Der Lukas Rieger Code - Josip Radović - E-Book

Der Lukas Rieger Code E-Book

Josip Radović

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Beschreibung

Lukas Rieger ist ein Phänomen: Die Mädchen liegen ihm zu Füßen; seine Musik wird auf YouTube 3,7 Millionen mal geklickt; er ist 18 und kann tagsüber nicht mal mehr in einem Snipes-Shop unbehelligt Schuhe kaufen, ohne dass die Security eingreifen muss. Er ist ein Star und Teenie-Schwarm. Er ist "der deutsche Justin Bieber". Aber welcher Mensch verbirgt sich hinter diesem Jungstar? Was treibt ihn an? Was macht ihn aus? Wie hat er den Pop-Olymp erklommen? In "Der Lukas Rieger Code" erzählt er selbst ganz privat, wie er das alles geschafft hat, wie wichtig ihm Freunde und Familie sind und was er sich von der Zukunft verspricht.

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Seitenzahl: 303

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HarperCollins®

Copyright © 2017 by HarperCollins in der HarperCollins Germany GmbH

Deutsche Originalausgabe

Covergestaltung: formlabor, Hamburg Coverabbildung: Stephan Glathe Redaktion: Claudia Wuttke Satz: Ortrud Müller, Die Buchmacher – Atelier für Buchgestaltung, Köln Layout: Steffen Meier, Hamburg E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck Alle Fotos aus dem Innenteil stammen aus dem Privatbesitz von Lukas Rieger

ISBN E-Book 9783959677387

www.harpercollins.de

Widmung

Dieses Buch widme ich allen Menschen, die mich auf meinem bisherigen Weg unterstützt haben

Vorwort

VORWORT

Ihr fragt euch bestimmt, warum ein 18-Jähriger ein Buch schreibt. Aber in den letzten Jahren ist so viel passiert, dass ich euch die Geschichte, meine Geschichte, näherbringen und euch daran teilhaben lassen möchte. Natürlich bin ich noch sehr jung, und dieses Buch soll auch keine klassische Biografie sein, es soll euch vielmehr erzählen und erklären, wie alles entstanden ist, wie mein Weg war und warum ich als Musiker Social Media benutze. Lest euch das Buch durch und guckt euch an, was alles möglich ist. Man kann alles erreichen, wenn man daran glaubt! Viel Spaß bei dem Buch und der Reise durch mein Leben ...

Lukas Rieger, Oktober 2017

MUSIK WAR SCHON IMMER MEIN LEBEN

Am schönsten wäre, es gäbe ein ganz bestimmtes Erlebnis, einen ganz besonderen Moment, auf den man sich immer beziehen könnte, weil er so krass war und man seit diesem Augenblick wusste: Ja, ich will um jeden Preis Musiker werden. Das war bei mir aber nicht so, auch wenn es cool wäre, heute eine solche Geschichte zu erzählen, jetzt, wo man es tatsächlich so weit gebracht hat und der Traum wahr geworden ist.

Nein, in meinem Leben hat Musik von Anfang an eine große Rolle gespielt und war fester Bestandteil meines Alltags. Das war vor allem dadurch bedingt, weil meine Mama Lehrerin ist und unter anderem auch Musik in der Grundschule unterrichtet. Und am späten Nachmittag, wenn sie aus der Schule nach Hause kam, hat sie Schülern in unserem Wohnzimmer Klavierunterricht gegeben, weil sie es selbst seit Ewigkeiten spielt.

Wenn ich an meine frühe Kindheit zurückdenke, zumindest so weit, wie ich mich erinnern kann, hat man den Klang des Klaviers jeden Tag bei uns im Haus gehört. Und weil es nun ganz zentral im Wohnzimmer stand, kam man gar nicht drum herum, sich damit zu beschäftigen und darauf herumzuklimpern. So kam es auch, dass wir als Familie abends immer mal wieder zusammen musiziert haben. In der Woche passierte es bestimmt drei oder vier Mal, dass Mama am Klavier saß, Papa sich eine Gitarre schnappte und ich dazu meistens irgendwelche sinnlosen Texte sang. Das war pure Improvisation und reiner Spaß. Wir haben uns nie hingesetzt und gesagt: So, jetzt singen wir mal etwas zusammen oder komponieren zusammen einen Song, überhaupt nicht. Einer fing an, und die anderen beiden schlossen sich an und sangen in der passenden Melodie vor sich hin, und sei es nur ein Lalalala in Endlosschleife …

Papa hat meistens als Erster die Initiative ergriffen und rief mich zu sich, wenn er an seiner Gitarre zupfte.

»Luki! Komm doch mal runter, bitte!«, rief er von unten. »Warum? Bin beschäftigt …« »Nun komm doch mal. Wir wollen was singen.« »Ich kann doch nicht einfach irgendetwas singen!« »Doch, natürlich kannst du. Mach es einfach. Es muss ja keinen Sinn ergeben. Einfach nur zum Spaß … Nun komm schon.«

Dann habe ich eben irgendwas vor mich hin gesungen, ohne mir allzu viele Gedanken über den Text zu machen:

Hey, was geht? Papa und Marie sind hier, Die trinken heute überhaupt kein Bier. Denn heute gibt es den ganzen Tag nur Tee, Ach herrje, ach herrje …

Einfach irgendein Quatsch, es musste sich aber reimen, das war mir wichtig, weil ich fand, dass sich Musikverse reimen müssen. Und während wir vor uns hin improvisierten, setzte sich Mama dazu und hob zur zweiten Strophe an:

Hey, Luki, wie geht es dir heute? Ich hatte heute sehr viel Spaß, Lief es in deiner Klasse auch nach Maß? Hast du schon die Hausaufgaben gemacht?

