Der Nekromant und das Mädchen - Frank Hinz - E-Book

Der Nekromant und das Mädchen E-Book

Frank Hinz

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Beschreibung

Nachdem man der jungen Frau Ebru eine Anstellung als Dienerin des (zumindest in Vampirkreisen) hoch angesehenen Baron Lecsó anbot, war sie gezwungen, das fünfjährige Waisenkind namens Adelheid, auch kurz "Heidi" genannt, der Obhut ihres Großvaters zu überlassen. Der griesgrämige Totenbeschwörer, der bis dato zurückgezogen in seinem Magierturm im Wald lebte, nimmt sich zunächst sehr widerwillig seiner Enkelin an, die er seit ihrer Geburt nicht mehr gesehen hatte. Staunend begeistert sich das aufgeschlossene, junge Mädchen für die Waldbewohner, zu denen auch Hogro, ein einfältiger Hobbit, gehört und mit dem sie einige Abenteuer in dem sogenannten Mitternachtsforst erlebt. Die Kinder begegnen Trollen, einem Greifen und Heidi hat ein "Zusammentreffen" mit einem sehr aufdringlichen Missionar. Sie bekommt Einblicke in die hohe Kunst der Totenbeschwörung, der Kreation von dienstbaren Kreaturen sowie Voodoo-Puppenmagie – und findet das alles äußerst spannend! Nach mehreren glücklichen Jahren in der Abgeschiedenheit des Waldes wird ihr Glück jedoch jäh erschüttert, als Ebru zurückkehrt, um das Mädchen gegen ihren Willen wieder mitzunehmen. Ihrer Meinung nach habe sie eine bessere Bleibe für das Kind gefunden. Schweren Herzens nimmt das Kind Abschied von ihrem Großvater. Heidi kommt in die Obhut von Herrn Randmann, eines erfolgreichen Immobilienmaklers, und muss ihr künftiges Dasein in der Finanzmetropole Fartigen am Weyr bestreiten. Zu den Bewohnern des Hauses Randmann gehören neben den Bediensteten und ihrer strengen, aber auch gerechten Vorgesetzten das kränkelnde Mädchen Carla, die Tochter des Hausherren. Das arme Mädchen wurde einst von einer bösartigen Hexe mit einem Fluch belegt, der bewirkte, dass sie nur noch das Schlechte in der Welt sehen kann... Eine Geschichte für anspruchslose Kinder, für Solche, welche die Kinder lieb haben, aber auch für Solche, denen Kinder gleichgültig sind.

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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Der Nekromant und das Mädchen

TitelIMPRESSUMIntroNoch ein IntroProlog: Zwei Jungtrolle in der MorgensonneIn den tiefen WaldBeim TotenbeschwörerAugenweidenWiderwärtige KreaturenBei der KräuterhexeEin ungebetener GastDer Besuch der jungen DameEin neues Kapitel.Fräulein Rottenluders furchtbarer Tagund Hei­dis ElfenbegegnungUnruhige Zeiten50 Shades of Brown(Even) Stranger ThingsCarla kollabiertVerflucht, verhext und ver­dammt!Ein FrühlingsnachtstraumDer Morgen danachGroßvatertagEpilogAnhängeSchlussworte und Danksa­gungen

Titel

 DER NEKROMANT UND DAS MÄDCHEN

Frank Hinz

Nach den Erzählungen von Johanna Spyri

IMPRESSUM

 

Ebenfalls erhältlich:

Die Fabrik der Träume

Heitere Geschichten zur Erheiterung, Erbauung, Belehrung, Belustigung und Belästigung junger Menschen

 

 

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autoren unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Texte: © Copyright by Frank HinzCovergestaltung: © Copyright by Frank Hinz

Verlag: Frank Hinz / Deichstr. 31 / 25436 Uetersen

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Vertrieb: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Intro

 

 

 

Eine Geschichtefür anspruchslose Kinder, für Solche, welche die Kinder lieb haben, sowie für Jene, denen Kinder gleichgültig sind.

