Der Pferde-Knigge - Tamara Ebert - E-Book

Der Pferde-Knigge E-Book

Tamara Ebert

4,4

Beschreibung

Wenn Pferde schubsen, drängeln oder ständig erschrecken, kann das nicht nur nerven, sondern schnell gefährlich werden. Aber warum sind manche Pferde wahre Gentlemen und andere grobe Rüpel? Meist liegt es am inkonsequenten Umgang des Menschen mit dem Pferd. Wer nun aber Konsequenz mit Härte verwechselt, kann sich schnell ein ängstliches oder gar aggressives Pferd heranziehen. Reken-Reitlehrerin Tamara Ebert erklärt leicht verständlich, was Pferde brav oder rüpelig macht und wie Sie Ihren ganz persönlichen Trainingsweg zum Traumpferd beschreiten können. Dabei stellt Ebert verschiedene Arbeitsweisen vor und bietet für jedes Alltagsproblem verschiedene Varianten an, die zum Erfolg führen können. Ob Ihr Pferd am Putzplatz tänzelt, Sie beim Führen anrempelt oder beim Laufen lassen in der Halle panisch wird - Sie lernen, wann Sie Druck wegnehmen sollten, wann Sie streng sein und wann kleine Fehler auch mal übersehen sollten. Führtraining, Longenarbeit und einfache Gymnastik an der Hand können dabei genauso zum Trainingsprogramm gehören wie gezielte Körperarbeit nach Linda Tellington-Jones. So können Sie gezielt auf Schwierigkeiten eingehen und es Schritt für Schritt in einen gelassenen Gentleman verwandeln. Das wirkt sich nicht nur positiv auf die Beziehung "am Boden" aus, sondern ist eine gute Vorbereitung für ein entspannteres Reiten.

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Titelbild: Christiane Slawik

 

Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

 

IMPRESSUM

Copyright © 2014 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Gestaltung und Satz: www.ravenstein2.de

Fotos im Innenteil: Neddens Tierfotografie

Lektorat der Originalausgabe: Sarah Koller

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6205-4

INHALT

Vorwort

Der erste Eindruck zählt

Ihr Pferd durchschaut Sie

Das wohlerzogene Pferd

Fordern Sie gute Umgangsformen ein!

Ein schönes Zuhause

Gut ausgerüstet

Hilfestellung für den Ausbilder

Wann sollten Sie einen Trainer zurate zu ziehen?

Viele Wege führen zu höflichem Benehmen

Wie lernen Pferde?

Welcher Lerntyp ist Ihr Pferd?

Auch der Ausbilder muss sich gut benehmen

Lehren heißt erklären

Wie viel Nachdruck müssen Sie Ihren Forderungen verleihen?

Anstandsregeln für Ihr Pferd

Kopf tief

Kau doch mal

Gewöhne dich dran

Aus dem Weg

Komm zu mir

Warte mal ab

Vom Rüpel zum Gentleman

Lass dich fangen

Vorwärts und Rückwärts

Steh still

Führen und folgen – egal wohin

Angebunden

Huf hoch

Lass mich aufsitzen

Steig ein

Sicher im Gelände

Drücken Sie sich verständlich aus

Danke

Literaturverzeichnis

VORWORT

Dieses Buch will keine neue Bodenarbeitsmethode beschreiben, das wäre in der Kürze auch nicht möglich. Es soll vielmehr ein Handbuch sein, das Lösungsvorschläge für die kleineren und größeren Probleme im Pferdealltag bereithält. Es gibt schon so viele brauchbare Ausbildungssysteme, sodass ich nichts wirklich Neues dazu schreiben könnte.

Es ist also vielmehr ein Buch, das Ihnen helfen soll, unerfreuliches, nervendes Benehmen Ihres Pferdes zu unterbinden und ein harmonisches Miteinander zu erlernen. Ist Ihr Pferd heute noch ein Rüpel, der Sie durch die Gegend schleift oder nicht zur Seite tritt, so sollte es im Laufe seiner Erziehung zu einem aufmerksamen und folgsamen Partner werden. Haben Sie einen Angsthasen im Stall stehen, so kann er durch die richtige Ausbildung an Sicherheit und Selbstvertrauen gewinnen. Ihr Pferd wird mit der Zeit neue Verhaltensweisen erlernen, die ihm helfen werden, mit beängstigenden Situationen gelassener umzugehen.

