmaterial von BestPix; Mikhail Zyablov; Yulia Buchatskaya;

Warren Metcalf; Liu Zishan / Shutterstock

 

Layout, Satz und Kartenillustration

Christian Blossey |www.mcblossey.com

Über die Autorin

 

 

 

Zoe S. Rosary schreibt Fantasy mit Romantik und Tiefgang. Sie liebt komplexe Geschichten, fremde Welten, leidenschaftliche Charaktere und Happy Ends, obwohl Letzteres immer eine Ansichtssache ist.

 

Zoe S. Rosary, geboren 1980 in Lutherstadt Wittenberg, hat Biologie und Theologie studiert. Nach ihrem abgeschlossenen Studium in Greifswald arbeitete sie in Berlin als Biologin. 2012 zog sie zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern zurück nach Wittenberg und entdeckte dort ihre Leidenschaft fürs Schreiben.

 

 

 

www.zoe-rosary.com

www.facebook.com/zoe.rosary

www.instagram.com/zoe_rosary

[email protected]

Eyaland - Trilogie

 

 

 

Als Prinzessin Linea den Sväreos Anführer Ryen das erste Mal trifft, wirbeln nicht nur ihre Gefühle unkontrolliert durcheinander, sondern die Vergangenheit scheint auf magische Weise die Gegenwart zu küssen. Doch wie sieht die Zukunft des Landes aus? Ein High-Fantasy-Romance-Abenteuer mit dystopischen Elementen.

 

 

 

Band 1: Das Herz der Sväreos

Band 2: Der Kuss der Kälte

Band 3: Die Nebel der Tvibura Fjålls

Über das Buch

 

 

 

Linea erleidet seit der Krönung immer stärkere und unkontrollierbarere Kälteschübe. Sie sieht kaum eine Möglichkeit, dem Fluch zu entkommen, den sie durch den Kuss von Elisara auf sich gezogen hat. Unbeherrschtheit gepaart mit Kraftlosigkeit dominieren ihr Leben. Es gibt nur einen, der ihr diese Kälte nehmen kann, doch fühlt sie sich gänzlich unfähig, diesen zu finden und in ihr Leben zu lassen.

 

Parallel verschwinden Frauen am alten Minenzugang an der Grenze nach Jårrland. Als sich die mysteriösen Ereignisse häufen, begibt sich Ryen auf die Suche nach einer Lösung. Doch diese führt ihn unweigerlich zu den Nebeln der Tvibura Fjålls. Ein uralter Fluch droht, Eyaland für immer zu verschlingen

 

 

 

 

 

 

 

Ich widme dieses Buch dem Buch der Bücher.

 

 

 

 

 

 

Personenregister

 

Jårrländer :

 

Ryen Alvar McBright: Jarro-Clan

Ida Aradis McBright: Ryens Schwester

Henry Toyvio McBright: Ryens kleiner Bruder

Gerod Kean:Bäcker im Jarro-Clan

Thea Kean:Gerods Frau

Nelly Kjerfaldir:Idas beste Freundin

Maryanna Kjerfaldir:Dorfverwalterin des Jarro-Clans

Mayvin Olvik:Ärztin im Jarro-Clan

Wiebke Eksta: Jarro-Clan, Tochter von Ryka

Ryka Eksta: Pferdehändlerin im Jarro-Clan

Kelf Bailysen:Schmied im Jarro-Clan

Göran Tarsen:Poststelle des Jarro-Clans

Kjavar Lundi: Jarro-Clan

Arvid Jersen: Stellvertreter der Sväreos

Fiete Bergensen: Gasthofbesitzer im Jarro-Clan

Erek Sunderson:Fischer im Trü-Clan

Thoren McBright: Trü-Clan

Susa McBright:Frau von Thoren McBright

Lennart Fjellardson: Ek-Clan

Ayko McBright:Hav-Clan

Majk McBright:Ulfur-Clan

Norwin Eyrson: Ulfur-Clan

Styrd McBright:Binir-Clan

Tychar McBright: Örn-Clan

Jerg McBright:Vedur-Clan

Silian Njemsen:Vedur-Clan

Ylvi Lardir:Vedur-Clan

Cydda McBright: Alverio-Clan

Nante Verndsen:Alverio-Clan

Liv Vernddir:Nantes Schwester

 

Lavländer:

 

Isa Tangen:Königin

Linea Stjerna Tangen:Kronprinzessin

Liljan Ryen Mc Bright:Sohn von Linea

Elyn Tangen:Isas zweite Tochter

Marou Darin: Heerführerin

Samana Stordahl: Lineas Leibwächterin

Tarja Vardir: spätere Leibwächterin Lineas

Wencke Astdir:stellvertretende Heerführerin

Elta Ekdahl:engste Vertraute der Königin

Henrike Sjöndir: Beraterin der Königin

Malin Pjekdahl: Leitung des jårrländischen Stützpunktes für den Vedur-Clan, Alverio-Clan und Jarro-Clan

Merle Hjeldir:Kriegerin

Inga Diritin: Kriegerin

Juna Käradir: Kriegerin

Herdis Jörnek: Kriegerin

Bente Harnek:Friseurin in Kastellina

 

Südländer:

 

Fenja Irenia Tangen:Schwester von Isa Tangen

Loan Jorin Tangen: Fenjas Ziehsohn

Vegard Tangen: Fenjas Ziehsohn

Fiene Bjondahl:Bedienstete in Södvigi

Rike Likardin:Stadtverwalterin von Oljebye

Yorick Besydsen: Jorins rechte Hand

Daland Tilvik:Arzt in Södvigi

Jorins beste Freunde:Talyn Wysek, Fenris Lartusen, Peer Tonarsen, Korff Elkjef, Oyestein Servik

Glossar

 

Allfajos: Der Name eines allmächtigen Gottes, an den die Jårrländer glauben.

Barkadur:södländischer Markt, eine Art Basar

Beaninnda/Bea:södländische Begrüßung

Bjinevt-Älskary:die jårrländische Hochzeit

Blasjati:jårrländisches Schimpfwort

Clans:Familien- und Dorfgemeinschaften in Jårrland. Es gibt insgesamt neun Clans. Die Dörfer heißen genauso wie der Clan.

Fenjöndur:Selbstgebrannter, hochprozentiger Alkohol, leicht bitter, würzig aromatisch im Geschmack. Wird in Jårrland getrunken. Kräuterzusätze: Schafgarbe, Wermut, Wacholder und Engelswurz.

Jårrland:Der nördliche Landabschnitt Eyalands. Die Grenze im Süden bildet der Jårrland-Pass.

Flingrar: eine Getreideart

Flingöd/Flingödli:aus Flingrar gefertigtes Brot und Brotprodukte

Glädjan: Bordell

Glymtland: ein Landabschnitt jenseits des Ozeans

Himelinn:jårrländisches Wort für Himmel, sowohl der sichtbare als auch der unsichtbare

Kastellina:Hauptstadt Eyalands

Lavland: Der mittlere Landabschnitt Eyalands. Die Grenze bildet im Norden der Jårrland-Pass und im Süden die Wüste.

Lunjegish:Mittagspause in Södland, eine Art Siesta

Mjokee:in Lav- und Södland verwendete Schwangerschaftsverhütung

Rikland: westlicher Teil Eyalands im Zeitalter des Fortschritts

Safjärla: Standardgetränk in Lavland, eine Art fruchtiger Perlwein

Södland:Südlichster Teil Eyalands. Die Grenze nach Norden bildet die Wüste.

Sovstellan: Unterkunft der Kriegerinnen in Kastellina

Sväreos:illegale Untergrundkämpfer in Jårrland

Tvibura Fjålls: im Nebel versunkene Zwillingsberge in Jårrland

Våldland: östlicher Teil Eyalands im Zeitalter des Fortschritts

Vinstablom: das Wahrzeichen Kastellinas, der Springbrunnen im Schlosshof mit der Marmorstatue

Viräd:jårrländisches Wort für Feigling

Vivanne: Begrüßungsformel für alle Mitglieder der königlichen Familie

 

Zeitalter:

Eyaland hat eine eigene geschichtliche Einteilung.