Mama waren die Reime komplett egal. Sie verpackte in ihren Part meistens ganz normale Fragen, um herauszufinden, wie mein Tag war und wie es mir ging. Ein Mutter-Sohn-Gespräch in einen Song gelegt. Meine jüngere Schwester Marie saß auch mit dabei und freute sich einfach nur, weil wir zusammen waren und gemeinsam lachten. Es gab nie eine Verabredung oder Abmachung, dass wir an bestimmten Tagen zu einer bestimmten Zeit zusammenkommen und musizieren; das war immer spontan und zufällig, je nachdem, wie wir Lust hatten. Das war auch der Witz an der Sache und deshalb so unterhaltsam, weil es so spontan war und in gewisser Weise planlos. Manchmal kam es vor, dass wir das mehrmals am Tag machten, meistens in den Ferien oder sonntags, wenn wir alle zusammen waren, und fast immer ging die Initiative von meinem Dad aus. Wenn er sich die Gitarre schnappte und man die ersten Töne hörte, war es wie ein Alarm für alle anderen, dass es jetzt losgeht mit dem Rieger’schen Family-Freestyle.

Mama hat gesungen und Klavier gespielt, aber immer mit System, da ist sie ganz anders drauf als Papa. Der jammt einfach vor sich hin und hat Spaß. Für ihn gibt es beim Musikmachen keine Regeln, die man beachten müsste. Er macht einfach, wie es ihm gefällt. Mama dagegen hat das ja als Lehrerin alles gelernt und geht da schon etwas theoretischer ans Werk. Sie erklärt dann gern, wie und warum ein Akkord zustande kommt und wie man ihn am besten variiert. Und weil sie so theoretisch ist und Papa sehr praktisch, sind die beiden schon eine sehr lustige Combo.

Als ich in die Grundschule kam, fing ich an, afrikanische Trommel zu spielen. Ich kannte einen älteren Typen, er hieß Manni, war Deutscher, hatte aber einige Jahre in Afrika gelebt und spielte eben diese Trommel, die wie eine größere Sanduhr aussah. Der Fachbegriff für das Instrument hieß Djembe. Ich war fasziniert. Vorher hatte ich – wie vermutlich jedes zweite Kind in Deutschland – Blockflöte gespielt, aber wie wahrscheinlich ebenfalls jedes zweite Kind fand ich das total langweilig. Djembe dagegen sah schon viel fresher aus, und die große Kunst war es, das Instrument bewusst leise und laut zu spielen. Das war nicht so easy, da kam es auf Fingerfertigkeit an. Ich hätte das am Anfang gar nicht gedacht, aber man kann echt richtig krass viel machen mit so einer Trommel, und das Teil ist richtig vielseitig, wenn man es beherrscht. Ich habe damals ewig gespart, bis ich mir eine eigene kaufen konnte. 250 Euro kostete mich das Ding, und das war für einen fast Zehnjährigen unfassbar viel Geld. Ich weiß heute gar nicht mehr, wie ich das damals zusammengekratzt habe, aber ich wollte unbedingt eine Djembe mit Ziegenfell, weil deren Klang noch heftiger war und sie auch cooler aussah, aber sie war eben auch teurer. Von da an habe ich dann bei unseren Wohnzimmer-Sessions immer auf dem Teil gedrummt und meinen Dad zur Gitarre begleitet.

Als ich später auf der weiterführenden Schule in die Musikklasse wechselte, war die Bedingung dafür, dass jeder Schüler zwei Instrumente spielen musste. Und weil ich es von zu Hause her kannte und es bei Papa immer sah, habe ich mich für Gitarre entschieden. Anfangs habe ich noch Unterricht genommen, aber irgendwann habe ich damit aufgehört und alleine weitergemacht mit dem Üben. Dieses Unterrichtnehmen bei anderen ist einfach gar nicht mein Ding. Es ist genau wie beim Fußballtraining: Ich mag es einfach nicht. Man wird ständig unterbrochen, wenn es demjenigen, der Unterricht gibt, nicht passt, was man macht. Es kann sich nichts entwickeln, weil der Trainer Regeln im Kopf hat, nach denen ein Spiel zu laufen hat. Aus Spaß und Freude wird dann schnell nur noch Ernst, und das kann ich überhaupt nicht ab. Es grenzt mich einfach in meiner Freiheit und Kreativität ein, und das ist doch das Wichtigste bei der Musik. Es soll Spaß machen und sich aus einem freien Flow heraus entwickeln und nicht nach den Richtlinien und Vorstellungen eines bestimmten Menschen ablaufen, der einen coacht. Wenn jemand sagt: So darfst du das nicht machen, mach das besser so und so!, dann habe ich meistens direkt keine Lust mehr. Mir ist das zu viel Einschränkung.

