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Das Arbeiten im deutschen Einzelhandel steht nicht mehr unter einem guten Stern: Kunden gucken und bummeln, lassen sich beraten und nehmen das Know-how der Verkäufer mit, um am Ende günstiger im Internet zu bestellen. Der Versand aus einem Lager ist eben günstiger als der Unterhalt eines Ladenlokals. Shopping wird zum reinen Entertainment ohne Kaufverpflichtung, die Verkäufer sind die Darsteller und die nicht zahlende Kundschaft sieht es sich mit Wohlgefallen an. Dem Bremer Einzelhändler Hans-Jürgen Hofmann ist nun der Kragen geplatzt, deshalb hat er dieses Buch geschrieben. Mit Leidenschaft und Fachkenntnis betreibt er ein Möbelgeschäft in der Innenstadt, und nennt seine und die Arbeit seiner Kollegen in allen Branchen 'eines der letzten Abenteuer der Menschheit'.
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Seitenzahl: 258
Hans-Jürgen Hofmann
Vorwort
Dies ist ein Buch für alle Verkäufer in Deutschland. Ich will eine Lanze für Sie und euch brechen und euch sagen, dass ihr wirklich auf verlorenem Posten steht. Euren täglichen heldenhaften Einsatz dankt euch niemand. Die Geschichte des Einzelhandels ist eine Geschichte der Niederlagen. Aber noch gibt es Mitleidende und es gibt die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen. Sendet mir Erfahrungsberichte und ich werde die besonders prägnanten und ergreifenden auf meiner Seite www.dasletzteabenteuerdermenschheit.deveröffentlichen.
Vielleicht wird man in einer fernen Zeit unser gedenken und die Weissagung der Cree in einem neuen Licht erkennen: »Erst wenn der letzte Laden mit lebendigem Verkaufspersonal geschlossen ist und die letzte Bedienung ihren Antrag auf Hilfe bei Altersarmut gestellt hat, werdet ihr feststellen, dass man mit Maschinen nicht sprechen kann.«
Ich glaube übrigens, dass meine Erfahrungen als Einzelhändler in Bremen genau so in München, Hamburg, Frankfurt, Köln, Berlin, Dresden und jeder anderen deutschen Stadt gemacht werden können. Und ich bin sicher, dass ich als Möbelhändler nicht nur für mich spreche, sondern es ist egal, womit ihr handelt – Technik, Bücher, Werkzeuge, Kosmetik, Textilien, es ist überall ähnlich. Woher ich das weiß? Mein Laden ist in einer großen Einkaufspassage, und wir kennen uns gut untereinander.
Hans-Jürgen Hofmann
PS: Es ist übrigens auch ein Buch für alle Kunden! Jedenfalls für die, die noch durch Läden bummeln und auch in Zukunft nicht alles online bestellen wollen.
»Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen
Wenn man fragt, wer wohl sterben muss.
Und dann werden sie mich sagen hören: Alle!
Und wenn dann der Kopf fällt, sage ich: Hoppla!«
(Lied der Seeräuber-Jenny aus der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht)
KAPITEL EINS
»Mich hat Gott gesandt.« Ich blicke den Mann, der eben hereingekommen ist, skeptisch an. Hochgewachsen, asketisch, vielleicht an die sechzig Jahre alt, Spuren der Vernachlässigung sind an ihm zu erkennen. Die langen grauen Haare hängen lustlos und ohne Spannkraft am Kopf herunter. Er trägt eine hellbraune Hose, ungebügelt, ein blauweiß gestreiftes Hemd, eine blaue Windjacke. Er könnte auch ein Zeuge Jehovas oder ein Mormone sein. Damit will ich nicht sagen, dass Anhänger dieser Religionsgemeinschaften schlecht gekleidet seien, sondern dass sie einen gewissen Eifer erkennen lassen, ihre religiöse Überzeugung völlig Unbeteiligten verkaufen zu wollen. Insofern sind hier, so wurde mir sehr viel später klar, zwei Verkäufer aufeinandergetroffen, die sich nicht auf Anhieb verstanden haben. »Ich ging eben hier durch die Passage, zum ersten Mal, ich wollte schon vorbeigehen und da hat Gott mir gesagt, ich solle hier hereinkommen.« Ihm ist keine Spur von Zweifel oder Belustigung anzumerken, er sagt es vielmehr ganz ernst.
Da ich nicht über einen direkten Draht zum Herrn verfüge, bin ich unsicher. Wie sieht die professionell richtige Antwort aus? »Schön, dass Sie da sind«, sage ich. Damit vermeide ich eine direkte Stellungnahme zu den Glaubensfragen und wende das Ganze ins Positive. In zahlreichen Verkaufsschulungen lernt man immer wieder, dass man möglichst alles positiv formulieren soll. Und dass man sich mit Kunden keinesfalls über Politik oder Religion unterhalten soll, weil das zu heftigen Streitereien führen kann und den Kunden am Ende nur verprellt.