 

Zeitalter des Prächaos: Urzeit

Zeitalter des Chaos: Beginn der Menschheit, Nomadentum, ohne Aufzeichnung, nur mündliche Überlieferung

Zeitalter der Unterdrückung: erste Aufzeichnungen: 0-2740

Die Jahre der Befreiung: 2741-2823

Zeitalter der Philosophie: 2824-4278

Zeitalter des Fortschritts: 4279-6853

Die Jahre der Besinnung: 6853-6953

Zeitalter der Femininen Blüte: 6954-7456

 

 

Was bisher geschah

 

 

inea,Stjerna, Kronprinzessin Eyalands, erkennt bei ihrem Besuch der nördlichen Provinzen die Missstände des Landes. Bei ihrer Heimreise erfährt sie, dass ihre Schwester Elyn in die Hände rebellischer Södländer gefallen ist. Sie befreit Elyn und gerät dabei selbst zusammen mit Ida, einer Kriegerin in Ausbildung, in Gefangenschaft.

Ryen Alvar McBright ist Schmied im Jarro-Clan. Als er erfährt, dass seine Schwester Ida in Schwierigkeiten geraten ist, reitet er mit seinem besten Freund Gerod nach Södland, um Ida zu befreien. Dabei hilft er auch der Prinzessin und begleitet beide nach Kastellina zurück. Bei der Rückreise in die Clans wird Ryen und Gerod der Zutritt nach Jårrland verwehrt. Ryen kehrt nach Kastellina zurück, während Gerod in die Mine zur Strafarbeit versetzt wird.

Die Königin verdonnert Ryen dazu, in Kastellina Schwerter zu schmieden, damit sie gegen den rebellischen Jorin und seine Männer in den Krieg ziehen kann. Parallel sammelt sie ihr Heer in Kastellina. Um mehr Zeit zum Aufrüsten zu haben, schließt sie ein vermeintliches Friedensabkommen mit Jorin. Sie überlässt vorübergehend Jorin Södland zu seinen Bedingungen und gibt Ida, Ryens Schwester, als Friedensgeschenk dazu.

Jorin, der stolz auf seine herausgehandelte Provinz ist, zwingt Ida, sich ihren Ängsten zu stellen. Er möchte, dass sie seine Männer trainiert. Eines hat er jedoch nicht erwartet, dass er für sie Gefühle entwickelt.

In Kastellina wächst unterdessen Ryens und Lineas Liebe während der Abwesenheit der Königin zueinander. Linea entscheidet sich schließlich dafür, die Thronfolge aufzugeben, um mit Ryen nach Jårrland zu ziehen.

Bei ihrer Rückreise entdeckt die Königin die geheime Verbindung zwischen den beiden. Sie verurteilt Ryen zum Tode. Er kann jedoch durch die Hilfe von Lineas Kriegerinnen fliehen. Linea bleibt mit einer unregistrierten Schwangerschaft in Kastellina zurück. Sie flieht wenig später nach Södland, wo ihr Kind zur Welt kommt.

In Jårrland angekommen, vereinigt Ryen die Clans und lehnt sich gegen die Herrschaft Kastellinas auf. Er setzt im letzten finalen Schritt die Unabhängigkeit für Nordeyaland durch, während Jorin und Wencke sich einigen, Linea zu krönen und Königin Isa zu stürzen.

Bei ihrer Krönungszeremonie schwört Linea auf Elisaras Tagebuch. Dabei erscheint ihr Elisara selbst und fordert von ihr eine Entscheidung, welchen Weg sie für Eyaland einschlagen wird. Der Fluch Elisaras in Linea gipfelt in einem höchsten Ausmaß an Kälte.

Prolog

 

 

 

 

eerenkuchen zur Erntezeit war im Norden Lavlands jahrhundertelange Tradition, die Aryka über alles liebte. Ihre Mutter backte gleich mehrere von den beliebten Kjerellakuchen, denn sie waren lange haltbar für die Tage, in denen man nur von den Reserven lebte. Und diese Tage konnten extrem hart und lang werden. Für Aryka war dieser Kuchen der leckerste, den es überhaupt gab.

So pflückte Aryka jedes Jahr Beeren im umliegenden Land. Darüber machte sich Arykas Mutter keine Gedanken. Was sollte schon passieren? Der Friedensvertrag mit Jårrland war unterzeichnet. Nur selten war ein Jårrländer auf lavländischem Boden gesehen worden, seitdem Königin Linea Stjerna die Erste über Klein-Eyaland regierte. Begegnete man gelegentlich einem Jårrländer auf dem Markt, weil er eine Handelsgenehmigung hatte, dann war er stets höflich distanziert, als ginge ihn Lavland nichts an.

Anders wäre es in Södland. Dort würde Aryka keine Beeren im Umland pflücken. Den södländischen Männern traute niemand mehr, auch nicht nach der Versöhnung zwischen der Königin und ihrem Bruder Loan Jorin Tangen. Zu viele hatte Jorin getötet, als dass die Lavländerinnen ihm ihre Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen würden und immer wieder forderten Stimmen Jorins Hinrichtung nach seinen Massenmorden.

Doch Södland war weit weg für Aryka, Jelyna, Doryja und ihre Mütter. Für Jorin und seine Männer interessierten sie sich nur wenig. Norrporten war ihr Zuhause und Kastellina ihr Sicherheitsanker. Die drei Mädchen trugen jeder einen großen Korb mit sich und saßen auf ihren Eseln auf. Die besten Beerenbüsche wuchsen in dem Gebiet der alten Mine, das wussten sie. Sie würden drei Tage unterwegs sein, aber die Mühe war es allemal wert. Die Freude auf den köstlichen Beerenkuchen war ihnen Lohn genug.

Kichernd ritten die drei Freundinnen in Richtung westliches Meer direkt an den jårrländischen Bergen entlang, die sich auch in dieser Region imposant dem Himmel entgegenstreckten. Für Aryka verschwamm der Gipfel der Berge mit dem wolkenverhangenen Himmel und sie überlegte, wie weit sie wohl sehen könnte, wenn sie die Berge erklimmen würde.

Die drei Freundinnen rollten am Abend ihre Decken aus, sammelten Holz und zündeten ein Lagerfeuer an. Zusammen aßen sie Räucherkäse. Auch hatten sie Flingöd mitgenommen. Auf dem Rückweg würden sie vermutlich von den leckeren, süßen Kjerellabeeren naschen.

»Hinter der nächsten Biegung ist der Minenzugang nach Jårrland«, sagte Jelyna und deutete mit dem Finger in eine Richtung.

»Dort sollen die besten Büsche wachsen. Lasst uns dort morgen die süßesten Beeren pflücken«, schlug Dorya vor und leckte sich voller Vorfreude über die Lippen. »Dann haben wir unsere Körbe schnell voll. Ich kann es kaum erwarten, dass erste Stück Beerenkuchen zu futtern.«

»Was ist, wenn die Jårrländer uns dort erwischen?«, sagte Aryka mit Bedenken. »Dann bekommen wir bestimmt Ärger!«

Doch Dorya lachte ihre jüngere Freundin nur aus. »Dort gibt es keine Jårrländer. Der alte Zugang wurde unpassierbar gemacht.«

»Höchstens …« Jelyna verzog geheimnisvoll ihren Mund. Das Lagerfeuer warf gruselige Schatten über ihre Augen und verzerrte furchteinflößend ihr Gesicht. »… die Geister der in der Mine verstorbenen Jårrländer!«

Aryka hielt den Atem an. Sie mochte Gruselgeschichten nicht, doch wollte sie sich vor ihren beiden älteren Freundinnen nicht die Blöße geben. Angsthasen mochte niemand und sie wollte so stark und schön sein wie ihre junge Königin, die ihr ein großes Vorbild war.

»Unzählige Jårrländer fanden damals in der Mine den Tod«, begann Jelyna, zu erzählen. »Manche brachen vor Erschöpfung zusammen. Über anderen stürzte die Mine ein, während sie den Berg weiter aushöhlten. Man erzählt sich, dass alle Jårrländer, die ihre Leben in der Mine ließen, keinen Frieden fanden und nicht ins Jenseits übergehen können. Sie geistern immer noch in der Region der Mine herum und wenn man ganz still ist, kann man sie sogar stöhnen und ächzen hören.«

Ein Windstoß fegte durch die Kronen der Bäume und ein knarzendes Geräusch drang in Arykas Ohren. Feinste Härchen stellten sich auf ihrem Arm auf und sie rückte etwas näher an das Feuer heran.

