Der magische Jahreskreis - Rebecca Beattie - E-Book

Der magische Jahreskreis E-Book

Rebecca Beattie

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Beschreibung

Im Einklang mit den Zyklen der natürlichen Welt

Im Rhythmus der Natur liegt eine tiefe Kraft. Dieses Buch zeigt, wie wir uns mit dem magischen Jahreskreis verbinden, um zur Ruhe zu kommen, zu beobachten, was in der Natur geschieht und neue saisonale Rituale zu entwickeln. Das in der Wicca-Religion gebräuchliche System von acht jahreszeitlichen Festtagen bietet den idealen Rahmen, um in Einklang mit den alten Rhythmen des Jahres zu treten – von der Tagundnachtgleiche bis hin zur Sonnenwende. Die Wicca-Priesterin Rebecca Beattie zeichnet die Zyklen der Natur fachkundig nach und lädt uns ein, mit Werkzeugen, zauberhaften Traditionen und wilder Magie die jahreszeitlichen Feste zu erleben, zu würdigen und zu feiern. Mit diesem zugänglichen Leitfaden kann jeder die tiefe Kraft der Natur entdecken.

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Seitenzahl: 303

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Buch

Im Rhythmus der Natur liegt eine tiefe Kraft. Dieses Buch zeigt, wie wir uns mit dem magischen Jahreskreis verbinden, um zur Ruhe zu kommen, zu beobachten, was in der Natur geschieht und neue saisonale Rituale zu entwickeln. Das in der Wicca-Religion gebräuchliche System von acht jahreszeitlichen Festtagen bietet den idealen Rahmen, um in Einklang mit den alten Rhythmen des Jahres zu treten – von der Tagundnachtgleiche bis hin zur Sonnenwende. Die Wicca-Priesterin Rebecca Beattie zeichnet die Zyklen der Natur fachkundig nach und lädt uns ein, mit passenden Utensilien, zauberhaften Traditionen und wilder Magie die jahreszeitlichen Feste zu erleben, zu würdigen und zu feiern. Mit diesem zugänglichen Leitfaden kann jeder die tiefe Kraft der Natur entdecken.

Autor*in

Rebecca Beattie wuchs in Dartmoor auf. In dieser hügeligen Landschaft Englands lernte sie schon früh die Kraft der Natur zu schätzen. Die Autorin praktiziert seit zwanzig Jahren Hexerei und ist Wicca-Priesterin. Darüber hinaus ist Rebecca Beattie in einer großen Wohltätigkeitsorganisation tätig, hält regelmäßig Vorträge über Hexenkunst und hat im Bereich Kreatives Schreiben promoviert.

Rebecca Beattie

Der magische Jahreskreis

Dein Leben im Einklang mit der Natur:

Wicca-Traditionen von den Sonnenwenden bis zu den Tagundnachtgleichen

Aus dem Englischen

von Marion Zerbst

Die englische Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel »The Wheel of the Year« bei Elliott & Thompson, London.

Alle Ratschläge in diesem Buch wurden von der Autorin und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autorin beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe September 2024

Copyright © 2022 der Originalausgabe: Rebecca Beattie

Copyright © 2024 der deutschsprachigen Ausgabe: Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Carla Felgentreff

Innenteil-Illustrationen: Elin Manon

Umschlag: UNO Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: © Antonia Hinterdobler für FinePic®, München

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

KF ∙ CB

ISBN 978-3-641-31125-4V002

www.goldmann-verlag.de

Inhalt

Einführung

eins Wintersonnenwende oder Yule

zwei Imbolc oder Lichtmess

drei Frühlings-Tagundnachtgleiche

vier Nacht zum 1. Mai oder Beltane

fünf Mittsommer oder Sommersonnenwende

sechs Lammas

sieben Herbst-Tagundnachtgleiche

acht Nacht zum 1. November oder Samhain

Desideratum oder Manifest des vollkommen Unvollkommenen

Danksagung

Quellenangaben

Weiterführende Literatur

Einführung

Ich war nicht von Geburt an eine Hexe. Das gilt übrigens für die meisten Menschen aus meiner Generation – auch wenn ich im Lauf meines Lebens durchaus schon der einen oder anderen »geborenen Hexe« begegnet bin. Ich bin nicht die siebte Tochter einer siebten Tochter. Mir ist noch niemals beim Autofahren plötzlich die Göttin erschienen. Ganz im Gegenteil: Ich bin in einem kleinen Dorf auf dem Land aufgewachsen, in dem die meisten Menschen der anglikanischen Kirche angehörten. Doch wenn ich heute auf meine Kindheit zurückblicke, dann gab es durchaus auch damals schon Anzeichen dafür, dass ich später einmal diesen Weg einschlagen würde. Meine Lieblingszeit im Jahr war das Erntedankfest: Dann schmückten wir die Kirche mit Herbstblumen – rotem Mohn und orangefarbenen Chrysanthemen, die wir mit Weizenähren verflochten – und brachten Lebensmittel als Spenden für die Bedürftigen mit. Und in den Predigten drehte sich alles um die Natur und die Schöpfungszeit. Während dieser Gottesdienste fühlte ich mich in der Kirche viel mehr zu Hause als sonst. Obwohl ich viele Jahre lang fest in die routinemäßigen Abläufe unserer Kirche eingebunden war, habe ich mich dort eigentlich immer fehl am Platz gefühlt – unter anderem deshalb, weil mich das Fehlen einer weiblichen göttlichen Instanz irritierte. In der Schule befasste ich mich mit vergleichender Religionswissenschaft. Die Traditionen anderer Menschen faszinierten mich. Obwohl mir das damals noch nicht so richtig klar war, befand ich mich auf der Suche; allerdings brauchte ich ein bisschen länger, um zu erkennen, dass ich eben doch nicht so ganz die Agnostikerin war, für die ich mich hielt. Mit achtzehn Jahren ließ ich mein Elternhaus und das Dorfleben hinter mir und machte mich auf die Suche nach Abenteuern und einer Karriere als Schauspielerin; denn ich war mir sicher, für diesen Beruf geboren zu sein.

