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Prinz Kiernan kann den Blick nicht von der grazilen Tänzerin abwenden: Meredith soll ihm für eine Benefiz-Veranstaltung das Tanzen beibringen. Doch schon jetzt kommt ihm jede ihrer anmutigen Bewegungen wie eine Liebeserklärung vor -- an ihn... …
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Seitenzahl: 175
IMPRESSUM
Der Prinz und die Tänzerin erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2011 by Cara Colter Originaltitel: „To Dance With a Prince“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 341 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Julia Hummelt
Umschlagsmotive: Ingram Publishing, Guschenkova / ThinkstockPhotos
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733774943
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Prinz Kiernan von Chatam lief es eiskalt den Rücken herunter, als er die Schmerzenslaute hörte, die aus dem Zimmer des palasteigenen Krankenhauses drangen. Ohne zu zögern trat er ein und sah seinen Cousin, Prinz Adrian, auf einem der Betten liegen, mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hände um sein Knie geschlungen.
„Ich hatte dir doch gesagt, das Pferd ist nichts für dich!“, sagte Kiernan.
„Danke, ich freu mich auch, dich zu sehen“, stieß Adrian hervor.
Kiernan schüttelte bloß den Kopf. Sein Cousin war mit seinen einundzwanzig Jahren sieben Jahre jünger als er und äußerst waghalsig. Dank seines Charmes schaffte er es jedoch immer wieder, die Menschen für sich einzunehmen, auch wenn er sich vorher daneben benommen hatte.
Auch jetzt lächelte er die junge Krankenschwester so tapfer an, bis sie rot wurde, und wendete sich dann zufrieden wieder Kiernan zu.
„Verschon mich bitte mit deinen Vorhaltungen“, fuhr Adrian fort. „Du musst mir unbedingt einen Gefallen tun. Ich hätte jetzt einen Termin, den ich nicht wahrnehmen kann.“
Es war vollkommen untypisch für Adrian, dass er sich über solche Dinge Gedanken machte.
„Die Ziege bringt mich um, wenn ich nicht komme. Ehrlich, Kiernan, das ist die zickigste Frau, die mir je begegnet ist.“
Bisher hatte noch keine Frau Adrians entwaffnendem Lächeln widerstehen können.
„Könntest du mich nicht vertreten?“, bettelte Adrian. „Nur dieses eine Mal?“
Die Krankenschwester untersuchte sein geschwollenes Knie, was Adrian erneut vor Schmerz aufstöhnen ließ.
Kiernan konnte einfach nicht verstehen, dass sein Cousin, der sonst sich selbst immer der Nächste war, in dieser Situation auch nur einen Gedanken an etwas verschwenden konnte, das nichts mit seiner Verletzung zu tun hatte.
„Sag doch einfach ab“, schlug Kiernan vor.
„Dann denkt sie, ich will mich drücken“, entgegnete Adrian.
„Niemand würde glauben, dass man absichtlich einen Unfall verursacht, nur um eine Ausrede parat zu haben.“
„Meredith Whitmore schon. Die Frau spuckt Gift und Galle.“ Ein leicht verträumter Ausdruck trat in Adrians Augen, trotz seiner Schmerzen. „Wobei ihr Atem eigentlich eher nach Minze duftet.“
Kiernan fragte sich, welche Medikamente man seinem Cousin verabreicht hatte.
„Tatsache ist jedoch, dass der Drache hübsche kleine Prinzen zum Mittagessen verputzt. Gegrillt. Darum muss sie hinterher auch Kaugummi mit Minzgeschmack kauen.“
„Was erzählst du denn da für einen Mist?“
„Erinnerst du dich an Feldwebel Henderson? Meredith Whitmore ist Feldwebel Henderson hoch zehn“, erklärte Adrian.