»Und was wollen sie?«, fragte Arkya tonlos, völlig gebannt von Jelynas Erzählung.

»Sie wollen die Seelen von lavländischen Frauen. Es waren Frauen, die sie gequält haben und nur die Seele einer Frau würde ihnen Ruhe verschaffen. Und Ruhe ist das, was den verstorbenen Jårrländern verwehrt wurde.«

Es raschelte im dunklen Gebüsch nicht unweit vom Lagerfeuer entfernt. Aryka entglitt ein heller Schrei, als ein kleines Kaninchen heraussprang. Dorya und Jelyna kringelten sich vor spöttischem Lachen über ihre junge Freundin.

»Das ist nicht lustig!«, fuhr Aryka die beiden erbost an.

»Es ist doch nur eine Geschichte«, sagte Jelyna halb entschuldigend, halb ignorant.

»Nein!«, widersprach Dorya. »Es ist nicht nur eine Geschichte. Meine Mutter kennt eine Kriegerin aus Kastellina, die mit Herdis eng befreundet ist. Und Herdis wurde damals vom Clanführer in der Mine mehrere Tage lang festgehalten. Die hat erzählt, dass die Mine lebt. Etwas geht dort vor sich, was merkwürdig war. Und Herdis ist eine Kriegerin Ihrer Majestät. Sie hat vor nichts und niemandem Angst.«

»Wirklich?«

Aryka war schon ganz mulmig zumute. Eigentlich hatte sie nichts dagegen, die Beeren an einer anderen Stelle zu pflücken. Doch brachte sie nicht den Mut auf, ihre beiden Freundinnen umzustimmen.

»Mag sein«, sagte Jelyna gelassen. »Dennoch glaub ich nicht an Geister.«

Dorya streckte sich und gähnte. »Ich auch nicht. Lasst uns schlafen! Morgen pflücken wir Beeren und übermorgen essen wir Kjerellakuchen.«

Sie kuschelten sich zu dritt in ihren Decken ein. Die Nächte waren bereits frisch und feucht. Doch Aryka konnte lange nicht einschlafen. Immer wieder lauschte sie in die Finsternis. Nicht einmal die Sterne schienen am Himmel. Auch kein Mond. Dunkel war es und finster. Überall knackte und krächzte es im Gebüsch. Die Tiere der Dämmerung gingen auf Jagd. Doch große, gefährliche Raubtiere gab es in Eyaland seit dem Untergang des Zeitalters des Fortschritts nicht, das wusste Aryka. Wovor sollte sie also Angst haben?

Irgendwann wurden ihre Lider schwer. Sie glitt in einen unruhigen Halbschlaf über, als ein markerschütterndes Brüllen zu hören war. Keuchend riss Aryka die Augen auf. Sie war schweißgebadet, als sie sich aufrichtete. Sie sah sich um. Dorya und Jelyna schliefen seelenruhig auf ihren Decken. Hatte sie es nur geträumt? Die Esel spitzten die Ohren in Richtung Minenzugang und scharrten unruhig mit den Hufen. Nein, sie hatte es nicht geträumt. Da war sich Aryka ganz sicher, denn ihren Esel konnte so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Etwas hatte sie gehört. Etwas, was ihr ganz und gar nicht gefiel.

 

Am nächsten Tag, als die drei Freundinnen aufbrachen, schien die Sonne. Die warmen Sonnenstrahlen trockneten die über Nacht klamm gewordene Kleidung. Die Distanz zum Minenzugang, wo es die besten Büsche gab, hatten sie schnell überwunden. Mit flauem Gefühl im Bauch betrachtete Aryka das zugewachsene Tal an der Mine.

»Wollen wir das wirklich?«, fragte sie ihre beiden Freundinnen zaghaft.

»Natürlich. Dort hinten gibt es die süßesten Beeren. Am besten lassen wir unsere Esel hier. Das Gelände ist ziemlich unwegsam«, sagte Jelyna selbstbewusst.

Sie saßen ab und banden ihre drei Tiere an einem Baum an. Dann betraten sie jårrländisches Gelände. Die Büsche standen am Hang, wo sie wettergeschützt waren und die Sonne die Beeren reifen ließ. Diese Beeren waren die dunkelsten und süßesten. Aryka war die letzte, während Jelyna und Dorya sich noch weiter vorwagten. Sie pflückten Stunde um Stunde die Büsche leer und füllten ihre Körbe, dabei verlor Aryka ihre beiden Freundinnen aus den Augen. Arykas Korb war dreiviertel gefüllt, als sie Jelyna und Dorya schreien hörte. Dazu setzte ein mächtiges Gebrüll ein.

Wie letzte Nacht! Die Geister der verstorbenen Jårrländer!

Ohne zu zögern, hastete Arkya durch das Dickicht zurück zu ihrem Esel. Die Zweige peitschten ihr unliebsam ins Gesicht und rote Striemen zeichneten sich auf ihren Unteramen ab. Bei der Flucht verlor sie ein paar Beeren aus dem Korb. Doch das war ihr egal. Ihr Leben war ihr wichtiger. Sie wollte demjenigen, dem dieses grässliche Brüllen gehörte, niemals begegnen. Immer wieder drehte sie sich panisch um, um zu sehen, ob ihr jemand folgte. Doch niemand war zu sehen. Nicht einmal Jelyna oder Dorya. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

Das Brüllen war verstummt. Ebenso die Schreie ihrer beiden Freundinnen. Eine unheimliche Stille legte sich über das gesamte Tal am Minenzugang. Nicht einmal die Vögel sangen ihre Lieder. Auch der Wind heulte nicht über die Gipfel der Mine hinweg. Es wirkte, als ob die Natur sich zu einem unheimlichen Schweigen verpflichtet hatte. Aryka hörte nur ihren eigenen hektischen Atem und ihre trommelnden Schritte auf dem Boden.

Die Esel zogen heftig an ihrem Zaumzeug, als Arkya sie erreichte. Sie spürten die Gefahr, denn Esel waren alles andere als dumm. Arkya band sie alle drei los, sprang auf ihre Eselstute und trieb sie in einen schnellen, holprigen Galopp. Panisch ritt sie den ganzen Weg bis nach Norrporten ohne Pause zurück. Sorgen machten sich in Aryka breit, was aus Dorya und Jelyna geworden war. Doch Arkya würde es nicht erfahren. Dorya und Jelyna kehrten nie wieder nach Norrporten zurück. Sie blieben für immer verschollen. Für Aryka stand fest: Die Geister der in der Mine verstorbenen Jårrländer hatten ihre beiden Seelen geraubt.

 

Kapitel 1

 

Ich versuchte, zu begreifen, was geschehen war, doch wollte es mir nicht gelingen. Konnte man längst verstorbenen Personen begegnen? Das würde bedeuten, dass es ein Leben nach dem Tod gab.

– Lineas Tagebuch –

 

 

Zwei Jahre nach der Krönung

 

s stimmte nicht, dass die Nebel der Tvibura Fjålls alles verschlangen, was sich ihnen näherte. Sie waren keine Falle, die unschuldige Wesen anlockte und dann in die Irre leitete. Die Nebelfelder umhüllten zwei Berge und wirkten friedlich. Ihnen etwas Böswilliges zu unterstellen, war definitiv nicht richtig.

Dennoch glaubte ich, dass noch nie jemand den Nebeln entkommen war, hatte man sie einmal betreten. Sie waren so dicht, dass man in ihnen die Orientierung verlor. Doch das lag nicht an den Nebeln, sondern an der Orientierungslosigkeit des Menschen, wenn er seinen Sehsinn nicht einsetzen konnte. War es nicht so, dass der Mensch sich viel zu sehr auf seinen Sehsinn verließ?