/// In der Musik will ich mich entfalten und ich selbst sein, und das geht nur, wenn ich nicht eingegrenzt werde. ///

Inzwischen spiele ich auch ein bisschen Klavier, aber damit habe ich erst vor einem Jahr begonnen, weil ich Bock hatte, etwas Neues zu lernen. Ich kann erst ein paar Akkorde spielen, keine krassen Symphonien oder etwas wirklich Schwieriges. Ich mag es, weil ich mich dann beim Singen selbst begleiten kann, und ich finde es auch verdammt wichtig, denn mit jedem Instrument mehr, das ich lerne, verstehe ich die Musik auch ein bisschen besser. Man bekommt auch ein sensibleres Gehör und versteht besser, warum sich zum Beispiel manches fresh anhört und anderes nicht so flüssig und harmonisch.

Ich habe beides von Kindesbeinen an vorgelebt bekommen: die Theorie von der Mama und das Freestylen vom Papa, und von beidem profitiere ich heute. Vielleicht reagiere ich auch so allergisch auf vorgegebene Regeln, weil es bei uns keine gab. Meine Eltern ließen mich einfach zugucken, mitmachen und reifen, ohne mich zu bedrängen. Genau diese Art der Herangehensweise will ich mir bewahren für die Zukunft, auch wenn ich immer mehr Theorie mitbekomme und die Dinge musikalisch besser verstehe. Ich möchte die Regeln bewusst auch mal brechen, um Neues zu entdecken und kreativ zu sein. Neu und kreativ, das soll immer ein Kennzeichen meiner Musik sein, denn so war es auch als Kind mit meinen Eltern im Wohnzimmer.

DAS SUPERTALENT-CASTING

Das Supertalent war die erste Castingshow, für die ich mich tatsächlich interessiert und dann auch beworben habe. Ich war zehn Jahre alt, und es war der Beginn des Sommers 2010. Schon damals rannte jeder, das war zumindest mein Gefühl, zu einer dieser Castingshows. Die, die etwas draufhatten, aber auch viele, die kein besonderes Talent vorweisen konnten. Ich habe keinen Plan, wieso, aber so war es nun mal. Ich war von meinem Talent jedenfalls überzeugt und hatte nichts zu verlieren. Ich wollte meinen Traum, eines Tages Sänger zu werden und vor Tausenden zu performen, unbedingt wahr machen, also begriff ich das Casting als Chance. Eine Chance, den Durchbruch zu schaffen, berühmt zu werden und meinen Traum zu leben. Ich hatte es schon vor Augen, wie ich auf dieser großen Bühne stehe, die man aus dem Fernsehen kennt, vor Dieter Bohlen und den anderen aus der Jury, noch bevor ich überhaupt im Internet checkte, was genau zu tun ist.

Angefangen hatte alles ein paar Wochen früher. Es war ein ganz gewöhnlicher Samstagabend. Ich hatte den ganzen Tag gefaulenzt, mit meinen Freunden geschrieben und am Laptop ein paar Beats gebastelt. Nichts, was tatsächlich brauchbar war, aber der Tag ging dadurch schnell vorbei. Ich chillte abends auf der großen, lachsfarbenen Couch im Wohnzimmer und guckte mehr auf meinen PC als auf den Fernseher. Es lief Das Supertalent, und ich schenkte dem Ganzen kaum Beachtung. Dann kam mal wieder einer dieser Typen auf die Bühne, der absolut nicht singen konnte und sich nur lächerlich machte. Er hatte kaum angefangen, den Michael Jackson zu singen, da wurde es schon unruhig im Publikum. Er wurde innerhalb von Sekunden so niedergebuht, dass er mit seinem Gesang, oder was auch immer das war, gegen den Lärm nicht mehr ankam und dann doch schnell aufhörte zu singen. Was für ein Typ! Was für eine Blamage! Die Jury schüttelte ungläubig den Kopf. Dieter Bohlen riet ihm, der gesamten Menschheit einen Gefallen zu tun und mit dem Singen aufzuhören. Dann kündigte der Moderator mal wieder Werbung an, es kam ein kurzer Ausblick, was noch folgen sollte in der Sendung, und dann wurde es interessant.

BEWIRBDICH JETZT!

stand groß auf dem Fernsehbildschirm. Inklusive einer Internetadresse mit allen Infos, wie man selbst Teil der Show werden könnte. So zumindest verkaufte es einem die Stimme des Sprechers in dem Abspann.

Ich wusste natürlich über all diese Shows Bescheid. Ich kannte DSDS, The Voice of Germany, Das Supertalent.

Man kriegt das eben so mit, wenn Musik einem das Leben bedeutet und man ab und zu vor dem Fernseher hängt, aber ich hab mich mit den Shows nie wirklich beschäftigt, geschweige denn die Sendungen regelmäßig geguckt. Wenn überhaupt, habe ich mit meinen Eltern mal einen Film auf Sky geguckt und dabei gechillt. Man weiß ja auch nicht, welches Ziel die Fernsehmacher wirklich verfolgen. Denen geht es doch nur um die Quote, nicht um die wirkliche Förderung junger Talente. So dachte ich. Da ist es mir lieber, mich im Internet durchzusurfen, weil ich da selbst entscheiden kann, was ich wann gucken will. Aber irgendwie hatte ich nach diesem Abspann ein anderes Gefühl. Ich dachte: Los! Das versuchst du jetzt einfach. Was soll schon sein, du hast nichts zu verlieren. Also tat ich es.

