4,99 €
2,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,99 €
Was verbirgt sie hinter ihrem sanften Lächeln? Der historische Liebesroman »Der Mut des Highlanders« von Hannah Howell als eBook bei venusbooks. Schottland im Sommer des Jahres 1479. Es heißt, sein Herz sei aus Eis – denn noch nie hat der stolze Highland-Lord Simon Innes auf dem Schlachtfeld Schwäche gezeigt. Doch dann begegnet er der schönen Ilsabeth Murray, die auf der Flucht vor ihren Verfolgern ist. Obwohl Simon weiß, dass es besser wäre, sie ihrem Schicksal zu überlassen, verliebt er sich Hals über Kopf in die die ebenso willensstarke wie geheimnisvolle Frau. Doch während er alles tut, um sie zu schützen, weiß Simon nicht, ob er ihr wirklich vertrauen darf: Schließlich wird Ilsabeth vorgeworfen, einen Gefolgsmann des Königs ermordet zu haben … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight »Der Mut des Highlanders« von New-York-Times-Bestsellerautorin Hannah Howell. Lesen ist sexy! venusbooks – der erotische eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 518
Über dieses Buch:
Schottland im Sommer des Jahres 1479. Es heißt, sein Herz sei aus Eis – denn noch nie hat der stolze Highland-Lord Simon Innes auf dem Schlachtfeld Schwäche gezeigt. Doch dann begegnet er der schönen Ilsabeth Murray, die auf der Flucht vor ihren Verfolgern ist. Obwohl Simon weiß, dass es besser wäre, sie ihrem Schicksal zu überlassen, verliebt er sich Hals über Kopf in die die ebenso willensstarke wie geheimnisvolle Frau. Doch während er alles tut, um sie zu schützen, weiß Simon nicht, ob er ihr wirklich vertrauen darf: Schließlich wird Ilsabeth vorgeworfen, einen Gefolgsmann des Königs ermordet zu haben …
Über die Autorin:
Hannah Howell, geboren 1950 in Massachusetts, kann ihren amerikanischen Familienstammbaum bis in das frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen – liebt aber vor allem die Geschichte Englands und Schottlands; auf einer Reise dorthin lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Hannah Howell hat in ihrer schriftstellerischen Karriere über 60 Liebesromane veröffentlicht, darunter den großangelegten Zyklus über die Familie Murray, in dem sie mitreißend vom Schicksal mehrerer Generationen einer weitverzweigten schottischen Highlander-Dynastie erzählt. Hannah Howell wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Golden Leaf Award und dem Preis des Romantic Times Bookclub Magazine.
Bei venusbooks erschienen die folgenden Romane von Hannah Howell:
HIGHLAND HEROES
Das Schicksal des Highlanders
Die Lust des Highlanders
Das Schwert des Highlanders
HIGHLAND DESIRE
Die Hoffnung des Highlanders
Der Wunsch des Highlanders
Das Herz des Highlanders
HIGHLAND ROSES
Im Zeichen des Highlanders
Die Spur des Highlanders
Die Sehnsucht des Highlanders
HIGHLAND LOVERS
Der Fürst der Highlander
Der ungezähmte Highlander
Der Held der Highlands
HIGHLAND DREAMS
Das Begehren des Highlanders
Das Sehnen des Highlanders
Der Stolz des Highlanders
Die Versuchung des Highlanders
Der Traum des Highlanders
Bei den folgenden beiden Romanen handelt es sich um Einzelbände:
Der Kuss des Schotten
Die Geliebte des Earls
***
eBook-Neuausgabe Januar 2023
Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2010 unter dem Originaltitel »Highland Protector« bei KENSINGTONPUBLISHING CORP., New York, NY, USA. Die deutsche Erstausgabe erschien 2014 unter dem Titel »Mein Retter aus den Highlands« bei Weltbild.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2010 by Hannah Howell
Published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY 10018 USA
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2014 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright © der Neuausgabe 2023 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mw)
ISBN 978-3-96898-231-1
***
Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags
***
Wenn Ihnen dieses eBook gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Der Mut des Highlanders« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)
Besuchen Sie uns im Internet:
www.venusbooks.de
www.facebook.com/venusbooks
www.instagram.com/venusbooks
Hannah Howell
Der Mut des Highlanders
Roman
Aus dem Amerikanischen von Heinz Tophinke
venusbooks
Schottland, Sommer 1479
»Ich beuge mich in Ehrfurcht vor den Opfern, die du für unsere große Sache auf dich nehmen willst, Walter.«
»Aber beuge dich nicht zu tief, mein lieber Vetter, denn meine Aufopferung wird nicht von allzu langer Dauer sein.«
»Wieso? Ich bin sicher, dass jemand, den man des Mordes an einem Mann des Königs anklagt, dazu verdammt ist, nicht lange zu leben, und Verrat wird mit einem wirklich entsetzlichen Tod geahndet.«
Ilsabeth blieb abrupt stehen; die Worte Mord und Verrat ließen sie in ihrem Versuch, sich ihrem Verlobten heimlich zu nähern, unvermittelt innehalten. Sie hatte ihn eine Stunde zuvor verlassen und sich im Wald versteckt, war aber dann zu seinem Haus zurückgelaufen, weil sie herausfinden wollte, weshalb er sich in letzter Zeit so seltsam benahm. Eine andere Frau, hatte sie geargwöhnt. Sir Walter Hepbourn war ein kraftvoller Mann, aber in letzter Zeit hatte er nicht allzu viel von seiner Kraft auf sie verwendet. Ilsabeth hatte zu vermuten begonnen, dass er seinen männlichen Appetit tüchtig anderswo stillte, und auch wenn sie noch nicht verheiratet waren, konnte sie eine derartige Untreue nicht dulden.
An Mord und Verrat hatte sie allerdings niemals gedacht. Und Mord an einem Mann des Königs! Das war der Verrat schlechthin. Schon der bloße Gedanke an ein solches Verbrechen ließ sie erschaudern. Weshalb sollte Walter irgendetwas mit derlei Dingen zu tun haben oder auch nur genug über sie wissen, um davon zu reden?
Verborgen im Schatten von Walters großem Steinhaus legte sich Ilsabeth auf den Bauch und robbte Zentimeter um Zentimeter näher an die beiden Männer heran. Walter und sein Cousin David saßen auf einer großen, steinernen Bank am Ende des Gartens, auf den Walters ziemlich herrschsüchtige Mutter so stolz war. Die beiden tranken und genossen den frühen Abend und freuten sich gewiss über die nach einem überraschend heißen, sonnigen Tag nun aufkommende Kühle. Dennoch war dies ein seltsamer Ort, um über ein so düsteres Thema wie Mord und Verrat zu sprechen.
»Ich werde meine liebe Verlobte natürlich schon retten«, sagte Walter. »Sie wird aus Schottland fliehen müssen, aber ich habe ein nettes Häuschen an der Küste von Frankreich, wo ich sie unterbringen kann. Ihr Dank dafür wird mich so manche Nacht über warm halten.«
»Jesus, du denkst doch nicht etwa immer noch daran, sie zu heiraten, oder? Das wäre ja schlimm genug gewesen, weil sie doch nur eine Armstrong ist, aber dann wird sie auch noch als die Tochter von Verrätern gelten!«
Jedes einzelne von Davids Worten löste bei Ilsabeth Schock und Entsetzen aus und verbrannte ihren Stolz wie Nesseln, doch sie unterdrückte ihren Wutanfall hastig.