Das Erschreckende an den Nebelfeldern war, dass sie mehr denn je zu einer Bedrohung für ganz Jårrland werden würden, wenn ich nicht herausfand, wie ich ihr Rätsel lösen konnte. Jeder mied das Gebiet außer mir. Somit war niemandem aufgefallen, dass sie sich ausweiteten. Und ich hatte es niemandem erzählt, immerhin wollte ich eine allgemeine Panik vermeiden. Doch so wie ich mein Volk kannte, würden sie mich eher auslachen und weiter ihren Fenjöndur trinken, als dass sie meine Warnung ernst nehmen würden. Jårrländer konnten schrecklich stur sein.

Ich hatte viele Legenden auf meinen Reisen durch Jårrland gesammelt. Jeder Clan schien eine bemerkenswertere Erzählung über die Nebelfelder zu besitzen. Ich glaubte keiner einzigen. Sie ergaben keinen Sinn hinsichtlich dessen, was mir der Waldmensch damals gezeigt hatte. Auch standen sie in keiner Verbindung mit Tanajèff, der Person, die ich in den Augen des Vogels gesehen hatte.

Meinem Vogel war ich seit der Auseinandersetzung mit Jorin am Pass nie wieder begegnet. Dennoch glaubte ich, dass er nie weit entfernt war. Er war frei und konnte fliegen, wohin er wollte. Er hatte keine Verpflichtungen und trug nur die Verantwortung für sich selbst. Freiheit! Liiachta! Die Clans hatten ihre Unabhängigkeit erhalten und dennoch fühlte es sich für mich nicht frei an. Ich fühlte mich gebundener denn je.

Ich trat zwei Schritte auf die Nebelfelder zu und das Seil um mein linkes Handgelenk spannte sich. Das Flüstern der Nebel war verlockend. Sie zogen mich magisch an. Niemand konnte ihr Flüstern vernehmen. So viele in den unterschiedlichsten Clans hatte ich gefragt. Nur Erek hatte eine Antwort für mich, während alle anderen mich merkwürdig ansahen, als ob ich nicht richtig ticken würde.

»Das ist nur der Wind, Ryen!«, hatte er gesagt. »Wenn du allein auf dem Meer segelst, hörst du auch Stimmen, die nicht existieren. Schenk dem Ganzen nicht zu viel Bedeutung. Du drehst sonst noch durch.«

Und damit hatte Erek vermutlich recht. Dennoch stand ich nun hier am Waldrand im sicheren Abstand, hörte ihr Flüstern und spürte einen Zug in meinem Innersten, dem ich kaum widerstehen konnte.

Es war ein milder Herbsttag. Die Luft war bereits kalt, doch die Sonne ließ noch einmal ihre warmen Strahlen über das Land scheinen. Die Blätter des Herbstwaldes funkelten orangerot und gelb. Abermals trat ich zwei Schritte vor. Das Seil um mein linkes Handgelenk zog sich unangenehm fest.

Das andere Ende des Seiles hatte ich am Halfter von Windhauch befestigt, der mit etwas Abstand seelenruhig graste. Ich traute mir selbst nicht. Ich konnte nicht achtlos in die Nebelfelder laufen und hoffen, den Weg hinaus zu finden. Immerhin trug ich Verantwortung. Nicht nur für Henry, der Einzige, der mir aus meiner Familie noch geblieben war, sondern auch für Jårrland.

Was, wenn es stimmte, obwohl ich es nicht glaubte? Was, wenn ich nicht mehr aus den Nebeln finden würde? Niemand würde mir folgen und in den Nebeln nach mir suchen. Ganz davon zu schweigen, mir aus den Nebeln herauszuhelfen. Und es würde niemanden geben, der meinen Platz als Clanführer einnehmen könnte. Jårrland konnte dann seine Unabhängigkeit vergessen. Vielleicht würden sie noch ein wenig das Schauspiel mit Linea hinauszögern können. Ein Schauspiel! Anders konnte man es nicht bezeichnen, was sich zwischen der Königin und mir abgespielt hatte.

Linea! Warum nur?

Hatte ich mich so sehr in ihr getäuscht? Nicht einen Brief hatte ich von ihr erhalten. Nicht eine persönliche Zeile. So oft hatte ich Ylvi Briefe von mir mitgegeben. Nicht einen hatte sie beantwortet. Auch wurde ich nicht zu ihrer Krönung eingeladen. Gern hätte ich sie in ihrer Schönheit bewundert. Doch alles, was mir von ihr blieb, war die Erinnerung an unsere gemeinsamen Nächte. An die vielen wundervollen Stunden, in denen wir gelacht, geredet und uns geliebt hatten.

Ich war nicht genug für sie. Das war ich nie gewesen und würde es nie sein. Ich war nur ein Jårrländer. Ein McBright! Niemals würde ich neben ihr stehen können. Und dennoch konnte ich sie nicht vergessen.

Eine Brise wehte in mein Gesicht und flüsternde Worte erreichten mein Ohr. Abermals trat ich auf die Nebelfelder zu und wurde in einem Ruck unsanft zurückgezogen. Ich landete auf meinem Hintern und prallte mit meinem Rücken gegen einen Stamm.

»Mist, verdammt! Windhauch!«

Mein Pferd hob kurz den Kopf, sah mich mit seinen großen Augen an und fraß dann seelenruhig weiter. Natürlich war sich mein Pferd keiner Schuld bewusst.

»Dämliches Seil!«

Ich knotete es auf und blieb tief durchatmend mit geschlossenen Augen an den Baumstamm gelehnt sitzen. Meine linke Hand legte ich auf der Rinde des Baumes ab. Plötzlich gab die Borke nach. Ich öffnete meine Augen und starrte auf die Stelle, auf der meine Hand gelegen hatte. Die Borke hatte sich geöffnet und ich konnte in das Innerste des Baumes blicken. Es bestand aus mehreren verschiedenen Schichten. Manche waren dicker, manche hauchzart. Manche dunkler, manche heller. Manche gefasert und manche feinporig. Ich spürte feinste Perlen und Luftbläschen aufsteigen und um mich herumwirbeln, während die Zweige des Baumes mir entgegenwedelten.

Schnell zog ich meine Hand von der Borke weg und alles war wieder normal. Nur die Zweige des Baumes stießen mich an. Fast war es, als ob ich es noch einmal probieren sollte. Ich tat es und erneut geschah dasselbe.

Verunsichert schaute ich den Stamm des Baumes nach oben entlang. Ich sah winzige Löcher an der Unterseite des Blattes, aus denen feinste Bläschen herausströmten. Ich verfolgte diese Strömung mit meinen Augen, bis sie sich in der Luft auflösten. Ich vernahm die Atemgeräusche des Baumes und ein zufriedenes Seufzen entglitt ihm. Konnte das sein? Drehte ich jetzt vollends durch? Erst die Stimme zwischen Linea und mir, dann der Vogel, gefolgt von dem Flüstern aus den Nebeln, schließlich das Wesen der Bäume.

Tief durchatmend nahm ich meine Hand von dem Baumstamm. Windhauch graste friedlich weiter, als ob nichts geschehen war. Hinter mir knackte es. Als ich mich zu dem Geräusch umwandte, stand der Waldmensch vor mir.

»Lareté a nuaros, Ryen!«

Er lächelte mich mit seinen dunklen Augen an, legte seine Hand auf die Rinde des Stammes und verschmolz vor meinen Augen mit dem Baum.

»Sherenaji nuari atènos«, vernahm ich plötzlich neben mir.

Ich wirbelte herum und sah ihn aus einem anderen Baumstamm mit einem strahlenden Lächeln heraustreten. Fasziniert beobachtete ich ihn.

Der Waldmensch streckte seine Hand nach den Zweigen der Bäume aus und strich zärtlich über die Blätter, wie ich es bei Windhauch und Wanderer tun würde. Er bildete eine Einheit mit ihnen wie ich mit meinen Pferden. Wir setzten uns ins Gras und starrten auf die Nebelfelder der Tvibura Fjålls. Ich hatte Fragen und dennoch würde ich nicht eine von seinen Antworten verstehen.