Noch ein Intro

 

 

Natürlich hätte Heidi auch bei ihrem anderen Großvater landen können …

Prolog: Zwei Jungtrolle in der Morgensonne

»Alder?«

»Ja, Digga?«

»Alder, bissu auch schon sostonedals wie ich?«

»Wiestonedbissu denn, Digga?«

»Ziemlichstoned, Alder.«

»Ach ja, Digga?«

»Ja, Alder.«

Kurzes, beiderseitiges Schweigen.

»… Also wenn hier einerstonedis, dann bin ich es, Digga!«

»Du kannst garnich’sostonedals wie ich sein, Alder!«

»Niemand is’stonenderals wie ich, Digga, das sach’ich dir, Digga!«

»Alder, ehrlich, ich bin echt -äh- amstonendsten, Alder! Nee, ernsthaft, jetzt!«

»Ey, dassiss unmöglich, Digga, ey!«

»Bissu sicher, Alder?«

»Ja, bin ich. Bis eben konnte ich meine Zehen nich’spüren tun und nu’sind meine Knie taub, Digga!«

»Alder, das is’nichts im Vergleich zu-zu-zu …«

»Digga? DIGGA! DIGGA! DIGGA! D-D-DIG…«

»…«

»…«

In den tiefen Wald

 »Ich habe gelernt, vom Leben nicht viel zu erwarten. Das ist das Geheimnis aller echten Heiterkeit und der Grund, warum ich immer angenehme Überraschungen statt trostloser Enttäuschungen erlebe.«

 Gollum

Es führte nur ein schmaler Weg in den Mitternachtsforst, der von den Bewohnern des nahe­gelegenen Dorfes Märzbach auch abwertend »Mittwald« genannt wurde. Je schma­ler der Weg wurde, desto üppiger wurde der Bewuchs.

Diesen Waldweg beschritten eine junge und hübsche Frau mit einem kleinen Koffer in der Hand, sowie ein kleines, rotbäckiges Mädchen von fünf Jahren, das, ob­wohl es bereits Mitte Juni war, mehrere Schichten Kleidung über­einander trug. Ständig musste die Frau über die Ranken der Waldpflanzen stolpern, gelegentlich stieß ihr Kopf mit hervorstehenden Ästen zusammen, einmal verfing sich ihr Blu­menkleid in einemWacholderbeerenstrauch. Es war für sie eine Tortur, dem Mädchen zu folgen, aber das Kind hatte anscheinend sehr viel Freude an diesem »Parcours«. Doch es wurde langsamer, was die junge Frau bemerkte.

»Bist du müde, Heidi?«, frug die junge Frau.

»Nein, mir ist heiß!«, erwiderte das Kind.

»Schon bald sind wir da! Dort, wo wir hingehen, wirst du die warme Kleidung brauchen …«, antwortete die junge Frau zur Be(un)ruhigung des Mädchens.Lustlos trottete siedem übermütigen Kind hinterher, das voller Freude durch den finsteren Wald wanderte.

Es verging fast eine weitere Stunde, ehe sie von weitem die Spitze eines Turmes sahen.

»Puh, ich schaffe das nicht mehr!«, rief das Kind, während es sich der oberen Kleidungs­schichten entledigte. Sonntagskleidchen, Unterröckchen sowie Unterunterröck­chen warf es von sich, während die junge Frau ihm verär­gert hinterherrief: »Adelheid, du Unglücksvogel, was machst du da?«

Das Kind ignorierte sie jedoch und lief in ihrem Unter­hemdchen unbeirrt in Richtung des Tur­mes.

Nachdem die junge Frau die Kleider der Kleinenaufgelesen hatte(es handelte sich hierbei um Ebru, die Tante1des Waisenkindes mit dem Namen Adelheid, genannt »Heidi«), erreichte auch sie die Lichtung mit dem imposanten, obsidianfarbenen Magierturm.

Sie sammelte das Kind, dasübermütigum den Turm herumtollte, ein und betätigte den Klopfer, der an der schweren Eisentür hing. Es dauerte eine Weile, bis beide Schritte hörten, und sich ein kleines Sichtfenster an der Tür öffnete. Trübe Au­gen blickten sie an, dann hörten sie eine resolute Stimme: »ICH KAUFE NICHTS!«

»Guten Abend, Großvater!«, antwortete Heidi.