Abends checkte ich noch schnell auf deren Internetseite, was die überhaupt von einem wollen, aber es war ganz easy. Crazy eigentlich. Ich füllte online einen Steckbrief aus mit Name, Alter und dem ganzen Quatsch, was die eben alles immer wissen wollen. Größe, Hobbys, so was eben. Und dann kam auch schon die erste Überraschung. Ich war damals ja noch ein Kind, und trotzdem dachte ich zuallererst, dass ich ein Video einschicken müsste. Das war der erste Gedanke, den ich noch vor dem Fernseher hatte, und fragte mich: Welchen Song würde ich singen, um die Jury und das Publikum zu flashen? Aber falsch gedacht! Es war schon kurz vor Mitternacht an jenem Samstag, da erlebte ich die erste kleine Enttäuschung. Es wurde kein Video verlangt, keine Hörprobe, kein Vorgeschmack eines möglichen Talents. Man sollte einfach zwei Fotos von sich schicken. Ich war verwundert. Es ging doch um Können. Man musste ein bestimmtes Talent haben und das Publikum und die Jury davon überzeugen. Es sollte was Besonderes, etwas Freshes sein. Aber nein, nichts da. Sie verlangten nach zwei Fotos. Einfach nur Fotos. Ich lief direkt zu meinen Eltern.

»Mama! Papa! Ich werde mich beim Supertalent als Sänger bewerben. Nur, irgendetwas stimmt da nicht. Sie wollen nicht einmal einen Vorgeschmack, also, ich muss bei der Bewerbung gar nicht beweisen, dass ich singen kann.«

»Was wollen sie denn dann?«, fragte meine Mama.

»Zwei Fotos von mir. Nur zwei Fotos, und das war’s!«

»Bist du sicher, dass das auch seriös ist? Müssen wir nicht auch irgendwas unterschreiben? Du bist doch noch gar nicht volljährig?«, wunderte sich meine Mama.

Mein Vater war da etwas entspannter. »Du bist doch ein hübscher Junge. Dann schickst du denen eben erst mal zwei Fotos. Und der Rest folgt dann bestimmt in den kommenden Tagen«, beruhigte er mich.

Ich suchte erst mal allein nach zwei freshen Fotos von mir. Ich guckte mein Handy durch, aber auch die Fotoalben, die meine Eltern über die Jahre immer wieder sorgsam mit neuen Bildern füllen. Ich fand das berührend. Ich glaube, wir haben von jedem Familienurlaub ein Fotoalbum zu Hause herumliegen. Während ich mir auf dem Handy oder in der Cloud meine digitalen Ordner anlege, kleben sie noch liebevoll mit Fotoecken all die Bilder ein und wissen dann nicht, wohin mit den Alben. Ich war da schon eine andere Generation, aber es hatte doch auch etwas Behütetes.

Ich entschied mich schnell für ein Foto aus dem Urlaub. Da musste ich nicht groß grübeln. Es war eines aus dem Urlaub in Curaçao, das ich mit meiner Familie ein paar Monate zuvor gemacht habe. Wir hatten eine tolle Zeit dort, das Meer war megakrass, ich habe noch nie zuvor ein solch türkisfarbenes Wasser gesehen. Auch das Hotel war ziemlich geil. Wir hatten einen Bungalow für uns allein, und abends konnte man Fisch essen, der nur Stunden zuvor gefangen wurde. Nur die Hauptstadt wirkte ein bisschen heruntergekommen. Das war mir anfangs etwas fremd. Die Häuser waren sehr alt, die Autos noch älter, fast wie aus einer anderen Zeit, als würden nur Oldtimer auf der Straße fahren. Aber wenn man nicht in der Stadt war, war es wie im Paradies, das man von Postkarten kennt. Sonne, Strand und Meer. Ein toller Urlaub. Da ging es mir gut, und das sah man dem Foto auch an. Das zweite Foto war eines aus dem Alltag, wie ein Porträt. Ich saß auf meinem Bett, hatte eine Kapuzenjacke an, trug auf dem Kopf ein Superman-Cap, grinste breit und offen in die Kamera und wusste, dass dieses Foto mich als Person gut widerspiegelte. Lena, eine gute Freundin von damals, mit der ich auch heute noch Kontakt habe, machte dieses Foto, als wir uns die Kamera von meinem Papa mal geliehen hatten und ein paar Shots gemacht haben. Den Steckbrief füllte ich innerhalb von zehn Minuten aus und schickte alles ab.

Ich war nicht sonderlich aufgeregt. Über die Schule, meinen Alltag, die Beats vergaß ich die Bewerbung fast wieder. Große Hoffnungen machte ich mir sowieso nicht. Ich dachte zwar, dass ich das Zeug dazu hätte, aber ich dachte, dass sich bestimmt Zigtausende dort bewerben. Also war es nicht so, dass ich die darauffolgenden Tage ständig meine Mails checkte, ob denn eine Antwort im Postfach war. Ich hatte keine Erwartungen, sah es als eine weitere Gelegenheit, einen Schritt nach vorne zu machen, und war deshalb sehr gelassen. Nach zehn Tagen aber war es dann tatsächlich so weit: Ich bekam eine Mail vom Supertalent – Team! Ich war zuerst völlig geflasht. Und dann las ich, dass es sogar eine Einladung war. Das gab’s ja wohl nicht! Fresh, dachte ich. Ich wurde nach Hamburg zum Casting eingeladen, und es erfüllte mich mit Stolz, dass es auf Anhieb geklappt hat. Jetzt kam auch etwas Aufregung dazu.