Walter lachte rau. »Immer noch? Ich habe nie vorgehabt, sie zu heiraten. Ich dachte, du wüsstest das. Um Himmels willen, sie ist schließlich eine Armstrong. Mein Vater würde sich im Grabe umdrehen, wenn ich sein Blut mit dem dieser gemeinen Viehdiebe mischen wollte. Und meine Mutter würde ihm nur allzu bald nachfolgen. Nein, ich habe ihr das alles nur vorgegaukelt. Aber ein Leckerbissen ist sie allemal, und ich möchte sie nicht in ihrem Grab sehen, ehe ich sie nicht ein wenig gekostet habe.«
»Du meinst, du hast sie noch gar nicht genossen?«
»Ich hab’s versucht, aber dabei wurde rasch klar, dass man ihr wohl beigebracht hat, ihre Jungfernschaft wertzuschätzen.«
»Ach so, und ich dachte, du hast dich mit ihr verlobt, damit du sie umso leichter haben kannst.«
»Nein, das war der leichteste Weg, um an ihre Leute heranzukommen, verstehst du? Aber jetzt sehe ich, dass es ein Fehler von mir war, dir nicht alle meine Pläne mitzuteilen. Wir brauchten jemanden, dem wir die Schuld zuschieben konnten, und ich beschloss, mich für diese Rolle ihrer Familie zu bedienen. Damit bin ich dann nicht nur frei von jedem Verdacht, sondern auch ihre verdammte Familie los. Wenn ich keinen Fehler mache, könnte ich sogar noch einen Teil ihres Landes bekommen, sobald unser zorniger König sie davon vertreibt. Oder ich bekomme es, wenn der neue König auf dem Thron sitzt.«
»Schlau – wenn es denn funktioniert. Bei dem Ruf, den die Armstrongs haben, macht die Annahme, alle Schuld auf ihre Schultern abwälzen zu können, durchaus Sinn. Aber wird sie da auch bleiben? Wir sind kurz davor, uns diesen törichten König vom Hals zu schaffen, samt seinen Speichelleckern und allen, die ihn dahin dirigieren, wo sie ihn haben wollen. Wir können es uns nicht leisten, dass auch nur der geringste Argwohn auf uns fällt.«
»So weit wird es nicht kommen. Die Anhänger des Königs werden so sehr mit der Jagd auf die Armstrongs beschäftigt sein, dass sie keine Zeit mehr haben werden, irgendwo anders zu suchen.« Walter stand auf und streckte sich. »Komm, gehen wir ins Haus. Die Mücken fangen an zu stechen, und wir müssen unseren nächsten Schritt äußerst sorgfältig planen. Wenn wir uns das nächste Mal mit unseren Leuten treffen, möchte ich ihnen ein bestens ausgearbeitetes Konzept präsentieren können, dem sie gerne folgen werden.«
David stand ebenfalls auf. »Eigentlich hatte ich auf eine lange Nacht mit einem wärmenden Weib gehofft.«
»Solche Freuden werden wir bald beide genießen. Auch ich möchte gut ausgeruht dabei zusehen, wenn diese diebischen Armstrongs wie Vieh zusammengetrieben und in Ketten abgeführt werden.«
Ilsabeth blieb reglos liegen, bis sie gewiss war, dass die beiden Männer ins Haus gegangen waren; erst dann zog sie sich in die Sicherheit des Waldes zurück, der das Land ihres Vaters von dem Walters trennte. Sobald sie sich im Schutz seiner tiefen Schatten befand, stand sie auf, wankte zum nächstbesten Baum und übergab sich. Ein Gefühl der Übelkeit und des Ekels überwältigte sie, ihr Bauch schmerzte, und schließlich brannte auch noch ihre Kehle. An einem anderen Stamm sank sie zu Boden und mühte sich ab, den kleinen Weinschlauch von ihrem Gürtel zu lösen. Mit einigen beherzten Schlucken von dem kühlen Apfelmost spülte sie sich den scheußlichen, bitteren Geschmack aus dem Mund, der, sie wusste es, nicht nur von ihrer Übelkeit herrührte.
»Bastard!«, zischte sie leise, doch eigentlich hätte sie das Wort am liebsten mit ganzer Kraft dem Himmel entgegengebrüllt.
Wie dumm sie gewesen war. Betört vom guten Aussehen eines Mannes und dem Gedanken, endlich ein eigenes Zuhause und Kinder zu bekommen. Walter hatte sie nur benutzt, sie und ihre Familie, die ihn als einen der ihren willkommen geheißen hatte.
Ihre Familie! Ilsabeth dachte, vor lauter Angst, die sie bei diesem Gedanken durchfuhr, müsse sie sich gleich noch einmal ins Gebüsch übergeben, doch sie kämpfte gegen diese Schwäche an. Sie brauchte jetzt einen klaren Kopf und musste stark bleiben. Sie musste ihre Familie warnen.
Die Röcke bis zu den Knien hochgeschoben rannte Ilsabeth durch den Wald in dem verzweifelten Versuch, ihr Zuhause zu erreichen. Sie wusste nicht, wann der Mann des Königs getötet worden war, was er hier gemacht hatte und auch nicht, wo sich seine Leiche befand, doch ihr Gespür sagte ihr, dass man den Toten bald finden würde. Nach dem, was sie eben gehört hatte, war es ja gewollt, dass er bald gefunden wurde. Schlimmer noch, sie war sich sicher, dass Walter, der Mörder, genügend »Beweise« hinterlassen hatte, mit denen er die Tat ihrer Familie in die Schuhe schieben wollte.
»Warte! Zwei, warte!«
Bei dem bekannten Ruf blieb Ilsabeth so plötzlich stehen, dass sie beinahe gestürzt wäre. Sie fasste sich und bemerkte ihren Cousin Humfrey, der auf sie zugerannt kam. Während sie noch nach Atem rang, machten sich ihre Gedanken an dem ungeliebten Namen Zwei fest. Nachdem ihre älteste Schwester Ilsabeth, die Erstgeborene, das Gelübde abgelegt hatte und Schwester Beatrice geworden war, hatte die Familie sie gebeten, deren Namen, den ihre Mutter so sehr liebte, zu übernehmen. Da sie ihren ursprünglichen Namen Clara nicht sehr schätzte, war sie mehr als bereit dazu gewesen. Doch statt ihres neuen hübschen Namens nannten alle ihre Geschwister, Cousins und Cousinen sie nun Zwei oder Zwaa. Deshalb verpasste sie Humfrey, als er sie erreichte, erst einmal aus alter Gewohnheit einen kräftigen Schlag auf den Arm. Eigenartig, dachte sie dabei, wie solch banale Gedanken und Taten dabei halfen, die innerlich aufsteigende Panik zu bezähmen.
»Du kannst nicht nach Hause gehen«, sagte er.
»Ich muss«, erwiderte sie. »Ich muss meine Familie vor der Verschwörung gegen sie warnen.«
»Du meinst die, wegen der die Soldaten des Königs an die Tore schlagen und von Mord und Verrat brüllen?«
Mit Flüchen, die den jungen Humfrey leicht erröten ließen, setzte sich Ilsabeth abrupt nieder. »Dann ist es also bereits zu spät. Das ist alles Walters Werk.«
Humfrey setzte sich mit fragendem Blick zu ihr. »Woher weißt du das?«
Ilsabeth berichtete ihm alles, was sie gehört hatte, und lächelte müde, als er ihr in einem unbeholfenen Versuch, sie zu trösten, auf die Schulter klopfte, obgleich sich auch seine Miene zusehends vor Zorn verhärtete. »Er will die Schuld unserem Clan zuschieben, damit die Männer des Königs uns jagen wie die Kaninchen, während er uns mit seinem Intrigantenhaufen unseren König wegnimmt!«
»Ich dachte, ich hätte noch die Zeit, alle zu warnen und das Ganze vielleicht sogar noch aufzuhalten.«
»Nun, es ist immer noch Zeit, die Sache wieder ins Lot zu bringen.«
»Wie denn? Gerade hast du mir gesagt, dass die Armee des Königs bereits an unsere Pforten hämmert.«
»Ja, und dein Vater hält sie geschlossen, bis die anderen alle geflohen sind. Bis es so weit ist, dass die Tore mit Gewalt geöffnet werden, wird niemand mehr da sein bis auf ein paar Alte, die sich dafür entschieden haben zu bleiben. Sie sind betagt und gebrechlich, nicht schnell genug für die Flucht, und deshalb wollen sie die anderen nicht aufhalten.«
»Aber sie könnten gefangen genommen, getötet oder gefoltert werden, um Informationen aus ihnen herauszupressen«, hielt Ilsabeth dagegen, besorgt um jene, die den Soldaten würden gegenübertreten müssen, aber auch erleichtert, dass ihre Familie bereits auf der Flucht war.