»Ja. Wissen Sie, am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott. Und dann hat Gott alles geschaffen, die Erde, das Land, die Pflanzen und die Tiere …« Er lässt den Satz im Ungewissen verklingen. Während seiner Rede schaut er nicht mich an, sondern sein Spiegelbild in der glänzenden Front eines Kleiderschrankes.
Ich stöhne innerlich auf. Es scheint doch ernst zu sein. Augenblicklich bin ich nicht in der Stimmung für ein theologisches Streitgespräch. Beim letzten Mal habe ich einen Achtungserfolg errungen mit der Frage: »Das wievielte Gebot ist eigentlich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst?« Die wenigsten wissen, dass dies keines der Zehn Gebote ist, die Gott im Alten Testament kundtut, sondern aus dem Neuen Testament stammt. Obwohl ich selbst keineswegs bibelfest bin, finde ich manchmal Gefallen an solchen Spitzfindigkeiten. Aber momentan ist mir ja nicht nach verbalen Scharmützeln.
Ich schaue den Mann noch einmal an. Er sieht harmlos aus. Also drehe ich mich um und wende ihm den Rücken zu. Möge Gott ihm sagen, dass das ein Ausdruck von Desinteresse ist. Ich öffne einen Schrank und sortiere die Dinge, die darin liegen. »Wissen Sie«, fährt die Stimme hinter mir fort, »man soll sich kein Bild von Gott machen. Gott hat uns nach seinem Bild geschaffen. Aber ich weiß, wie Gott aussieht. Das weiß ich ganz genau.« Ich packe einen Stapel Kissen zur Seite, falte einige Kissenhüllen zusammen und entferne vier oder fünf leere Verpackungen aus dem Schrank. Ich stopfe die Plastikhüllen in einen gelben Sack, den ich in einem designbetonten Müllbehälter unter der Ladentheke bereithalte. Das Fach im Schrank ist jetzt vollkommen ordentlich aufgeräumt, hier drin kann ich mich nicht mehr beschäftigen und ich kann mich wohl auch schlecht im Schrank verstecken. Ich schließe bedächtig die Türen.
»Er sieht aus wie ein alter Mann. Ein ruhiger alter Mann. Mit einem langen Bart. Nicht so ein dünner zerzauster Bart, wie ich ihn habe. Ein richtiger langer Vollbart.« Langsam drehe ich mich wieder um und wende mich ihm zu. Jetzt muss es sein, auch wenn ich es nicht gerne tue.
»Und wissen Sie, Gott hat ja erst den Mann geschaffen und dann die Frau. Und wissen Sie, wie er die Frau geschaffen hat? Aus einer Rippe des Mannes. Er hat die Frau aus einer Rippe des Mannes geschaffen und trotzdem war der Mann hinterher wieder vollständig. Ist das nicht ein Wunder?«
»Wissen Sie«, sage ich ganz ruhig, »das interessiert mich eigentlich überhaupt nicht.« Er schweigt einen winzigen Moment. Dann beruhigt er mich: »Wissen Sie, das ist nicht schlimm. Das ist gar nicht schlimm. Der Herr hat nicht alle Menschen gleich geschaffen. Meine Frau hatte für Gott auch nicht viel übrig. Deshalb ist sie ja auch aus der Ehe ausgebrochen. Ich habe ihr einen Brief geschrieben. Ich habe ihr geschrieben, dass Jesus will, dass sie zu mir zurückkommt.«
Ich unterdrücke den Impuls, ihn auf die Mängel seines Marketings hinzuweisen. Der Ärmste scheint wirklich keine Ahnung davon zu haben, was eine Frau hören möchte und wie ein derart hilfloser Versuch von ihm auf seine Frau wirken muss. Stattdessen sage ich: »Wie gesagt, ich habe leider noch viel zu tun.« Was im Augenblick nicht stimmt. Im Augenblick ist nicht viel zu tun. Außer diesem komischen Heiligen war seit Stunden kein Kunde im Laden, und der zählt wahrscheinlich nicht als Kunde. Trotzdem: »Und es interessiert mich nun mal wirklich nicht.«
Ohne Verärgerung, überhaupt ohne erkennbare Emotionen wendet er sich ab und schaut sich die Ausstellung an. Ich behalte ihn ein wenig im Auge, man weiß ja schließlich nie. Vielleicht sagt ihm eine sehr weit übergeordnete Instanz plötzlich, er sollte besser irgendeine Kleinigkeit unter seiner Jacke verschwinden lassen oder sich im Laden komplett entkleiden. Nach zehn oder fünfzehn Minuten verabschieden wir uns mit einem simplen Tschüss.