Es ist schon komisch, wie die Landkarte unseres Lebens sich im Lauf der Jahre verändert, sodass wir uns manchmal fragen, ob wir womöglich irgendwo falsch abgebogen sind. Machen wir nun einen Sprung um ungefähr zehn Jahre in die Zukunft: Als bei mir endlich der Groschen fiel, war ich Ende zwanzig und lebte in London. Damals führte ich ein aktives soziales Leben und wirkte an einem kreativen Projekt mit, das ich als sehr bereichernd empfand: Ich leitete zusammen mit meinen zwei besten Freunden ein Filmkollektiv, tourte durch ganz England und spielte in Macbeth, meinem Lieblingsstück von Shakespeare, mit. Trotzdem war ich unzufrieden mit meinem Leben und fühlte mich irgendwie falsch. Denn erstens war vor Kurzem eine für mich sehr wichtige Beziehung in die Brüche gegangen, und zweitens frustrierte es mich, dass ich es bisher nicht geschafft hatte, mir meinen Lebensunterhalt mit der Schauspielerei zu verdienen. Doch in Wirklichkeit steckte viel mehr hinter meiner Missstimmung: Ich erlebte gerade ein Phänomen, das moderne Hexen oder Heiden als »Saturn Return« oder »Saturn-Rückkehr« bezeichnen. In der Astrologie bedeutet dies, dass der Planet Saturn (der für Stabilität und für unser festes Fundament im Leben steht) in unserem Horoskop wieder genau an der Position angelangt ist, wo er sich bei unserer Geburt befand. Oder um es einfacher auszudrücken: Meine Welt, so wie ich sie kannte, neigte sich dem Ende zu.

Mein ganzes Leben schien irgendwie ins Wanken zu geraten und ich begann, alle meine Lebensentscheidungen zu überdenken. Während unserer Tourneen wohnten wir auf Bauernhöfen und waren auf Schritt und Tritt von Natur umgeben. Ich stand morgens schon bei Sonnenaufgang auf, machte Spaziergänge in der ländlichen Umgebung und verbrachte eine ruhige, beschauliche Zeit in völliger Einsamkeit, umgeben von Bäumen und Feldern. Endlich hatte ich Zeit, richtig durchzuatmen, und die Inspiration konnte ungehindert in mich hineinfließen. Das war es, was mir in meinem bisherigen Leben gefehlt hatte. Auf all den Großstadtstraßen, die ich auf dem Weg zu meinen Vorsprechterminen entlanglief, in all den staubigen Proberäumen und bei all den Verwaltungsjobs, die ich annahm, um meine Miete bezahlen zu können, hatte ich den Kontakt zur Natur vermisst. Und was noch wichtiger war: Ich hatte am falschen Ort – außerhalb meiner selbst – nach Erfüllung gesucht. Das war der Anfang meines Wegs zur Selbsterkenntnis.

Als ich von dieser Macbeth-Tournee nach London zurückkehrte, wusste ich, dass ich meinen spirituellen Frieden in der Natur gefunden hatte und dass es noch mehr im Leben geben musste als das Elend der knallharten Ablehnungen, die ich während meiner Karriere als Schauspielerin erlebt hatte. Ich machte mich auf die Suche nach einem Sinn – in der Absicht, wieder zur Schauspielerei zurückzukehren, sobald ich einen Weg zu einem erfüllteren Leben gefunden hatte. Und diese Suche führte mich zu meiner Wicca-Ausbildung.

Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie den Begriff »Wicca« noch nie gehört haben oder sich jetzt womöglich fragen, ob ich ein bisschen komisch bin. (Das stimmt übrigens tatsächlich – aber sind wir das nicht alle?) Über dieses Thema werde ich Ihnen später noch ein bisschen mehr erzählen. Vorläufig brauchen Sie nur zu wissen, dass es sich bei Wicca um eine spirituelle Lebensweise handelt, die etwas mit unserer heiligen Verbindung zur Natur zu tun hat.

Auf diesem Weg lernte ich den magischen Jahreskreis kennen – ein Konzept, das mir half, meinen Platz in der Welt besser zu verstehen und die innere Verbindung zur Natur zu vertiefen, die ich während meiner Reisen durch ländliche Gegenden gespürt hatte. Endlich lernte ich die Wunder des Kreislaufs der Natur – unabhängig vom Ort oder von der Jahreszeit – kennen und schätzen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Jahr in kleinere, überschaubare Abschnitte zu unterteilen. Unsere auf die griechisch-römische Tradition zurückgehenden zwölf Monate des Jahres sind eine davon; aber auch andere Religionen haben ihre Methoden, um die Zeit zu messen. Im modernen Heidentum wird das Jahr seit der Mitte des 20. Jahrhunderts durch den magischen Jahreskreis definiert und abgegrenzt. Doch inzwischen erfreut sich dieser jahreszeitliche Kalender weltweit immer größerer Beliebtheit und findet bei Naturliebhabern zunehmenden Anklang. Wenn Sie in den letzten Jahren in den sozialen Medien unterwegs waren, sind Sie dabei wahrscheinlich auch schon auf dieses Thema gestoßen: #witchesofinstagram ist einer der meistverfolgten Hashtags, Witchtok ist in aller Munde, und die Menschen sind sehr neugierig auf die verschiedenen Strömungen des modernen Heidentums geworden. Immer mehr Leute interessieren sich für Druidentum, Hexerei und die vielen anderen spirituellen Glaubensrichtungen, die unter dem Oberbegriff »Heidentum« zusammengefasst werden und sich am magischen Jahreskreis orientieren. Man muss sich aber nicht unbedingt als Heide oder Heidin bezeichnen, um einen Sinn in diesem Jahreskreis oder Jahresrad zu erkennen: Wenn Sie die Natur lieben und sich gerne öfter dort aufhalten würden, um nachzudenken, zu beobachten, zu träumen, kreativ zu sein und geheilt zu werden, kann Ihnen das Jahresrad dabei helfen.