Wir waren alle happy, dass es auf Anhieb so gut für mich gelaufen ist. Im Zuge der Freude fingen meine Eltern an, auch Vorschläge zu machen, welche Songs ich denn singen könnte bei dem Casting. Ich wollte keine große Sache daraus machen und blieb so ruhig wie ich konnte, denn im Nachhinein hätte ich mich dann überall rechtfertigen müssen, warum es nicht geklappt hat.

Ein paar Wochen später packten wir dann das Auto voll und fuhren nach Hamburg. Das war Routine für uns, da meine Tante in Hamburg wohnt und wir regelmäßig zu Besuch sind. Doch diesmal ging es um mich. Deshalb stieg auch die Aufregung, je näher das Casting rückte. Ich hatte nur meinen Rucksack vollgepackt. Wie immer war Stupsi, mein Kuscheltier, ein Katzentiger, den ich immer und überall mitgenommen habe. Eine Cap war ebenso drin, weil ich wirklich immer mit Cap unterwegs war, und eine CD mit meinen Songs. Ich bereitete drei Songs vor, die ich vor der Jury vortragen könnte. Ich war übertrieben aufgeregt und hatte ein Gefühl, als würde mit diesem Casting entschieden werden, ob ich Musiker werde oder nicht. Gleichzeitig drehte sich in meinem Kopf alles um diesen einen Song.

Easy come, easy go, that’s just how you live Oh, take, take, take it all, but you never give

Grenade von Bruno Mars war zu der Zeit der wohl größte Hit des Jahres und mein absoluter Lieblingssong. Ich wollte ihn um jeden Preis vortragen. Und ich wollte ganz sicher nicht nur nehmen. Ich wollte geben. Und zwar ALLES!

Der Song ist einfach krass. Jeder da draußen kennt ihn und hat ihn zumindest mal mitgesummt. Ich war sicher, dass ich mit meiner Interpretation die Jury überzeugen würde.

Wir kamen mittags an dem Gebäude an, wo das Casting stattfand, und ich war erst mal etwas enttäuscht. Von außen wirkte dieser Klotz wie ein gewöhnlicher Bürokomplex. Ein paar Stockwerke hoch und mit Hunderten Fenstern ausgestattet, ein Hochhaus wie jedes andere auch. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass das Casting hier stattfindet, ich wäre niemals in dieses Gebäude rein, weil es so gewöhnlich war, und irgendwie malt man sich immer aus, das Ganze würde ein bisschen spektakulärer ablaufen, wenn man es im Fernsehen verfolgt. Ich wusste zwar, dass es einige Vorcastings gibt und man nicht direkt vor Dieter Bohlen und den anderen in der Jury in diesem schönen Theater vorsingen kann, aber dass es so ist, hatte ich auch nicht erwartet. Man musste sich erst anmelden und bekam eine Nummer zugewiesen. Die Dame vom Empfangsteam war ganz nett, erzählte so etwas wie, dass sie sich freut, dass ich da bin, und hofft, dass ich es schaffe, weiterzukommen. Das sagt sie wahrscheinlich auch jedem, der dort am Pult steht. Sie nahm meine Daten entgegen und brachte uns gleich darauf in den riesigen Wartesaal, der einer großen Messehalle glich, in der Hunderte Menschen die Zeit totschlugen und sich langweilten. Was für eine üble Warterei. Die Luft war stickig, und es war ziemlich laut. Anfangs machte mir das alles nichts aus, weil die Aufregung so groß war, aber je länger ich wartete, umso mehr ließ die Aufregung nach. Ich wurde müde und irgendwie auch demotiviert.

Irgendwann hallte dann mein Name durch diesen Riesenraum, und ich wurde zusammen mit fünf anderen in den ersten Stock gebracht. Zwei Runner, das sind Typen, die sich um die Kandidaten kümmern und sie von A nach B bringen, wenn es denn endlich mal losgeht, warteten auf uns und begleiteten uns in den großen 10-Mann-Aufzug, der uns in den ersten Stock brachte, wo die Castingräume waren. Mit mir waren noch ein weiterer Junge und vier Mädchen. Alle ungefähr im selben Alter und mit der Absicht, mit dem Singen das Supertalent zu werden. Die anderen Kinder machten einen ganz netten Eindruck. Niemand hatte in der kurzen Zeit schon große Reden geschwungen oder sich wichtiggemacht, wir waren ja gerade erst zusammengekommen. Wir stellten uns höflich einander vor, aber ich glaube, jeder war so aufgeregt, dass es endlich losging, dass auch keiner Bock hatte, viel zu reden in dem Moment.

Im ersten Stock angekommen, mussten wir wieder warten. Wir hielten Small Talk, um die Zeit zu überbrücken. Wie heißt du? Woher kommst du? Wie alt bist du? Jeder von uns war aber auch mit sich selbst beschäftigt und wollte nur noch vor die Jury, um es hinter sich zu bringen, und jeder musste einzeln vor die Juroren treten. Ich war als Dritter in meiner Gruppe dran. Ständig zupfte ich an meinem Hut, den ich an dem Tag aufhatte, weil Bruno Mars auch immer einen Hut trug, so einen Borsalino. Ich wollte den Style, den er verkörpert, möglichst authentisch rüberbringen und meine Performance seiner in nichts nachstehen lassen.