Am Abend erzähle ich meiner Frau von dieser Begegnung. Sie macht mir Vorhaltungen: »Da hat Gott dir schon mal jemanden geschickt und du schmeißt ihn raus. Also wirklich, wenn du das so wenig zu schätzen weißt …«
Ich bin immer noch nicht in der Stimmung für theologische Erörterungen, deshalb verzichte ich auf eine Erwiderung. Ich möchte nur, dass sie mir manchmal bestätigt, dass ich es wirklich schwer habe. Weil sie das aber nicht in dem Maße tut, wie ich es gerne hören würde, habe ich begonnen, diesen Bericht über meine Erfahrungen aus dem deutschen Einzelhandel zu schreiben. Und vielleicht hat Gott dabei ja seine Hand im Spiel …
ZWISCHENSPIEL EINS
Anders als in anderen westlichen Ländern haben Verkäufer in Deutschland einen eher schlechten Ruf. Ich vermute, dass das mit der Erinnerung an die Zeiten des Schwarzmarktes nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat, als dubiose Händler aus der Not der Bevölkerung und mit Waren aus zweifelhaften Beschaffungskanälen teils unangemessene Profite erzielten. Es wird oft unterstellt, dass Verkäufer, ohne (viel) zu arbeiten, traumhafte Gewinne einstreichen.
Dies hat auch im engeren Bekanntenkreis schon zu mancher Streiterei geführt. Insbesondere hat sich noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Verkäufer teurer Produkte nicht unbedingt viel verdienen. Oft ist es andersherum, dass die Margen bei billigen Massenprodukten sehr viel besser sind. Ein Freund von mir illustriert das immer mit dem Satz: »Wer Kaviar essen will, muss Heringe verkaufen.«
Wir leben heute nicht mehr in einer Mangel-, sondern in einer Überflussgesellschaft. Der Verkäufer (das Gleiche gilt natürlich auch für die Verkäuferin) verteilt nicht ein knappes Gut, sondern befindet sich in Konkurrenz mit zahlreichen anderen, die an das schwer verdiente Geld ihrer Kundschaft wollen.
Es wird so getan, als wolle der Verkäufer einem etwas aufschwatzen. Sagen Sie mal ehrlich, gehen Sie ein zweites Mal in einen Laden, in dem Ihnen etwas aufgeschwatzt wurde? Höchstens, um sich zu beschweren und das Zeug umzutauschen. Deshalb versucht der Verkäufer, Sie so gut zu beraten, dass Sie das richtige Produkt bekommen und als zufriedener Stammkunde (respektive zufriedene Stammkundin) wiederkommen.
Es gibt ihn schon, den gerissenen Verkäufer, der nur verkloppen will und verbrannte Erde hinterlässt. Im Extremfall gibt es so etwas bei den sogenannten Kaffeefahrten. Es wird einem ein Gewinn versprochen und dann wird auf Teufel komm raus versucht, einem minderwertiges Zeug zu überhöhten Preisen anzudrehen. Den Gewinn bekommt man natürlich nicht zu sehen. Aber ob Sie es glauben oder nicht, der Onkel eines Freundes ist schon drei Mal oder noch häufiger bei so einer Veranstaltung mitgefahren. Und hat jedes Mal gekauft. Die Geschmäcker sind eben verschieden. »Some of them want to be abused«, heißt es in einem bekannten Lied. Leider habe ich den Namen der Interpretin vergessen. Wer wissenden Sinnes und bei voller Geschäftsfähigkeit zu solchen Veranstaltungen fährt, dem ist nicht zu helfen. Und man sollte nicht von einem schwarzen Schaf gleich auf den ganzen Berufsstand schließen.
Das negative Image von Verkaufspersonal speist sich noch aus einer ganz anderen, quasi entgegengesetzten Quelle. Jetzt wird uns plötzlich nicht zu viel, sondern zu wenig Aktivität nachgesagt. Verkäufer seien häufig unwillig oder schlecht gelaunt, stünden nur in der Ecke herum und unterhielten sich miteinander. Das habe ich auch schon erlebt und war auch entsprechend sauer. Nur, ganz ehrlich, für sechs bis acht Euro (netto) die Stunde den ganzen Tag in der schlechten Luft rumstehen, das ist auch nicht unbedingt jedermanns Sache. »Wer mit Peanuts bezahlt«, so sagt der Volksmund, »ist von Affen umgeben …« Und der Mangel an engagierten und qualifizierten Verkäuferinnen und Verkäufern resultiert sicher auch aus der schlechten Bezahlung und den ungünstigen Arbeitszeiten. »Schließen Sie schon? Es ist doch noch hell?«, ist ein Satz, der nur aus der Distanz für Belustigung sorgt.
Noch ein Wort zu der Rede von der sogenannten Dienstleistungswüste Deutschland: Wenn das Publikum bereit wäre, für Dienstleistungen zu bezahlen, würde die Wüste bald blühen. Ein Beispiel: Im Weihnachtsgeschäft hat sich an der Kasse einer dieser Filialbuchhandlungen eine Schlange von Käufern gebildet. Zum gleichen Zeitpunkt sind die kleinen, inhabergeführten Buchhandlungen in der Stadt relativ leer, das Personal ist dienstbereit und willig, alle Geschenke hübsch zu verpacken.