»Nein, ich glaube nicht, dass man ihnen große Beachtung schenken wird.«
»Dann bist du also gekommen, um mich zu den anderen zu bringen?«
»Nein. Ich bin gekommen, um dir bei deiner Flucht an einen anderen Ort zu helfen. Du musst wissen, es war dein Dolch, der im Herz des Toten steckte.«
Ilsabeth vergrub das Gesicht in den Händen und kämpfte gegen die Tränen an. Zu weinen hätte Schwäche gezeigt; doch sie musste nun stark sein. »Ich habe mich schon gewundert, wohin er verschwunden ist«, sagte sie, den Blick fragend auf Humfrey gerichtet. »Wohin soll ich denn fliehen, wenn nicht zu meiner Familie? Ich verstehe nicht, warum ich mich nicht einfach mit ihnen verstecken kann.«
»Dein Vater vermutet Walter hinter der Sache, denn er wurde erwähnt als derjenige, der die Soldaten anführen soll, um Beweise für den Verrat der Armstrongs zu finden. Und jetzt hast du mir gesagt, dass dieser Bastard das auch selbst sagt. Dein Vater braucht dich für die Suche nach Hilfe.«
»Hilfe von wem? Von unseren Verwandten, den Murrays?«
»Nein.« Er übergab Ilsabeth ein Stück Pergament. »Sir Simon Innes. Dies sind Anweisungen, wie du ihn findest, und ein Schreiben an ihn von deinem Vater.«
»Wieso kommt mir dieser Name bekannt vor?«
»Weil dieser Mann zwei Murrays vor dem Tod durch den Strang gerettet hat, wegen Morden, die sie nie begangen haben. Dein Vater sagt, dieser Mann wird dich anhören und sich dann auf die Suche nach der Wahrheit machen. Und du kannst ihn zu ihr führen, denke ich.«
Ilsabeth warf einen kurzen Blick auf die Nachricht ihres Vaters und steckte sie dann in eine in ihren Rockschößen verborgene Tasche. »Ich nehme an, keiner dieser Murrays wurde wegen Verrats angeklagt.«
»Das kann ich nicht sagen, aber im Augenblick haben die Soldaten lediglich das Indiz, dass der Mann mit deinem Dolch ermordet wurde.«
»Sie brauchen in der Tat nicht viele Hinweise für das Gegenteil, um einen Armstrong als sehr niederträchtig erscheinen zu lassen.«
»Stimmt, und genau deshalb müssen wir dich so schnell wie möglich zu diesem Innes bringen. Auch er ist ein Mann des Königs, und zudem einer, der großes Vertrauen genießt und dem man allgemein zutraut, die Wahrheit zu ergründen.«
Ilsabeth schüttelte den Kopf. »Ich soll zu einem Mann des Königs gehen und ihn bitten, mir beweisen zu helfen, dass ich nicht einen anderen Königstreuen ermordet habe? Das ist Wahnsinn. Er wird mir doch niemals glauben!«
»Anfangs vielleicht nicht, aber er wird versuchen, die Wahrheit herauszufinden. Eben deshalb genießt er so großes Vertrauen. Es heißt, wenn es um die Wahrheit geht, sei er fast fanatisch. Außerdem, Zwei, können wir nicht viel mehr für unsere Rettung tun. Wir werden jetzt alle verfolgt. Sogar unsere Verwandten, die Murrays, werden scharf beobachtet. Wahrscheinlich sind die Soldaten auch vor ihren Toren, wenn auch nicht so wie bei uns, um sie gefangen zu nehmen. Keiner von uns kann irgendetwas tun, um der Wahrheit zum Sieg zu verhelfen – außer dir. Man glaubt, du befindest dich innerhalb der Mauern, die die Soldaten zu stürmen versuchen, und so werden sie alle denken, dass du jetzt mit uns auf der Flucht bist.«
»Maman?«
»Sie und einige andere Frauen bringen die kleinsten Kinder zu Schwester Beatrice ins Kloster. Eins und ihre Mitschwestern werden sie beschützen.«
»Maman wird nicht bleiben. Sie wird mit Papa gehen.«
»Ja, sehr wahrscheinlich, aber um all das kannst du dir jetzt keine Gedanken machen.«
Ilsabeth glaubte, ihr Herz werde zerspringen. »Das ist alles meine Schuld, Humfrey. Hätte ich Walter unserer Familie nicht so nahe gebracht, dann hätte er nicht die Möglichkeit gehabt, uns dazu zu benutzen, seine eigenen Verbrechen zu verschleiern.«
»Nein, es ist nicht deine Schuld. Dein Vater hat es nie für möglich gehalten, dass dieser Kerl Böses im Schilde führen würde.« Er stand auf und reichte ihr eine Hand. »Komm. Du machst dich am besten sofort auf.«
»Da werde ich einen langen Marsch vor mir haben«, stöhnte sie, während sie sich von ihm aufhelfen ließ.
»Aber nein, du wirst reiten. Ich habe ein kleines, aber zähes Pony für dich und einen Habit, den Eins bei ihrem letzten Besuch zu Hause zurückgelassen hat.«
»Schwester Beatrice«, murmelte sie, ihn gedankenlos auf eine Art und Weise korrigierend, die fast zu einem Brauch geworden war. »Ich soll also als Nonne verkleidet reisen?«
»Nur bis du zu diesem Innes kommst. Dann kannst du, wenn man dich unterwegs fragt, sagen, du befändest dich auf einer Pilgerreise.«
Ilsabeth folgte ihm zu einem Versteck, in dem ein Highland-Pony friedlich wartete. Dort zog sie sich die Ordenstracht an. Sie wusste, dass dies eine gute Verkleidung war; die meisten Menschen sahen nicht näher hin, wenn sie eine Kutte gewahrten. Ihre Kleider verstaute sie zusammengerollt in den Satteltaschen und stellte dabei überrascht fest, dass man sie für ihre Reise mit allem Nötigen versorgt hatte.
»Man hat mich sehr gut ausgerüstet«, murmelte sie.
»Du weißt doch, dass dein Vater immer auf praktisch alles und jedes vorbereitet ist.«
Ilsabeth dachte daran, wie oft ihr Vater sie alle die Flucht vor einem Feind hatte üben lassen, und nickte. »Ich habe einfach nie geglaubt, dass das wirklich einmal notwendig sein würde.«
»Nein, ich auch nicht, aber jetzt bin ich wirklich froh, dass er uns immer wieder damit schikaniert hat.«
»Schließt du dich jetzt meinem Vater an?«
»Nein.« Humfrey grinste. »Ich trete meine Arbeit in Walters Ställen an.« Auf Ilsabeths verblüffte Reaktion hin nickte er. »Vor vierzehn Tagen schickte eines der Mädchen der Murrays eine Nachricht, sie habe gesehen, dass eine Gefahr auf uns zukomme. Sie sei gewiss, dass uns eine Bedrohung kurz bevorstehe. Nun, daraufhin stellte dein Vater sicher, dass einer seiner Leute allen seinen Nachbarn so nahe kam, wie er konnte. Ich habe einen Cousin, der ein Hepbourn ist, und er besorgte mir Arbeit in Walters Ställen. Es war allerdings schon zu spät. Ich hatte gerade angefangen zu vermuten, dass irgendetwas nicht stimmte. Aber ich wäre nie darauf gekommen, dass es darum geht.«
»Nein, ich auch nicht.«
Humfrey küsste sie auf die Wange. »Reite los. Die Soldaten werden noch stundenlang vor unseren Toren beschäftigt sein. Bring so viele Meilen zwischen sie und dich, wie du kannst.«
Ilsabeth bestieg das Pony und musterte ihren Cousin. »Sei vorsichtig, Humfrey. Walter schert sich nicht darum, wen er benutzt oder tötet, um zu bekommen, was er will.«
»Ich passe auf. Aber du auch. Und tu dein Bestes dafür, dass der Bastard dafür bezahlt.«
»Das schwöre ich dir, Humfrey.«
Bei ihrem Aufbruch kreisten Ilsabeths Gedanken die ganze Zeit nur um Walters Verrat. Um seinen Verrat und ihre Leichtgläubigkeit. Sie konnte einfach nicht begreifen, wie sie für das Böse in diesem Mann so blind hatte sein können. Ihre Mutter hatte ihr gesagt, sie besitze die Gabe, den Menschen ins Herz sehen zu können. Doch damit war sie ganz offenkundig kläglich gescheitert. Der Mann, den sie zu heiraten gedachte, war ein Verräter, ein Mörder, der ihre gesamte Familie lediglich als Diebe von niedriger Geburt betrachtete, als Ungeziefer, dessen man sich entledigen musste. Wie hatte sie das nicht sehen können?
Sie bedauerte auch, nicht über mehr Informationen zu verfügen. Trotz allem, was sie nun wusste, hatte sie immer noch mehr Fragen als Antworten. Wie etwa gedachten Walter, David und welche Verbündeten sie auch immer hatten, den König zu ermorden? Warum wollten sie das überhaupt? Wollten sie Macht? Geld? Sie konnte sich nichts vorstellen, das der König getan hätte, dass Walter ihn ermorden wollte.
Je mehr sie über das Ganze nachdachte, desto mehr wurde ihr klar, dass sie Walter überhaupt nicht kannte. Das Schlimmste, was sie über ihn geglaubt hatte, war, dass er etwas eingebildet war, doch Bedenken deswegen hatte sie mit einem Achselzucken abgetan. Er hatte einen ebenmäßigen, starken Körper, ein makelloses Gesicht, wunderschöne haselnussbraune Augen und dichtes honigfarbenes Haar. Jeder Blick in den Spiegel sagte ihm, dass er bestens aussah; also, hatte sie sich gesagt, musste man mit ein wenig Eitelkeit einfach rechnen. Aber Eitelkeit konnte doch für einen Mann kein Grund sein, eine Verschwörung gegen seinen Lehnsherrn anzuzetteln? War Walter von der irren Idee besessen, selbst König zu werden?
Während sich der Abend zur Nacht hin senkte, wurde Ilsabeth bewusst, dass sie an eines noch überhaupt nicht gedacht hatte – ihren eigenen Kummer. Ihr tat das Herz weh, aber wegen ihrer Familie, wegen ihrer Furcht, die manchmal so groß war, dass sie ihr fast den Atem raubte. Aber ihr Herz schmerzte nicht wegen des Verlusts von Walter, nicht einmal, wenn sie über den Schock des Verrats und ihre Wut über das, was er ihrer Familie angetan hatte, hinausschaute.
»Ich habe ihn nicht geliebt«, sagte sie sich, und das Pony ließ die Ohren spielen, als würde es sie so besser verstehen. »All das, und ich habe diesen Bastard nicht einmal wirklich geliebt. Lieber Gott, meine Familie rennt um ihr Leben, und wozu? Weil sich die dumme Ilsabeth bis zur Idiotie von einem schönen Augenpaar umgarnen ließ?«
Das Pony nieste.