»Ich kann nicht in die Nebel gehen, mein Freund, um deine Frau zu suchen. Die Clans brauchen mich und Henry. Ich trage Verantwortung, der ich mich nicht entziehen kann.«

Er nickte und lächelte. »Tan jahaleera umsasav onori lá.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Frau mehr. Linea und ich haben keine Zukunft.«

Das hatten wir nie gehabt. Sie hatte es von Anfang an gewusst und es mir wieder und wieder gesagt. Ich wollte es nicht wahrhaben und hatte versucht, eine Lösung zu finden. Doch die bittere Wahrheit war, dass es keine Lösung für uns gab.

Der Waldmensch legte eine Hand auf meine Schulter. Seine Augen waren eindringlich und ein seltsamer Schmerz durchzog sie.

»Tan jahaleera a té rameslájen I aneoslà.«

Ich schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht hier und wird niemals kommen. Was soll ich also tun?«

»Lugon, Ryen. Tan jahaleera schrammee. Dikarésse te sa. Tan anèro aki uvarj.«

In mir stieg ein unbehagliches Gefühl auf. Schrammee. Ich kannte die Bedeutung des Wortes nicht. Was war mit Linea? Der Waldmensch konnte durch Bäume laufen und schien eins mit der Welt zu sein. Warum konnte er nicht einfach meine Sprache sprechen? Einige Dinge verstand ich mittlerweile. Aber nicht alles.

»Es ist kompliziert, mein Freund. Unsere Länder haben sich getrennt. Ich kann nicht zu ihr gehen«, erklärte ich.

Ich konnte auch vorher mit der Clansperre nicht einfach nach Kastellina reiten. Doch jetzt, da ich Clanführer war, war es einmal mehr verzwickter. Ohne Genehmigung oder Einladung würde es unter Umständen als feindliche Absicht gedeutet werden. Wencke hätte ihre Freude daran, sich endlich an mir zu rächen.

»Tan jahaleera età anaras Eyalands.«

»Was schlägst du vor?«

Er schnaubte und klopfte mir auf die Schulter. »Lugon, Ryen!«

Kapitel 2

 

Was geschah nach dem Tod wirklich? War Elisara mit Anders, nachdem beide gestorben waren, wiedervereint? Diese Fragen waren so absurd. Es gab nur einen, mit dem ich solche Fragen diskutieren konnte. Doch ihn wollte ich nie wieder sehen.

– Lineas Tagebuch –

 

 

as Treffen mit Samana, Juna, Marou und Wencke in meinem Arbeitszimmer zog sich in die Länge und ermüdete mich. Ich hatte Marou wieder die Heerführung anvertraut. Auch wenn Wencke mehr Sympathie im Volk genoss, so wurde dieses Amt Marou damals unrechtmäßig von meiner Mutter entzogen. Wencke wurde zu Marous Stellvertreterin. Zusammen mit Samana ergaben sie wie eh und je eine Einheit. Während Marou in Kastellina die Leitung und die Trainings übernahm, war Wencke oft unterwegs und versuchte, die neuen Gesetze umzusetzen. Juna hatte ich die wirtschaftlichen Aspekte Klein-Eyalands anvertraut und Samana übernahm für mich allerhand Schriftverkehr.

»Die Stimmen im Volk werden lauter, Eure Majestät, dass Jorin eine gerechte Strafe verdient hat«, informierte mich Wencke über die Atmosphäre im Volk.

Sie war erst vor zwei Tagen nach Kastellina zurückgekehrt und brachte mich auf den neuesten Stand.

Ich verdrehte die Augen. »Jorin ist mein Bruder, Wencke. Obendrein hat Fenja mehr als deutlich über die Stränge geschlagen, wogegen Mutter nie etwas unternommen hat. Das Thema haben wir schon oft diskutiert. Ich werde nichts dergleichen unternehmen.«

»Man wird es Euch als Schwäche auslegen, was ungeahnte Folgen haben könnte«, sagte Wencke.

»Hältst du mich für schwach, Wencke?«, fuhr ich sie etwas ungehalten an.

Ich bekam nach wie vor nicht viel Schlaf ab. Vielleicht wurde es tatsächlich Zeit, Liljan aus meinem Bett zu verbannen. Er schlief einfach zu unruhig. Ständig hatte ich Arme, Beine oder Füße in meinem Gesicht. Nach den langen Babynächten kamen die Zähne und jetzt schien er wild zu träumen. Seit zwei Jahren fühlte ich mich an keinem Tag ausgeschlafen und erholt. Das musste endlich ein Ende haben.

Obendrein war ich es leid, mich ständig mit Wencke im Kreis über gewisse Themen zu drehen. Themen, über die wir mehr als nur einmal diskutiert hatten und die ich gedanklich abhaken wollte. Doch Wencke war anders als Marou, Samana und Juna, die mein deutliches Wort akzeptierten, auch wenn sie anderer Meinung waren. Wencke diskutierte mit mir, bis ich entweder ihre Meinung übernahm oder sie anschrie. War Letzteres der Fall, dann konnte ich mich darauf einrichten, dass das Thema nicht vom Tisch war, sondern noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt aufgewärmt wurde.

Ich seufzte. Wencke schien alles so oft anders zu sehen. Ihre Augen waren dunkel und strahlten eine seltsame Melancholie aus. Seit dem Ereignis mit dem Dolch in meinem Arbeitszimmer ein paar Tage nach der Krönung ging sie mir aus dem Weg, was mich äußerst ärgerte. Warum tat sie das? Ich brauchte sie. Hier! An meiner Seite! Jemanden, der meine Meinung teilte, und wie früher zu mir hielt. Es reichte schon, dass Ryen aus meinem Leben verschwunden war. Ein Schauer durchzog meinen Körper.

Nein! Nein! Nein! An ihn denke ich jetzt nicht! Und einen Kälteschub kann ich gerade nicht ertragen.

»Nein, natürlich nicht, Eure Majestät!« Wencke schob ihre Hand auf dem Tisch etwas weiter zu meiner, sodass sich unsere Fingerspitzen berührten. Der Schauer legte sich, worüber ich sehr dankbar war. »Ihr wisst, was ich über Euch denke. Eure Frage kränkt mich.«

Ich zog meine Hand weg und sah sie fest an. »Dann verstehe ich nicht, warum wir erneut über dieses Thema reden müssen. Ich habe mich mehrfach deutlich dazu geäußert.«

»Weil es die Bevölkerung nicht versteht, Eure Majestät«, schaltete sich nun Marou dazwischen. »Sie wollen Gerechtigkeit. Der Bevölkerung ist es egal, dass Jorin Euer Bruder ist und welches Unrecht Fenja ihm angetan hat. Die Bevölkerung fordert Gerechtigkeit und Eure Nachsicht ist für sie zweitrangig. Sie erkennt viele Zusammenhänge nicht.«

»Die Nachsicht Ihrer Majestät ist nur zweitrangig, solange die Menschen selbst nicht ins Blickfeld geraten«, wandte Juna ein.

»Die Bevölkerung sieht die drei Städte, die Jorin eingenommen und die Bewohner ermordet hat«, sagte Samana.

Ich schob meinen Stuhl etwas zu hektisch zurück, erhob mich und ging zum Fenster hinüber. Liljan spielte mit Tarja im Garten. Er sprang durch die bunten Herbstblätter. Immer wieder ließ er sich in die Laubhaufen fallen und quietschte vergnügt vor Freude.

Er strahlte eine Leichtigkeit und Freude aus, die ich für mein Leben nie empfunden hatte. Sie bewegte und faszinierte mich. Liljan war der Einzige, der es hin und wieder schaffte, mein Herz zu erwärmen. Er und … Ich bevorzugte Liljan, denn alles andere war töricht und nicht erdenklich. Für mich gab es keine Liebe in keiner Weise. Ich lebte für mein Land — Klein-Eyaland. Und mit Liljan würde das Zeitalter der Femininen Blüte vollends vorübergehen. Ich war die letzte Königin und mit mir fand die Dynastie von Elisaras Töchtern ein Ende.

»Was schlagt ihr dann vor? Wie soll ich mit Jorin umgehen?« Ich wandte mich zu meinen engsten Vertrauten um. »Und zieht bitte in eure Vorschläge mit ein, dass Jorin Södlands Erträge im vergangenen Jahr fast verdoppelt hat. Er setzt sich für Södland ein. Ich sage nicht, dass das seine Vergehen wiedergutmacht, dennoch weiß ich nicht, ob ich dauerhaft auf seine Bestrebungen in Södland verzichten kann.«

Wencke, Juna, Samana und Marou tauschten Blicke aus. Ich mochte es nicht, wenn sie das taten. Dabei fühlte ich mich ausgeschlossen. Ich war nicht eine von ihnen! Ich war nicht einmal ihre Freundin. Ich war ihre Königin! Einmal mehr ärgerte es mich.