Eine Dame, die wohlsituiert aussieht, beschwert sich mit deutlichen Worten darüber, dass man hier (in der Filialbuchhandlung) in der Schlange an der Kasse stehen und hinterher noch einmal darauf warten muss, dass das Geschenk eingepackt wird. Hallo? Warum geht sie dann in so einen Laden? Zumal bei Büchern ja die Preisbindung besteht und sie noch nicht einmal die Hoffnung haben kann, dort etwas billiger zu bekommen.
Auf der einen Seite wollen sie ganz unverbindlich in Ruhe gelassen werden, möglichst nichts bezahlen und gleichzeitig behandelt werden wie Prinzessin Lillifee. Hallo! Entscheidet euch mal für eine Linie und bringt dem Personal ruhig etwas mehr Respekt entgegen.
Die Shell-Tankstellen haben vor einiger Zeit einen Versuch gestartet mit einer Bedienung an den Tanksäulen. Ein Tankwart stellte sich zur Verfügung und man konnte ihm ganz anonym an der Kasse freiwillig einen Obolus zahlen. In meinen Augen ein guter Versuch, Arbeitslose wieder in einen Job zu bringen und gleichzeitig was gegen die »Dienstleistungswüste« zu tun. Wir sind nur schon so weit daran gewöhnt, wirklich alles selber machen zu müssen, dass wir so eine Leistung gar nicht mehr schätzen können. Ich glaube, das Projekt wurde mittlerweile eingestellt, mangels Nachfrage.
Noch eine Randbemerkung: Wenn ich meine Bank betrete, weist mich ein Schild nach links in ein sogenanntes »Servicecenter«. Dort finden Sie nicht etwa freundliche lächelnde Angestellte, die Sie persönlich begrüßen, Sie nach ihren Wünschen fragen und Ihnen auch mal beim Ausfüllen einer Überweisung helfen, wenn Sie Ihre Brille vergessen haben. Sie finden Automaten, mit denen Sie Überweisungen und andere Geschäfte selbst erledigen können. Noch dazu ist die Gerätschaft so streng gegen Vandalismus gesichert, dass Sie auf die Tastatur regelrecht einprügeln müssen, damit sich überhaupt etwas tut. Und alles ist mit einer leicht stinkenden Schicht aus Schweiß und Fett überzogen. Wenn Sie Bargeld an der Kasse einzahlen wollen, wird eine Gebühr erhoben. So sieht ein Servicecenter aus.
Die Wüste ist heute mit Automaten bestückt, an denen Sie sich im besten Fall selbst helfen können. Der Wahnsinn geht schon so weit, dass es im Bremer Hauptbahnhof eine Gruppe von ehrenamtlichen Helfern gibt, die Unkundigen an den Fahrkartenautomaten helfen. Das Unternehmen spart so lange am Personal, bis Ehrenamtliche den Kunden helfen müssen, da läuft doch etwas verkehrt.
Im schlechtesten Fall müssen Sie eine sogenannte Hotline anrufen, wo ein Automat Sie zunächst nach Ihrer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) fragt. Und wenn Sie die nicht wissen und stattdessen den Automaten in deutlichen Worten beschimpfen, wird er doch immer dabei bleiben, mit monotoner Stimme zu sagen: »Ich habe Sie nicht verstanden.«
Ich selbst arbeite seit fünfundzwanzig Jahren im Einzelhandel, in der Möbelbranche, um genau zu sein. Seit fünfundzwanzig Jahren bin ich selbstständig mit einem eigenen kleinen Geschäft. Ich habe den Eindruck zu wissen, worüber ich rede beziehungsweise schreibe. Und: Alle Eindrücke sind natürlich subjektiv, alle Personen erfunden und so weiter.
KAPITEL ZWEI
In manchen Situationen komme ich mir vor wie der sprichwörtliche Prediger in der Wüste. Nicht etwa, weil ich jemandem etwas aufdrängen will, was er oder sie partout nicht haben möchte, das mache ich grundsätzlich nicht. Sondern eher, weil ich möglichst aufrichtig beraten will. Damit stoße ich nicht immer auf offene Ohren und das Saatkorn meiner Rede verdorrt allzu oft auf dem ausgetrockneten Feld.
Ein Beispiel betrifft die Sisalteppiche, die vor rund zehn Jahren sehr populär waren. Sie sehen auf den ersten Blick gut aus, haben aber keinerlei Komfortwert, bieten also eigentlich gerade das nicht, was man von einem Teppich erwartet. Eine Kundin betritt den Laden und stellt fest: »Sie haben ja auch diese Sisalteppiche.« Eine Tatsache, die ich weder abstreiten kann noch will.
»Genau. Sie kennen dieses Material?«
»Ja. Und ich weiß, dass es die in verschiedenen Größen gibt.«
»Richtig. Sie können die Größe bestimmen und Sie können auch die Farbe der Umrandung auswählen.«
Die Kundin ist von diesen Möglichkeiten angetan und wir beschäftigen uns eine Weile mit den Farben. Als die Frage nach der Größe kommt, stellt sich heraus, dass der Teppich unter einem Esstisch liegen soll.