Dieses Rad lässt sich am besten durch ein altmodisches Wagenrad darstellen. Es ist in acht Feste – sogenannte Sabbate – unterteilt, die von heidnischen Zirkeln auf der ganzen Welt begangen werden und einen bestimmten Zeitpunkt im Kreislauf der Natur markieren – einen Tag der Kontemplation und des Feierns. Diese Sabbate finden ungefähr alle sechs Wochen statt, und in diesen Festlichkeiten spiegelt sich stets das wider, was um diese Zeit in der Natur gerade geschieht. Wenn wir uns also am Jahresrad orientieren, können wir mit der Erde in Kontakt bleiben, während wir die vier Jahreszeiten durchleben. Mit meinem Buch möchte ich Sie durch diese Sabbate hindurchführen und Ihnen dabei helfen, Ihre ganz persönliche Verbindung zur Natur und zu sich selbst zu entdecken.

Einige dieser acht Feste haben ihren Ursprung in den keltischen Kulturen Europas, aber nicht alle. Das Rad als zusammenhängendes Ganzes ist nicht so alt, wie wir vielleicht glauben. Einerseits ist es ein uraltes Phänomen, andererseits aber auch wieder nicht. Das möchte ich Ihnen nun ein bisschen genauer erklären.

Der Jahreskreis wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von zwei Männern – Ross Nichols (dem Vater des modernen heidnischen Druidentums) und Gerald Gardner (dem Vater des modernen heidnischen Hexentums) – konzipiert. Sie ließen sich dabei von Theorien über einen uralten Hexenkult und von der Idee eines stärker vom Schamanentum und von der Natur geprägten, naturnahen indigenen Glaubens inspirieren, der bereits existiert hatte, bevor das Christentum auf die Britischen Inseln kam. Damit gab es allerdings ein kleines Problem: Archäologische Untersuchungen beweisen zwar, dass solche Glaubensvorstellungen schon vor der Ankunft der Römer in Großbritannien existiert haben; doch diese Untersuchungen stützten sich weitgehend auf mündliche Überlieferungen und die diesen religiösen Praktiken zugrunde liegende Bedeutung war in der Zwischenzeit größtenteils verloren gegangen. Davon ließen Nichols und Gardner sich jedoch nicht abschrecken, sondern begannen neue heidnische Traditionen zu entwickeln, wobei sie die Natur als wichtigste Inspirationsquelle für den Aufbau einer Beziehung zum Göttlichen nutzten. Insofern ist es eigentlich kein Wunder, dass aus diesen in den Zyklen von Mutter Erde verwurzelten Praktiken später der Jahreskreis entstanden ist.

Nichols’ Druiden begannen die Vierteltage (»Quarter Days«) zu feiern: die Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen, die den Beginn jedes Jahresviertels markieren. (Ursprünglich handelte es sich dabei um die Zeitpunkte, zu denen Mieten und andere Zahlungen fällig waren.) In der Zwischenzeit feierten Gardners Hexen die keltischen Äquivalente dieser Tage, die unter der Bezeichnung »Cross Quarter Days« bekannt geworden waren, weil sie zwischen die englischen »Quarter Days« fielen. Mitte des 20. Jahrhunderts verschmolzen diese beiden Praktiken miteinander und damit war der magische Jahreskreis geboren. Seitdem orientieren sich die modernen Heiden bei ihren religiösen Praktiken an diesem Jahresrad und feiern folgende Sabbate:

Yule oder Wintersonnenwende (Mittwinter) – ca. 21. Dezember

Imbolc – 1. Februar

Frühlings-Tagundnachtgleiche – ca. 21. März

Beltane oder Nacht zum 1. Mai – 30. April/1. Mai

Sommersonnenwende (Mittsommer) – ca. 21. Juni

Lammas – 1. August

Herbst-Tagundnachtgleiche – ca. 21. September

Samhain oder Nacht zum 1. November – 31. Oktober

(Die genauen Daten können variieren, weil die Erde ein bisschen mehr als 365 Tage braucht, um die Sonne zu umrunden – deshalb gibt es Schaltjahre.)

Seit einigen Jahren gebe ich in einer Buchhandlung namens Treadwell’s in Bloomsbury Kurse über den heidnischen Jahreskreis. Treadwell’s nimmt im Leben vieler Menschen einen wichtigen Platz ein; dort kommen Suchende aus der ganzen Welt vorbei. Das britische Klima bietet uns die Möglichkeit, vier verschiedene Jahreszeiten zu erleben, und im Jahresrad spiegelt sich dieser Kreislauf wider. Deshalb frage ich an einem der Höhepunkte meines Kurses, was man in der Natur gerade beobachten kann. Manchmal schauen die Teilnehmenden, die oft fest im Großstadtleben verwurzelt sind, mich dann verständnislos an; doch bald werden sie neugierig und sehen sich tatsächlich ein bisschen genauer in ihrer Umgebung um. Viele ihrer Antworten beschreiben, was in den städtischen Parks oder Gärten zu sehen ist.

Doch als die COVID-Pandemie um sich griff und meine Kurse eine Zeit lang nur noch online stattfanden, fiel mir eine Veränderung auf: Jetzt kamen die Teilnehmenden aus der ganzen Welt, und ihre Antworten auf diese Frage wurden abwechslungsreicher. Wir erfuhren, dass die Waldbrandsaison an Lammas begann, dass es in Grönland zur Wintersonnenwende nur vier Stunden lang Tageslicht gibt, dass die Spanier zur Herbst-Tagundnachtgleiche nicht nur Äpfel, sondern auch Orangen ernten und dass die Jahreszeiten auf der Südhalbkugel denen auf der Nordhalbkugel genau entgegengesetzt sind: Während wir die Wintersonnenwende feierten, begingen unsere Vettern auf der südlichen Hemisphäre die Sommersonnenwende; unsere Frühjahrs-Tagundnachtgleiche fiel mit ihrer Herbst-Tagundnachtgleiche zusammen usw.