Liljan quietschte erneut im Garten und ich blickte wieder aus dem Fenster. Die Herbstsonne tauchte den Garten in ein magisches Licht. Lieber beobachtete ich meinen Sohn als meine drei Beraterinnen. Tarja ließ bunte Blätter auf ihn hinabregnen und ein leichtes Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen.

»Meine Meinung kennt Ihr«, räusperte sich Wencke. »Und bevor Ihr sie wieder mit einem Satz vom Tisch fegt, bedenkt, dass er mehrfach Euch und Euer Heer zum Narren gehalten hat.«

»Marou! Was ist deine Meinung?«, fragte ich weiter, ohne mich zu ihnen umzudrehen, denn Wenckes Meinung kannte ich in der Tat und ich weigerte mich aufs Äußerste, diese umzusetzen.

Jorin für seine Taten hinzurichten, brachte keine Gerechtigkeit. Es würde nur Unmut in Södland unter seinen Anhängern schüren.

»Ich stehe diesbezüglich hinter Wencke, Eure Majestät«, sagte Marou.

»Juna!«

»Ich enthalte mich der Stimme, Eure Majestät. Ich kann Eure Nachsicht und Eure Großherzigkeit verstehen und möchte sie nicht missen. Allerdings sehe ich dennoch die Gefahren im Volk.«

»Samana!«

Mehrere Atemzüge verstrichen und ich musste mich nicht zu ihnen wenden, um zu wissen, dass sie sich abermals wortlos verständigten. Ich stieß hörbar meinen Atem aus, um ihnen zu signalisieren, dass mir ihr Verhalten missfiel.

»Ich stelle Wenckes Vorschlag infrage. Jorin hat viele Anhänger in Södland. Es könnte erneut zu Aufständen und Unruhen kommen, wenn wir diesen Schritt gehen. Das können wir uns meiner Meinung nach nicht leisten, da das Heer mit der Umsetzung der neuen Gesetze beschäftigt ist.«

Ich drehte mich um und nickte Samana wohlwollend zu, während Wenckes Lippen schmal zu einem Strich geworden waren.

»Was willst du dann mit ihm machen?«, fuhr Wencke Samana an, ohne dass ich auch nur einen Ton verlauten ließ. »Kastellina hat keine Arrestzelle. Willst du den Disziplinarraum aufleben lassen?«

Ich hatte nach meiner Krönung den Disziplinarraum beseitigen lassen. Jahrhundertelang hatten ihn meine Vorfahrinnen genutzt, um Rebellen ein Gefühl zu vermitteln, wie ein Leben ohne Tageslicht auszusehen vermochte. Ihnen sollte bewusst werden, was Elisara auf sich genommen hatte. Für eine Zeit lang ohne frische Luft und ohne Sonnenlicht zu leben, war eine Qual. Somit hatte der Raum oft sein Ziel erreicht, bei mir jedoch nicht. Ich verabscheute ihn.

»Ich glaube nicht, dass eine Arrestzelle das ist, was unserer Königin gefällt«, entgegnete Samana knapp. »Schließlich hat sie den Disziplinarraum nicht umsonst umbauen lassen.«

»Dann kommt er doch ungeschoren davon.« Wencke donnerte ihre Hand auf den Tisch. Sie stand abrupt auf und ihr Stuhl kippte mit einem Poltern zurück. Sie riss ihren Zeigefinger in die Höhe und deutete auf Samana. »Du kannst gern die Provinzen abreiten und den Lavländerinnen dort draußen plausibel erklären, warum er so harmlos davongekommen ist, wenn es doch Elisaras Priorität gewesen war, kriegerische Bestrebungen von Grund auf zu beseitigen.«

»Wencke, beruhige dich«, ermahnte Marou.

Sie hatte sich ebenfalls erhoben und richtete Wenckes Stuhl auf.

»Nein, das werde ich nicht! Er hat Mist gebaut und wurde bisher nicht zur Rechenschaft gezogen. Er könnte jederzeit, wenn ihm etwas nicht passt, wieder sein Schwert erheben und Städte niedermetzeln, nur damit Ihre Majestät einlenkt. Mit Eurer Nachsicht macht Ihr Euch erpressbar. Versteht Ihr das denn nicht?« Wencke holte tief Luft und sah mich fest an. »Ich weiß, dass es Euch missfällt, das Todesurteil über ihn auszusprechen. Aber in Eurem eigenen Interesse, darf er Euch nicht manipulieren, nur damit er seinen Willen bekommt. Ihr müsst ein Urteil über ihn fällen. Wie auch immer das aussieht, bleibt Euch überlassen. Aber er darf nicht ungestraft davonkommen.«

»Wencke, ich werde kein Todesurteil über ihn sprechen.«

»Dann eine andere Sanktion, die ihn trifft. Versteht mich nicht falsch, er mag Euer Bruder sein und Ihr in Eurer Großmut habt ihm vergeben, was ich Euch hoch anrechne. Aber beantwortet mir eine Frage, Eure Majestät: Wie soll ich in Zukunft in anderen Provinzen unsere neuen Gesetze durchsetzen? Die Bevölkerung weigert sich nach wie vor, die Geburtszentren aufzugeben. Sie weigern sich, die Arbeit von Männern zu bezahlen. Und wenn sie sie bezahlen, dann unter ihrem eigentlichen Wert. Wir sind weit entfernt von einer Gleichberechtigung, so wir Ihr sie anstrebt. Das Volk tut, was es will, wenn es keine Sanktionen gibt. An Jorin könntet Ihr ein Exempel statuieren, das Euch ein wenig mehr Respekt verschafft und es meinem Heer erleichtert, die neuen Gesetze in Eurem Sinne umzusetzen.«

Es klopfte an der Tür und Josta trat ein. Ich war dankbar für diese Unterbrechung, denn mehr Spannung zwischen Wencke und mir ertrug ich gerade nicht.

»Das Essen ist angerichtet, Eure Majestät.«

»Danke, Josta. Samana, kannst du Tarja Bescheid geben?«

»Selbstverständlich.«

Samana erhob sich und verließ mit Josta mein Arbeitszimmer.

»Eure Majestät …«, begann Wencke und kam ein paar Schritte auf mich zu.

Ich hob meine Hand und sie verstummte augenblicklich. »Es ist genug. Ich werde mir etwas einfallen lassen, Wencke, darauf gebe ich dir mein Wort. Aber den Todesstoß werde ich Jorin nicht verpassen. Das kann ich nicht, denn es steht gegen allem, was ich bin und woran ich glaube. Ich weiß, dass es nicht leicht für dich ist, die neuen Gesetze umzusetzen. Aber wir dürfen nicht rückwärts denken. Wir müssen einem neuen Zeitalter entgegenstreben und eine Gesellschaft prägen, die es jedem ermöglicht, in Freiheit und Wertschätzung zu leben. Für alle Volks- und Randgruppen. Nicht nur für die breite Masse.«

Wencke nickte mir zu. »Wartet nicht zu lang mit Eurem Urteil. Jede Zeitverzögerung bringt neue Schwierigkeiten mit sich.«

Juna, Marou und Wencke drehten sich um und steuerten die Tür an.

»Wencke!«, rief ich ihr hinterher und versuchte gleichzeitig, den Knoten in meinem Hals hinunterzuschlucken.

Wencke und Marou drehten sich noch einmal zu mir um.

»Komm bitte heute Nachmittag noch einmal in mein Arbeitszimmer! Allein!«

Wenckes hartes Gesicht wurde weich. Ein zartes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab.

»Wie Ihr wünscht, Eure Majestät!«

Wencke und Marou verbeugten sich abschließend und verließen mein Arbeitszimmer. Ich fuhr mir tief einatmend durch mein hochgestecktes Haar. Meine Hände waren kalt und ein Schauer legte sich über meinen Körper. Ich griff nach meinem wollenen Umhang und wickelte mich in ihm ein.