»Wer?«, entgegnete die Stimme hinter der Tür.

»Ich wünsche Euch einen von allen 49 Göttern geseg­neten Tag, Mächtiger Weeno!«, sagte Ebru. »Hier ist Ebru, die Großtochter Eurer Schwester. Ich bringe Euch hier dasKind von Eurem Sohn Toblos und Adelholde. Ihr habt das Gör’ seit ihrer Geburt nicht mehr erblickt!«

»Und was soll sie bei mir?«

»Es muss von nun an bei Euch bleiben! Man hat mir eine Stelle als Dienerin von Baron Lecsó angeboten! Ich habe mich die letzten fünf Jahre um sie gekümmert und jetzt seid Ihr dran!«, gab Ebru zurück.

»Ach so. Und was soll ich machen, wenn das Kind herum­flennt und wieder zurück zu dir möchte?«, frug der Alte.

»Alsodaswird garantiert nicht geschehen …«, kicherte Ebru.

Sehr langsam öffnete sich die Tür.Es erschien ein älterer Mann mit langem, weißgrauen Bart. Er trug ein schwarzes Gewand, auf dem sich seltsame Zeichen befanden und hielt eine Tabaks­pfeife in der Hand.

»Großvater!«, rief das Kind, lief auf ihn zu und umarmte kräftig seine untere Körperhälfte.

Verlegen schaute der Magier in alle Richtungen, aber er konnte seine Großnichte Ebru nirgends sehen.

1 Obwohl ihre verwandtschaftliche Beziehung etwas kompli­zierter war, wurde sie von dem Kind immer»Tante Ebru«genannt und nach mehreren Jahren fand sich die junge Frau da­mit ab …

Beim Totenbeschwörer

»All unser Übel kommt daher,dass wir nicht allein sein können.«

 Gollum

 

Weeno, der mächtigste Zauberer von Ostland, sah ratlos hinab. Ein fröhliches Kind umklammerte sei­ne Beine, es war ein zutiefst unbehagliches Gefühl.

Die kindliche Schraubzwinge frughoffnungsvoll: »Ab jetzt wirst du für mich da sein, nicht wahr, Großvater, nicht wahr?«.

»Ich weiß, wie man Kreaturen aus der Unterwelt beschwört, wie man Veganer in leichenfressende Ghouls ver­wandelt und ich kann aus Religionslehrerinnen dienstbare Imps machen. Aber von Kinder­erziehung habe ich nicht den blassesten Schimmer!«, bekannte Weeno der Mächtige.

»Den hatte Tante Ebru auch nicht, als sie mich aufnahm!«, sagte Heidi und im selben Atemzug: »Ich will sehen, was du drinnen hast, im Turm!«

Weeno der Mächtige versuchte zu antworten: »Äh, ich weiß nicht, ob -äh- das, was du sehen wirst für -äh- Kinder geeignet …«, aber noch bevor er sein Gestammel beenden konnte, rannte Heidi bereits freudig die gewundene Stein­treppe hinauf und betrat den Evokationsraum. Weeno folgte ihr, nachdem er ihre Kleidung und ihren Koffer aufgenommen hatte. (Ebru deponierte beides kurz vor ihrer Flucht neben der Eingangstür.)

»Die kommen hier in die Truhe«, sagte er und legte Heidis Kleider beiseite.

Heidi befand sich in einem dunklen Raum voller fremd­artiger Utensilien, wundersamerKreaturen in kleinen Käfigen sowie Götzenbilder und Symbolen an den Wänden. Das Mädchen wirkte so deplatziert wie ein Oger in einem Buchclub.

»Was ist in den Flaschen hier?«, frug Heidi und deutete auf ein Regal mit Glasphiolen, in denen sich verschiedenfarbige Flüssigkeiten befanden. Während in dem ganzen Raum das blanke Chaos herrsch­te, war dieses spezielle Wandregal ordentlich aufgeräumt, die Phiolen sauber beschriftet, alles war ab­gestaubt und frei von Spinnweben.

Rasch antwortete der Zauberer: »Bitte fasse diese Flaschen nicht an! Sie … beinhalten … Erinnerungen an ein vergangenes Leben.« Heidi sah, wie ihr Großvater betrübt dreinblickte, auch wenn sie da­mals den Grund dafür nicht kannte.