Und es wird Ihnen als Ausbilder mehr und mehr Vertrauen schenken. Ich habe hier Erfahrungen, Tipps und Tricks zusammengetragen und ausgewählt. Einiges habe ich von anderen Pferdemenschen übernommen, anderes entwickelte sich während meiner Arbeit mit Pferden und meiner Tätigkeit als Reit- und Pferdelehrerin. Meine Kenntnisse habe ich aus den unterschiedlichsten Quellen geschöpft: von Trainern, meinen Schülern und sehr viel von den Pferden. Und jeden Tag kommen neue Erkenntnisse dazu.

Bestimmt werden Sie hier Ausbildungsmethoden finden, die Ihnen bekannt sind. Wenn Sie die Möglichkeit haben, schauen Sie sich verschiedene Trainer und deren Vorgehensweisen an oder schmökern Sie in der einschlägigen Fachliteratur. Ich persönlich habe meine ersten bewussten Erfahrungen in der Bodenarbeit zusammen mit einer Jungstute, anhand eines Buches von Linda Tellington-Jones, gemacht. Auch heute noch fasziniert und begeistert mich ihre Herangehensweise an die Probleme der Pferde.

Die Autorin mit ihrer Welsh-Tinkerstute Eireen.

Aber auch andere Methoden haben mir viele wertvolle Tipps geliefert, die meine Sichtund Arbeitsweise beeinflusst und ergänzt haben. Letztendlich lasse ich das Pferd entscheiden, welches Vorgehen zweckmäßig ist, damit habe ich bis heute die besten Erfahrungen gemacht.

Dieses Buch soll Ihnen helfen zu beurteilen, ob eine Methode die richtige für Ihr Pferd und für Sie ist. Es soll Ihnen die Augen für die Vielfalt der Möglichkeiten öffnen und will das Verständnis für das Wesen der Pferde vertiefen. Hierzu ist das Buch mit kleinen Kästen gespickt, in denen Sie anhand persönlicher Geschichten lesen können, was mich die Pferde im Laufe der vielen Jahre der Zusammenarbeit gelehrt haben.

Lesen Sie, probieren Sie aus und prüfen Sie, ob Ihnen und Ihrem Pferd mit meinen Lösungsvorschlägen geholfen wird. Ihrer Kreativität bei der Entwicklung eigener Ideen wird nur durch Ihr Pferd Grenzen gesetzt.

DerERSTE EINDRUCKzählt

Haflingerstute Dolli und -wallach Ben fühlen sich pudelwohl. Ein artgerechtes umfeld ist für den Trainingserfolg essenziell.

Das erste Kennenlernen verläuft zwischen Menschen ähnlich wie zwischen Mensch und Pferd. Beide beobachten sich, tauschen ein paar Worte aus, die im Fall der MenschPferd-Begegnung eher körpersprachlicher Natur sind, und stecken ihr Gegenüber in eine passende Schublade.

Ihr Pferd durchschaut Sie

Ebenso wie unter Menschen, zählt auch in der Pferdewelt der erste Eindruck. Wenn Sie also von Anfang an Eindruck auf Ihr Pferd machen möchten, dann achten Sie auf Ihre Körpersprache, denn das ist die Sprache der Pferde. Pferde sind sehr gute Beobachter und nehmen schon bei der ersten Begegnung die Stimmung und innere Haltung ihres Gegenübers wahr. Sie sollten präsent sein und nicht schüchtern auftreten. Nicht umsonst werden Seminare für Führungskräfte im Roundpen angeboten, um eben dieses selbstbewusste Auftreten zu schulen.

Es bedeutet nicht, dass es nicht möglich ist, zu schummeln und andere Gefühlszustände vorzuspielen, aber Pferde sind Beobachtungs-Profis, die Lügner schnell entlarven. Ist Ihr Pferd ein alter Hase, der viel Erfahrung mit Menschen sammeln konnte, wird es unbekannte Menschen innerhalb weniger Augenblicke beurteilen und einer bestimmten „Schublade‟ zuordnen. Nur so ist zu erklären, dass vermeintlich wilde Pferde plötzlich zum sanfte Lämmchen werden, wenn ein erfahrener Pferdemensch den Strick in die Hand nimmt. Sie spüren, mit welcher Entschlossenheit und Selbstsicherheit ihr Gegenüber handelt.

„Meine Pferde-Lektion‟

Meine bekannteste vierbeinige Schülerin war die Stute Shimounah, die für eine Artikelserie in der Zeitschrift Cavallo zu mir in die Lehre kam. Ihre ursprünglichen Umgangsformen waren so schlecht, dass sie ihre Besitzer mit ihrer Zickigkeit und Sturheit schier zum Verzweifeln brachte. Sie zerriss je nach Bedarf Halfter und Stricke und schreckte beim Hufegeben und Spazierengehen auch nicht vor tätlichen Angriffen zurück.