»Ist Ihnen bewusst«, frage ich, »dass Sie Flecken aus Sisal so gut wie nicht entfernen können? Dadurch sind sie, meine ich, für den Essbereich eingeschränkt tauglich.«
»Ach, wirklich?«
»Ja, das ist so. Das hat mir sogar ein professioneller Teppichreiniger bestätigt. Ein Fleck in Sisal bleibt Ihnen ewig erhalten. Etwas ganz anderes sind diese Wollqualitäten. In der Optik sind sie ganz ähnlich. Sie laufen aber wesentlich komfortabler darauf. Der Preis ist im Wesentlichen der gleiche. Und der große Vorteil ist: Sie können die Wolle viel besser reinigen. Wolle reinigt sich fast von selbst.«
»Das hört sich gut an. Darüber werde ich einmal nachdenken. Ich komme dann noch einmal mit (wem auch immer) wieder.«
Rund ein Jahr später ergibt sich ein Gespräch mit der gleichen Kundin. Sie erzählt, dass sie sehr unzufrieden mit ihrem Sisalteppich sei.
»Wieso?« Ich bin augenblicklich unsicher, ob sie den Teppich bei uns gekauft hat, und das schlechte Gewissen will gerade anfangen, an mir zu nagen.
»Der ist so empfindlich. Da sehen Sie wirklich jeden Flecken drauf. Wir haben den bei uns unter dem Esstisch liegen und auch wenn Sie sich noch so vorsehen, man kleckert doch immer mal oder es fällt etwas herunter.«
»Für den Zweck ist Sisal auch eingeschränkt tauglich. Das hätte ich Ihnen gar nicht verkauft.«
»Den haben wir auch nicht bei Ihnen gekauft. Aber der Verkäufer hat gesagt, wir bräuchten uns da keine Sorgen zu machen.«
Der Dalai Lama hat einmal gesagt: »Wenn du ein Problem hast und du weißt, es gibt eine Lösung, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Und wenn du weißt, es gibt keine Lösung, brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen.«
Ich weiß nicht, ob jener Verkäufer auf dem spirituellen Weg schon so weit war, dass er seine Äußerung in diesem Sinne gemeint haben könnte. Und da ich grundsätzlich nichts Negatives über Mitbewerber sage, sagte ich in diesem Fall gar nichts. Aber bei diesem »Glauben wider besseres Wissen« kann man sich dann schon mal wie der Prediger in der Wüste vorkommen.
ZWISCHENSPIEL ZWEI
Im Verband wohnen+ideen wurde die Fortbildung der Verkäufer sehr ernst genommen, nicht nur auf fachlicher, sondern vor allem auf persönlicher Ebene. Deshalb ging es im Kern natürlich auch um das Verhältnis von Verkäufer und Kunde:
»Jeder Mensch sucht Orientierung. Das ist ein Grundbedürfnis. Es gilt immer und überall. Es gilt besonders ausgeprägt für den Menschen in der Rolle des Kunden. Er will etwas erwerben. Aber er ist unsicher. Er kennt die Vor- und Nachteile des Produktes nicht. Aber er hat eine fixe Idee im Kopf. Der da den Laden betritt, ist eine Ansammlung von Erwartungen, Befürchtungen, Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten. Mal deutlich ausgeprägt, mal versteckt hinter der Maske souveräner Besserwisserei.« So schlicht und lapidar wurde es in einem Papier der Emily GmbH formuliert, das Arbeitsgrundlage einer Verkaufsschulung war. Weiter hieß es: »Und dieser Mensch trifft auf stereotype Begrüßungen, standardisiertes Lächeln und Floskeln wie die unverbindliche Aufforderung: Was kann ich für Sie tun? Nur: Genau das weiß er ja oft nicht genau – und wenn er es weiß, ist der Verkäufer eigentlich überflüssig.«
Während in dem BERUFENET Informationstext der Bundesagentur für Arbeit in erster Linie und fast ausschließlich auf die fachspezifische Seite der Interaktion eingegangen wird, steht in dem hier vorliegenden Text der komplementäre Aspekt, der Gesichtspunkt der persönlichen Beziehung, im Vordergrund: »Er (der Kunde) sucht nach jemandem, der ihm sagt, was gut und richtig ist – nicht in Bezug auf technische Einzelheiten, Materialbeschaffenheit oder das Preis-Leistungs-Verhältnis. Er sucht nach persönlicher Orientierung. Der Verkäufer ist nicht Produktvermittler, sondern individuelles Gegenüber, das durch Verhalten und Verbindlichkeit, durch Ausstrahlung und persönlichen Ausdruck letztlich die Kaufentscheidung wesentlich beeinflusst, jenseits sachlicher Argumente.«