„Jetzt übertreibst du aber.“
„Bitte, Kiernan, kannst du mich nicht einfach vertreten?“
„Ich weiß ja nicht einmal, wobei ich dich vertreten soll.“
„Ich hab einen dummen Fehler gemacht“, gab Adrian niedergeschlagen zu. „Ich dachte, es würde viel mehr Spaß bringen als all die anderen offiziellen Aufgaben, die unserer Familie beim Frühlingsfest vorbehalten sind.“
Das Fest wurde auf der Insel Chatam seit Jahrhunderten traditionell anlässlich des Frühlingsanfangs gefeiert. Auftakt war die Wohltätigkeitsgala zu Beginn der Festwoche. Mit einem königlichen Ball fanden die Feierlichkeiten am Ende der Woche ihren krönenden Abschluss. In wenigen Tagen war es wieder so weit, die Eröffnung des Frühlingsfestes stand an.
„Ich hatte die Wahl zwischen dem Überreichen der Auszeichnungen an die Junior-Trommelgruppe, der Festrede oder einer kleinen Tanzaufführung. Na, wofür hättest du dich entschieden?“
„Wahrscheinlich die Rede“, gab Kiernan zurück. „Sagen Sie …“, wandte er sich an die Krankenschwester, „… haben Sie ihm irgendein Mittel verabreicht?“
„Noch nicht …“, antwortete sie freundlich, „… aber gleich.“
„Da dürfen Sie sich aber sehr glücklich schätzen“, fuhr Adrian dazwischen. „Ich habe nämlich den süßesten Königshintern, den – aua! Wollten Sie mir jetzt absichtlich wehtun?“
„Stellen Sie sich nicht so an, Eure Hoheit.“
Adrian sah ihr nach, als sie das Zimmer verließ.
„Naja, jedenfalls hab ich mich für den Tanz entschieden. Ich sollte ihn zusammen mit einer neuen Tanzgruppe bei der Wohltätigkeitsgala aufführen. Die Veranstaltung soll „‚Ein unvergesslicher Abend“‚ heißen. Ziemlich kitschig das Ganze, ich weiß.“
„Du erwartest doch nicht ernsthaft von mir, dass ich dich bei einer Tanznummer vertrete! Ich kann überhaupt nicht tanzen. Außerdem ist Prinz Herzschmerz allgemein dafür bekannt, den Damen auf die Füße zu treten, wenn er es denn doch mal versucht.“
Kiernan spielte auf einen Zeitungsartikel an, der ein Foto enthielt, auf dem zu sehen war, wie er einer jungen Dame bei ihrem Debütantinnenball fast den Fuß zerquetscht hatte.
„Du hast es wirklich nicht leicht mit der Presse, Kiernan. Mir haben sie noch nie Spitznamen verpasst. Du hingegen warst bereits ‚Prinz Playboy‘ …“
Diesen Namen hatten sie ihm gegeben, als er gerade seine Abschlussprüfung auf einer privaten Jungenschule gemacht hatte – ein ganzer Sommer voller Freiheit hatte vor ihm gelegen, bis seine militärische Ausbildung begonnen hatte.
„‚Prinz Herzschmerz‘.“
Mit dreiundzwanzig hatte Prinz Kiernan sich mit einer seiner ältesten und liebsten Freundinnen verlobt, Francine Lacourte. Nicht einmal Adrian kannte die volle Wahrheit über ihre Trennung und Francines völligen Rückzug aus der Öffentlichkeit. Angesichts seiner wilden Vergangenheit wurde angenommen, dass Prinz Kiernan die Beziehung beendet hatte.
„… und nun …“, fuhr Adrian fort, „… bist du seit der Geschichte mit Tiffany zu ‚Prinz Herzensbrecher‘ aufgestiegen. Man könnte wirklich denken, dass du ein unglaublich spannendes Leben führst.“
Kiernan warf seinem Cousin einen vernichtenden Blick zu. Die Presse liebte den vor Witz nur so sprühenden Adrian, während Kiernan als zu ernst und streng angesehen wurde. Und seit den geplatzten Verlobungen mit zwei in der Öffentlichkeit stehenden, sehr beliebten Frauen bezeichnete man ihn sogar als kalt und distanziert.