Das Schöne an einer von alten Traditionen inspirierten, aber dennoch modernen spirituellen Praxis ist, dass man sie auf flexible Weise an seine persönliche Erfahrungswelt anpassen und dementsprechend ausweiten kann. Kein Dogma schreibt Ihnen vor, dass Sie im Herbst unbedingt die Apfelernte feiern müssen, wenn es in Ihrer Gegend keine Äpfel gibt oder auf Ihrer Halbkugel gerade die Frühlingsblumen blühen. Und es macht auch wenig Sinn, an Beltane im Mai den Beginn der Weißdornblüte zu feiern, wenn in Ihrer Heimat kein Weißdorn wächst. Es ist zwar sehr sinnvoll, zu wissen, woher diese Bräuche kommen und welche Symbolik ihnen innewohnt; aber Sie können sich beim Feiern dieser Feste einfach von der Natur inspirieren lassen, egal wo Sie wohnen. Die Sabbate auf dem Jahresrad sind also nur ein grobes Schema, ein Leitfaden, eine Art Landkarte – aber denken Sie daran: Die Landkarte ist nicht dasselbe wie das Land.

In unserer menschlichen Erfahrungswelt gibt es viele Gemeinsamkeiten, die von der geografischen Region, in der wir leben, unabhängig sind; daher werden Sie in den jahreszeitlichen Festen und Zeremonien verschiedener Kulturen auf der ganzen Welt oft ähnliche Themen finden. Während Heiden und Kelten an Samhain ihre Vorfahren ehren, feiert man in Mexiko den Día de los Muertos; in Oberägypten besuchen die Menschen ihre Familiengräber; in der christlichen Religion wird Allerheiligen gefeiert; wieder andere Menschen feiern Halloween. Die meisten dieser Feste gibt es in der einen oder anderen Form schon seit Jahrhunderten: Durch die ganze Welt zieht sich ein roter Faden, der diese Festlichkeiten – sei es durch das kollektive Unbewusste oder auf andere Weise – miteinander verbindet und uns in Ehrfurcht unserer Vorfahren und in Liebe unserer Verstorbenen gedenken lässt.

Einer der Vorteile des Jahresrads besteht darin, dass es einen Zyklus darstellt, sodass man jederzeit in diese Festivitäten einsteigen kann. Sie müssen also nicht auf einen passenden »Anfang« warten, um mit dem Feiern der Sabbate zu beginnen; Sie können sich jetzt gleich in diesen Zyklus einklinken. Dazu müssen Sie nur den Wunsch haben, Ihr eigenes Leben stärker an den Kreisläufen der Natur auszurichten. Und es spielt auch keine Rolle, ob Sie auf dem Land oder in der Stadt leben: Ich selbst habe ein Vierteljahrhundert lang in einer großen Metropole gelebt und weiß, wie beglückend es sein kann, nach versteckten Wegen und Gärten, Blumenkästen und von Bäumen gesäumten Straßen Ausschau zu halten und die Parks, Flüsse und Kanäle mit ganz neuer Aufmerksamkeit zu betrachten.

Aufgrund seines zyklischen Charakters ermöglicht uns das Jahresrad auch einen anderen Blick auf das menschliche Leben – eine optimistische Perspektive, die davon ausgeht, dass »das Glas noch halb voll ist«: Es bietet uns alle sechs Wochen die Möglichkeit, innezuhalten und über unser Leben nachzudenken – fast so, als könnten wir wieder einen neuen Anfang machen, ein leeres Blatt Papier beschreiben. Sie sind nicht zufrieden damit, wie Ihr Leben in den letzten sechs Wochen verlaufen ist? Kein Problem – Sie können genau jetzt anfangen, Entscheidungen zu treffen, die eine Veränderung herbeiführen. Im Lauf der Zeit habe ich durch das Jahresrad eine tiefere Bedeutung in meinem Leben entdeckt und hoffe, dass Sie diese Erfahrung ebenfalls machen werden. Denn das Rad ist nicht nur ein Kreis, sondern auch eine Spirale, die sich ständig durch unser Leben hindurchbewegt. Jedes Sonnenjahr bringt uns neue, tiefere Erkenntnisse.

Seit dem Aufkommen des modernen Heidentums hat sich diese Praxis weiterentwickelt und im Lauf der Zeit wurden diese Feste und Zeremonien immer reicher ausgeschmückt. Es sind andere Mythologien in den Jahreskreis eingeflossen, an die die Heiden, die den ursprünglichen Praktiken von Gardner und Nichols anhängen, sich allerdings nicht immer halten. Was ich Ihnen in diesem Buch erzähle, wird sich also vielleicht in manchen Punkten von den Informationen unterscheiden, die Sie im Internet über das Jahresrad finden. Vielleicht sind Sie beispielsweise auf die Geschichte vom Eichenkönig und dem Stechpalmenkönig gestoßen, die miteinander um die Herrschaft über das Jahr kämpfen – der Eichenkönig übernimmt den Thron in den Sommermonaten, während im Winter der Stechpalmenkönig an der Reihe ist. Das ist zwar eine nette Geschichte, aber sie wurde erst viel später in das Jahresrad eingefügt, als dieses in den 1970er-Jahren in den USA populär wurde. Das Gleiche gilt für die »keltischen« Namen Ostara, Litha, Lughnassadh und Mabon, die in den 1980er-Jahren hinzugekommen und an die Stelle von Frühlings-Tagundnachtgleiche, Sommersonnenwende, Lammas und Herbst-Tagundnachtgleiche getreten sind. Sie werden feststellen, dass ich diese Begriffe hier nicht verwende – nicht nur, weil sie erst später hinzukamen, sondern auch, weil ich den dahinterstehenden Gedanken in vielerlei Hinsicht für problematisch halte. Viele Mitglieder der Wicca-Gemeinschaft in Großbritannien lehnen diese Namen kategorisch ab, weil sie willkürlich hinzugefügt wurden (und weil das nach Ansicht mancher Leute nur geschehen ist, um dem Jahresrad einen authentischeren Anstrich zu verleihen). Das ist eine persönliche Entscheidung, und Sie können die Feste natürlich nennen, wie Sie wollen; doch in diesem Buch werde ich Sie so durch den Jahreskreis hindurchführen, wie es mir beigebracht wurde und wie Gerald Gardner und Ross Nichols ihn ursprünglich konzipiert haben.