Mit dieser inneren Haltung, letztlich für den Kunden da zu sein, erledigen sich die Schattenseiten der Verkäuferrolle: Man sucht die beste Lösung für den Kunden und ist weit davon entfernt, ihm etwas aufdrücken zu wollen. »Er/Sie wirkt durch die eigene Persönlichkeit, durch das Wie seines/ihres Tuns. Was man als Verkäufer tut, ist sekundär. Überzeugungskraft, Verkaufserfolg, langfristige Bindungen entstehen aus persönlichem Kontakt.«
Alle Kunden sind unterschiedlich, wie alle Menschen unterschiedlich sind. Hört der Verkäufer dem Kunden zu, nimmt er das, was der Kunde auch an Emotionen mitbringt, auf und nutzt es für das Gespräch, ist die Möglichkeit gegeben, den Menschen, der da als Kunde auftritt, zu verstehen. »Für den Kunden kann dies in der Tat überraschende Folgen haben: Er fühlt sich plötzlich verstanden, aufgehoben und ernst genommen. Ein gutes Gefühl. Eine gute Erinnerung. Er kommt gerne wieder.«
Eine weitere Möglichkeit zum Verstehen für den Verkäufer ist, sich selbst in der Rolle des Kunden zu erleben und zu beobachten:
»Jeder Verkäufer wird, wenn er seinen Laden verlässt, zum Kunden, und als Kunde weiß er genau, worauf es ihm ankommt, wo er gern einkaufen geht, wo er auf seinen Preisvorteil verzichtet um anderer, oft nicht einmal deutlich identifizierbarer Vorteile willen. (…) Verkäufer und Verkäuferinnen müssen ihre Vorurteile, Fixierungen, Vorlieben und Abneigungen kennenlernen, damit sie auch den Kunden besser verstehen.«
Die partnerschaftliche Haltung dem Kunden gegenüber wurde als Schlüssel zum langfristigen Erfolg angesehen. Natürlich müssen für den dauerhaften Erfolg auch die Rahmenbedingungen stimmen.
Ist dies gegeben, dann gilt: »Die eigene Haltung zum Beruf ist überprüfbar und veränderbar. Die Fähigkeit, sich jedem Kunden zuzuwenden und ihn zu binden, ist erlernbar und entwicklungsfähig.«
Das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Kunde und Verkäufer wird hier als Idealform der Beziehung beschrieben. Diese hehren Worte stammen aus der Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das Paradies für Kunden und Verkäufer hat es in der dargestellten Form nie gegeben. Aber es hört sich doch gut an, oder?
KAPITEL DREI
»Sie müssen sich das so vorstellen«, mit diesen Worten beginnt häufig eine der ödesten Sequenzen im Geschäft. Erstens: Wieso muss ich mir überhaupt irgendetwas vorstellen? Bin ich nicht freier Bürger in einem freien Land? Bin ich offenbar nicht, weil ich im Einzelhandel arbeite und für jeden ansprechbar sein muss.
Deswegen muss ich mir das so vorstellen: »Ich habe also im ganzen Wohnbereich große Fenster und nur Schals rechts und links. Ich brauche die Vorhänge nur als Dekoration, nicht als Sichtschutz, bei uns kann ja niemand hereingucken, wir haben dreitausend Quadratmeter Grund. Das war schön, damals, als die Kinder noch klein waren. Da konnten die direkt raus und im Garten machen, was sie wollten, mit dem Hund spielen, was auch immer. Wir hatten damals einen indischen Teckel, kennen Sie die? Das sind so kleine lustige mit langen Ohren, kennen Sie bestimmt. Haben wir seinerseits von einem Züchter in Brake gekauft, das war ein entfernter Bekannter meines Mannes. Also, nicht meines Mannes, sondern eines Geschäftspartners meines Mannes. Der hatte uns damals darauf gebracht. Dann sind wir da hin, das muss an einem Sonntagnachmittag gewesen sein und mein Mann hatte ausnahmsweise mal Zeit. Der Züchter hatte noch einen Welpen da, der war allerdings leicht behindert, am linken Hinterbein, Hinterlauf heißt das ja eigentlich. Deshalb haben wir das Tier damals etwas billiger gekriegt. Nicht, dass das ausschlaggebend gewesen wäre, uns geht es ja nicht um Geld. Ein paar Tausend mehr oder weniger, das ist nicht entscheidend. So ein Hund, das waren ja Rassehunde, ist ohnehin nicht billig. Ach Gott, was haben die Kinder den gleich geliebt. Jetzt ist der bestimmt schon, ach, was sage ich, zehn Jahre tot und die Kinder sind aus dem Haus. Meine Tochter lebt jetzt in Frankfurt. Da warten wir natürlich auf Enkel. Aber meine Tochter ist beruflich so eingespannt, sie sagt, sie hat ja noch Zeit. Das ist ja heute sowieso alles anders, mir konnte es damals nicht schnell genug gehen. Und mein Sohn, ja, da ist auch noch nichts abzusehen. Der hat noch nicht die Richtige gefunden. Der arbeitet in Hamburg, bei Gruner + Jahr. Hat da eine tolle Stelle in leitender Position. Da muss der natürlich viel arbeiten. Aber jetzt habe ich mich hier verquatscht, jetzt muss ich ganz schnell los, ich habe gleich noch einen Termin. Ich treffe mich mit einer Freundin, wir wollen noch in die Nolde-Ausstellung in der Kunsthalle. Seit ihr Mann vor drei Jahren gestorben ist, unternehmen wir alle vier Wochen was zusammen. Also, das nächste Mal komme ich mit etwas mehr Zeit.«
