Der Rabe und der schlechte Leumund - Josef Schöchl - E-Book

Der Rabe und der schlechte Leumund E-Book

Josef Schöchl

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Beschreibung

Von falschen Vorstellungen und unglaublichen Fähigkeiten Den Tod so täuschend echt zu spielen, dass er das Leben rettet, über das Wasser zu laufen oder in der Tiefe des Wüstensands zu schwimmen, sich in einer Taucherglocke wohnlich einzurichten oder mit dem absoluten Schwarz zu imponieren, sich in andere Wesen zu verwandeln, ohne Unterbrechung schwanger zu sein oder sich jeden Tag zu betrinken – Tiere haben erstaunliche und geniale Strategien entwickelt, um sich in ihrer Umwelt zu behaupten. Sie führen ein Leben am Limit, was an Herzschlägen oder Atemzügen gerade noch möglich ist, oder sie setzen für das Überleben auf die größte denkbare Trägheit. In dieser Sammlung finden sich aber auch Tiere als wandelnde Apotheke, deren Ausscheidungen als Parfum für den Menschen oder gar als Genussmittel dienen. Diese und andere fast unglaubliche und überraschende Fakten aus dem Reich der Tiere wurden von Josef Schöchl gesammelt und in diesem Buch auf amüsante Weise festgehalten.

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Seitenzahl: 171

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Josef Schöchl

Der Rabe

und der schlechte Leumund

Verblüffendes aus dem Reich der Tiere

Gefördert durch:

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2022 Verlag Anton Pustet

5020 Salzburg, Bergstraße 12

Sämtliche Rechte vorbehalten.