»Ja, das ist wirklich jämmerlich. Das Einzige, was ich spüre, ist etwas Bedauern über den Verlust eines Traums. Nicht eines Traums über diesen verlogenen Mistkerl, sondern von einem eigenen Zuhause und ein paar Kindern, die ich im Arm wiegen könnte. Ich bin jetzt einundzwanzig Jahre alt, und ich sehnte mich danach. Zu sehr. Das Verlangen, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen, das war wohl meine große Schwäche.«
Das Pony schlug mit dem Schweif an ihr Bein.
»Du gewöhnst dich am besten an mein Gestöhn und Geschwafel. Wir werden jetzt mindestens drei Tage lang beisammen sein. Ich glaube, du brauchst einen Namen, denn dass ich dir von Zeit zu Zeit mit meinem Kummer die Ohren volljammere, das ist wohl klar.«
Ilsabeth ließ sich die Namen aus all den Geschichten durch den Kopf gehen, die Schwester Beatrice so gut erzählen konnte. Pferde – gute, starke Tiere, die übers Moor galoppieren und ihr dieses berauschende Gefühl von Freiheit geben konnten – waren ihr zwar lieber, aber sie hatte auch für die kleinen, zähen Highland-Ponys großen Respekt. Sie wollte diesem Tier einen guten, starken Namen geben.
»Goliath«, meinte sie schließlich und war sich sicher, dass das Tier den Kopf ein wenig anhob. »Wir sorgen einfach dafür, dass Walters Schlange von einem Cousin, dieser David, dir nicht mit einer Steinschleuder nahe kommt.«
Ilsabeth ließ den Blick über die mondbeschienene Landschaft schweifen, und Tränen traten ihr in die Augen. Ihre Familie musste die Nacht auf der Flucht verbringen, Verstecke finden und nach Soldaten Ausschau halten. Wenn einer von ihnen erwischt wurde, drohte ihnen Schmerz und Demütigung, vielleicht sogar der Tod, bevor sie sie retten konnte. Es war einfach ungerecht. Ihr Vater hatte getan, was er konnte, um seinem Teil des Clans der Armstrong wieder zu Anstand und Ehre zu verhelfen, doch es nützte ihm nichts. Ein Raunen von Walter, ein Toter, und schon dachten alle das Schlimmste über sie.
Jetzt begriff sie, weshalb ihr Vater immer darauf bestanden hatte, dass jeder in der Familie wusste, wie man rasch und unauffällig flüchten und sich verbergen konnte. All diese gut ausgestatteten Verstecke, all die ausgeklügelten Pläne, um seinen kleinen Clan so weit und breit zu zerstreuen, dass es Monate dauern würde, einen von ihnen zu finden, offenbarten nun einen Weitblick, den sie nie erkannt oder verstanden hatte. Sir Cormac Armstrong hatte immer gewusst, dass der Makel, mit dem seine Eltern den Namen des Clans beschmutzt hatten, und seine vielen alles andere als ehrlichen Cousins ihm zusetzen und zum Problem werden konnten, was immer er auch tat.
»Oh, ich werde Walter teuer für all dies zahlen lassen, Goliath. Sehr teuer, darauf kannst du dich verlassen.«
***
Elspeth wandte ihren in die Dunkelheit hinaus gerichteten Blick ihrem Mann zu, als Cormac zu ihr trat und einen Arm um ihre Schultern legte. »Sie ist ganz allein da draußen«, flüsterte sie. »Allein und beschwert mit einer Schuld für etwas, was sie nicht getan hat.«
»Sie wird es schaffen, meine Liebe. Zwei ist stark und hartnäckig«, erwiderte er und küsste sie auf die Wange. »Und sie ist klug und weiß gut mit einem Messer umzugehen.«
»Sie mag diesen Namen nicht, das weißt du.«
»Was? Zwei?«
»Ja. Wenn du nicht ihr geliebter Papa wärst, dann würde sie dir ebenso wie den anderen jedes Mal, wenn du sie so nennst, einen Schlag verpassen.« Elspeth lächelte matt, als er kicherte. »Sag mir, dass sie es schaffen wird, Cormac.«
»Aber ja, meine Liebe, sie schafft es.«
»Ich möchte es ja so gerne glauben. Sie ist mein Kind, meine Ilsabeth.«
»Du hast zwei Ilsabeths.«
»Nein, ich habe eine Schwester Beatrice und eine Ilsabeth. Oh, meine Erstgeborene liebt uns alle nach wie vor, und sie wird jene, die nun in ihrer Obhut sind, verbergen und beschützen, aber sie ist nun Gottes Kind. Ihr Herz, ihr Geist und ihre Seele gehören Ihm. Du konntest es bereits sehen, als sie noch ein Kind war; so stark war ihre Berufung. Aber diese Ilsabeth gehört ganz und gar uns, und sie trägt vieles von jedem von uns in sich. Gutes und Schlechtes. Schon als sie noch im Krabbelalter war, habe ich bemerkt, dass ich den Namen dem falschen Mädchen gegeben hatte. Ilsabeth ist ein Name für eine Kämpferin, für ein Mädchen, welches das Leben mit beiden Händen ergreift und es voll ausschöpft.«
»Und genau aus diesem Grund wird unsere Ilsabeth, die früher Clara hieß, es schaffen.«
»Du glaubst das wirklich, nicht wahr?«
»Ja, und viele andere ebenso. Ist dir nicht aufgefallen, dass niemand gespöttelt hat, als wir sagten, wir würden sie nach Hilfe aussenden? Sie wissen alle um ihre Kraft und ihre Hartnäckigkeit, mit der sie für uns bis zum Sieg kämpfen wird.«
»Und dieser Innes wird sie anhören und ihr helfen?«
»Ja, daran zweifle ich absolut nicht. Ich habe ihn kennengelernt; er ist einer, der sich nicht damit abfinden kann, die Wahrheit nicht zu kennen; einer, dem der Gedanke unerträglich ist, einen Menschen für ein Verbrechen leiden zu lassen, das er nicht begangen hat. Sobald sie ihre Geschichte berichtet, wird er zumindest den Hinweis sehen, dass etwas nicht stimmt, und jeder Spur nachgehen wie ein Jagdhund. Glaube mir, nach allem, was ich gehört habe, will keiner, der Schuld auf sich geladen hat, dass Simon Innes sich auf seine Fährte setzt. Und abgesehen davon, dass er ein Mann ist, der gar nicht anders kann, als die Wahrheit zu ergründen, wie könnte er unsere Ilsabeth abweisen? Sie, mit ihren schönen blauen Augen und so. Der Mann tut mir ja fast leid.«
»Wieso?«
»Weil unsere Ilsabeth sein Leben auf den Kopf stellen wird.«
»Und das hältst du für gut?«
»Es war meine Rettung, als du mir das angetan hast, meine Liebe. Vielleicht wird es ja auch die seine.«
»Schwester?«
Ilsabeth blickte auf den kleinen Jungen, der eben aus dem Schatten der mächtigen Bäume am Rande ihres kleinen Lagers getreten war. Sie hatte gewusst, dass er sich dort verbarg, musste aber zugeben, dass sie das hauptsächlich ihrem Glück zuzuschreiben hatte. Anscheinend war er es gewöhnt, sich vor anderen zu verstecken, und sehr geschickt dabei. Was er offensichtlich nicht gewöhnt war, war ein voller Bauch. Er war fast nur mehr Haut und Knochen und trug nichts als schmutzige Fetzen am Leib. Ilsabeth vermutete, dass er ein Waise war, den man verstoßen hatte, und seufzte. Sie hatte angehalten, um sich auf die letzten Schritte ihrer Reise vorzubereiten – zu entscheiden, was sie Simon Innes sagen würde, wenn sie an seine Tür klopfte –, doch nun schien ihr das Schicksal noch ein weiteres Problem zu präsentieren.
Die Welt konnte grausam sein zu Kindern, besonders zu solchen, die niemand haben wollte oder die verwaist und alleingelassen waren. Am liebsten hätte sie sie alle zu sich geholt, doch sie hatte nicht die Zeit, sie alle aufzuspüren, und auch nicht das nötige Geld, und so blieb dies ein unerfüllbarer Traum. Ihre Familie, sowohl die Armstrongs als auch die Murrays, tat ihr Bestes, um solchen Kindern zu helfen; damit musste sie sich zufriedengeben.
»Ja, mein Junge, was kann ich für dich tun?«, fragte sie und spürte sofort ein heftiges Schuldgefühl, weil sie ein Kind belogen und es im Glauben gelassen hatte, dass sie eine Nonne sei.
»Ich wollte fragen, ob Ihr ein wenig von Eurem Essen mit meiner Schwester teilen möchtet.«
»Mit deiner Schwester? Nicht mit dir?«
Er errötete so sehr, dass es ihr trotz des vielen Schmutzes in seinem schmalen, blassen Gesicht auffiel. »Na ja, ich würde zu einem kleinen Bissen auch nicht Nein sagen, wenn Ihr so freundlich wärt. Aber die Kleine hat es am nötigsten.«
Der Größe des Jungen und der Klarheit, mit der er sprach, nach zu schließen, schätzte Ilsabeth ihn auf mindestens sechs Jahre, wenn nicht älter. Zu wenig zu essen hätte sein Wachstum jedoch durchaus beeinträchtigen können. Das bedeutete, dass seine Schwester wahrscheinlich kaum mehr als ein Kleinkind war.
