Der neue Star - René Bote - E-Book

Der neue Star E-Book

René Bote

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Beschreibung

Für die zwölfjährige Hanna erfüllt sich ein Traum, als sie in einem großen Kinofilm die Hauptrolle spielen darf, und ihr Co-Star Tobias entpuppt sich als die denkbar beste Besetzung für die Rolle des Jungen, in den Hannas Figur sich verliebt. Doch als der Film in die Kinos kommt und nicht nur Hannas Freunde glauben, dass die beiden Hauptdarsteller auch hinter der Kamera ein Liebespaar geworden sind, beginnt für Hanna ein grenzenloses Gefühlschaos...

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Seitenzahl: 61

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Gegenwart, erste Septemberwoche:

Tolles Wetter mal wieder! dachte Hanna, als sie auf den Bürgersteig trat. Dicke Wolken hingen über der Stadt und sperrten jeden Sonnenstrahl aus, eine steife Brise trieb feinen Nieselregen durch die Straßen. Hanna fröstelte, obwohl es so kalt eigentlich nun auch wieder nicht war und sie extra ihren winddichten Anorak angezogen hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie noch nicht richtig ausgeschlafen war, denn übermüdet fror man ja leichter.

Die beste Voraussetzung für den ersten Schultag nach den Sommerferien waren wenig mehr als fünfeinhalb Stunden Schlaf bestimmt nicht, noch dazu, wenn alle Klassenkameraden schon seit einer Woche wieder die Schulbank drückten. Hanna war beurlaubt gewesen, und während sie gerade so schnell Richtung Bushaltestelle schlurfte, dass sie keine Gefahr lief, den Schülereinsatzwagen zu verpassen, dachte sie kurz daran, dass es vielleicht besser gewesen wäre, sich auch für diesen Montag noch vom Unterricht befreien zu lassen. Auf der anderen Seite hätte sie dann aber auch den Stoff für einen weiteren Tag nachholen müssen, und deshalb hatte sie sich entschieden, sich von ihren Eltern keine Entschuldigung schreiben zu lassen, obwohl sie bis zum Vortag noch in Berlin gewesen und erst um kurz nach Mitternacht wieder zu Hause angekommen war. Irgendwie würde sie es schon schaffen, nicht sang- und klanglos einzuschlafen, und eine innere Stimme sagte ihr, dass ihr heute keiner der Lehrer ihre Müdigkeit übel nehmen würde. Die Lehrer kannten den Grund ihrer Abwesenheit in der Vorwoche, und Herr Kröger, bei dem Hanna schon seit der fünften Klasse Deutsch hatte, hatte vor den Ferien schon was verlauten lassen, dass er die heutige Doppelstunde aus gegebenem Anlass einem Exkurs zum Thema ‚Medium Film‘ widmen würde.

***

Knapp zehn Monate früher, Montag der zweiten Adventswoche:

Hanna saß im Schneidersitz auf ihrem Bett, ihren Laptop auf dem Schoß, und surfte auf der Webseite ihrer Lieblingsjugendzeitschrift herum. Die gedruckte Ausgabe kaufte sie sich nur selten, denn jede Woche einen Euro und sechzig Cent dafür auszugeben, war ihr einfach zu teuer, aber die Onlineversion schaute sie sich regelmäßig an. Reihenfolge und Schwerpunkte der Themen, die sie las, waren immer wieder unterschiedlich, ob sie sich mehr auf Musik, Kino, Buchbesprechungen oder die Aufklärungsecke konzentrierte, hing ab von ihrer Stimmung, Fragen, die für sie selbst gerade aktuell waren, und dem, was auf dem Schulhof und im Freundeskreis momentan im Gespräch war.

An diesem Tag sprang sie bereits auf der Startseite eine balkendicke Schlagzeile an: ‚Darsteller gesucht‘. Hanna dachte spontan an die Fotoromane, die ebenfalls regelmäßig Bestandteil der Zeitschrift waren, und klickte neugierig auf den Link. Für sie selbst kam das zwar nicht in Frage, denn davon ab, dass sich die Geschichten immer um Jugendliche und junge Erwachsene drehten, sie also – gerade erst zwölf geworden – noch mehrere Jahre zu jung dafür war, konnte sie sich unter keinen Umständen vorstellen, in Unterwäsche für Fotos zu posieren, die sich jeder Junge in ihrer Klasse anschauen konnte, aber es interessierte sie, ob man bestimmte Voraussetzungen mitbringen musste, wenn man sich als Darsteller bewerben wollte.

Als die Seite sich aufgebaut hatte, was wegen der vielen grafischen Elemente trotz der eigentlich recht schnellen Internetverbindung ein paar Sekunden dauerte, erkannte Hanna ihren Irrtum. Es ging nicht um frische Gesichter für die Fotoromane, und die Zeitschrift hatte mit dem Aufruf als solchem überhaupt nichts zu tun; vielmehr bediente sich die Filmgesellschaft MBZ-Films des weithin bekannten Mediums, um mit der Einladung zum Casting für einen neuen Kinderfilm möglichst viele Kinder und Jugendliche zu erreichen.