Er würde seinen Ruf als Herzensbrecher wohl für den Rest seines Lebens ertragen müssen, selbst wenn er als Mönch ins Kloster ginge. Nach allem, was er durchgemacht hatte, schien ihm diese Möglichkeit gar nicht mal so abwegig!
Schließlich lastete die Zukunft der Inselnation einzig und allein auf Kiernans Schultern. Nach dem Tod seiner Mutter, Königin Aleda, würde er den Platz auf dem Thron einnehmen. Diese Verantwortung allein reichte schon aus, um ein ganzes Leben auszufüllen. Auf Liebeskapriolen konnte er deshalb getrost verzichten.
Adrian hingegen kam als Thronanwärter erst an vierter Stelle und konnte sich daher gemütlich zurücklehnen.
„Diese Tiffany Wells hättest du echt direkt auf den Mond schießen sollen“, murmelte Adrian kopfschüttelnd. „Wie kann man seinem Freund nur vormachen, man sei schwanger? Und du teilst der Welt nicht einmal den wahren Grund für die gelöste Verlobung mit. Nein, du bist ja schließlich ein ehrenhafter Mann …“
„Ich will nicht darüber reden“, wurde er von Kiernan heftig unterbrochen. „Pass auf, Adrian“, kam er auf ihr eigentliches Thema zurück, „wegen des Tanzens – ich wüsste wirklich nicht, wie ich dir da helfen könnte …“
„Ich bitte dich doch nun wirklich nicht oft um einen Gefallen, Kiern.“
Da hatte er recht. Die ganze Welt wandte sich an Kiernan, fragte, bettelte, forderte. Adrian hatte ihn immer in Ruhe gelassen.
„Tu es für mich, okay?“, bat Adrian. „Selbst wenn du dich dabei lächerlich machen solltest, es wird deinem Ruf guttun. Die Welt wird dich wieder als Mensch sehen. Jedenfalls, wenn du es schaffst, mit dem Feuerspucker klarzukommen. Sie mag übrigens keine Verspätungen. Und du …“, er sah auf seine Uhr und blinzelte, „… bist gerade zweiundzwanzig Minuten zu spät. Sie wartet im Ballsaal auf dich.“
Eigentlich wäre es klüger, überlegte Kiernan kurz, einfach jemanden mit der Botschaft zu ihr zu schicken, dass Adrian sich verletzt habe. Doch er wollte sich auf keinen Fall die Gelegenheit entgehen lassen, die Frau zu treffen, die es geschafft hatte, seinen Cousin dermaßen einzuschüchtern.
Er würde sie sich anschauen, Adrian entschuldigen und sie dann so freundlich wie möglich nach Hause schicken.
Meredith sah auf die Uhr. „Er ist spät dran“, murmelte sie. Es war bereits das zweite Mal, dass Prinz Adrian nicht pünktlich war.
Bei ihrem ersten Treffen in ihrem vornehmen Tanzstudio in der Stadt hatte sie sich für genau zehn Sekunden von dem jungen Prinzen verunsichern lassen. Dann hatte sie erkannt, dass er stets versuchte, andere mit seinem jungenhaften Charme einzuwickeln. Meredith lag nichts ferner, als auf diese Masche hereinzufallen.
Also hatte sie ihn zurechtgewiesen, und sie war sich eigentlich sicher gewesen, dass er es nicht wagen würde, sie noch einmal warten zu lassen. Vor allem jetzt, wo sie ihm den Gefallen getan hatte, ihre Trainingsstunden in den großen Ballsaal des Chatam Palasts zu verlegen.
Da konnte man mal wieder sehen, wie naiv sie doch im Hinblick auf Männer war!
Verärgert sah sich Meredith in dem prachtvollen Saal um und versuchte, nicht allzu beeindruckt von der Tatsache zu sein, dass sie sich hier aufhalten durfte.