Grafik, Satz und Produktion: Tanja Kühnel

Lektorat: Martina Schneider

Auch als gedrucktes Buch erhältlich, ISBN 978-3-7025-1057-2

eISBN 978-3-7025-8096-4

www.pustet.at

Inhalt

Vorwort

DerApothekerskinkund das Schwimmen im Sand

DerBasiliskund der Gang über das Wasser

DieBolaspinneund der betörende Tropfen

DerEisenplattenkäferund der teuflische Harnisch

DerEishaiund der Triumpf der Trägheit

DerElefantenrüsselfischund das Fischen im Trüben

DieEtruskerspitzmausund das Leben am Limit

DasErdmännchenund der stufenweise Schulunterricht

DieFanghaftenund die dauernde Verwechslung

DasFaultierund die eigennützige Gastfreundschaft

DerFlamingound die innere Mitte

DerFleckenmusangund das schwarze Lebenselixier

DerFregattvogelund die nahrhafte Piraterie

DerGeierund die lebensgefährlichen Mieter

DieGiraffeund die ausgeschlossene Ohnmacht

DerGlasfroschund die absolute Transparenz

DerGoldhamsterund die ersten Vier

DasGürteltierund seine drei Ebenbilder

DerHoatzinund der Sprung ins Wasser

DerHonigdachsund die tollkühne Furchtlosigkeit

DasKamelund die überlegene Einfalt

DerKarnevalstintenfischund die täuschenden Kostüme

DieKellerasselund die lichtscheuen Gestalten

DerKiwiund das glänzende Markenzeichen

DerKlippschlieferund der spanische Irrtum

DerKolibriund das große Herz

DerKomodowaranund ein Tropfen Gift

DasKrokodilund die dritten Zähne

DerKleine Leberegelund das sechsbeinige Taxi

DerLeierschwanzund das meisterhafte Gesamtkunstwerk

DerLeuchtkäferund die kalte Energie

DerMähnenwolfund der falsche Kiffer

DerMäusebussardund seine Liebe zu violett

DasMoschustierund der vegetarische Graf Dracula

DerNacktmullund die ewige Jugend

DerNarwalund die kaiserliche Wunderkammer

DasOpossumund der lebensrettende Tod

DerParadiesvogelund das absolute Schwarz

DerPfeilschwanzkrebsund die blaublütige Gesellschaft

DerPinguinund die kalten Füße

DiePortugiesische Galeereund der aufgeteilte Staat

DerPottwal und das Reichder guten Düfte

DiePurpurschneckeund der rote Teppich

DieQualleund das eine Prozent Unterschied

DerQuastenflosserund der Blick zurück

DerRabeund der schlechte Leumund

DasRentierund die dunkle Nase

DieSaigaund das verheerende Stäbchen

DerSchreipihaund das Konzert im Dschungel

DerSchwanund das königliche Eigentum

DerSeidenschwanzund die unregelmäßige Invasion

DerSekretärund der Tritt des Todes

DasSilberfischchenund die zuckersüße Literatur

DerSpatzund die geballte Schwarmintelligenz

DerSpechtund die fehlenden Kopfschmerzen

DerStarund der exakte Mindestabstand

DerSteinbockund die wandelnde Apotheke

DerSteinfischund die giftige Beständigkeit

DerSteinkauzund die antike Münze

DerStraußund die hartnäckige Überlieferung

DieStubenfliegeund die flüssige Ernährung

DasSumpfwallabyund die immerwährende Schwangerschaft

DieTermitenund die nord-südliche Ausrichtung

DasThermometerhuhnund der sensible Komposthaufen

DerTruthahnund das beinahe Wappentier

DerTukanund die gebogene Klimaanlage

DerUhuund die königliche Stille

DerVielfraßund die Sehnsucht nach Schnee

DieWasserspinneund die wohnliche Taucherglocke

DieWeinbergschneckeund die linke Majestät

DerWellensittichund das unmögliche Rot

DerZaunkönigund der reichhaltige Immobilienmarkt

DerZitronenfalterund das selbstgemischte Frostschutzmittel

Autorenporträt

Vorwort

Am Anfang des Buches stand mein ungläubiges Staunen über die Fähigkeiten der Tiere und der Wunsch, dieses Staunen zu teilen.

Im Lauf der Jahrmillionen haben Tiere unglaubliche Eigenschaften und ausgeklügelte Verhaltensweisen entwickelt und eindrucksvolle körperliche Anpassungen vollzogen, um das eigene Überleben, ihre Vermehrung, die Weitergabe der Gene und den Fortbestand der eigenen Art zu sichern:

Den Tod so täuschend echt zu spielen, dass er das Leben rettet, über Wasser zu laufen oder in der Tiefe des Wüstensands zu schwimmen, sich in einer Taucherglocke wohnlich einzurichten oder mit dem absoluten Schwarz zu imponieren, sich in andere Wesen zu verwandeln oder ohne Unterbrechung schwanger zu sein sind einige davon.

Tieren ist es gelungen, die unterschiedlichsten Lebensräume auf dieser Welt zu besiedeln. Sie sind dabei aber immer Teil ihrer Umwelt und stehen in engen Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten zu und von anderen Lebewesen. Dieses sensible Gleichgewicht hat sich durch die Evolution langsam entwickelt und angepasst. Voraussetzung für ein Weiterbestehen dieses Gleichgewichts sind intakte Lebensräume und Landschaften. Nur sie ermöglichen die notwendige Artenvielfalt und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Was über unvorstellbar lange Zeiträume entstand, wird oft durch den rücksichtlosen und auch kurzsichtigen Eingriff des Menschen innerhalb weniger Momente zerstört und geht unwiederbringlich verloren. Durch den Verlust der Vielfalt in der Natur schränkt der Mensch auch seine eigenen Zukunftschancen radikal ein.

Die Beschreibung von unterschiedlichen, aber immer verblüffenden und bewundernswerten tierischen Eigenschaften soll dazu beitragen, unseren Mitgeschöpfen mehr Rücksichtnahme und diesen Wundern der Natur mehr Achtsamkeit entgegenzubringen.

Josef Schöchl

Der Apothekerskink und das Schwimmen im Sand

Als Arzneimittel waren diese Tiere schon im Altertum begehrt. Für verschiedene Gebrechen und Leiden wurde ihnen starke Heilwirkung zugeschrieben, genauso wie für die Stärkung der Liebeskraft.