Diese Kälte! Warum nur?

Ich verstand sie nicht. Ich wusste, dass es ein Leben ohne sie gab. Doch das war schmerzhaft oder zumindest konnte es schmerzhaft sein, wenn man enttäuscht und verletzt wurde. Ein Leben mit Kälte war ein Leben ohne diesen Schmerz. Doch hatte sie einen äußerst unangenehmen Preis, denn diese Krämpfe konnte ich nicht einfach abschütteln. Ich musste sie über mich ergehen lassen und abwarten, bis sie vorüber waren. Sie waren unberechenbar und unkontrollierbar.

Essen! Mein Magen fühlte sich seltsam verknotet an. Ich sollte zum Essen gehen. Derweil hatte ich keinen Hunger. Nie! Zu keiner Tageszeit. Seit der Krönung schmeckte jedes Essen fad, egal wie aufwendig Aud es zubereitet hatte. Dennoch verließ ich mein Arbeitszimmer und steuerte das Esszimmer an. Tarja und Liljan kamen mir entgegen.

»Mama! Mama!«

Liljan umarmte meine Beine. Ich strich ihm über seine dunklen Locken und zusammen gingen wir Hand in Hand ins Esszimmer. Seine grünen Augen strahlten mich an und zauberten auch auf meinen Lippen ein Lächeln.

»Na, hattest du Spaß mit Tarja im Garten?«

»Bunte Blätter!«

Wir betraten das Esszimmer, indem Elyn bereits auf ihrem Stuhl saß. Sie senkte den Blick, als ich eintrat und sofort verschwand das Lächeln auf meinem Gesicht. Wir waren uns seit der Krönung nicht einen Schritt nähergekommen. Elyn sprach immer noch nicht und ging jedem aus dem Weg. Sie erschien zu den Mahlzeiten, die wir zusammen mit Liljan einnahmen. Gelegentlich leisteten uns auch Samana, Wencke oder Marou Gesellschaft. Doch das war selten.

Oft hatte ich es versucht, mit ihr zu reden. Wieder und wieder hatte ich sie in der Bibliothek besucht. Doch all die Zeit hätte ich mir sparen können. Das westliche Meer war gesprächiger als meine Schwester. Aus Regierungsgeschäften hielt sie sich vollständig heraus. Alles, was sie den ganzen Tag tat, war lesen.

Dass sie sich in der Bibliothek aufhielt, störte mich gar nicht. Nur, dass sie nicht redete. Ich vermisste meine Schwester und unsere gemeinsamen Nächte. Aber es schien, als ob meine Schwester nicht mehr existierte. Nur noch ihr Körper, der leer sein Dasein fristete.

»Hey, Elyn. Wie war dein Vormittag?«, stellte ich meine obligatorische Frage, während ich Liljan in sein Stühlchen setzte und an der Stirnseite der riesigen Tafel Platz nahm.

Es wunderte mich nicht, dass ich keine Antwort erhielt. So gab ich Josta das Zeichen, dass sie servieren konnte und wir nahmen wie jeden Tag unser Essen schweigend ein. Nur Liljan klopfte mit seinem Löffel auf dem Teller und auf dem Tisch herum.

Elyn schaute während des Essens nicht auf und ich stocherte mit meiner Gabel lustlos auf meinem Teller herum. Schon nach wenigen Bissen hatte ich genug und schob meinen Teller etwas von mir. Ich wartete, bis Liljan und Elyn fertig gegessen hatten. Schließlich gab ich Josta das Zeichen, dass sie abräumen konnte.

»Hat es Euch nicht geschmeckt?«

Diese Frage stellte mir Josta nach jedem Essen, denn mein Teller war nie leer gegessen und meine Portionen wurden daraufhin täglich kleiner.

»Doch, danke, Josta. Es war köstlich«, gab ich zurück und erntete wie jeden Tag Jostas ungläubige Blicke. »Es war nur zu viel.«

Ich versuchte ein Lächeln. Wie jeden Tag.

»Ihr hattet doch nur eine halbe Portion.«

»Richte Aud meinen herzlichen Dank aus.«

Liljan kletterte aus seinem Stühlchen und zusammen verließen wir das Esszimmer. In meinem Zimmer legten wir uns in mein großes Bett und dösten ein.

 

Es klopfte an meiner Tür und Wencke betrat am späten Nachmittag mein Arbeitszimmer. Ich hatte gerade mein Schreiben an Jorin beendet und wedelte es vor mir hin und her, damit die Tinte besser trocknete.

»Vivanne, Eure Majestät. Ihr wolltet mich sprechen.«

Ich überreichte ihr das Schreiben an Jorin. »Das sind seine Sanktionen. Du kannst den Brief Wiebke übergeben, damit sie ihn zustellt.«

Wencke überflog ihn und seufzte. »Ihr seid zu großmütig. Aber Eure Entscheidung dient wenigstens einem guten Zweck und ist vermutlich eine äußerst elegante Lösung.«

Sie händigte mir den Brief zurück, sodass ich ihn mit meinem Siegel verschließen konnte.

»Das Küchenpersonal macht sich große Sorgen um Euch«, begann Wencke vorsichtig.

»Das ist unnötig und das weißt du«, sagte ich und legte den Brief zur Seite.

»Warum nur kann ich das nicht glauben?«

»Das kann ich dir nicht sagen, Wencke. Aber erzähl mir bitte, warum du mir aus dem Weg gehst.«

Ich sah sie direkt an und sie schnappte kurz nach Luft. Dieses Thema musste ich endlich ansprechen, denn schon viel zu lang trug ich es mit mir herum und ich mochte es nicht. Ich wollte etwas tun, was Elisara auch getan hatte. Eine Gesellschaft neu prägen. Dabei konnte ich keine persönlichen Konflikte zwischen meinen engsten Vertrauten ertragen, sondern brauchte Klarheit.

»Eure Majestät«, begann sie und fuhr sich mit einer Handbewegung durch ihr kurz geschnittenes Haar. »Das muss ein Missverständnis sein.«

»Das ist es nicht, Wencke.« Ich schob meinen Stuhl zurück und ging auf sie zu. »Du gehst mir aus dem Weg, seitdem ich dich damals aufgefordert habe, mir mit dem Dolch in meine Hand zu stechen.«

Ich blieb kurz vor ihr stehen und streckte ihr meine Hand entgegen. Eine Narbe zog sich über meine linke Handfläche. Sie blickte auf sie hinab, hob ihren Finger und fuhr darüber. Wir dachten in diesem Moment beide an diesen merkwürdigen Tag zurück.

Es war kurz nach der Krönung und ich fühlte mich so taub und leblos wie nie zuvor. Es war eine dieser Nächte, in denen Liljan vor Bauchschmerzen nur geschrien hatte und ich wenig Schlaf fand. Ein Kälteschauer jagte dem nächsten hinterher, gepaart mit Übermüdung, und so versprach mein Zustand keinen erfolgreichen Arbeitstag.

Ich hatte Wencke in mein Zimmer gerufen und sie gebeten, mir mit dem Dolch meine Haare zu schneiden. Es war eine symbolische Handlung, die mich an Ryen erinnerte, was Wencke nicht wissen konnte. Ich dachte, wenn ich den physischen Zustand wiederherstellen konnte, würde ich das empfinden, was ich damals in Södvigi bei meiner Flucht empfunden hatte. Doch ich lag falsch. Ganz im Gegenteil. Ich fühlte nichts. Gar nichts.

Panik machte sich in mir breit, dass die Kälte in mir alles abtötete. Ich ertrug diese Taubheit nicht in mir. So bat ich Wencke im zweiten Schritt darum, mir mit ihrem Dolch in die Hand zu stechen. Ich wollte wissen, ob ich noch Schmerz empfinden konnte. Es tat weh. Sehr sogar.