Da wir gerade beim Thema Sprache sind: Ich verwende auf dieser Entdeckungsreise durch den Jahreskreis auch ein paar Begriffe, die Sie vielleicht überraschen werden. Das erste unserer verzwickten terminologischen Probleme ist der Name »Wicca«. Diese Bewegung ist in Großbritannien nicht hundertprozentig als Religion anerkannt; trotzdem bezeichne ich mich als Wicca-Priesterin – ein Titel, der mir bei meiner Aufnahme in meinen Hexenzirkel verliehen worden ist. Ich befinde mich nun schon seit über zwanzig Jahren in der Ausbildung; doch wie mein Lehrer gerne sagt: »In diesem Leben sterben wir alle als Anfänger.«

Das Leben einer Wicca-Priesterin eignet sich nicht für jeden; man muss sich dazu berufen fühlen und außerdem einen starken Glauben an das Göttliche haben. Die Anhänger der Wicca-Bewegung erkennen sowohl das heilige Weibliche als auch das heilige Männliche und alle dazwischenliegenden Geschlechtsidentitäten an. Egal ob Sie sich dem Monotheismus oder Pantheismus, Agnostizismus oder Atheismus zugehörig fühlen – ich habe vielleicht eine andere Weltanschauung als Sie. Aber das ist auch gar nicht so wichtig. Es kommt nur darauf an, dass wir alle unseren eigenen Weg finden, mit der Natur, dem Göttlichen und unserem eigenen spirituellen Ich in Verbindung zu treten.

Doch das hier ist kein Buch über Religion. Es geht darin vielmehr um unsere Verbindung mit der Natur und mit allen Dingen und Lebewesen, die das Reich der Natur umfasst. Also ersetzen Sie meine Terminologie ruhig durch Ihre eigenen Begriffe! Ich habe viele Jahre lang vergleichende Religionswissenschaft studiert und finde alle Religionen faszinierend. Deshalb möchte ich Sie auch nicht zum Heidentum bekehren; denn diese Bewegung kennt keinen Missionseifer. Ich respektiere alle Wege, die uns dazu verhelfen, ein glücklicheres, erfüllteres Leben zu führen, solange wir anderen Menschen damit keinen Schaden zufügen.

In diesem Buch geht es vielmehr darum, mithilfe der Sabbate – dieser wichtigen kleinen Auszeiten im Jahresverlauf – mit den Kreisläufen der Natur in Verbindung zu treten. Sie erfahren darin vieles über die Feste selbst – ihre spirituellen und praktischen Elemente und die ihnen zugrunde liegenden Mythen und Traditionen –, und ich werde Sie auch immer wieder dazu anregen, sich Gedanken darüber zu machen, was in der Welt der Natur vor sich geht, und sich mit dem Wechsel der Jahreszeiten zu befassen, indem Sie spazieren gehen oder Ihre Beobachtungen in einem Tagebuch festhalten. Wir Menschen haben uns im Lauf der Zeit sehr stark vom Göttlichen, von der Natur und den anderen Tieren entfremdet und betrachten uns entweder als oberstes Glied der Nahrungskette oder als allerletzten Punkt auf unserer Prioritätenliste. Das bedeutet, dass manche Menschen auch die Natur und ihre eigene Göttlichkeit missachten. Wenn wir nicht erkennen, was am täglichen Leben und an unserer Umgebung heilig ist, haben wir jeden Sinn für das Heilige verloren.

Ich werde Sie auch immer wieder dazu anspornen, verschiedene praktische Aktivitäten auszuprobieren, bei denen man etwas selbst herstellen kann, statt es zu kaufen. Ich selbst übe viele verschiedene handwerkliche Tätigkeiten aus – zum Beispiel stelle ich Seife, Badesalz und Kerzen her und versuche mich auch im Nähen und Sticken, obwohl ich darin eine absolute Katastrophe bin. Wenn Sie Ihre Gebrauchsgegenstände selbst herstellen, können Sie etwas von Ihrer eigenen Persönlichkeit in sie hineinfließen lassen und ihnen damit eine besondere Bedeutung verleihen. Aber durch bestimmte Aktivitäten oder durch die Verwendung von Zutaten, die einen Bezug zu einer bestimmten Jahreszeit haben, verbinden Sie sich auch mit dem Jahreskreis.

Zum Beispiel wird jede Jahreszeit von einem bestimmten Planeten »regiert«. Dabei handelt es sich um ein uraltes System der Planetenphilosophie, bei dem man davon ausging, dass zwei Himmelskörper (Sonne und Mond) und fünf Planeten (Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn) sich um die Erde drehen. Jeder dieser Himmelskörper besaß andere Eigenschaften und heilende Fähigkeiten, und man teilte alles, was es in der Natur gibt, in verschiedene Kategorien ein, die unter die Herrschaft eines dieser sieben Himmelskörper fallen.

Mit diesem Entsprechungssystem arbeiten wir auch heute noch. Wenn wir Rezepte – zum Beispiel für Badesalze, Salben, Räucherstäbchen, Öle und Tränke – entwickeln und die betreffenden Produkte herstellen, wählen wir dafür Zutaten, die von dem Planeten regiert werden, den wir bei unseren Bemühungen um Hilfe anrufen möchten. Wenn ich Liebe herbeirufen möchte, werde ich zum Beispiel mit Venus und vielleicht auch mit Rosen arbeiten. Wenn ich etwas für meine Gesundheit und Vitalität tun möchte, arbeite ich dagegen mit der Sonne und vielleicht auch mit Orangen oder Weihrauch.