MBZ beabsichtigte, das Buch ‚Das Geheimnis der Spukvilla‘ zu verfilmen, und veranstaltete in verschiedenen Städten in ganz Deutschland Castingtermine. Eine bekannte Jungschauspielerin, die jetzt etwas über zwanzig und seit ihrem achten Lebensjahr regelmäßig in Kino und Fernsehen zu sehen war, war in diesem Zusammenhang interviewt worden und erklärte, dass es solche Gelegenheiten, einfach so ins Filmgeschäft hineinzuschnuppern, nicht sehr oft gab. Bei den meisten Projekten wurde eine Castingagentur beauftragt, die dann in der eigenen Kartei nach geeigneten Kandidaten suchte und unter Umständen ihrerseits andere Agenturen anschrieb und aufforderte, den Castingaufruf an Jungen und Mädchen zu verteilen, die bei ihnen unter Vertrag standen und den Anforderungen entsprachen.

Hannas Herz begann schneller zu schlagen. Mitspielen in einem Kinofilm, ja, das würde sie wirklich gern einmal machen, und wenn sich tatsächlich jeder bewerben durfte, warum sollte sie es dann nicht versuchen? Schauspielen konnte sie, das hatte sie im Schultheater schon unter Beweis gestellt, und wenn es nicht reichte, dann schadete es doch auch nichts. Zumindest redete sie sich das ein, aber insgeheim träumte sie natürlich von der Hauptrolle.

Gesucht wurden je ein Junge und ein Mädchen zwischen elf und dreizehn Jahren für die Hauptrollen und diverse Kinder und Jugendliche für größere und kleinere Nebenrollen im Alter von sechs bis sechzehn Jahren. Besondere Bedingungen, die die Bewerber erfüllen mussten, waren nicht angegeben, zumindest keine, von denen Hanna befürchtete, sie nicht erfüllen zu können. Fließendes Deutsch, Spaß am Schauspielern, Ausdauer, Zeit in den Sommerferien und einen Elternteil oder sonst einen vertrauten Erwachsenen, der sie während der Dreharbeiten begleitete, mehr verlangte MBZ für den Anfang nicht. Das sollte sich doch wohl einrichten lassen!

Doch der erste Blick auf die Liste mit den Castingterminen ließ Hannas Mut schon wieder sinken. Berlin, Hamburg, Hannover, Erfurt, München, Stuttgart, Frankfurt – verflixt, gab es denn nichts in ihrer Nähe? Köln tauchte ganz unten noch auf, schon besser, aber immer noch zu weit weg, über eine Stunde mit dem Auto. So viel Fahrerei würden ihre Eltern sich dafür nicht antun, da brauchte Hanna gar nicht erst zu fragen, und mit dem Zug würden sie sie so weit auch nicht fahren lassen. Blöd, dass es keinen Termin in der Nähe gab, aber da konnte man dann wohl nichts machen.

Enttäuscht wollte sie die Seite schließen, und fast hätte sie dabei übersehen, dass, nachdem sie den Text zu lesen begonnen hatte, noch Bilder geladen worden waren und der Kasten mit den Castingterminen sich nach unten verschoben hatte, bis der unterste Teil aus dem Anzeigebereich verschwunden war. Ein Eintrag wurde am Ende der Liste noch sichtbar, als Hanna nach unten scrollte: Dortmund! Erleichtert seufzte sie auf, denn das war sozusagen gleich um die Ecke, da würde sie ihre Eltern schon eher überreden können, sie hinzufahren, und wenn nicht, dann würde sie vielleicht wenigstens mit Bus und Bahn dorthin fahren dürfen.

Weil sie aus Erfahrung wusste, dass sie ihre Eltern umso leichter überzeugen würde, ihr die Fahrt zum Casting zu erlauben, je besser sie selbst informiert war, widerstand sie der Versuchung, sofort zu ihrer Mutter in die Küche zu stürmen, und suchte stattdessen die Adresse auf dem digitalen Stadtplan heraus. Das Casting sollte in einem Hotel stattfinden, die genaue Anschrift war angegeben, und Hanna ließ sich von der elektronischen Fahrplanauskunft gleich eine entsprechende Verbindung für Hin- und Rückfahrt ausgeben. Dass sie vom Dortmunder Hauptbahnhof aus nur ein paar Stationen mit der U-Bahn würde fahren müssen, um zur angegebenen Adresse zu gelangen, und insgesamt kaum mehr als eine halbe Stunde unterwegs sein würde, war ein Pluspunkt und würde ihren Eltern die Entscheidung, sie allein zum Casting fahren zu lassen, wenn sie nicht mitkommen konnten oder wollten, hoffentlich erleichtern.