In dem Moment wusste ich, dass ich noch lebte. Ich wusste, dass Elisaras Kuss nicht alle Gefühle in mir abgetötet hatte. Ich empfand noch Schmerz und wenn ich diesen fühlen konnte, so war ich auch fähig, das Gegenteil zu empfinden. Wencke wusste nicht, was ich damit bezweckte und worauf ich hinauswollte. Ich erklärte mich auch nicht. Das war das Schöne an Wencke, dass ich das nicht musste. Keiner ahnte etwas von der Leere in mir, die die Kälte mit sich trug. Keiner ahnte, dass ich das Gefühl besaß, dass die Kälte mich verzehrte und zu jemandem entstellte, der ich nicht sein wollte. Wenn ich nichts mehr empfand, zu welchen Taten wäre ich dann fähig? Ich hatte Angst vor mir selbst. Oft entschied nur mein Kopf, der noch wusste, was richtig und was falsch war.

»Eure Majestät, ich erinnere mich nur sehr ungern an diesen Tag«, erwiderte Wencke leise.

»Du hast mir an diesem Tag versprochen, dass du mich nie allein lassen würdest.«

Nachdem Ryen gegangen war, Jorin nicht mein Berater werden wollte und Elyn kein Wort mit mir wechselte, fühlte ich mich so allein wie nie zuvor. Ryen und Jorin hatten die Gleichberechtigung gefordert, doch keiner von beiden stand mehr an meiner Seite. In dieser Einsamkeit gab es nur noch Wencke und Liljan. Doch Liljan war mein Sohn und Wencke war mehr unterwegs als in Kastellina. Alles, was mir blieb, war diese entsetzliche Kälte.

»Das tue ich nicht. Ich bin hier, bei Euch. Und wenn ich unterwegs bin, dann bin ich für Euch unterwegs«, verteidigte sie sich.

Ein Kälteschauer erfasste mich und ich rieb mir über die Arme. Ich wandte mich von ihr ab. Mit langsamen Schritten trat ich zum Fenster hinüber.

»Das weiß ich, Wencke«, sagte ich leise und unterdrückte ein vor Kälte Aufschlagen meiner Zähne. »Nur kannst du bei den nächsten Aufgaben nicht jemand anderen schicken?«

Mein wollener Umhang legte sich über meine Schulter und ich fühlte Wencke hinter mir stehen.

»Ihr wisst, dass solche großen Maßnahmen nicht irgendwer durchführen kann.« Ihre Stimme klang weit entfernt, obgleich ich Wencke hinter mir fühlen konnte.

»Du musst auch nicht irgendwen schicken«, fuhr ich sie an.

Wencke legte ihre Hände auf meine Schultern und drehte mich zu sich um. Ihre Augen brannten sich in meine.

»Ich werde alles tun, um Eure Gesetze schnellstmöglich in allen Provinzen umzusetzen. Eines kann ich Euch versichern: Ich gehe Euch nicht aus dem Weg. Niemals! Wenn es nach mir ginge, so stünde ich rund um die Uhr an Eurer Seite. Nicht ich bin es, die unsere Zeit stiehlt.«

Ihren letzten Satz verstand ich nicht. Ihr Blick wirkte plötzlich distanzierter und ich vermied es, weiter nachzuhaken.

»Ich weiß, dass du deine Aufgaben mehr als gut erfüllst, Wencke. Es sollte keine Kritik sein und ich weiß, dass du für mich unterwegs bist. Ich möchte nur nicht, dass dieses Ereignis zwischen uns steht.« Ich deutete mit einem Finger auf die Narbe auf meiner Hand.

»Das tut es nicht. Nur bittet mich nie wieder um so eine Tat.«

Ein träges Lächeln bereitete sich auf meinen Lippen aus. »Das werde ich nicht.«

Wenckes Gesichtszüge glätteten sich. Einige Atemzüge verstrichen, in denen wir uns nur anstarrten.

»Wenn Ihr keine weiteren Aufgaben für mich habt, würde ich wieder gehen.« Wencke wich schließlich meinem Blick aus.

Ich wedelte mit meiner Hand. »Selbstverständlich. Du bist entlassen. Bitte übergib Wiebke den Brief an Jorin. Es wird ihm nicht gefallen, aber es ist tatsächlich besser so.«

Kapitel 3

 

Eines verstand ich nicht: Elisara war ein herzensguter Mensch gewesen. Warum verkörperte sie die Kälte?

– Lineas Tagebuch –

 

 

 

ehler! Mein ganzes Leben war durchzogen mit Fehlern, die ich begangen hatte. Im Grunde genommen war mein ganzes Leben ein einziger Fehler. Isas Fehler oder, besser gesagt, der Fehler des damaligen Geburtszentrums. Sei es drum.

Was allerdings am ärgerlichsten war, war die Tatsache, dass sich meine Fehler in mein Leben schummelten, ohne dass ich etwas dafürkonnte. Denn ich hasste Fehler wie das Licht den Schatten. Sie durften mir nicht unterlaufen, denn immerhin hieß ich nicht umsonst Jorin aus Södvigi. Taten sie aber!

Fehler Nummer eins: Idas Schwangerschaft.

Wenn mir jemals jemand erzählt hätte, wie sehr sich Ida in der Schwangerschaft quälen würde, hätte ich mich bis auf den Tod geweigert, Idas Wunsch zuzustimmen. Warum hatte ich mir das freiwillig angetan? Blasjati! Ich hatte Idas Schimpfwort viel zu schnell übernommen. Es gefiel mir.

Nachdem Ida Lineas Baby gesehen hatte, wollte sie ganz plötzlich auch ein Kind und ich willigte schließlich, dumm, wie ich war, ein.

Meine schwangere Ida war jedoch eine völlig andere Person. Ihre Ängste jagten sie, dabei drehte sie sich im Kreis und fand nicht heraus. Egal wie viele Hände ich ihr entgegenstreckte, um ihr hinauszuhelfen, griff sie einfach nicht zu. Hinzu kam, dass Ida nicht mehr durchschlief und ihr alles wehtat. Es schien fast, als ob ihr Körper sich gegen die Schwangerschaft wehrte. Sie ließ Daland mittlerweile fast täglich rufen. Was sollte er schon tun können?

Es war eine Umstellung für uns beide. Ich konnte es nur so hinnehmen und hoffen, dass es besser wurde. Ich versuchte alles, um ihr die Zeit zu erleichtern. Doch nichts schien sie zufriedenzustimmen. Das Schlimme an der Sache war, dass Ida erst am Anfang ihrer Schwangerschaft stand. So hatte ich kurzum beschlossen, dass es Idas einziges und letztes Kind bleiben würde! Irgendwann musste ich ihr das noch beibringen. Nur nicht jetzt.

Yorick trat in mein Arbeitszimmer. »Bea, Jorin. Du siehst schrecklich aus, als ob Kastellinas Heer über dich hinweggefegt wäre. Verlässt du dein Arbeitszimmer auch mal?«

Ich verdrehte die Augen. Yorick hatte gut reden. Er war einer der wenigen, die sich keine Frau gesucht hatten. Sein Lebensmotto war: Allein bin ich glücklicher! Und das zog er durch.

»Ida schläft zurzeit schlecht. Sie kann nicht richtig liegen. Ständig tut ihr irgendetwas weh. Also wälzt sie sich die halbe Nacht von einer Seite auf die nächste, schimpft dabei und hält mich vom Schlafen ab.«

Yorick lachte. »Ich seh schon, es ist alles in bester Ordnung bei dir.«

Yorick war für ein paar Wochen in Oljebye gewesen.

»Gibt’s was Neues aus Oljebye?«

»Nein. Rike und Talyn geht es gut. Die Ölproduktion läuft hervorragend. Es konnte mehr an Lavland ausgeliefert werden als angenommen. Apropos Lavland. Es ist ein Brief aus Kastellina angekommen. Ich habe ihn gleich mitgebracht.«

Linea! Was wollte sie schon wieder? Jorin überreichte mir das Schreiben aus Kastellina. Ich brach das Siegel und überflog es. Von einem Atemzug zum nächsten wurde mir schlecht. Mit der einen Hand suchte ich nach meiner Schreibtischkante, um nicht vom Stuhl zu fallen.

»Was um alles in der Welt hat sie sich dabei gedacht?«, stieß ich schnaubend aus und gab Yorick den Brief zurück.

Er zog die Stirn in Falten, als er ihn las und gab einen tiefen Ton von sich.

»Sanktionen!

---ENDE DER LESEPROBE---