Wir begegneten uns zum ersten Mal im Anhänger, in dem sie zu mir gebracht wurde. Nach dem Abladen klärten wir auf den ersten 100 Metern die Regeln unserer Zusammenarbeit: Sie rempelte, ich wies sie freundlich, aber deutlich zurecht. Sie wollte vor einer Pfütze scheuen, ich drängte sie zum Hinschauen, und daraufhin ging sie sogar hindurch. Mein selbstbewusstes Auftreten hatte zur Folge, dass sie meine Nähe suchte und mir vertraute. Ich hatte während der gesamten Ausbildung keine ernsthaften Probleme mit ihr.

Achten Sie daher auf eine tiefe, ruhige Atmung, eine lockere, aufrechte Haltung, weiche, gelassene Bewegungen und eine möglichst tiefe, volle Stimme. Handeln Sie entschlossen, aber mit Rücksicht auf Ihr Gegenüber. Beobachten Sie Ihr Pferd, um entsprechend und angemessen reagieren zu können.

Das wohlerzogene Pferd

Was erwarten wir von einem wohlerzogenen Pferd? Es soll schmiede- und verladefromm, folgsam und vertrauensvoll gegenüber dem Menschen sein. Es soll möglichst cool und gelassen in normalen Alltags- und am liebsten auch in Sondersituationen sein, dabei aber natürlich auch sensibel und aufmerksam bleiben. Es drängelt, schubst, beißt und tritt nicht und nimmt vorsichtig das Leckerli aus der Hand. Es zieht seinen Menschen nicht an Strick oder Longe durch die Halle oder über das Feld. Es zickt nicht beim Anbinden, Putzen, Satteln und Aufsteigen. Es lässt sich problemlos die Wurmkur verabreichen und Fieber messen. Diese Wunschliste lässt sich bestimmt noch um einiges erweitern.

Nun treten Sie bitte einen Schritt zurück und betrachten Sie diese Grund(!)-Erwartungen an unsere Pferde. Wenn wir bedenken, dass Pferde als Fluchttiere für ein Überleben in freier Natur geschaffen wurden, dann wird uns bewusst, wie viel wir ihnen abverlangen! Und es muss uns bewusst sein, dass wir Menschen dafür verantwortlich sind, ihnen all dies beizubringen. Haben Sie also kein schlechtes Gewissen dabei, Ihr Pferd zu erziehen, denn es ist nicht nur zu Ihrem, sondern auch zu seinem eigenen Nutzen. Ein Pferd ist in der Menschenwelt auf unsere Hilfe angewiesen, allein schon, um Gefahrensituationen zu vermeiden. Erfährt es eine pferdegerechte Erziehung mit Ruhe und Lob, kann es schnell ein angenehmeres Leben führen.

Eireen hat die „Benimm-Schule‟ schon erfolgreich absolviert und lässt sich entspannt aufsatteln.

Verwöhnen Sie Ihr Pferd hingegen dauernd und lassen ihm immer seinen Willen, gehen nie an seine Widerstandsgrenze und überwinden diese, dann sind Sie der Urheber allen Stresses, der irgendwann auf Ihr Pferd einwirken wird. Denn im Leben der meisten Pferde kommt irgendwann der Tag, an dem es „ernst‟ wird und es zum Beispiel zum Reitpferd ausgebildet werden soll. Schon oft hatte ich es mit Pferden zu tun, die mit viel Freundlichkeit und Liebe großgezogen wurden, ohne dass dabei artgerecht, sondern vielmehr menschlich mit ihnen umgegangen wurde. Wenn dann der Ernst des Lebens als zukünftiges Reitpferd begann, waren sie oft mit den neuen Erwartungen, die an sie gestellt wurden, überfordert. Dann vermissten sie ihre gewohnte Bequemlichkeit und setzten sich zur Wehr. Bei einer vernünftigen Grunderziehung von Anfang an, die von Geduld, Konsequenz und viel Lob geprägt ist, bleibt einem jungen Pferd dieser Stress erspart.

Fordern Sie gute Umgangsformen ein!

Ein Pferde-Lehrer muss Sicherheit und Ruhe ausstrahlen können. Und das können Sie nur, wenn Sie sicher sind, Ihre Anweisungen immer schadlos geben und auch durchsetzen zu können. Daher gilt: Jede persönlich gegen Sie gerichtete Drohung, jeder Scheinangriff oder Angriff wird geahndet. Auch ein Rempeln aus Versehen ist nicht tolerierbar.