Tief atmete sie den vertrauten Geruch ihrer Kindheit ein. Es roch nach frisch gebohnerten Böden, Möbelpolitur und Glasreinigern. Ihre Mutter war Putzfrau gewesen.
Sie wäre von diesem Raum ebenso entzückt wie ihre Tochter gewesen. Damals hatte sie große Pläne für Meredith gehabt.
Ballett öffnet einem die Türen zu Welten, die wir uns kaum vorstellen können, Merry.
Welten wie diese, dachte Meredith und ließ ihren Blick erneut durch den Raum schweifen. Ihre Mutter wäre stolz auf sie gewesen, hätte sie gewusst, dass ihre Tochter hier einen Termin mit einem Prinzen hatte.
Denn sämtliche Türen, die das Ballett ihr hätte öffnen können, waren Meredith vor der Nase zugeschlagen worden, als sie mit sechzehn unerwartet schwanger geworden war.
Das Morgenlicht fiel durch die hohen Fenster und ließ den italienischen Marmor glänzen. In den drei großen Kronleuchtern mit unzähligen Swarovski-Kristallen funkelten die Sonnenstrahlen und beleuchteten die Fresken an der hohen Decke.
Meredith sah erneut auf die Uhr. Prinz Adrian war mittlerweile eine halbe Stunde zu spät dran. Bestimmt würde er nicht mehr kommen. Meredith hatte von Anfang an Zweifel an dieser ganzen Aktion gehabt, sich aber von der wilden Begeisterung ihrer Schülerinnen überzeugen lassen.
Wie hatte sie ihre geliebten Tanzmädchen nur an solchen romantischen Unsinn glauben lassen können? Ausgerechnet sie sollte es doch besser wissen!
Während sie sich jedoch weiter in dem zauberhaften Ballsaal umsah, regte sich langsam etwas in ihr. Ob mit oder ohne Prinz, sie würde hier tanzen.
Das wäre außerdem auch im Sinne ihrer Wohltätigkeitsorganisation, die sie vor einiger Zeit gegründet hatte. Eine neue Aufgabe, die ihr die Kraft gegeben hatte weiterzumachen, als ihr ganzes Leben vollkommen aus den Fugen geraten war.
Meredith unterrichtete im Rahmen ihres Projekts „No Princes“ Modernen Tanz. Das Projekt zielte auf die Bedürfnisse junger Mädchen aus sozial schwachen Familien ab.
„Man braucht keinen Prinz, um zu tanzen“, sagte Meredith laut. Konzentriert schloss sie die Augen und stellte sich vor, sie würde Musik hören. Vorsichtig machte sie die ersten Schritte der Prinzessin Aurora aus dem berühmten Tschaikowsky-Ballet „Dornröschen“ und gab sich schließlich völlig dem Tanz hin. Mühelos verband sie die Allegro-Bewegungen des klassischen Balletts mit ihrer Spezialität, dem Modernen Tanz, und kreierte dabei eine ganz neue Form des Ausdrucks. Sie spürte, wie sie sich entspannte und mit jedem Schritt dem Zustand näher kam, alle traurigen, qualvollen Erinnerungen für einen Moment überwinden zu können.
Leichtfüßig tänzelte sie über den glänzenden Marmorboden, drehte und bog sich, teilweise kontrolliert, teilweise völlig wild und zügellos.
Ihr Tanz in diesem großen Ballsaal war wie das letzte große Geschenk an ihre Mutter, die von Meredith so bitter enttäuscht worden war.
Die Musik in ihrem Kopf verebbte, und Meredith blieb mit geschlossenen Augen stehen, kostete das Gefühl aus, für einige Minuten mit ihrer Mutter verbunden gewesen, von ihr umarmt worden zu sein. Es war, als ob alles, was zwischen ihnen gestanden hatte, weggewischt worden war.