Schnell wechselte sie das Thema: »Wo werde ich schlafen, Großvater?«

»Ich werde für dich ein … GEH SOFORT RAUS AUS DEM BESCHWÖRUNGSKREIS!«, rief Weeno der Mächtige unvermittelt2. Heidi stellte fest, dass sie in der Mitte eines 19zackigen Sterns stand, der auf dem Boden mit Zie­genblut gezeichnet worden war.

Um der Aufforderung ihres Großvaters nachzukommen, stellte sie sich in einen mit blauer Kreide gezeichneten fünf­zackigen Stern, der sich am hinteren Ende des Raumes direkt vor einem der Turmfenster befand, verschränkte trot­zig ihre Arme und sagte dabei: »Hier will ich schlafen!«

»Warumauchnicht? Ich werde dir hier ein Bett aufstellen. Ich denke, das Pentagramm vor dem Fenster ist vermutlich der sicherste Ort hier im Turm …«, antworteteWeeno derMächtige, der sich ironischerweise kurz vor einerOhn-Machtbefand. (Er kannte orkische Warlords, die besser für den Job einer Nanny geeignet waren als er …)

Für Heidi war Sicherheit allerdings zweitrangig, ihr war es am wichtigsten, dass sie aus der Turmöffnung den wunderschönen Mischwald überblicken konnte. Sie verweilte noch eine Weilevor dem Fenster, erfreute sich an dem An­blick des Mitternachtsforstes und überlegte sich, auf wel­chen Baum sie zuerst klettern wolle, aber nach einiger Zeit wurden ihre Träumereien von der Stimme ihres Großvaters unterbrochen.

»Es wird Zeit, etwas zu essen«, schlug Weeno vor. In ihrem Eifer war Heidi noch nicht die orale Einnahme von Nahrungsmitteln in den Sinn gekommen, obwohl sie zum Frühstück nur ein Stück Brot und eine Tasse mit lauwarmer Butterbrühe von ihrer Tante Ebru bekommen hatte. In Heidis Magen begann es, leicht zu grummeln.

»Ja, ich mein’ es auch.«

Der Alte schob einen großen Kessel beiseite und zog einen kleinen an einer Kette hervor. Er nahm auf einen Hocker Platz und entzündete ein Feuer unter dem kupfernen Kessel.

»Siehst du den großen Kessel da drüben?«, frug er das Kind.

»Ja, den sehe ich!«, antwortete das Kind.

Daraufhin sagte der Alte: »In diesem Kessel sperrte ich einst das Böse aus den Herzen der Menschen ein. Ihre Über­heblichkeit. Ihre Aggressivität. Ihre Selbstgerechtigkeit. Ihren grenzenlosen Hass. Sowie ihr Unverständnis gegen­über der Natur. (Hin und wieder lasse ich das Böse wieder frei …)«

»Und was ist in dem kleinen Kessel auf dem Feuer?«

»Suppe.«

2 Er erinnerte sich mit Schrecken daran, was seinem Freund »Sethius dem Voreiligen« widerfuhr: Der unglückse­lige Sethius stand versehentlich in seinem Beschwörungskreis, während sich eine Dämonenfliege aus der Niederhölle materialisierte. Bekanntlich können zwei Lebewesen niemals zur gleichen ZeitdenselbenRaum einnehmen ohnedabeizu einer Abscheulich­keit zu verschmelzen …

Augenweiden

 »Ein tiefer Fall führt oft zu hohem Glück.«

 Brandon »Bran« Stark

 

Wenn man so jung wie Heidi war, dann war das Leben eine einzige Entdeckungsreise und jeder Tag der Beginn ei­nes neuen spannenden Abenteuers. Das Problem mit Abenteuern ist allerdings, dass man nie im Voraus weiß, welchen Verlauf sie nehmen werden …

Recht früh kam Heidi zu der Erkenntnis, dass es keine besonders kluge Entscheidung war, den Schlaf­platz im Beschwörungsraum zu platzieren. Immer, wenn sie nachts aufwachte, weil es blitzte und don­nerte, wusste sie zunächst nicht, ob sich das Unwetter inner- oder außerhalb des Magierturms befand. Aber nach einiger Zeit gewöhnte sie sich auch daran.