Beinahe hätte sie laut losgeflucht. Es war keine gute Zeit, gerade jetzt auf zwei Findlinge zu stoßen. Sie war in Gefahr. Aber sie konnte diese Kinder nicht einfach halb verhungert am Rand des Ortes sich selbst überlassen. Sir Simon Innes würde das einfach verstehen müssen.
»Hol dein Schwesterchen, und dann setzt ihr euch mit mir ans Feuer. Ich habe genug für uns alle«, erklärte sie.
Der Junge lief in den Schutz der Bäume zurück und zog hinter einem Stamm ein kleines Mädchen hervor. Während die zwei auf das Feuer zukamen, betrachtete Ilsabeth sie genau. Es war klar, wer den Großteil der wenigen Nahrung bekam, die der Junge auftrieb. Zwar war auch das kleine Mädchen in Lumpen gekleidet, doch der Hunger hatte in seinem engelgleichen Gesichtchen kaum Spuren hinterlassen. Und seine dicken, rotblonden Locken und die großen braunen Augen brachten auch das härteste Herz zum Schmelzen. Ilsabeth hoffte, dass es auch Sir Simon so gehen würde, denn wenn der Junge ihr nicht sagte, dass die beiden irgendwo Angehörige hatten, dann waren diese Kinder nun die ihren, beschloss sie spontan.
»Wie heißt ihr?«, fragte sie, während sie jedem etwas Brot und Käse reichte.
»Ich heiße Reid Burns, und das ist meine Schwester Elen«, antwortete der Junge und half der Kleinen beim Essen, indem er es in Stücke teilte, die sie bewältigen konnte.
»Und wie kommt es, dass ihr beiden hier im Wald herumwandert und fast am Verhungern seid, Reid?«
»Unsere Mutter ist gestorben, und der Mann, mit dem sie zusammenlebte, warf uns aus der kleinen Hütte, die er uns gegeben hatte. Er sagte, er ließ uns dort nur bleiben, weil meine Mutter ihm das Bett wärmte, aber als sie nicht mehr da war, brauchte er das Haus für seine neue Frau.«
Was dieser Mann dringend brauchte, war eine ordentliche Tracht Prügel, dachte Ilsabeth. »Ihr seid also beide nicht seine Kinder?«
»Doch, schon. Elen ist seine Tochter, aber der Mann hat eine Frau und acht Kinder, und deshalb wollte er Elen nicht. Ich vermute, seine Frau sollte nicht erfahren, dass er mit einer Anderen das Bett teilte.« Reid errötete und warf Ilsabeth einen nervösen Blick zu. »Verzeihung, Schwester.«
Sie tat seine Entschuldigung mit einer Handbewegung ab. »Entschuldige dich niemals für die Wahrheit, auch wenn sie noch so ungehobelt und hässlich ist. Wer ist dieses herzlose Schwein, der sein eigenes Kind wegwirft?«
»Donald Chisholm.«
Wenn sie die schwierige Situation, in der sie sich befand, überlebte, schwor sich Ilsabeth, dann würde sie zusehen, dass Donald Chisholm eine ordentliche Lektion darüber erteilt würde, wie sich ein Mann zu benehmen hatte. Und als sie bemerkte, wie gesittet die beiden trotz ihres grässlichen Hungers aßen und damit erkennen ließen, dass ihre Mutter nicht gerade die Tochter irgendeines armen Schäfers gewesen war, beschloss sie, dass ein Mann, der solche Kinder fortwarf, nur ein kompletter Trottel sein konnte. Wie sich Reid um seine kleine Schwester kümmerte, rührte sie fast zu Tränen; sie musste ein wenig schniefen und sich dann doch richtig schnäuzen.
»Das war sehr nett von Euch, Schwester«, sagte Reid, der Ilsabeth fast argwöhnisch beobachtete. Im Blick seiner dunklen Augen lag etwas Panik, wie immer bei Männern, wenn sie glaubten, dass eine Frau gleich zu heulen beginnen würde.
»Wie alt bist du, Reid?« Ilsabeth verkniff sich ein Lächeln darüber, wie erleichtert der Junge reagierte, als sie ruhig sprach und so zu erkennen gab, dass ihr Drang zu weinen verschwunden war.
»Sieben. Also, fast sieben. Und Elen ist gerade gestern zwei geworden.«
»Ich grüße euch, Reid und Elen. Ich bin Ilsabeth Armstrong.« Sie wartete geduldig, während er ihre Worte abwog, und war nicht überrascht, als er die Stirn runzelte.
»Ein eigenartiger Name für eine Nonne.« Er bekam große Augen und errötete. »Ihr müsst wissen, ich habe nicht viel lernen können und so, deshalb weiß ich nicht recht Bescheid. Aber ich bin sicher, es ist ein guter, heiliger Name und so. Ich habe ihn bloß noch nie gehört.«
Ilsabeth atmete tief und beschloss, dass die Wahrheit nunmehr der einzige Weg war. »Ich bin nicht überrascht, denn in Wirklichkeit bin ich keine Nonne«, erklärte sie. »Dies ist nur eine Verkleidung zu meiner Sicherheit auf meiner Reise zu einem Mann, den ich um Hilfe bitten will. Und sie soll mich vor meinen Feinden schützen. Man hat meinen Dolch gefunden, der im Herz eines Mannes des Königs steckte. Ich habe diese Tat nicht begangen, kenne aber den Mörder, doch ich saß bereits in der Falle, noch ehe ich überhaupt wusste, dass sie gestellt war.«
»Und Ihr habt keine Angehörigen, die Euch helfen könnten?«
»Sie werden bereits von Männern verfolgt, die fordern, mich an sie auszuliefern, damit ich vor den König gebracht werden und meine Strafe empfangen kann. Einer meiner Cousins entdeckte mich auf der Flucht zu meinem Zuhause, kurz bevor ich diesen Männern direkt in die Arme gelaufen wäre. Er gab mir diese Nonnentracht, Vorräte und dieses Pony und trug mir auf, mich zu Sir Simon Innes zu begeben und ihn um seine Hilfe zu bitten, damit ich beweisen kann, wer diesen Mann wirklich ermordet hat. Dorthin bin ich gerade unterwegs. Ganz ehrlich gesagt, bin ich am Ende meiner Reise und sitze eigentlich nur hier, um den Mut zu sammeln, an die Tür dieses Mannes zu klopfen.«
Der resignierte Blick des Jungen verriet ihr, dass er die Hoffnung gehegt hatte, sie könne ihm und seiner Schwester helfen. Ihre Schilderung hatte diese Hoffnung eindeutig zunichte gemacht. Ihr gesunder Menschenverstand erinnerte Ilsabeth einmal mehr daran, dass sie sich auf der Flucht befand, um ihr Leben zu retten, und dass dies wirklich keine Zeit war, um zwei Findelkinder unter ihre Fittiche zu nehmen. Doch sie überging diese Stimme und ließ sich stattdessen von ihrem Herz leiten. Ihren Entschluss, sich um die beiden Kinder zu kümmern, konnte nichts mehr erschüttern.
»Ich sage dir das nur, Reid, damit du weißt, worauf du dich einlässt, falls du dich entscheidest, bei mir zu bleiben«, sagte sie.
»Ihr würdet uns also mitnehmen?«
»Ich kann euch ja schließlich nicht hier lassen, allein und voller Ungewissheit, ob ihr genug zu essen finden werdet, um nicht zu verhungern, oder?« Ilsabeth verkniff sich ein Lächeln, als sich sein Kindergesicht zu einer sehr ernsten Miene verwandelte und er sich stolz aufsetzte.
»Ich kann für uns sorgen«, erklärte er in einem überraschend heftigen Ton.
»Ja, das kannst du, und das hast du auch schon bewiesen, aber möchtest du nicht ein Dach über dem Kopf haben, saubere, warme Kleidung, ein kleines Bett und etwas zu essen, wenn du Hunger hast?«
»Glaubt Ihr, dass Sir Simon uns alle in sein Haus einlässt? Es heißt, er sei ein Mann mit einem kalten Herz, einer, der nur an die Gerechtigkeit glaubt.«
»Das sagt man über ihn? Ihr kommt also aus diesem Ort, richtig?«
»Ja. Ich wusste nicht, wohin wir gehen sollten, sobald man uns auf die Straße gesetzt hatte, deshalb blieb ich in der Nähe des Dorfes.«
Ilsabeth hoffte, dass der Junge auch deshalb in der Gegend geblieben war, weil es hier vielleicht einige Leute gab, die gutherzig genug waren, um den Kindern an Essensresten zu geben, was sie erübrigen konnten. »Wir werden Sir Simon aufsuchen. Sollte er zu kaltherzig sein, mir zu helfen und uns alle aufzunehmen, dann werden wir jemand anderen finden. Meine Armstrong-Verwandtschaft ist zwar auf der Flucht und muss sich versteckt halten, aber ich habe noch andere Verwandte. Die Murrays sind nicht alle in die Berge geflohen. Ich wollte sie nicht mit meinen Problemen behelligen, aber ich werde euch zu ihnen bringen. Sie werden euch nicht abweisen.«
Der Junge starrte sie einen Augenblick lang an, dann lächelte er. Unter dem Schmutz und den Spuren des Hungers erkannte Ilsabeth ein schönes Gesicht. Sie konnte nicht anders, als dieses Lächeln zu erwidern, und schwor sich, dass sie für diese Kinder einen Hafen finden werde. Wenn Simon Innes zu hart und zu gefühllos war, um ihr beizustehen, selbst wenn es nur um die Hilfe für diese Kinder ging, dann würde sie die beiden der Sicherheit und Fürsorge der Murrays übergeben.