Ich werde Ihnen in diesem Buch für jeden Sabbat den Herrscherplaneten, die dazugehörige Tarotkarte und auch das dazugehörige astrologische Zeichen nennen, denn sie prägen die Qualität des jeweiligen Sabbats. Außerdem ist jedem Sabbat eine Himmelsrichtung zugeordnet. Denn bei der Magie arbeiten wir in einem Kreis und das Jahresrad wird auf diesen magischen Raum gelegt. Wenn sich das Jahresrad weiterdreht, drehen auch wir uns in die neue Himmelsrichtung und stellen unseren Altar in die neue Position. An späterer Stelle werde ich Ihnen noch ein bisschen mehr darüber erzählen, was das bedeutet. Falls Sie sich eingehender mit diesem Thema beschäftigen möchten, finden Sie Hinweise dazu am Ende dieses Buches (siehe hier).

Außerdem werde ich für jeden Sabbat ein kleines Ritual beschreiben, das Sie dazu anregen soll, kurz innezuhalten, mit der Natur in Kontakt zu treten und sich zu überlegen, welche Gedanken Sie gerade bewegen. Denn das ist der eigentliche Sinn des Jahresrads. Mithilfe von Ritualen können wir Übergangspunkte markieren und ihnen eine besondere Bedeutung verleihen. Rituale sollten sich nicht »wie einstudiert« anfühlen. Versuchen Sie einfach, ein bisschen spontan zu sein und sich darauf einzulassen! Dann werden Sie dem Göttlichen begegnen – und Magie entdecken.

Keine Sorge: Ich will Ihnen in diesem Buch nicht beibringen, finstere Mächte zu beschwören oder maleficium (schwarze Magie) zu praktizieren. Obwohl wir Hexen jahrhundertelang des Satanismus bezichtigt wurden, beten heidnische Hexen nicht den Teufel an. Sie werden vielmehr feststellen, dass ich ein sehr nüchternes, sachliches Bild von Magie habe: Für mich geht es dabei um einen positiven Austausch mit dem Universum und nicht darum, sich zu nehmen, was man kriegen kann. Bevor Sie versuchen, die Welt zu verändern, sollten Sie sich lieber erst einmal darauf konzentrieren, Ihre inneren Überzeugungen davon zu verändern, was Sie erreichen können – das ist eine aktive Form des Gebets. Scott Cunningham, ein amerikanischer Autor, der in den 1980er-Jahren viele Bücher über magische Praktiken verfasst hat, schreibt dazu:

Magie ist etwas ganz Natürliches – eine harmonische Bewegung von Energien mit dem Ziel, notwendige Veränderungen herbeizuführen. Wenn Sie Magie praktizieren möchten, müssen Sie die Vorstellung, dass es sich dabei um etwas Paranormales oder Übernatürliches handelt, beiseiteschieben.

Sie werden in diesem Buch also kein Geheimrezept dafür finden, wie man auf magische Weise verschwindet und wiederauftaucht, sondern eher ein paar Jahreszeitenzauber, mit deren Hilfe Sie mit Ihrem Unterbewusstsein in Verbindung treten können.

Mit Ihrem inneren Ich in Kontakt zu kommen, es zu nähren und zu bereichern, ist für mich einer der wichtigsten Aspekte bei diesen Praktiken. Denn in unserer heutigen schnelllebigen Zeit kann es sehr leicht passieren, dass unser Selbstwertgefühl abnimmt und wir vergessen, uns liebevoll um uns selbst zu kümmern. In den über zwanzig Jahren, in denen ich im Gesundheits- und Wohltätigkeitssektor gearbeitet habe (und mein Bereich ist leider schon seit Jahrzehnten unterbezahlt und unterfinanziert), habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich selbst Wertschätzung entgegenzubringen, weil man sonst nicht in der Lage ist, etwas für andere Menschen zu tun. An dem uralten Klischee, dass man zuerst seine eigene Sauerstoffmaske aufsetzen muss, bevor man anderen Leuten helfen kann, ist tatsächlich etwas Wahres dran. Deshalb lege ich in diesem Buch mehr Wert darauf, wieder mit unserer eigenen Heiligkeit in Verbindung zu treten, als nach einem äußeren Ziel zu streben. Außerdem werde ich Sie dazu ermutigen, ein bisschen freundlicher mit Ihrem inneren Ich umzugehen, als Sie es bisher vielleicht gewohnt waren.

Ich werde in diesem Buch jeden Sabbat mit den ihm zugeordneten Themen oder Qualitäten vorstellen, und die praktischen Übungen sollen Ihnen helfen, mehr von der betreffenden Qualität in Ihr Leben hineinzuholen. An Yule werden wir zum Beispiel daran arbeiten, Hoffnung zu finden, während das Thema von Beltane die Freude ist. Zur Frühlings-Tagundnachtgleiche werden Sie mit Ihrer Inspiration in Kontakt treten und zur Sommersonnenwende werden wir uns mit dem Konzept der Souveränität beschäftigen. Sie können dieses Buch zum einen als Anregung dafür nutzen, wie man im Einklang mit den Jahreszeiten lebt, zum anderen soll es aber auch ein Leitfaden für Ihre spirituelle Reise in Ihr eigenes Inneres sein. Sich die Zeit zu nehmen, an sich selbst zu arbeiten, wird Ihnen anfangs vielleicht ein bisschen wie Selbstverliebtheit vorkommen; doch das ist es nicht. Ganz im Gegenteil: Es ist eine lohnende Investition, die Ihnen viele Jahre lang inneren Reichtum bringen wird.

Doch kommen wir nun zum Grund unserer gemeinsamen Entdeckungsreise zurück: Geben Sie sich dem Zauber der Natur hin! Entdecken Sie den Jahreskreis neu und feiern Sie ihn; das wird Sie innerlich aufbauen und bereichern. Und wie bereits erwähnt: Sie können damit jederzeit anfangen. Ich werde in diesem Buch mit Yule oder der Wintersonnenwende (»Mittwinter«) beginnen, denn das ist die »Geburt der Sonne«, und diese Zeit scheint mir ein ebenso guter Ausgangspunkt zu sein wie jeder andere.