Die medizinische Anwendung in Europa wurde aus der arabischen Heilkunde übernommen. Vor dem Transport aus dem Nahen Osten nach Europa wurden diese Tiere ausgeweidet, getrocknet und schließlich, in Lavendelblüten eingehüllt, versendet. In den Apotheken wurden die getrockneten Echsen entweder zu Pulver zermahlen oder verbrannt und ihre Asche verkauft. Daher gab im Jahr 1768 ein Wiener Arzt dieser Tierart auch der Namen Scincus officinalis, also Apothekerskink. Da sich weder die gesundheitlichen noch die aphrodisierenden Wirkungen bewahrheiteten, ist heute der zoologische Name Scincus scincus. Die deutsche Bezeichnung „Apothekerskink“ ist dem Tier jedoch geblieben.

„Sandfisch“ hingegen beschreibt dieses nur etwa 20 Zentimeter große Reptil sehr genau. Sein Lebensraum sind die Sandwüsten Nordafrikas und des arabischen Raums. Den allergrößten Teil seines Lebens verbringt der Skink eingegraben im feinen Wüstensand. Die Tiere kommen nur an die Oberfläche, um zu fressen, ihren Darm zu entleeren oder sich zu paaren. Kaum droht die leiseste Gefahr, verschwindet die Echse aber wieder zur Gänze im Sand und wird unsichtbar. In ihrem Element können sich die Skinke fortbewegen wie Fische im Wasser. Durch ihre schlängelnden Bewegungen erwecken sie den Eindruck, als ob sie tief im Sand schwämmen.

Der Apothekerskink kann bei seinen langen „Tauchgängen“ atmen, ohne Sandpartikel in die Lunge zu bekommen. Dafür hat der Sandfisch eine spezielle Filtertechnik in der Nasenhöhle entwickelt. Diese besteht nahe der Nase aus einem kurzen, runden Kanal, der sich dann zu einer Kammer erweitert, in der sich der eingeatmete Sand absetzt. Die Entleerung dieser Sandansammlung bei jedem Atemzug ist Folge einer ausgeklügelten Atemtechnik des Skinks. Der Sandfisch atmet langsam in durchschnittlich zwei Sekunden ein. Die Ausatmung erfolgt aber sehr rasch innerhalb von nur 40 Millisekunden – vergleichbar mit einem Niesen – und das bei jedem Atemzug.

Damit er überhaupt im Sand schwimmen kann und nicht durch die Reibung stecken bleibt, hat der Sandfisch eine sehr glatte Haut, an der keine Sandkörner haften können. Sie ist zudem deutlich abriebfester als Oberflächen aus Stahl oder Glas, die bei dauerndem Sandkontakt bald Abriebspuren aufweisen. Die Haut des Sandfisches ist aber nur im sichtbaren Bereich vollkommen glatt. Es erheben sich unzählige, nur im Elektronenmikroskop erkennbare Schwellen quer zur Bewegungsrichtung aus der Schuppenhaut. Ein Sandkorn gleitet bei einem Kontakt gleichzeitig über mehrere Dutzend solcher Stege, die ähnlich wie Eisenbahnschwellen die Kraft verteilen und verhindern, dass es zu einer hohen Beanspruchung an nur einem Punkt der Haut kommt.

Die Apothekerskinke sind ein natürliches Vorbild für Reibungs- und Verschleißminderung von Oberflächen und damit auch ein intensives Forschungsobjekt der Bionik, die sich bemüht, Phänomene der Natur auf die menschliche Technik zu übertragen.

Der Basilisk und der Gang über das Wasser

Für ihn gelten die Gesetze der Physik scheinbar nicht. Basilisken können sich auf dem Wasser bewegen, als wäre es fester Untergrund.

Basilisken (Basiliscus) sind eine Gattung aus der Familie der Leguanartigen, die vier Arten umfasst, nämlich den Helm-, den Ecuador-, den Streifenlappen- und den Stirnlappenbasilisken.