Eine leise innere Stimme warnte sie, dass sie sich in Gefahr begeben könnte, wenn sie dies versuchte, doch Ilsabeth ignorierte sie. Wenn Sir Simon sich weigerte, ihr oder auch nur den Kindern zu helfen, dann blieb ihr keine andere Wahl. Sie wollte sich jedoch nicht der Gefahr stellen, die zu Hause auf sie wartete, und so betete sie stumm, dass Sir Simon Innes nicht einfach nur der kalte Gerechtigkeitsapostel war, als der er dem Gerücht nach galt. Es sei denn, dachte sie mit einem leisen Lächeln, dies schloss auch die Suche nach Gerechtigkeit für ein gewisses Schwein namens Donald Chisholm mit ein.
»Warum lächelt Ihr?«, fragte Reid.
Ilsabeth bemerkte, wie er auf das Brot und den Käse starrte, das sie übrig gelassen hatte, und gab ihm noch etwas, um es mit seiner Schwester zu teilen. »Ich habe gerade daran gedacht, was für eine Überraschung wir alle für Sir Simon Innes sein werden.«
»Na ja. Ich glaube nicht, dass es eine gute wird.«
»Wir werden sehen.«
»Weshalb glaubt Eure Verwandtschaft, er wird Euch helfen?«
»Weil er schon zweien meiner Verwandten geholfen hat, die eines Mordes angeklagt waren, den sie nicht begangen hatten.«
Reid runzelte die Stirn. »Wieso kommen Eure Verwandten immer wieder in solche Schwierigkeiten?«
Ilsabeth lachte kopfschüttelnd. »Ich weiß es nicht, mein Junge. Es kommt einem in der Tat manchmal vor, als wären wir verflucht.«
»Ja, ein bisschen. Oder es ist Neid. Meine Mutter sagte, Neid bringt Menschen dazu, Böses zu tun.«
»Deine Mutter war eine sehr kluge Frau.«
»Ich vermisse sie«, sagte er leise und errötete ob dieses Eingeständnisses ein wenig.
»Das ist ganz natürlich, und dafür brauchst du dich auch nicht zu schämen. Aber ich glaube, ich habe jetzt lange genug hier gesessen und versucht, Mut zu fassen, um zu Sir Simons Haus zu gehen. Wenn ich ihn jetzt noch immer nicht habe, dann wohl nie mehr. Also räumen wir am besten zusammen und beenden die Reise.«
»Habt Ihr Angst?« Reid begann sofort, ihr beim Packen zu helfen.
»Ein wenig schon«, gab sie zu, während sie ein Tuch befeuchtete und damit sanft Elens Gesicht und Hände säuberte. »Ich versuche, an den Mann zu glauben, zu dem mich meine Familie schickt, aber ich bin ihm noch nie begegnet. Es ist nicht leicht, einem Fremden zu vertrauen, vor allem, wenn es auch noch um Mord und Verrat geht. Und er kennt mich ja ebenso wenig, warum sollte er mir also auch nur ein Wort glauben, das ich sage?«
»Aber Ihr sagtet, er hat Eurer Familie schon einmal geholfen, nicht wahr?«
»Ja, er hat den Murrays geholfen, meinen Cousins. Die kenne ich aber auch nicht alle so gut, und so kann ich nicht sagen, ich hätte von ihnen viel über Sir Simon erfahren. Und ich bin auch nur eine halbe Murray. Die andere Hälfte von mir ist Armstrong.«
»Ist das schlecht?«
»Für viele ist das absolut nichts Gutes, mein Junge. Mein kleiner Clan und mein Vater, der Laird, sind alle gute Leute, aber die, die vor ihnen kamen, waren das nicht. Sie haben unseren Namen sehr befleckt, und auch heute noch sind einige seiner Angehörigen nicht gerade Ehrenmänner.« Sie zwinkerte. »Viele in meiner Familie sind Viehdiebe, weißt du.« Sie grinste, als er kicherte, und dann half sie den Kindern, auf Goliath aufzusitzen. »Ich werde versuchen, nicht zu sehr beleidigt zu sein, falls er mein Murray-Blut bevorzugt, wenigstens zu Anfang.«
»Wenn er Euch nicht hilft, werde ich es tun«, erklärte Reid.
»Du bist ein guter, tapferer Junge.« Ilsabeth ergriff die Zügel, und sie brachen auf in den Ort. »Aber du musst auf deine Schwester aufpassen, und deshalb müssen wir darauf hoffen, dass Sir Simon auch wirklich der beherzte Wahrheitssucher ist, für den alle ihn halten.« Vor allem, da sie selbst keinen anderen Plan hatte, grübelte Ilsabeth. Beim Gehen versuchte sie, sich einen auszudenken, doch auch das bevorstehende Ende ihrer Reise inspirierte sie nicht mehr als all die anderen Stunden, die sie unterwegs gewesen war, um ihrem Ziel näher zu kommen. Als sie vor Sir Simon Innes’ Tür stand, gab sie alle Hoffnung auf einen klugen Einfall auf und begann stattdessen, inbrünstig zu beten, dass dieser Mann ihr helfen möge.
Simon Innes saß in einem Lehnstuhl vor dem Kaminfeuer, in der Hand einen Kelch edlen Weines, und blickte stirnrunzelnd auf die Katze in seinem Schoß. Es war ein Fehler gewesen, diesem Funken von Mildtätigkeit nachzugeben und den riesigen schwarz-weißen Kater zu füttern. Das Tier hatte die Essensreste gefressen, die er ihm gegeben hatte, und war dann bei ihm eingezogen. Simon blickte auf seinen Hund Knochenbeißer, der sich mit frischen Kratzspuren auf der Nase sehr ungraziös zu seinen Füßen ausgebreitet hatte. Wer hätte gedacht, dass sein großer, scharfer Hund zum Feigling würde, wenn eine Katze ihm eins auf die Nase gab?
Mit einem Seufzer streichelte er den Kater sanft, was dieser mit einem tiefen, rauen Schnurren quittierte. Es klang zumindest angenehmer, als wenn er schnarchte. Außerdem sah das Biest besser aus und roch auch besser, seit die alte Bega sich mit ihm abgegeben hatte. Mit einer stillen, gekränkten Würde hatte es ihr Schrubben und Kämmen ertragen und sogar, dass Bega es mit Öl eingerieben hatte, um die Flöhe abzutöten.
»Für diese kleine Unannehmlichkeit darfst du nun natürlich mit dem Bauch voller Hühnchen vor einem warmen Feuer liegen«, sagte Simon gedehnt und nippte dann an seinem Wein. »Ich kann es nicht glauben, dass ich zugelassen habe, dass du dich auf meinen Schoß setzt. Männer halten keine Katzen, das solltest du eigentlich wissen.« Der Kater drehte den Kopf so, dass Simon ihn besser hinter einem seiner eingerissenen Ohren kraulen konnte.
Ich benehme mich wie ein alter Mann, dachte Simon mürrisch. Vor Kurzem erst war er dreißig geworden – kein Alter seiner Meinung nach, trotz der Tatsache, dass viel zu viele nicht einmal dieses erreichten. Und er war definitiv noch zu jung, um die Nächte damit zu verbringen, dass er vor dem Feuer saß und sich mit seinem Hund oder seiner Katze unterhielt. Aber er hatte seit vielen Monaten nichts anderes mehr getan. Die einzige Veränderung in seiner neuen Lebensweise war schon seit viel zu langer Zeit die Präsenz einer hässlichen Katze. Simon zuckte zusammen. Er war auf dem besten Weg, ein bemitleidenswerter Einsiedler zu werden.
Es ist an der Zeit, mir eine Frau zu suchen, sinnierte er und kämpfte gegen seine männlichen Gefühle an. Nicht alle Frauen waren schließlich treulos. Nicht jede Ehe war die Hölle auf Erden. Er hatte in letzter Zeit das Gute an solchen Vereinbarungen gesehen, als er eine Zeit lang den Murrays geholfen hatte. Jener Teil von ihm, der noch immer verbittert und von Vergangenem verletzt war, wollte zweifeln und erschauderte beim bloßen Gedanken an eine Ehe, doch er sagte sich, dass es überfällig war, diese Furcht zu überwinden. Wenn Tormand Murray, ein Mann, der die Hälfte aller Frauen in Schottland verführt hatte, eine Gemahlin wie Morainn finden konnte, eine treue, liebende Frau mit Verstand und Esprit, dann, so mutmaßte Simon, musste es irgendwo da draußen auch eine für ihn geben. Sogar James Drummond, ein Pflegesohn der Murrays, der angeklagt gewesen war, seine erste Frau ermordet zu haben, hatte, noch während er darum kämpfte, seine Unschuld zu beweisen, wieder eine gute Gemahlin gefunden.