Wer diesen Redeschwall jetzt für übertrieben hält – die Darstellung ist nicht übertrieben. Ich habe nichts hinzugefügt. Und ich habe den Erguss nicht etwa durch unvorsichtiges Nachfragen oder gemeines ermunterndes Nicken provoziert. Er brach einfach so heraus. Mein Problem ist nur, dass ich in der ganzen Rede nicht eine Information erhalte, mit der ich etwas anfangen könnte. Wozu dient das Gerede also? Wer sachdienliche Hinweise geben kann, melde sich bitte bei mir, ich zahle auf vernünftige Antworten sogar eine Prämie. »Die schlimmste Art, jemanden zu ignorieren«, so schreibt Stefan Slupetzky in seinem Roman Der Fall des Lemming, »ist nicht das Schweigen. Die schlimmste Art ist, mitten durch ihn hindurchzuschwatzen.« Alle meine Kollegen im Einzelhandel, aus unterschiedlichsten Branchen, kennen weit mehr Lebensgeschichten als ihnen lieb ist. Insofern vergleichen wir uns manchmal, wenn wir unter uns sind, mit Prostituierten. Der große Unterschied, so will mir scheinen, ist, dass Prostituierte sich auch bezahlen lassen, wenn der Kunde nur reden will.
ZWISCHENSPIEL DREI
Die Suche bei Google nach dem Stichwort »verbale Inkontinenz« liefert tatsächlich 23.000 Treffer. Auch das ist selbst ein Beweis für die Existenz dieser Krankheit. »Verbale Inkontinenz« drückt nach einer allgemeinen Definition die Unfähigkeit aus, einen Wortschwall zurückzuhalten. Dies kann besonders Personen unterlaufen, die zu viel alleine sind, sobald sie auf einen (vermeintlich) geduldigen Zuhörer treffen.
Der Unterschied zwischen den Bildern von Inkontinenz und Diarrhö liegt wohl darin, dass Letztere eine akute, das heißt vorübergehende, Störung ist, während es sich bei Ersterer um einen Dauerzustand handelt. Ein Nutzer sieht eine Nähe zur sogenannten Logorrhö, die offenbar als Krankheitsbild anerkannt ist: »Überschießender Sprachfluss, doch der Inhalt ohne konkrete Aussagen. Das Sprachverständnis ist stark eingeschränkt. Lesen und Schreiben sind unterschiedlich betroffen. Die sprachlichen Probleme werden vom Patienten oft selbst nicht wahrgenommen.«
Die neuen Medien und das Internet bringen neue Erscheinungsformen der verbalen Inkontinenz hervor: Die Foren, die eigentlich dazu dienen sollten, qualifizierte Antworten auf spezifische Fragen zu bekommen, werden mit geballtem Unwissen vollgemüllt. Und die Züge der Deutschen Bahn beweisen täglich, dass ein wehrloses Publikum und ein Mobiltelefon am Ohr zu heftigen Attacken verbaler Inkontinenz auch bei ansonsten gestandenen Geschäftsleuten führen können.
Verwandte Begriffe: Blogorrhö – ein Gespräch ans Knie nageln – ein Ohr abkauen – sich einen Zahn locker quatschen – zutexten.
KAPITEL VIER
Eine andere Variante der verbalen Diarrhö ist: »was ich alles selbst gebaut habe«. An dieser Stelle wird es Zeit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass ich in der Möbelbranche tätig bin. Deshalb erkennt mich der Heimwerker als Experten auf dem Gebiet des Möbelbaus und setzt sein rhetorisches Talent darein, mich zu beeindrucken.
»Ich schaue mir nur das Regal an.« Vor diesem Satz ein »Guten Tag« oder eine andere Grußformel auszusprechen ist sicher zu viel verlangt. Heimwerker sind beschäftigt und können sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten.
»Ja, das ist ein tolles System.« Da ich natürlich auch mit meiner Fachkenntnis glänzen will, kann ich jetzt eine Reihe von Bemerkungen über die Möglichkeiten dieses Systems absondern. Noch weiß ich ja nicht, dass ich es mit einem »Heimwerker« zu tun habe. Sein Coming-out hat er, als er mich unterbricht: »Ja, weiß ich. So etwas baue ich selber.«
Damit hat er mich erwischt. Vor mir steht ein Heimwerker. Ich atme aus, um jetzt nichts Falsches zu sagen.