Die meiste Zeit befand sich das Kind ohnehin außerhalb desTurmes, zumindest immer dann, wenn es das Wetter oder ihr Großvater erlaubte.

Obwohl man annehmen sollte, dass ein düsterer Wald voller Gefahren kein idealer Spielplatz für ein Kind sei, fand Heidi erstaunlich viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Sie freundete sich mit Ho­gro, einem jungen, geistig zurückge­bliebenen Halbling an, dessen Aufgabe es war, Botengänge3zwischen seiner Großmutter (einer Kräuterhexe, die in ihrer Hütte am anderen Ende des Mittwaldes wohnte), dem alten Weeno und den Dorfbewohnern, zu erledigen4. Der gutmütige Hogro war zwar drei Jahre älter als Heidi, aber er reichte ihr dennoch nur bis zum Kinn.

Als die beiden Kinder eines Tages auf dem Weg ins Dorf waren, um dort einen Käfig mit einem bestell­ten Beleidigungs-Homunkulus abzuliefern, bemerkte Heidi in einer Lichtung zwei merkwürdig ge­formte Felsen.

»Die beiden großen Steine da sehen aus wie Trolle!«, stellte das Mädchen fest, »Aber das kann nicht sein. Großvater hat gesagt, hier in der Gegend wurden alle Trolle von einer bösen Hexe5vertrieben.«

»Übernatürliche Wesen wie Trolle gibt es nicht, du blöde Dumpfbacke!«, erwiderte der übernatürlich erzeugte Beleidungs-Homunkulus.

»Hogro«, erwiderte Hogro.6

Um die etwa drei Meter großen Felsen näher zu untersuchen, kletterte Heidi auf den kleineren der bei­den.

»Dich werde ich ›Schwänli‹ nennen, denn du bist etwas heller als dein Freund, den ich ›Bärli‹ tau­fen werde, denn sein Bauch ist so rund wie der eines niedlichen Waschbären.«

Die Oberseite von Schwänli, ihres neuen mineralischen Freundes, war schön flach, sodass Heidi auf dem Rückenliegend einige Zeit gen Himmel schaute. Hogro saß derweil auf einem Holzstumpf und zerquetschte Käfer mit einem Stein. Der Käfig mitsamt seinem Bewohner befand sich direkt ne­ben ihm.

 

Zur gleichen Zeit flog ein Greif über den Mitternachts­forst und bemerkte unter sich einen dunklen Fleck auf einer sonderbaren hellen Fläche, der sich bewegte und wie Nah­rung aussah.

 

»Dich werde ich gleich ›Sumpfralle‹ nennen, wenn wir nicht umgehend weitergehen!«,meckerteder Beleidigungs-Hom­unkulus nach einer Weile.

»Hogro!«, rief Hogro zustimmend.

»Na schön«,grummelteHeidi widerwillig. Sie hätte gerne mehr Zeit auf dem Felsen verbracht, um den großen, sehr sonderbaren Vogel mit dem Löwenkörper, der maje­stätisch über ihr kreiste, zu beobachten. Je­doch sah sie ein, dass den beiden/dreien noch ein langer Weg bevorstand, die Sonne stand schon recht niedrig am Horizont. Natürlich musste sie dem Felsen noch einen selbst geflochtenen Blumenkranz, den sie aus der Tasche ihres Kleidchens zog, auf seinen »Kopf« legen und den Teil des Felsens, der wie eine Stirn aussah, küssen, aber dann begann sie, vorsichtig hin­unterzuklettern.

 

Der Greif setzte zum Sturzflug an. Diesen Leckerbissen konnte er sich nicht entgehen lassen. Ein saftiges Men­schenkind! Geifer tropfte aus seinem Schnabel. Die Krallen seiner Vorderläufe fuhr er aus.

 

»Ich bin aufm’ Weg! Huuuiiiiiiii!«, rief das Mädchen, während sie auf einem Felsvorsprung, der wie ein Arm aussah, hinunterrutschte. »Ich hab’ dich lieb’, Schwänli! Tschüss, Bärli!«

»Hogro«, sagte Hogro, um die Situationallgemeinver­ständlichzusammenzufassen.