Und plötzlich, Meredith hätte es schwören können, hörte sie ein Baby lachen.
Erschrocken wirbelte sie herum, als die Stille im Saal von einem Paar klatschender Hände unterbrochen wurde. „Was fällt dir ein?“, stieß sie wütend hervor. Wie konnte Prinz Adrian es wagen, sie heimlich zu beobachten, in einem so privaten Moment?
Doch dann erkannte Meredith, dass es gar nicht Prinz Adrian war, der da vor ihr stand, sondern der Mann, der einmal König sein würde.
Prinz Herzensbrecher.
Prinz Kiernan von Chatam hatte sich in den Saal geschlichen und lehnte nun lässig mit dem Rücken an der mächtigen Eingangstür aus Walnussholz. Das amüsierte Funkeln in seinen saphirblauen Augen verschwand, als er ihren Ärger bemerkte.
„Was mir einfällt? Entschuldigen Sie, ich dachte eigentlich, ich sei in meinem Haus.“ Er schaute sie eher verwundert als verärgert an.
„Verzeiht, Eure Hoheit“, stammelte sie. „Ich dachte, ich wäre allein. Eigentlich hatte niemand meinen Tanz sehen sollen.“
„Das wäre aber schade um den schönen Tanz gewesen“, antwortete er sanft.
Meredith erkannte sofort, dass die vielen Fotos in Zeitschriften und Zeitungen ihm nicht einmal annähernd gerecht wurden. Und ihr wurde auch klar, wie er zu seinem Spitznamen, „Prinz Herzensbrecher“, gekommen war.
Der Mann sah einfach unverschämt gut aus. Und außerdem war er noch ein Prinz. Nur zu verständlich, dass er der Traum aller Frauen war!
Prinz Kiernan war groß und durchtrainiert, sein sorgfältig frisiertes Haar kurz und dunkel. Die maskulinen Gesichtszüge wirkten wie gemeißelt, von den hohen Wangenknochen bis zum perfekt geschwungenen, markanten Kinn.
Obwohl er bequeme Freizeitkleidung trug – seine beige Reithose, die jeden Muskel seiner durchtrainierten Oberschenkel betonte, deutete darauf hin, dass er direkt vom Reiten kam –, strahlte seine Körperhaltung ein extremes Selbstbewusstsein aus.
Es war unverkennbar, dass er in höchstem Wohlstand und mit allen Privilegien, die man sich nur vorstellen konnte, aufgewachsen war. Der ernste Zug um seinen Mund und die Art, wie er seine breiten Schultern aufrecht hielt, ließen jedoch auch auf eine große innere Stärke schließen.
Und Meredith Whitmore war mit einem Mal nicht mehr die renommierte Tänzerin und erfolgreiche Geschäftsfrau, sondern die Tochter einer Putzfrau, die es gewohnt war, sich vor reichen Leuten unsichtbar zu machen. Die ihr Leben für einen dummen Traum weggeworfen hatte. Ein Traum mit tragischen Folgen.
Die ungezügelte Leidenschaft ihres Tanzes kam ihr wieder in den Sinn, und sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Sicher hatte der Prinz alles gesehen. Am liebsten wäre sie im Boden versunken.
„Eure Königliche Hoheit“, murmelte sie und machte einen unbeholfenen Knicks.
„Sie sind doch sicher nicht Meredith Whitmore“, antwortete der Prinz verblüfft.
Selbst seine Stimme – kultiviert, tief, melodisch, maskulin – war unglaublich attraktiv. Kein Wunder, dass Meredith sich wie eine graue Kirchenmaus vorkam!
Wo war die selbstbewusste Karrierefrau? Die Erinnerung an Carlys Lachen hatte ihre Verletzlichkeit zum Vorschein gebracht. Sie schaffte es kaum, sie zu verdrängen.
„Warum sollte ich nicht Meredith Whitmore sein?“ Trotz ihrer Bemühungen, leichtfertig und entspannt zu klingen, kam sie sich wie eine verzweifelte Schauspielerin vor, der gerade die Hauptrolle weggenommen worden war.