EINS Wintersonnenwende oder Yule

ca. 21. Dezember (nördliche Halbkugel)

ca. 21. Juni (südliche Halbkugel)

Die ätherischsten Formen der Natur gehören zum Winter: die Schönheit des Blattes, wenn Substanz und Saft daraus verschwunden und nur noch die zarten weißen Umrisslinien übrig sind. Das ist die beste Zeit, um die Proportionen der Dinge kennenzulernen.

Mary Webb

Themen: das leuchtende Licht in der Dunkelheit, Ausruhen, Geburt

Planet: Sonne oder Sol

Himmelsrichtung: Norden

Tarotkarte: Der Stern

Astrologie: Steinbock

Wenn ich Sie fragen würde »Was passiert mitten im Winter in der Natur?«, könnte man es Ihnen nicht verdenken, wenn Sie antworten würden: »Nicht viel«. Die meisten Bäume sind kahl, obwohl einige noch ein paar abgestorbene, trockene Blätter tragen. Diese Bäume haben dem Impuls nachgegeben, einfach loszulassen: entweder allmählich wie die Platanen, bei denen ein Blatt nach dem anderen abzufallen scheint, oder auf einmal wie die Esche, bei der das Abwerfen der Blätter an einen Wutanfall erinnert. Die Silhouetten der Bäume ragen in den Winterhimmel hinein – ihre kahlen Äste nicht mehr von Laub verhüllt, ihre langen Schatten von einer tief am Himmel stehenden Sonne auf die braune Erde geworfen. Ohne die Tarnung durch das grüne Laubdach können wir nun das wahre Wesen, die eigentliche Form dieser Bäume erkennen – etwas, das unseren Augen seit der Frühlings-Tagundnachtgleiche, als die ersten jungen Blätter zum Vorschein kamen, verborgen geblieben ist.

Die Erdachse ist gekippt: Unsere Nordhalbkugel kehrt sich jetzt vom großen Sonnenball ab, während die Menschen auf der anderen Seite der Welt nun wieder in den Genuss des Sommers kommen. Die Wege und Bürgersteige sind von abgefallenen, abgestorbenen Blättern übersät, die mit dem steinernen Untergrund zu einer Einheit zu verschmelzen scheinen. Auch in den Rinnsteinen und an den Straßenrändern liegt Laub, und mit jedem Regenguss und jedem Schritt, den Mensch oder Tier daraufsetzen, verwandelt sich diese Materie immer mehr in Mulch. Das abgestorbene Laub von diesem Jahr wird zur Erde des nächsten Jahres, in der wieder neues Wachstum und neues Leben entstehen können.

Im Winter wird der Naturliebhaber auf seinen Wanderwegen von Formen und Oberflächenstrukturen begleitet. Das wie mit Zuckerguss überzogene Gras knirscht unter seinen Füßen; die Äste der Bäume ragen kreuz und quer in die Leere des Himmels hinein. Sogar unser Atem erhält eine Struktur, wenn er in der kalten Luft sichtbar wird. Die Wege sind vom Regen aufgeweicht und versinken im Matsch. Die Füße der Schweine auf dem Bauernhof sind genauso schlammbespritzt wie meine Strumpfhosen. Alles riecht nach Lehm und Erde. Die Welt ist in gedämpfte Farben getaucht – Braun- und Grüntöne, Schwarz, aber auch klares Blau und Weiß. Die knorrige Oberflächenstruktur der Baumrinde lädt uns dazu ein, sie zu berühren, mit den Händen ihre Linien und Formen nachzuziehen, die manchmal mit feinem grünem Moos überzogen und von Efeuzweigen umrankt sind. Die Hecken tragen jetzt nur noch die Juwelen ihrer Beeren an den kahlen Zweigen und man sieht kaum noch etwas Grünes.

Da es jetzt so wenig Neues in der Natur gibt (obwohl dieser Eindruck manchmal auch täuschen kann), überrascht es Sie vielleicht, dass ich unsere Reise durch den Jahreskreis ausgerechnet mit Yule, also der Wintersonnenwende, antreten möchte. Vielleicht haben Sie auch gehört, dass Samhain (31. Oktober) das keltische Neujahrsfest ist. Daher geht man allgemein davon aus, dass dies auch das Neujahrsfest der Hexen sein muss; aber nicht alle Heiden sind in ihrer Weltsicht vom Keltentum geprägt. Außerdem setzt die Festlegung eines Neujahrspunkts eine lineare Zeitmessung – den Beginn und das Ende von etwas – voraus; doch der Sinn eines Rades besteht darin, dass es sich immer weiterdreht, in unendlichen Spiralen durch die Jahreszeiten hindurchwirbelt.

Ich war noch nie ein Fan von Silvester – all dieser Druck, der auf uns lastet, auszugehen, uns zu amüsieren und gute Vorsätze für das neue Jahr zu fassen, die wir spätestens bis zum 3. Januar schon wieder gebrochen haben, sodass wir dann eine Orgie der Selbstverachtung feiern. Und wenn wir den Zeitpunkt des Jahreswechsels auf Oktober (Samhain) verlegen, verlagert sich dieser Druck dadurch einfach nur in eine andere Jahreszeit hinein. Doch der Jahreskreis gibt uns die Möglichkeit, neu anzufangen, wann immer wir das Bedürfnis danach verspüren, uns ein bisschen besser um uns selbst zu kümmern – egal um welche Jahreszeit. Meiner Meinung nach spielt es eigentlich keine Rolle, wann das neue Jahr beginnt – jeder Tag kann ein neuer Anfang sein.

Daher wollen wir unsere Reise durch das Jahresrad mit dem dunkelsten Abschnitt des Jahres und mit der Geburt der Sonne beginnen. Ein interessanter Gedanke, finden Sie nicht auch? Damit sind wir schon auf den ersten auf der ganzen Welt verbreiteten Archetyp gestoßen – die Geburt der Sonne oder des Gottessohns. Kommt Ihnen das bekannt vor? Dieses Thema beschäftigt die Menschheit schon seit Jahrtausenden.