 

Der Greif fixierte sich gänzlich auf den kleinen Menschen auf der hellen Fläche. Pfeilschnell flog er auf ihn zu. War die helle Fläche eine Erhebung? Ein Fels etwa? Nein, das kann nicht sein, es wachsen ja Blumen in einem kleinen Kreis auf diesem hellen … Fleck. Er war kurz irritiert, seine Augen tränten leicht, und er passte seine Geschwindigkeit und den Eintrittswinkel an.

 

Nun kletterte Heidi langsam den Felsvorsprung hinunter.»Wird auch Zeit, du abartige Pestratte! Troll dich!«, meinte der meckernde Käfigbewohner.

 

Mit einem lauten Knall, der von einem kurzen, ohrenbe­täubenden Schrei begleitet wurde, zerschellte der Greif auf dem Felsen.

 

Heidi war noch nie in ihrem kurzen Leben so erschrocken gewesen. Sie konnte nicht begreifen, was gerade hinter ihrem Rücken geschah. Um sie herum lagen die Fleisch­fetzen, Fellreste, zersplitterte Knochen und das Gefieder einer ihr unbekannten Kreatur. Voller Panik lief sie davon. Sie wäre jetzt gerne wieder bei ihrem Großvater in Sicher­heit gewesen, aber ihr Pflichtbewusstsein war stärker als ihre Angst, sodass sie schnell Richtung Dorf lief, gemeinsam mit ihrem Freund, der die ganze Zeit nur »Hogro! Hogro! Hogro!« stammelte und natürlich dem Beleidigungs-Homunkulus, der in seinem Käfig kräftig durchgeschüttelt wurde und–so wie es seine Bestimmung war–unflätig schimpfte.

 

(Bei den beiden Felsen, die Heidi so sehr faszinierten, handelte es sich tatsächlich um Trolle. Die bei­den Jungtrolle»Gnarf der Zerfetzer« und »Bloto der Bärenschänder« wetteten einst auf dem Heimweg nach einem Rockkonzert, wer von ihnen länger in der Morgensonne verweilen könne–ohne sich gänz­lich in massives Gestein zu verwandeln. Sie warteten gemeinsam auf die ersten Sonnenstrahlen und … Nun ja, die Wette endete mit einem Unentschieden.)

 

3 Der jahrelange Transport von magischen Schriftrollen mit Pestflüchen, Unglückszaubernund(Zer-)Störungs­sprüchen sowie mit Krankheitserregern gefüllte Hexenbeutel, hatte ebenfalls seine Spuren bei ihm hinterlas­sen.

4 Seine Hauptaufgabe bestand allerdings im Sammeln von Wiedkraut, eines sehr beliebten Rauschmittels, dass sowohl Weeno als auch seine Großmutter genüsslich in ihren Pfeifen rauchten.

5 Hogros Großmutter

6 Seit eines tragischen, magischen Unfalles in seiner früheren Kindheit konnte er nur dieses eine Wort sagen.

Widerwärtige Kreaturen

»Multiple exclamation marks are a sure signof a di­seased mind. Wall!!!!!«

Donald J. Trump

 

»Fünf Ausrufezeichen sind ein sichährähr Hinweisauf geissige Umnach-Übernachtung!!!!!«

Til Schweigähr

 

Widerwillig humpelte der Alte zu dem Schuppen hinter seinem Haus. Seit einigen Wochen schmerzte sein Fuß aus unerfindlichen Gründen. Seine Motivation, an die­sem Nachmittag Gartenarbeiten zu erledigen, hielt sich stark in Grenzen. Aber es war allerhöchste Zeit, die He­cke zu schneiden. Zumindest behauptete seine Frau das.

Mühsam öffnete er die Schuppentür und entnahm eine mittelgroße Heckenschere. Nein, er hatte wirklich keine Lust auf diese lästige Arbeit. Der Hauptgrund für sei­nen Widerwillen lag allerdings nicht in seiner Faulheit begründet, sondern in seinen neuen Nachbarn, für die das Belästigen, Beobachten, Beschimpfen, Bespucken, Bestehlen und Bewerfen anderer Leute die primäre Freizeit­beschäftigung war. »Zufälligerweise« befanden sich diese widerlichen Leute an diesem Nachmittag ebenfalls in ihrem Garten, in unmittelbarer Nähe zu sei­ner Hecke.