»Also, warum sitze ich hier und streichle eine hässliche Katze anstatt eines überschwänglichen Weibs?«, brummte er vor sich hin.
Die Katze grub kurz ihre Krallen in Simons Schenkel, als wollte sie gegen das wenig schmeichelhafte Adjektiv protestieren. Simon zuckte zusammen, widerstand aber dem Impuls, das Tier von seinem Schoß zu schubsen. Er hätte es niemals zugegeben, doch irgendwie fand er die Wärme, das weiche Fell und das raue Schnurren des Katers tröstlich. Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb manche Frauen Katzen liebten, trotz all des Aberglaubens, mit dem diese Tiere in Verbindung gebracht wurden.
Gerade als Simon sich fragte, ob er sein Schicksal einfach annehmen und dem Kater einen Namen geben sollte, klopfte es an der Tür. Er seufzte resigniert, denn sofort nach dem Klopfen trat sein Diener MacBean ein. Der Mann weigerte sich hartnäckig zu warten, bis er zum Eintreten aufgefordert wurde. Es hatte schon viel zu lange gedauert, bis er überhaupt einmal geklopft hatte.
»Das verfluchte Biest ist also immer noch hier, wie ich sehe«, sagte MacBean, den Blick auf die Katze gerichtet. »Wollt Ihr, dass ich es hinausschmeiße?«
»Ich glaube nicht, dass es draußen bleiben wird«, erwiderte Simon.
MacBean stöhnte. »Die Alte hätte es nicht mit Fressen und Wasser verwöhnen sollen. Das Vieh ist ja ramponierter als die Laken meiner alten Tante. Und mehr Blessuren hat es auch.«
Simon verkniff es sich, ihn zu fragen, was es mit den Blessuren seiner alten Tante auf sich habe. Zu große Neugier war eine seiner Sünden, die er nicht loswurde. Sein Bedürfnis, Geheimnisse und Lügen aufzudecken, machte es ihm schwer, sich Freunde zu schaffen und zu behalten, wenngleich er das gar nicht allzu sehr bedauerte. Er gestand sich auch ein, dass er selbst einige Geheimnisse hatte, die er lieber tief in seiner Vergangenheit begraben lassen wollte. Die alte Bega kannte sie, denn sie begleitete ihn schon seit seiner Kindheit, aber so sehr sie das Reden auch liebte, diese Dinge behielt sie für sich.
»Wozu ist eine Katze gut, die fett und glücklich ist, frage ich Euch«, meinte MacBean, offensichtlich ohne eine Antwort zu erwarten. »Der einzige Lebenszweck dieser Kreaturen ist doch, dass sie Ratten und Mäuse fangen sollen. Aber dieses Biest wird das niemals tun, solange die Alte ihm den Bauch vollstopft.«
»MacBean«, sagte Simon in einem etwas scharfen Ton, um die Tirade des Dieners zu unterbrechen, »bist du lediglich gekommen, um über die Katze zu lamentieren?«
»Nein. Ihr habt eine Nachricht vom König.«
»Ich würde meinen, dass so etwas doch Vorrang vor einer Diskussion über diese Katze hat«, tadelte Simon ihn und nahm die Botschaft, die MacBean ihm entgegenhielt, in Empfang.
»Der König versucht aber nicht, hier zu leben, nicht wahr? Und Flöhe hat er auch keine.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher, und dieses Tier hat keine mehr, seit Bega sich darum gekümmert hat.«
»Aber es wird wieder welche bekommen.«
Simon ignorierte den Diener, der sich offenbar mit dem Kater auf einen Wettstreit einließ, wer den anderen länger anstarren konnte. Die Botschaft enthielt Nachrichten, die in so vieler Hinsicht unheilvoll waren, dass Simon seinen Wein rasch austrank und MacBean den Kelch zum Wiederauffüllen hinhielt. Ein Mann des Königs war ermordet worden. Schlimmer noch, ein Cousin des Königs, und noch dazu einer, den der Herrscher sehr gemocht hatte. Der junge Ian Ogilvie war Gerüchten über verräterisches Treiben und von Verschwörungen gegen seinen königlichen Cousin und Wohltäter nachgegangen. Der Name des Clans, der für diese Tat verantwortlich gemacht wurde, war Simon nicht wirklich geläufig, abgesehen davon, dass jeder schon einmal von den Armstrongs gehört hatte, einem Clan an der Grenze, der für seine Viehdieberei berüchtigt war. Was ihn jedoch wirklich erschütterte war, dass dieser Teil des Clans durch Heirat mit den Murrays verbunden war. Wenn die Murrays nicht schon geflohen waren, würden sie es vielleicht bald tun müssen.
»Schlechte Nachrichten?«, fragte MacBean.
»Keine guten. Mord, Verrat, Anklagen, die die Runde machen und bereits einen Schatten auf die Murrays geworfen haben.« Simon trommelte mit den Fingern auf die Lehne seines Stuhls. »Die Armstrongs sind darin verwickelt, und sie sind durch Heirat mit den Murrays verwandt. Ein Band, das stark genug ist, dass unser König sich nun fragen wird, ob auch sie sich jetzt gegen ihn verschworen haben.«
»Der König und seine Berater sehen immer und überall Verschwörungen.«
»Stimmt, aber hier könnte es sich tatsächlich um mehr handeln als Argwohn und Verdächtigungen. Sir Ian Ogilvie war sicher, dass eine Verschwörung im Gange war, und machte sich auf die Suche nach Antworten. Dafür bekam er einen Dolch ins Herz, einen Dolch der Armstrongs.«
MacBean runzelte mit einem Kopfschütteln die Stirn, was sein dichtes graubraunes Haar heftig in Wallung brachte. »Nein. Ich glaube nicht, dass sich dieser Clan groß mit Verrat und Verschwörung und derlei Dingen belasten würde. Sie befolgen viele Gesetze des Königs nicht, gleichgültig, wer auf dem Thron sitzt; warum sollten sie sich also gegen den verschwören, auf den sie ohnehin nicht hören? Also, wenn Ihr sagen würdet, sie haben das Vieh des Königs gestohlen ... da hätte ich keinen Zweifel. Aber Verrat und Verschwörung? Nay.«
»Ich sehe es ebenso. Zudem hat Sir Cormac Armstrong ja offenbar versucht, sich besser zu benehmen als seine ganze Viehräuber-Verwandtschaft.«
»Verlangt der König von Euch, den Mörder zu finden?«
»Ja, und ich soll auch herausfinden, wer sonst noch gegen ihn intrigiert. Ich wünschte nur, er hätte mir befohlen zu beweisen, wer der wirklich Schuldige ist, denn das Fehlen dieser Frage lässt mich vermuten, dass er bereits beschlossen hat, die Armstrongs von Aigballa für die Schuldigen zu halten.«
Noch ehe MacBean seine unwirsche Meinung darüber zum Ausdruck bringen konnte, wie leicht man beim Aufdecken von Verschwörungen gegen den König selbst in Verstrickungen geraten könne, klopfte es erneut an der Tür. Fluchend beeilte er sich, um nachzusehen, wer es war. Simon grinste ein wenig über die schlechte Laune seines Dieners und blickte dann wieder sorgenvoll auf die Botschaft in seiner Hand.
Er würde dem Befehl des Königs Folge leisten müssen, doch es gefiel ihm nicht, obwohl er sich in letzter Zeit eine Aufgabe gewünscht hatte, die er lösen konnte. Dieses Mal wollte er nicht nur versuchen, die Wahrheit zu finden, sondern er würde dabei nach Möglichkeit auch noch seine Freunde beschützen müssen. Simon bezweifelte, dass Sir Cormac Armstrongs Familie etwas mit Verrat zu tun hatte, doch das bedeutete nicht, dass nicht jemand aus seiner Familie solch ein gefährliches Spiel trieb. Diesen einen faulen Zahn zu ziehen konnte Simon leicht einige der wenigen Freunde kosten, die er hatte.
MacBean kam zurück und riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. »Und, wer war an der Tür?«, fragte er ungeduldig. »Gibt es schon wieder eine Botschaft?«
»Nein. Es ist eine Nonne mit zwei Kindern«, antwortete der Diener in einem Ton, der besser dazu getaugt hätte, den Tod höchstpersönlich anzukündigen.