Ihre Namen haben die Basilisken vom gleichnamigen Fabelwesen, weil sie mit ihren Hautkämmen an Kopf, Rücken und Schwanz an dessen mythisches Aussehen erinnern. Schon der römische Gelehrte Plinius der Ältere erwähnte den Basilisken in seiner Naturalis historia und schrieb ihm überirdische, verderbende Kräfte zu. Besonders im Mittelalter wurden die Geschichten über das Fabeltier Basilisk oft erzählt. Daher findet er sich in einer Vielzahl von Büchern, Bildern und Wappen. Noch heute muss er die Rolle des Ungeheuers einnehmen, das bezwungen werden muss, wie in dem berühmten Harry Potter-Roman „Kammer des Schreckens“ von J.K. Rowling.

Man könnte fast annehmen, dass diese Leguanarten dem Fabelwesen wirklich Pate gestanden haben und dieses Vorbild von der menschlichen Fantasie nur noch ausgeschmückt wurde. Das ist aber unmöglich, da unsere Vorfahren in der Antike ihn gar nicht kennen konnten. Sein Lebensraum in den tropischen Regenwäldern erstreckt sich nämlich von Mittelamerika bis in den Norden Brasiliens. Die Tiere ernähren sich hauptsächlich von Insekten, Schnecken, Fröschen und Fischen, aber auch von Pflanzen und Früchten.

Die Basilisken leben vor allem auf Bäumen, jedoch nie weit entfernt von Seen, Flüssen und Bächen. Kommt ihnen ihr Hauptfeind, eine Schlange, oder eine andere Gefahr zu nahe, lassen sie sich vom Baum einfach ins Wasser fallen. Dort angekommen, erheben sie sich sogleich und laufen aufrecht über das Wasser. Eine mehr als erstaunliche Leistung. Immerhin ist der größte Basilisk bis zu ein halbes Kilogramm schwer und 90 Zentimeter lang, wobei der für das Gleichgewicht verantwortliche Schwanz bis zu drei Viertel der Gesamtlänge des Tieres ausmacht.

Der Basilisk schlägt den Fuß auf dem Wasser auf und durch die spezielle Struktur der Sohle bilden sich darunter kleine Luftpolster, die für Auftrieb sorgen und ihn vorwärtsbringen. Ist der Fuß dann unter Wasser, wird er wie ein Ruder mit großer Kraft nach hinten gestoßen, was zusätzlichen Schub verleiht. Wichtig ist die Laufgeschwindigkeit von zehn bis zwölf Kilometern pro Stunde, denn je schneller etwas auf der Wasseroberfläche auftrifft, umso fester wird diese als Untergrund. Wenn Basilisken nach ihrem Gang über das Wasser schließlich doch eintauchen, setzen sie als ausgezeichnete Schwimmer und Taucher ihre Reise über oder unter Wasser fort.

Da ihr Gang auf dem Wasser natürlich an den Bericht aus dem Evangelium erinnert, werden die Basilisken auch „Jesus-Christus-Echsen“ genannt.

Mancher Basilisk wird auch in einem Terrarium gehalten. Dort wird er aber kaum seine natürlichen Bedürfnisse befriedigen oder seine genialen Eigenschaften ausleben können.

Die Bolaspinne und der betörende Tropfen

Das Spinnennetz ist bei fast allen Radnetzspinnen die Fangmethode, um Fluginsekten zu erbeuten. Doch nicht alle der etwa 2 800 Arten bauen solche Kunstwerke. Bei einigen Arten haben sich andere, außergewöhnliche Jagdmethoden entwickelt.

Besonders trickreich sind die Bolaspinnen (Mastophoreae), die weltweit in drei Gattungen vorkommen, jeweils eine in Australien, in Afrika und in Nordamerika. Zum Insektenfang brauchen diese Spinnen nur einen einzigen Faden. An dessen Ende ist ein Leimtropfen befestigt, mit dem sie nach vorbeifliegenden Faltern werfen.