„Nach allem, was Adrian mir über Sie erzählt hat, hatte ich, ähm, wohl so etwas wie eine weibliche Ausgabe von Attila dem Hunnenkönig erwartet.“
„Wie schmeichelhaft.“
Die Andeutung eines Lächelns huschte über seinen bisher so streng wirkenden Mund.
Kein Wunder, dass ihm alle Frauen zu Füßen lagen – bei dem Lächeln! Meredith rief sich sofort zur Vernunft. Ihr würde niemand mehr das Herz brechen!
„Naja, also er meinte, Sie seien eine sehr strenge Lehrerin.“
Meredith war sicher, dass Prinz Adrian es wohl kaum so nett ausgedrückt hatte. Allein die Tatsache, dass die beiden Prinzen über sie gesprochen, beziehungsweise sich wenig schmeichelhaft über sie ausgelassen hatten, ließ sie erneut rot anlaufen. „Ich wollte eigentlich gerade gehen“, erklärte sie mit dem Hochmut einer Frau, der man nichts anhaben konnte und deren knapp bemessene Zeit äußerst wertvoll war – das stimmte sogar! „Er ist ziemlich spät dran.“
„Ich fürchte, er kommt überhaupt nicht mehr. Er hat mich geschickt, um es Ihnen auszurichten.“
„Gilt das nur für heute?“
Meredith kannte die Antwort bereits. Sie hatte es vermasselt, hatte ihn zu sehr angetrieben. Jetzt hatte er die Lust am Tanzen verloren. Sie war zu dominant, zu perfektionistisch an die Sache herangegangen.
Eine weibliche Ausgabe von Attila dem Hunnenkönig.
„Er hatte einen Reitunfall.“
„Ist es sehr schlimm?“, erkundigte sich Meredith höflich. Der junge Prinz war verletzt, und sie konnte an nichts anderes denken, als dass sie hier ihre Zeit verschwendet hatte.
„Als ich ging, hatte sein Knie etwa die Größe eines Basketballs.“
Angestrengt versuchte Meredith, sich ihre tiefe Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, weil der Plan ihrer Mädels gescheitert war. „Nun, so tragisch das auch ist …“, gab sie so gefasst wie möglich zurück, „… die Aufführung wird trotzdem stattfinden. Wir werden Prinz Adrians Rolle umschreiben müssen. Schließlich heißen wir nicht umsonst ,No Princes‘“.
„,No Princes‘? Ist das der Name Ihrer Tanztruppe?“
„Es ist eigentlich mehr als bloß eine Tanztruppe.“
„Aha … “, antwortete er erstaunt, „… jetzt haben Sie mich aber neugierig gemacht.“
Zu ihrer Überraschung wirkte der Prinz ehrlich interessiert. Sie wollte zwar die Distanz zwischen ihnen wahren, doch sie konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einer so einflussreichen Persönlichkeit von ihrem Projekt zu erzählen.
„,No Princes‘“ ist eine Organisation für Mädchen aus sozial schwachen Vierteln von Chatam. In der Altersgruppe fünfzehn bis siebzehn gibt es eine beängstigend hohe Zahl junger Frauen – eigentlich sind sie ja noch Kinder –, die lieber von der Schule abgehen und Kinder bekommen, statt sich auf eine gute Ausbildung zu konzentrieren.“
Das war eigentlich exakt ihre Geschichte, aber das würde sie Prinz Kiernan nicht auf die Nase binden.
„Wir versuchen, sie zum Lernen zu motivieren, und verhelfen ihnen zu mehr Eigenständigkeit und vermitteln ihnen Vertrauen in sich selbst. Damit wollen wir erreichen, dass sie nicht das Gefühl haben, sich vom erstbesten Mann, ihrem ‚Prinzen‘, retten lassen zu müssen.“
Damals war Michael Morgen ihr Prinz gewesen. Er war neu in der Gegend gewesen und hatte einen äußerst anziehenden australischen Akzent gehabt. Und sie war vaterlos aufgewachsen, leicht beeinflussbar und hatte sich nach männlicher Aufmerksamkeit gesehnt.