Um diese Jahreszeit findet man im Internet Hunderte von Memes darüber, wer zuerst Weihnachten gefeiert hat – die Heiden oder die Christen. Doch für mich ist das nicht die entscheidende Frage. Die Wahrheit liegt in einer Kombination aus verschiedenen Überlegungen, je nachdem, welchen Aspekt von Weihnachten Sie meinen. Die Geburt Jesu gehört zum Christentum, aber die Geburt der Sonne/des Sohnes und der Hoffnung – das Bedürfnis, die dunkelste Zeit des Jahres zu erhellen – ist viel älter, und dieser Gedanke ist auf der ganzen Welt verbreitet. Während Weihnachten, so wie wir es kennen, erst in den letzten zwei Jahrhunderten entstand, feiern die Menschen diesen Punkt in der Mitte des Winters schon seit Jahrtausenden.

Wie feierten unsere Ahnen die Wintersonnenwende?

Viele Wintersonnenwendbräuche unserer Vorfahren sind geheimnisumwittert, weil es dazu nur mündliche Überlieferungen gibt. Obwohl unsere Ahnen nichts von unseren heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen wussten, konnten sie doch den Lauf der Sonne beobachten, und dabei fiel ihnen etwas Wichtiges auf: Zwischen Mittsommer (der Sommersonnenwende) und Mittwinter (der Wintersonnenwende) wurden die Tage immer kürzer. Die länger werdenden Nächte müssen für unsere Vorfahren mindestens genauso bedrückend gewesen sein wie für uns heute. Einer Theorie zufolge wurden die Feiern anlässlich der Wintersonnenwende abgehalten, um die Sonne zur Rückkehr zu bewegen, bevor sie völlig verschwand. Das englische Wort »solstice« (Sonnenwende) stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie »die Sonne steht still«. Dieser scheinbare Stillstand findet zweimal im Jahr statt.

Wir wissen nicht genau, welche Rituale die vorchristlichen Völker Großbritanniens und andere Länder praktizierten, um diese Punkte im Jahresverlauf hervorzuheben. Uns liegen lediglich archäologische Funde vor, die beweisen, welche Bedeutung diese Zeitpunkte für die damaligen Menschen hatten, und zwar in Form von Monumenten, von denen einige bis in die Zeit um das Jahr 3 000 v. Chr. zurückdatieren: uralte Grabstätten wie Stonehenge in England, Newgrange und Knowth in Irland und Maeshowe auf den schottischen Orkney-Inseln. Jede dieser Stätten war in irgendeiner Form auf den Stand der Sonne zum Zeitpunkt der Sonnenwende ausgerichtet. In Newgrange, Maeshowe und Knowth beleuchtet der Sonnenaufgang zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende den Durchgang, der in die Hauptkammer führt, während die Steine in Stonehenge so ausgerichtet sind, dass sie zur Sommersonnenwende den Sonnenaufgang und zur Wintersonnenwende den Sonnenuntergang einrahmen. Experten der staatlichen Denkmalpflegebehörde English Heritage, die heute für die Anlage in Stonehenge zuständig ist, vermuten, dass die Wintersonnenwende für die Menschen, die Stonehenge erbaut haben und dort ihre heiligen Zeremonien durchführten, eine besonders wichtige Rolle gespielt haben könnte, denn neuere Ausgrabungen haben ergeben, dass dort um diese Zeit große Festmähler stattfanden.

Noch bemerkenswerter ist die Tatsache, dass es sich dabei nicht nur um ein keltisches Phänomen handelt. Vor ein paar Jahren hatte ich das Glück, Abu Simbel im nubischen Ägypten, nahe der Grenze zum Sudan, zu besuchen. Diese Tempelanlage wurde im 13. Jahrhundert v. Chr. von Ramses dem Großen erbaut und ist nur über eine lange Reise durch die Wüste erreichbar. Ramses ließ sie in diesem abgelegenen Teil seines Reiches errichten, um ein kühnes Zeichen für seine Eroberung des nubischen Volkes in der Schlacht von Kadesch zu setzen, aber auch als Denkmal für seine Frau Nefertari, die selbst Nubierin war.

In Abu Simbel gibt es zwei Tempel, von denen der kleinere der Göttin Hathor (Schutzgöttin der Mütter) sowie Nefertari und den Kindern gewidmet ist, die sie mit Ramses hatte. Der größere der beiden Tempel ist dem Sonnengott Ra-Horachty – einer Verschmelzung von Ra und Horus – und dem Pharao Ramses geweiht.

An dem Morgen, an dem ich die Tempelanlage besuchte, mussten wir noch vor Beginn der Morgendämmerung in der nubischen Stadt Assuan aufbrechen, um sicherzugehen, dass wir den Tempelkomplex erreichen würden, bevor es zu heiß wurde und der Touristenrummel überhandnahm. Die stundenlange Fahrt durch die Wüste, die wir sicherheitshalber im Konvoi zurücklegten, war ein surreales Erlebnis (nicht nur in Filmen sind einsame Wüsten ein Eldorado für Gesetzlose). Die Landschaft verändert sich kaum – nur eine staubige, ebene Fläche, die bis zum Horizont reicht –, bis man auf die kolossalen Tempel stößt, die aus dem Wüstensand emporzuragen scheinen. Das Besondere an dieser Tempelanlage (und der Grund, warum ich sie hier erwähne) ist, dass der Tempel des Ra-Horachty – genau wie Maeshowe und Newgrange – einen kleinen Eingang an der Vorderseite aufweist, der zwischen den Füßen von vier riesigen Ramses-Statuen liegt. Zur Wintersonnenwende scheint die Sonne bei Sonnenaufgang durch diesen Eingang und durch einen von weiteren Statuen gesäumten Korridor und beleuchtet den heiligen Schrein in der Mitte des Tempels.