Um die Wahrscheinlichkeit eines Jagderfolges zu erhöhen, ist in diesen Klebetropfen auch ein chemischer Köder eingemischt. Er enthält Sexualpheromone, Duftstoffe weiblicher Nachtfalter, die auf männliche Falter betörend, aber in diesem Fall meist auch tödlich wirken. Auf die durch den Duft angelockten Nachtfaltermännchen schleudern die Bolaspinnen treffsicher ihren Faden mit dem Leimtropfen. Daran bleiben die Insekten kleben und die Spinnen brauchen dann nur noch ihre „Angel“ mit der Beute einzuholen.

Bei ihrer Jagd hängen die Bolaspinnen an einem Querfaden und halten den Faden mit dem Leimtropfen mit den Krallen eines Beines. Sobald sie Luftschwingungen wahrnehmen, beginnen sie mit dem Pendeln des Fadens und werfen gezielt auf sich nähernde Beute.

Durch ihre Jagdmethode sind die Bolaspinnen auch zu ihrem Namen gekommen, da diese an die Bola erinnert, eine vor allem in Südamerika gebräuchliche Wurfwaffe. Sie wird bei der Jagd, aber auch zum Fangen von entlaufenen Rindern eingesetzt. Sie besteht aus zusammengeknoteten Schnüren, an deren Ende ein Gewicht befestigt ist, das sich bei einem guten Treffer um die Füße wickelt.

Da für die verschiedenen Falter unterschiedliche Pheromone attraktiv sind, muss die Spinne auch den jeweils passenden Geruchsstoff in ihren Klebetropfen mischen. Da die Falter zu unterschiedlichen Nachtzeiten aktiv sind, wechselt die nordamerikanische Bolaspinne die chemische Zusammensetzung, um immer den adäquaten Köder an ihrer Angel zu haben.

Der Faden der Bolaspinne besteht wie die Fäden eines Spinnennetzes aus Spinnseide. Es gibt keine belastbarere Faser in der Natur. Bezogen auf ihr Gewicht ist sie wesentlich tragfähiger als Stahl und trotzdem so elastisch wie Gummi. Durch diese Eigenschaften können die Spinnenfäden auch die Wucht eines fliegenden Insekts aushalten, ohne zu zerreißen.

Die Beschaffenheit der Spinnseide ist die Folge der besonderen Struktur der Eiweißmoleküle, die sich aus verschiedenen Aminosäuren zusammensetzen. Jeder Faden ist eine Mischung aus jenen Säuren, die harte Kristallstrukturen bewirken und jenen, die eine gelartige Konsistenz zur Folge haben. Das ermöglicht Spinnen, den passenden Faden für jede Anforderung herzustellen. Im Normalfall besteht ein Faden aus mehreren Einzelfäden, die durch Leim oder ganz feine Wolle auch haftend sind. Damit können Spinnen nicht nur die geometrischen Radnetze mit Rahmen- und Speichenfäden weben, Beute einpacken, Wohnhöhlen oder Kokons für den Nachwuchs bauen, sondern eben auch Wurffäden wie die Bolaspinne herstellen.

Der Eisenplattenkäfer und der teuflische Harnisch

Mit etwa 350 000 Arten sind Käfer die größte Tiergruppe auf dieser Welt, wobei fast täglich eine neue Art beschrieben wird und die Vielfalt vergrößert. Käfer haben in enormer Zahl fast alle Lebensräume erobert, Wasser und Land, glühende Wüsten und eiskalte Gegenden. Es wird geschätzt, dass jedes vierte Tier auf der Erde ein Käfer ist.

Jede Käferart hat die ihrem Lebensraum angepasste Strategie entwickelt, um ihren Fortbestand zu sichern. Während sich manche Arten auf ihre besonderen Flug-, Schwimm-, Lauf- oder Grabfähigkeiten verlassen, setzt der Eisenplattenkäfer auf seine Unzerstörbarkeit. Seine Fressfeinde beißen sich an ihm im wahrsten Sinn des Wortes die Zähne aus.