Sein Verhalten hatte sie gelehrt, sich nie wieder so einem Mann auszuliefern. Wobei der Mann, der jetzt vor ihr stand, wohl für jede Frau mehr oder weniger eine Herausforderung darstellte.
„Und welche Rolle spielen Sie dabei, meine Primaballerina?“
Hatte der Prinz sie durchschaut? Und wieso seine Primaballerina? Sie spürte, wie seine körperliche Nähe ein leichtes Kribbeln in ihrem Bauch verursachte – ein Warnsignal, das wusste wohl kaum jemand besser als sie.
„Nun, abgesehen vom Papierkram bin ich für den angenehmen Teil des Projekts zuständig. Ich bringe den Mädchen das Tanzen bei.“
„Prinz Adrian fand es offensichtlich nicht so angenehm“, antwortete er trocken.
„Ich hab ihn wohl zu sehr gefordert“, gab sie zerknirscht zu.
Prince Kiernan lachte. Wenn er das tat, wirkte er wie ein ganz anderer Mensch. Warum schossen die Paparazzi immer nur Aufnahmen von ihm, auf denen er grimmig und ernst dreinschaute?
Zu ihrem Ärger entdeckte Meredith in diesem kurzen Moment der Unbefangenheit den Mann in ihm, den jede Frau sich als ihren heroischen Retter hoch zu Ross wünschen würde.
Selbst sie, die nicht zu romantischen Schwärmereien neigte, konnte sich seiner Anziehungskraft kaum entziehen. Zornig versuchte sie, das verräterische Sehnen in ihrer Brust zu unterdrücken. Der Mann trug sicher nicht umsonst den Spitznamen „Prinz Herzensbrecher“.
Hatte man ihn früher nicht auch als „Prinz Herzschmerz“ tituliert? Und noch früher als „Prinz Playboy“? Er war ein gefährlicher Mann.
„Hundert Punkte für Sie, dass Sie es überhaupt geschafft haben, ihn zu fordern!“ Prinz Kiernan schmunzelte. „Wie kommt es eigentlich, dass Adrian an dieser Geschichte beteiligt ist?“
Jetzt konnte sie sich endlich wieder hinter Worten verstecken, während irgendein rebellischer Urinstinkt ungewohnte Reaktionen in ihr hervorrief. „Eines unserer Mädchen, Erin Fisher, hat eine Tanznummer über die Hintergründe von ‚No Princes‘ geschrieben. Es ist ein wirklich außergewöhnlich gutes Stück geworden. Es geht um Mädchen, die an irgendwelchen Straßenecken herumhängen und mit irgendwelchen Jungs flirten, dann aber Selbstbewusstsein entwickeln und sich Ziele im Leben setzen. In der Mitte des Stücks gibt es eine Traumsequenz, in der ein Mädchen mit einem Prinzen tanzt. Erin hat das Stück ohne unser Wissen mit einem Video, das die Mädchen beim Tanzen zeigt, an den Palast geschickt. Es sollte quasi ein Vorschlag für einen Auftritt bei ‚Ein unvergesslicher Abend‘ sein, der Wohltätigkeitsveranstaltung, die das Frühlingsfest eröffnet. Erin hat, ohne zu zögern, Prinz Adrian die Rolle in der Traumsequenz vorgeschlagen. Die Mädchen waren außer sich vor Freude, als er zusagte.“
Meredith bemerkte erschrocken, dass sie kaum weitersprechen konnte. Der Kloß in ihrer Kehle saß zu fest. Von allen Mädchen war Erin ihr am ähnlichsten: Sie war so klug und voller Potenzial. Und so leicht zu verletzen und zu entmutigen.