»Lukas, kommst du bitte?«, sagte der Mann mit dem Headset und brachte mich endlich in den Castingraum.

Ich trat vor die Jury. Ein kleiner Raum, in dem an einem Holztisch zwei Frauen und ein Mann saßen. Niemand, den man vom Gesicht oder Namen kannte. Das waren Musiker und Gesangslehrer, die einen wie in der Schule beurteilen sollten. Das war nicht das, was ich mir unter Talentförderung vorstellte.

»Hallo, wie heißt du?«, sagte eine der Frauen und guckte mich mit einem Lächeln an.

»Hi, ich bin Lukas. Lukas Rieger. Und ich würde euch gerne Grenade von Bruno Mars vorsingen.« Ich war übertrieben nervös und hatte schwitzige Hände. Gleichzeitig hab ich versucht, auf cool zu machen, damit man mir die Aufregung nicht ansieht, ich wollte einfach gut rüberkommen und mit meinem Können überzeugen. Die Frau, die mich nach meinem Namen fragte, guckte immer noch in meine Augen mit einem Grinsen, während die anderen Jurymitglieder mit gesenktem Kopf auf die Blätter vor ihnen starrten.

Ich fuchtelte noch mit der CD in der Hand herum, die ich dabeihatte. Auf der waren die Instrumentals meiner Songs drauf. Ich gab die gebrannte CD an einen der Assistenten des Teams, und er legte sie in die kleine Musikanlage ein, die neben dem Jurytisch stand. Ich war jetzt plötzlich doch sehr aufgeregt, das merkte ich am Zittern meiner Stimme. Es war das erste Mal, dass ich tatsächlich vor ganz fremden Menschen singen sollte. Ich habe mir häufig vorgestellt, wie es denn ablaufen wird, aber in der Situation fühlt sich das alles viel krasser an als in der Vorstellung. Dann legte ich los.

Easy come, easy go, that’s just how you live Oh, take, take, take it all, but you never give Should’ve known you was trouble from the first kiss Had your eyes wide open, why were they open? Gave you all I had and you tossed it in the trash You tossed it in the trash, you did To give me all your love is all I ever asked ‘Cause what you don’t understand is I’d catch a grenade for ya Throw my hand on a blade for ya …

Ich hatte nicht einmal ein Drittel des Songs gesungen, da wurde ich schon unterbrochen.

»Vielen Dank, Lukas! Das war es schon. Du bekommst dann später Bescheid, ob du eine Runde weiter bist«, sagte der Mann. Der Typ, der mich unterbrach, war mir auch vom ersten Augenblick, als ich in den Raum kam, sehr unsympathisch. Er hatte eine Nerd-Brille auf, eine Glatze und guckte die ganze Zeit kaum von seinem Zettel auf, während ich da eine halbe Ewigkeit stand. Er guckte erst auf, als er mich unterbrach und mein Vorsingen beendete. Ich war geknickt. Das war es schon? Das soll alles gewesen sein? Ich habe den Song Tausende Male zu Hause gesungen, war perfekt vorbereitet, und jetzt darf ich nur eine Strophe singen? Enttäuscht verließ ich den Raum. Was sollte das? Die konnten doch nicht nach neunzig Sekunden wissen, ob ich das Zeug hatte oder nicht? Auch so ein Song hat doch eine Dramaturgie. Ich war enttäuscht, aber auch fast ein bisschen sauer, als ich zu meinen Eltern in den großen Saal im Erdgeschoss zurückging. Aber in all die unterschiedlichen Gefühle mischte sich noch etwas anderes. Trotz. Und die Hoffnung, es eine Runde weiter zu schaffen.

Ja, dachte ich. Easy come, easy go. Ich würde das reißen!

Unten im Erdgeschoss ging die Qual dann erst richtig los. Es gab kein Essen, kein Trinken. Es war einfach scheiße organisiert. Wenn man etwas essen wollte, musste man sich einen Stempel holen, um das Gebäude zu verlassen, um dann raus zu einer Bäckerei ganz in der Nähe zu laufen. Und selbst dabei machten die Leute am Empfang Stress. Sie wollten einfach nicht, dass man das Gebäude verlässt, aus welchen Gründen auch immer. Ich chillte die ganze Zeit mit meinen Eltern, und Papa war es auch, der die Dame vom Empfang auch besänftigte, sodass wir rausgehen konnten, um etwas beim Bäcker zu holen. In der Zwischenzeit quatschte ich auch mal mit einem Mädchen, das mit mir in der Gruppe war, als wir zur Jury gingen, aber das blieb rein oberflächlicher Small Talk. Jeder wollte einfach nur wissen, ob er es weitergeschafft hat, und man war in diesem Gebäude eigentlich gefangen, konnte nichts machen und hoffte, dass es so schnell wie möglich vorbeigeht. Wir warteten fünf Stunden, bis dann endlich die finale Durchsage kam. Es kam etwas Unruhe auf, während alle gespannt auf ihr Ergebnis warteten. Und was war? Ein Typ las drei Namen vor.