»Eine Nonne?«
»Jawohl, und sie sagt, sie muss sofort mit Euch sprechen. Habt Ihr ein Kind gezeugt und der Alten nichts davon gesagt? Wenn es so ist, dann wird sie nicht mit Euch zufrieden sein.«
»Nein, habe ich nicht, und wenn, dann wüsste Bega Bescheid, denn dann würde sie mir bei der Sorge für das Kind helfen. Vielleicht will die Nonne meine Hilfe, um jene zu finden, die für die Kinder die Verantwortung übernehmen sollten. Lass sie ein, MacBean, und bring uns etwas zu essen und zu trinken.« Sobald der Diener mit einem Murren auf den Lippen gegangen war, scheuchte Simon den Kater von seinem Schoß und stand auf. Das missfällige Maunzen des Tiers missachtend, versuchte er, die Katzenhaare von seiner Kleidung zu streichen. Als er MacBean sich räuspern hörte, blickte er auf. Mit einer Handbewegung befahl er ihm, Speise und Trank für seine Gäste zu bringen.
»Sir Simon Innes?«, fragte die Nonne.
»Ja«, antwortete er und verbeugte sich vor ihr. »Wie kann ich Euch helfen, Schwester?«
»Ich brauche Euch mit Eurem Vermögen, die Wahrheit zu ergründen.« Die leise, leicht rauchige Stimme der Frau rief Gefühle in ihm wach, die er für eine Nonne niemals hätte haben sollen. Um sich abzulenken, betrachtete er die beiden Kinder, die sich an ihrem Gewand festhielten. Sie sahen hungrig aus, und ihre Bekleidung waren nichts als Lumpen, doch an ihrem Äußeren war nichts, das ihn an irgendjemand Bekannten erinnerte. »Ihr sucht die Familie dieser Kinder?«
»Nein, sie haben mir bereits erzählt, dass sie keine haben. Der einzige Mensch, den sie haben und der sich um sie kümmern sollte, ist eben der, der sie verstoßen hat, und eines Tages werde ich dafür sorgen, dass er das bereut. Nein, ich suche Hilfe für mich selbst, denn ich bin samt meiner Familie in Not.«
»Und wer seid Ihr?«
»Mein Name ist Ilsabeth Armstrong. Ich bin die Tochter von Sir Cormac Armstrong von Aigballa und Elspeth Murray.«
Simons erster klarer Gedanke war Freude darüber, dass die Frau keine Nonne war. Doch das machte keinen Sinn, schließlich trug sie eine Ordenstracht, und so versuchte er, diesen Gedanken loszuwerden. Das war allerdings nicht so leicht, wie es hätte sein sollen, als er in ihre großen, strahlend blauen Augen starrte. Es lag eine Unschuld in diesen Augen, eine Unschuld, von der er nicht wusste, ob er in sie vertrauen sollte. Und auch eine seltsame Mischung aus Furcht und Entschlossenheit stand in ihrer Miene.
»Ich glaube, ich habe eben etwas Euch betreffend gelesen«, sagte er und hielt die Botschaft in seiner Hand so hoch, dass das königliche Siegel leicht zu erkennen war.
Einen Augenblick lang glaubte Simon, sie werde in Ohnmacht fallen, denn alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Er trat einen Schritt auf sie zu, zögerte dann jedoch. Anstatt zu schwanken, versteifte sie sich, straffte die Schultern und hob das etwas spitze Kinn an. Langsam kam wieder etwas Farbe in ihr Gesicht, und nun verrieten ihre schönen Augen einen Anflug von Zorn. Aber war die Ursache dieses Zorns die Lügen, die über sie verbreitet wurden, oder die Tatsache, dass er die Wahrheit bereits erfahren hatte? Simon wünschte, seinem Urteil bezüglich Frauen vertrauen zu können, ihm vertrauen zu können, ohne lange und penibel prüfen und nachforschen zu müssen. Er hatte einmal vertraut und teuer dafür bezahlt. Seither bedurfte es immer weit mehr als schöner Augen und verlockender Lippen, um sein Vertrauen zu gewinnen.
»Eure Kinder?«, fragte er mit einer Kopfbewegung zu den beiden, obwohl er im selben Moment entschied, dass sie viel zu jung war, um die Mutter des Jungen zu sein.
»Nein«, erwiderte sie. »Das sind Elen und Reid. Wollt Ihr Euch meine Geschichte nun anhören oder mich gleich vor den König bringen?«
Das sollte er, dachte Simon. Er sollte dafür sorgen, dass sie in ein sicheres Gefängnis verbracht wurde, während er nach der Wahrheit suchte. Seine Vernunft gebot ihm, ihre Geschichte anzuhören und sie dann so lange in Haft zu lassen, bis er alles, was sie ihm erzählte, überprüft hatte. Doch sein Gefühl sagte ihm, dass sie nicht mehr war als eine Figur, die ins tödliche Intrigenspiel irgendwelcher Parteien geraten war. Wäre sie ein Mann, so würde er seinem Gefühl vertrauen, das wusste Simon. Es reichte jedoch, um ihn zögern zu lassen, sie den Soldaten des Königs zu übergeben, denn die würden sie nicht eben freundlich behandeln. Der König würde sie nach so vielen Verratsversuchen womöglich nicht so lange am Leben lassen, bis Simon die Wahrheit gefunden hatte, und das würde nicht nur mit einer Tragödie enden, sondern schlichtweg falsch sein.
»Setzt Euch«, sagte er. »Ich werde mir anhören, was Ihr zu sagen habt, und dann entscheiden.«
Ilsabeth musterte den Mann, zu dem ihre Familie sie gesandt hatte. Er war groß, eins achtzig oder mehr, und fast zu schlank, beinahe schlaksig, doch sie hatte keinen Zweifel an der Kraft dieser schlanken Gliedmaßen. Sein Gesicht war nicht das eines Mannes, von dem man sich Gnade erhoffen konnte. Es war von den hohen Wangenknochen bis zu dem entschlossenen Kinn voller markanter Linien und Falten. Sogar die Nase bildete einen scharfen Winkel und war fast zu groß für sein Gesicht. Das dichte schwarze Haar war zurückgebunden; sie vermutete, dass es länger war, als die meisten Männer es trugen. Die geraden, schwarzen Brauen und langen, dunklen Wimpern trugen nichts dazu bei, seine stahlblauen Augen weicher erscheinen zu lassen. Das einzig Sanfte, das sie in diesem Gesicht ausmachen konnte, war die volle Unterlippe. Auch die tiefe, kalte Stimme des Mannes verriet nichts von Sanftmut.
Weshalb also kam ihr der spontane Wunsch, diese Lippen zu küssen?, fragte sie sich. Irgendwie brachte dieser Mann ihr Blut in Wallung. Ilsabeth begann zu fürchten, dass ihre Mutter und ihre Cousinen nicht einfach nur überspannt gewesen waren, als sie davon gesprochen hatten, den Mann zu treffen, der nur für sie bestimmt war, und von pochenden Herzen und erregtem Blut. Irgendwo in ihrer Vorstellung schnurrte sie fast vor Entzücken, während sie auf diesen kalten Hünen starrte, der ihr Leben in seinen schönen, langen Händen hielt.
Ihre Verwirrung abschüttelnd, führte sie die Kinder zu einem Sofa beim Feuer. Sie setzte sich, und die beiden schmiegten sich an sie. Ilsabeth bemerkte, wie Simon seinen Stuhl drehte, damit er sie direkt beobachten konnte, und war fasziniert von der eleganten Art und Weise seiner Bewegungen. Innerlich verurteilte sie sich jedoch dafür. Dies war wirklich nicht die Zeit, eines Mannes wegen völlig aus der Fassung zu geraten, umso mehr als sie erst vor wenigen Tagen von einem so schrecklich hintergangen worden war. Doch es bewies, dass sie Walter nicht geliebt hatte, und das war ein kleiner Trost für sie.
»Ah, Eure Beichte muss noch einen Moment warten«, meinte Simon, denn eben traten MacBean und die alte Bega mit Speisen und Getränken ein.
Das Wort Beichte ärgerte Ilsabeth, und sie schleuderte einen wütenden Blick auf ihn, doch ihre Aufmerksamkeit wurde rasch von der Frau in Anspruch genommen, die Sir Simon als »die alte Bega« vorstellte. Sie war mollig, hatte graues Haar und schien vor ihrem strengen Herrn keinerlei Scheu zu haben. Und sie bemutterte die Kinder fast überschwänglich, während der knochendürre Diener namens MacBean sie nur finster anfunkelte.
»Oh, sieh dir diese hübschen Kleinen an!«, rief die Alte entzückt. »Sie müssen gewaschen werden und brauchen saubere Kleider. Ja, das brauchen sie.« Sie setzte Elen auf einen Arm und nahm Reid bei der Hand. »Ihr beiden kommt mit mir, ich werde mich gleich mal um euch kümmern. Und dann könnt ihr euch dem Schmaus anschließen.«
»Aber ...« Ilsabeth wollte widersprechen; sie war sich nicht sicher, ob sie mit Sir Simon allein sein wollte.
»Keine Widerrede, und macht Euch keine Sorgen«, meinte die alte Bega bereits im Hinausgehen. »Ich werde sie Euch wiederbringen, sobald sie sauber und aus diesen Lumpen heraus sind. Komm, MacBean!«
»Komm, MacBean!«, brummte der Mann, doch er folgte ihr. »Hol dies, tu das. Halt den Mund, altes Weib, du weißt, dass ich nicht für dich arbeite!«