»Die Bretter, verleimte Schichtstoffplatte, kaufe ich fertig. Da kriegen Sie ja ganz andere Materialstärken als bei diesem Zeug hier. Was haben Sie da, zwei Komma sechs oder zwei Komma acht?«
Nun bin ich in einer schwierigen Situation. Einerseits habe ich den Eindruck, dass er mein Produkt schlechtmachen will. Er hat eine bessere Materialstärke. Hat er das? Bisher haben mir die zwei Komma acht Zentimeter, die mein System hat, immer gut gefallen. Aber er hat offenbar etwas anderes im Sinn, hat irgendetwas in der Hinterhand.
Antworte ich jetzt auf seine Frage, öffne ich seiner Erörterung Tür und Tor. Antworte ich nicht, erwecke ich den Eindruck, mein Produkt nicht hinreichend zu kennen. Also mache ich einen Ausfallschritt: »Materialstärke, da kann man verschiedener Meinung sein. Aber die Oberfläche …«
Als hätte er darauf gewartet, pariert er: »Die Oberfläche mache ich selbst. Kann ich alles machen. Hab ich alles da. Einen Kompressor und so. Die Oberfläche mache ich selbst. Das kann ich perfekt lackieren. Und falls mal was dran sein sollte, lackiere ich es einfach neu. Schichtstoff und perfekte Oberfläche.«
Gleichzeitig sinnend und herausfordernd sieht er mich an. Ich mache einen letzten Versuch, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben: »Wenn Sie alles selbst bauen, dann brauchen Sie ja gar keine Möbel.«
Er strahlt mich an. Jetzt habe ich ihn begriffen. Aber deswegen lässt er mich noch lange nicht vom Haken. »Ja, aber alles selber bauen kann ich natürlich auch nicht. Ich meine, jetzt als Pensionär kann ich schon viel machen. Da habe ich viel Zeit und da mache ich auch viel. Ich habe ziemlich viele Geräte und wenn ich was kaufe, dann immer nur Profiqualität. Aber ich habe so Polstermöbel, da kann ich nicht viel machen.«
»Aha.«
»Die habe ich damals bei diesem Geschäft da am Wall gekauft, wie hießen die gleich noch?«
Würde ich jetzt sagen, »keine Ahnung«, würde er fortfahren: »Ist auch egal. Jedenfalls waren die damals auch schon nicht ganz billig. Das war noch zu D-Mark-Zeiten und das waren damals sechstausend D-Mark.«
Da ich aber Experte bin, sage ich: »Vereinigte Werkstätten«. Und er fährt fort: »Ist auch egal. Jedenfalls waren die damals auch schon nicht ganz billig. Das war noch zu D-Mark-Zeiten und das waren damals sechstausend D-Mark. Die sind von der Firma Kaufland oder so ähnlich, das dürfte Ihnen ja bekannt sein, also, die sind quasi noch wie neu.« Ich unterdrücke den Impuls, auf die Uhr zu sehen. Ich verrate ihm nicht, dass die Firma vermutlich Kauffeld heißt. Ich sage fast automatisch : »Es lohnt sich eben immer, Qualität zu kaufen.« Und wage noch einen Versuch: »Aber Lampen, Sie brauchen doch sicher Lampen. Schließlich wollen Sie Ihre Schätze doch ins richtige Licht setzen?« Auf diese Intervention bin ich, auch heute noch, stolz.
»Ja, Lampen, sicher, das ist ein Thema. Da hab ich ja die ganzen alten Bauhauslampen. Die sind ja so schön und so eine Qualität, da geht nie etwas kaputt.«
An dieser Stelle weiß ich, dass ich verloren habe. Ich muss raus, raus aus der Situation. Hart an der Grenze zur Unhöflichkeit bemerke ich: »Na ja, wenn Sie alles haben, ist es ja gut. Ich habe auch noch viel zu tun.«
»Ach wissen Sie, ich interessiere mich immer für Möbel. Sie haben ja auch wirklich schöne Sachen, ich gucke immer wieder gerne rein. Aber ich muss darüber fallen, es muss mir ins Auge stechen, dann kaufe ich auch spontan.« Er lässt sein Auge über meine Ausstellung schweifen. »Aber hier bei Ihnen sehe ich jetzt so direkt nichts.«
Ich versuche, ernsthaft zu verstehen, was die Funktion eines solchen Gesprächs sein soll. Ficht er einen geheimen Kampf mit mir aus, den nur er kennt und den er unbedingt gewinnen will? Sucht er Kontakt? Will er seine Kompetenz und seine Bedeutung bestätigt sehen? Ich weiß es nicht.
Um den Selbstversuch zu machen, bin ich in das Restaurant gegangen, das in unserer Passage meinem Laden direkt gegenüberliegt. Ich habe den Leuten genau erklärt, wie toll ich vor einiger Zeit in einer anderen Stadt gegessen habe. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass ich mir damit direkt Freunde gemacht habe.
Die weibliche Variante dieses Typs von Gesprächspartner ist: »wie geschmackvoll ich mich eingerichtet habe«.