»Herzlichen Glückwunsch! Ihr seid weiter! Vielen Dank fürs Kommen und Auf Wiedersehen.«

Drei Namen, keiner davon meiner. Eine Akrobatentruppe, ein Zauberer und ein Sänger waren weiter. Punkt. Ende. Aus. Das war es. Mir war nach Heulen zumute. Ich war erst sehr geknickt, traurig, ja sogar wütend. Weil ich fest daran glaubte, dass ich gut genug war, um es in die Show zu schaffen. Es war ja nicht so, dass ich zum ersten Mal gesungen hatte, Musik war ein fester Bestandteil meines Alltags, ich hatte mich jeden Tag Stunden damit beschäftigt. Und ich habe mir den Kopf zermartert, welche Songs ich vorbereiten soll, damit es zu mir passt und gleichzeitig den Zeitgeist trifft. Ich hätte die Texte wahrscheinlich rückwärts singen können, weil ich sie so oft geübt habe, um zu überzeugen. Wir waren nach Hamburg gefahren in der festen Überzeugung, dass ich ready war und weiterkommen würde, und wir hatten alles gegeben. Aber nichts da. Es war nicht gut genug. Nicht gut genug zumindest für diese Jury, für diese nichts ahnenden Leute, die mich vielleicht einfach abgelehnt hatten, weil sie grad nur an ein Brötchen dachten oder Jazzfans waren oder selbst mal zaubern wollten. Vielleicht hatte das gar nichts mit meiner Performance zu tun. Aber es hatte ganz viel mit meinem Leben zu tun.

Das war eine heftige Abfuhr für mich. Es war das erste Mal Vorsingen vor Fremden, zum ersten Mal professionelles Feedback, zum ersten Mal eine echte, reale Öffentlichkeit und nicht nur über den Laptop. Ich hatte alles drangesetzt und wurde abgelehnt. Mir ist klar, dass nicht jeder weiterkommen kann, aber der ganze Prozess war schon heftig. Und trotzdem habe ich es schnell abgehakt. Das war schon immer so, als ich noch jünger war, und es ist mir bis heute geblieben. Dinge, gegen die ich nichts tun kann, die ich nicht ändern kann, akzeptiere ich so, wie sie sind. Und ich versuche, das Beste daraus zu machen.

/// Ich geh die Dinge, die ich liebe, trotzdem immer mit all meiner Kraft und ganzer Energie an, und ich bin auch davon überzeugt, dass es cool ist, was ich tue, aber manchmal ist man eben von anderen Faktoren abhängig. Diesmal waren andere eben besser. Aber eben zunächst dieses eine Mal. Irgendwann wäre ich am Zug. Davon war ich überzeugt. Und deshalb halte ich an den Dingen fest, die ich liebe. ///

Ich habe auch im Nachhinein nur ganz wenigen Freunden von der Sache erzählt. Wahrscheinlich auch, weil ich doch mehr geknickt war, als ich es wahrhaben wollte. Aber ich wusste, dass die nächste Chance käme, auch wenn ich total down war. Und im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich diese Erfahrung gemacht habe, selbst wenn sie mit einer Enttäuschung endete. Es war das erste Mal, dass ich vor fremden Leuten singen musste und die mich innerhalb kürzester Zeit zu beurteilen hatten. Ich kriege heute noch Gänsehaut, wenn ich an diesen engen, muffigen Raum denke. Trotzdem blicke ich auch mit Stolz zurück, denn ich fand, ich hab das damals cool über die Bühne gebracht.

Allein dieses Gefühl, wenn du deinen Lieblingssong singst, kaum angefangen hast und dann unterbrochen wirst. Das war wie ein Schlag ins Gesicht, und ich war doch erst zehn Jahre alt.

Aber ich habe auch gemerkt, dass es nicht perfekt war. Meine Stimme war zittrig, ich war dann doch zu aufgeregt. Zu Hause habe ich es auf jeden Fall doppelt so gut gemacht wie dort. Und trotzdem hat es geholfen, das alles mal zu sehen. Auch aus Niederlagen lernt man.

THE VOICE KIDS

Nach meinem ersten Casting beim Supertalent hatte ich erst mal keinen Bock mehr auf Castings. Ich war froh, dass ich es mal miterlebt hatte, aber auch gleichzeitig enttäuscht, wie es dort ablief. In naher Zukunft kam es für mich also nicht mehr infrage, ganz ist es dennoch nicht aus meinem Kopf verschwunden.

Es ist auch Quatsch, diese Art von Shows zu verteufeln, denn die Menschen gucken sich das gerne an, und wenn man Glück hat, kann es auch gut laufen. Irgendwann, ein paar Monate nach dem Supertalent, habe ich mich mal bei DSDS Kids beworben und wurde auch eingeladen, aber DSDS hatte nie einen guten Ruf, und so wirklich erfolgreich ist auch nie jemand aus dieser Show geworden. Die Gewinner haben einen Riesenhit und verschwinden dann wieder in der Versenkung. Deshalb bin ich da einfach nicht hingegangen.

In den folgenden Jahren habe ich dann immer wieder The Voice geguckt mit meinen Eltern, und ich habe es auch gefeiert, wie das umgesetzt wurde. Dass die Jury einen erst gar nicht sieht und sich nur wegen der Stimme umdreht, das war ein geiles Konzept. Als dann verkündet wurde, dass es eine ganz eigene Staffel für Kinder und Jugendliche geben wird, dachte ich, dass es geil wäre, mitzumachen. Und nur ein paar Tage später sah ich eine Facebook – Werbung für The Voice Kids, als ich vor dem Laptop saß, und es war wie ein Zeichen, dass ich mich bewerben sollte. Die Enttäuschung beim Supertalent hatte ich da längst vergessen, das war dann schon fast drei Jahre her, und ich war inzwischen 14 Jahre alt.