Auch wir Menschen erwarten voneinander im Alltag einen höflichen Umgang miteinander. Hat unser Vorgesetzter oder Kollege zum Beispiel einen schlechten Tag und lässt dies an uns aus, ist er oder sie also unhöflich, dann liegt es an uns, Höflichkeit einzufordern. Nur so ist auch gewährleistet, dass alle auf Dauer ihr Bestes bei der Arbeit geben können. Lassen wir uns aber unhöflich behandeln, so geraten wir mit der Zeit in eine unangenehme Position.

Übertragen auf die Mensch-Pferd-Beziehung bedeutet das: Dulden Sie kein unhöfliches Verhalten Ihres Pferdes Ihnen gegenüber, denn Sie wollen dem Pferd nicht unterlegen sein. Es darf Sie nicht anrempeln, zur Seite schieben, schubsen oder gar umstoßen. Es darf Ihnen nicht drohen, Sie zwicken, beißen oder nach Ihnen treten. Jede Unflätigkeit seitens des Pferdes, die gegen Sie direkt gerichtet ist, wird sofort geahndet. Reagieren Sie dabei immer emotionslos! Wut oder Enttäuschung haben in der Pferdeerziehung nichts verloren. Dennoch wollen wir unsere Pferde natürlich nicht unterdrücken und ihnen jeglichen Ausdruck ihres Gemütszustandes verbieten. Ihr Pferd muss also seinen Unmut äußern dürfen, sei es durch Aufstampfen, das Schütteln des Kopfes oder das Zurücklegen der Ohren. Nur so kann es Ihnen mitteilen, dass ihm etwas unangenehm ist, es sich überfordert fühlt oder es Ihre Anweisung nicht verstanden hat.

„Meine Pferde-Lektion‟

Ein Pferd muss sich auch mal Luft machen und vor sich hin schimpfen dürfen — solange es die Anstandsgrenze nicht überschreitet. Meine Welsh-Tinkerstute Eireen wird zum Beispiel immer etwas mürrisch, wenn sie der Meinung ist, dass ich sie nicht schnell genug an der Koppel abliefere. Wohlgemerkt: Sie greift mich dabei NIE an und bleibt immer gehorsam.

Es ist ähnlich wie bei einem Hund: Ein Hund, der nicht knurren darf, wird irgendwann ohne Vorwarnung zubeißen! Ein Pferd, dessen Abwehrreaktionen immer bestraft werden, zieht sich zurück und wird unglücklich oder setzt sich irgendwann massiv zur Wehr. Im Rahmen einer Untersuchung in einem Ausbildungsstall wurden die Stresswerte im Blut von Jungpferden während des Anreitens untersucht. Dabei kam heraus, dass einige der (vermeintlich) ruhigen Kandidaten viel gestresster waren als die, die auch mal offen tobten oder abzischten. Berührt Ihr Pferd Sie also zum Beispiel vorsichtig mit der Nase, ohne Sie zu bedrängen, dann lassen Sie es geschehen und freuen Sie sich, dass es Ihre Nähe sucht. Wird es aber frech und fordernd, dann weisen Sie es zurecht. Hier ist Ihr Gefühl gefragt, um richtig zu interpretieren, welche Intention Ihr Pferd hat. Leider gibt es hierfür kein genaues Rezept, sondern nur Ihr Bauchgefühl und Ihre damit gemachten Erfahrungen, die Sie unvoreingenommen und neutral bewerten müssen.

Auch Eireen zeigt mir sehr deutlich, wenn ihr etwas nicht gefällt, ohne jedoch gefährlich zu werden.

Ein schönes Zuhause

Schulungserfolge stellen sich dann am schnellsten und nachhaltigsten ein, wenn der Schüler, in diesem Fall Ihr Pferd, sich in seiner eigenen Haut wohlfühlt und seinen Lehrer achtet. Deshalb ist eine sichere und sinnvolle Ausrüstung für die effektive Erziehungsarbeit ebenso wichtig, wie die Möglichkeit, bei Schwierigkeiten auf die Fachkompetenz eines Trainers zurückgreifen zu können. Um die Zusammenarbeit für Ihr Pferd so stressfrei wie möglich zu gestalten, sind eine geeignete Umgebung für die Übungseinheiten, und vorangehend vor allem die artgerechte Haltung Ihres Pferdes unbedingt nötig.