Als er langsam zu den Sträuchern ging, nahm er bereits die kleinen Drecksäcke und deren Drecksköter wahr. Undderen hämisches Lachen, dass sich regelmäßig mit dem Gebell ihrer verhaltensgestörten Töle abwechselte. Generell hatte der Alte nichts gegen Hunde, er besaß viele Jahre lang eigene. Für ihn waren sie bemerkens­werte Tiere, die wie niemand sonst in der Lage waren, das Verhalten ihrer Besitzer zu assimilieren. Anständige und zurechnungsfähige Hundebesitzer hatten anständi­ge und zurechnungsfähige Hunde. Nervtötende und geisteskranke Hundebesitzer hatten … blöde Mistvie­cher.

Undnatürlichmussten Hunde bisweilen bellen, andern­falls wären sie keine Hundemehr, sondern extrem häss­liche und dumme Katzen! Jedoch gab es genau zwei Arten von Gebell: Es gab zum einen kurzes, notwendi­ges Hundegebell, das der Kommunikation mit der Au­ßenwelt diente, um beispielsweise Hunger, Durst oder Angst zu signalisieren. Und es gab das pausenlose Ge­kläffe, das signalisieren sollte, dass der Hund entweder starke Schmerzen hatte, psychische Probleme oder von seinen Besitzern zum permanenten Bellen gereizt wur­de. Die Laute von dem Tier dieser »Nachbarn« waren der zweiten Kategorie zuzuordnen …

Nun gab es also für den Alten kein Entkommen mehr. Er stand an der Hecke und begann, sie trotz des uner­träglichen Lärms auf der anderen Seite zu schneiden. Er erinnerte sich an einen kurzen Streit, den er mit seiner Frau am Morgen hatte. Zum wiederholten Male ging es um das gleiche Thema: Auch sie hatte ihre Probleme mit diesen niveaulosen »Nachbarn« undwie immerwa­rensie sich über den Umgang mit diesen schreckli­chen »Personen« uneinig. ER versuchte, IHR klarzu­machen, dass er mit seiner sprachlichen Eloquenz durchaus in der Lage sei, mit diesen »Typen«fertigzu­werden. Schließlich habe er einst als zwölfjähriger Jun­ge mit seinen Worten seinen neunjährigen Bruder zum Weinen gebracht … SIE versuchte, IHMklarzumachen, dass sie die Belästigungen dieser »Leute« nicht hinneh­men müssen, denn für solche Probleme gab es die Dorfmiliz, Anwälte und andere Lösungen …

Seine Gedanken befanden sich nun wieder in der Reali­tät und in seiner Schläfe hämmerte es aufgrund der Pö­beleien in seiner unmittelbaren Umgebung.

»Na, Herr Käfeviel, haft du wieder fuviel Käfe gegef­fen? Hehehehe …«

»Du bift scheiffe!«

»Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Yeek-Yeek-Yeek-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff …«

»Ihr seid … -äh- … Pfeifen … auch!«, erwiderte der Alte, der das Wort »scheiffe« falsch interpretierte.

 

* * *

 

Ein beliebtes Mittel, um sich vor pöbelnden Nachbarn zu schützen, waren Beleidigungs-Homunkuli. Wenn man diese Wesen, die weder schlafen noch essen muss­ten, und nur (eigene) verbale Entgleisun­gen als Lebens­grundlage benötigten, in einem Käfig in der Nähe des Gartenzaunes verbrachte, konnte man sich gut gegen aggressive Nachbarn wehren. Warum soll man auch selbst auf das Gekeife anderer Leute reagieren, wenn man diese Tätigkeit auch outsourcen kann?

Zu den Opfern nachbarlicher Bosheit gehörte das ältere Ehepaar Käseviel, dass sich gegen ihre neu hinzugezo­genen Nachbarn, ein deutlich jüngeres Giftzwerge7-Paar, verteidigen musste.