Die Bewerbung für The Voice war etwas heftiger: Sie wollten ein Video, auf dem man seinen Lieblingssong singt, ein paar Fotos und die üblichen Daten wie Alter, Größe, Künstlername und all so was. Ich habe ein Video genommen, auf dem ich Let her go von Passenger singe. Ich hatte es damals sowieso auf meinem YouTube Channel und fand es richtig fresh. Es war das beste Cover, das ich bis zu dem Zeitpunkt gemacht habe, deshalb habe ich erst gar nicht nach etwas Neuem gesucht. Ich habe noch eine Slideshow mit unterschiedlichen Fotos von mir gestaltet, damit sie dort auch sehen, wie vielseitig und wandelbar ich bin, was auch immer wichtig ist bei einem Künstler. Das Ganze musste man nur im Netz auf eine Plattform hochladen – und das war es.

Die Rückmeldung von der Produktionsfirma ließ auch nicht lange auf sich warten. Die Mail war nach etwa zwei Wochen da, und ich war ziemlich froh, als ich sie las, denn es war mal wieder eine Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg war. Ich rannte runter zu meinen Eltern und erzählte ihnen, dass ich bei TheVoice Kids angenommen würde, und las ihnen die Mail vor.

Ein paar Wochen später waren wir auch schon auf dem Weg nach Hamburg, wo das Casting stattfand. Eigentlich war ich ziemlich gut vorbereitet und deshalb sehr entspannt. Ich hatte diesen Prozess ja schon einmal mitgemacht und dachte mir, dass es wohl ähnlich sein würde. Ich hatte Songs von Adele, Jason Derulo und Macklemore vorbereitet, wobei ich nur Bock hatte, The Other Side von Jason Derulo zu performen, und die anderen nur zur Sicherheit mal genannt habe. Can´t holdus von Macklemore hatte ich eigentlich nur im Back-Up, aber als wir am Tag vor dem Casting bei meiner Tante, die in Hamburg lebt, abends zusammensaßen und ich die Songs übte, meinten alle, dass Macklemore das Beste war, weil ich da nicht nur gesungen, sondern auch gerappt habe. Und weil ich beides ganz gut draufhatte, waren alle der Meinung, dass dies ein entscheidender Punkt sein könnte, warum sich jemand für mich umdrehen sollte.

Am nächsten Morgen fuhren wir zum Casting, und ich bereitete mich schon geistig darauf vor, den ganzen Tag mit Warten zu verbringen, aber es kam ganz anders. Als ich ankam, musste ich bei der Anmeldung sofort ein Foto vor der typischen The Voice – Wand machen, das heißt, jeder, der dort war, hatte, bevor es überhaupt losging, eine schöne Erinnerung, aber es ging direkt weiter. Man musste kaum Zeit totschlagen, und ich wurde nach nur wenigen Minuten mit drei anderen Kids in den Raum geführt, wo die Jury war. Die anderen vier Kandidaten aus meiner Gruppe waren alles Mädchen und etwa im gleichen Alter wie ich. Älter als 14 durfte man da ja auch nicht sein. Wir saßen in dem Raum auf Stühlen vor der Jury, die aus sieben Leuten bestand, Männer und Frauen. Diesmal war alles etwas freundlicher und familiärer, nicht so eine Massenabfertigung wie beim Supertalent. Man hatte das Gefühl, den Verantwortlichen war es wichtig, den Kandidaten ein gutes Gefühl zu geben. Man sollte auch nicht allein in den Raum vor die Jury treten, sondern alle gleichzeitig. Trotzdem sieht es in so einem Raum, wo ein Casting stattfindet, immer etwas schulmäßig aus. Da sitzen eben ein paar Leute wie Lehrer vor einem, und man muss abliefern und sie überzeugen. Das kennt jeder aus der Schule.

Nach dem letzten Abend kämpfte ich immer noch mit mir, welchen Song ich performen sollte. Ich entschied mich dann doch für The other side von Jason Derulo, weil ich mich damit am sichersten fühlte und den Song am meisten gefeiert habe. Meine Familie favorisierte ja den anderen, und sie sollte recht behalten, denn als ich dran war, habe ich es einfach verkackt. Ich kann nicht sagen, weshalb, aber ich traf die Töne einfach nicht und bin nicht in den Song reingekommen wie sonst, sodass ich ihn geil präsentieren konnte. Und das hat die Jury auch gemerkt. Ich dachte: Das war´s! Ich habe es versaut. Aber dann fragte einer aus der Jury, ob ich rappen kann. »Ja, klar kann ich rappen!«, schoss es aus mir heraus. Ich hatte im Nachhinein keinen Plan, wie ich so selbstbewusst sein konnte, nachdem ich nur Minuten zuvor alles versaut hatte mit meinem Lieblingslied, aber ich wollte es diesmal wirklich schaffen und weiterkommen. Es war der Zeitpunkt gekommen, dass es endlich etwas vorwärtsgehen sollte bei mir. Ich hatte damals schon mit meinem YouTube