Der Eisenplattenkäfer kommt im Südwesten der Vereinigten Staaten vor. Das höchstens 2,5 Zentimeter große Insekt lebt am häufigsten in der Rinde von Eichen, da er sich von den dort wachsenden Pilzen ernährt.

Der Käfer kann nicht fliegen und er ist langsam. Daher versucht er meist auch gar nicht erst zu fliehen, wenn er von Feinden angegriffen wird. Er stellt sich einfach tot und wartet, bis die Gefahr vorbei ist, da sein spezieller Harnisch nicht aufgebrochen werden kann. Sogar Autos können ihn überfahren und der Eisenplattenkäfer krabbelt einfach munter weiter.

Wie alle anderen Käfer besitzt auch der Eisenplattenkäfer ein Exoskelett, dass den gesamten Körper von außen umhüllt, den Muskeln im Inneren Halt und dem Tier gegen Angriffe Schutz gibt. Die allermeisten flugfähigen Käfer besitzen „Elytren“, Deckflügel aus hartem Material, die ihre Flügel im eingeklappten Zustand schützen.

Beim Eisenplattenkäfer hingegen haben sich die Flügel zur Gänze zurückgebildet und die Deckflügel sind zusammengewachsen. Nicht aber mit einer starren Verbindung, sondern mit einer Naht, die wie bei einem Puzzle ineinandergreift. Die einzelnen Verknüpfungen haben eine elliptische Form, was höhere Stabilität verleiht, aber vor allem bei Belastungen eine leichte Lösung der übereinander angeordneten Schichten des Panzers zulässt und so die Naht trotz einer Verformung intakt bleibt.

Der Übergang von den Elytren zur Bauchplatte im vorderen Bereich ist starr, im hinteren Teil sind die beiden Panzerteile aber gegeneinander verschiebbar, sodass sie wie Stoßdämpfer wirken. Dadurch hat der Eisenplattenkäfer eine Rüstung, die unglaublich fest, aber auch biegsam ist und Belastungen bis zum 35 000-Fachen seines eigenen Gewichts standhält.

In den Panzer des Eisenplattenkäfers ist neben den Faserschichten aus Chitin im Vergleich zu anderen Käfern deutlich mehr Protein eingelagert, was die Widerstandsfähigkeit wesentlich erhöht.

Sogar nach seinem Tod ist die Härte des Panzers eine besondere Herausforderung. Das zur Präsentation in einer Sammlung übliche Aufspießen mit einer Nadel durch den Rücken ist unmöglich. Da kann sich der Entomologe nur mit einem Klebestreifen behelfen.

Der Eisenplattenkäfer hat mit seiner wissenschaftlichen Bezeichnung Nosoderma diabolicum einen teuflischen Artnamen erhalten. Wahrscheinlich meinten die Namensgeber, dass der kleine Käfer bei einer solchen Unzerstörbarkeit mit dem Teufel im Bund sein müsse.

Der Eishai und der Triumpf der Trägheit

Mit seinen etwa 400 Jahren ist er das älteste bekannte Wirbeltier der Welt. Eishaie sind die Methusalems unter den Tieren. Sie erreichen ein Alter von biblischen Ausmaßen.

Der Eishai oder auch Grönlandhai (Somniosus microcephalus) erreicht das höchste natürliche Lebensalter aller Wirbeltiere. Eishaie leben in bis zu 2 000 Metern Tiefe in den arktischen Gewässern des Nordatlantiks vor den einsamen Küsten von Grönland, Spitzbergen und Kanada. Das Rezept für ihr hohes Alter ist ihre Langsamkeit. Sie bewegen sich nur mit einem Kilometer pro Stunde gemächlich durch das Eismeer und ihr Wachstum und ihre Entwicklung geschehen im Zeitlupentempo. Die Geschlechtsreife erreichen Eishaie erst im zarten Alter von 150 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt haben sie eine Körperlänge von etwa vier Metern. Danach wachsen sie kaum einen Zentimeter pro Jahr.

Da Eishaie aufgrund ihrer Trägheit keine rasante Jagd machen können, ernähren sie sich wahrscheinlich vor allem von Kadavern, die aus höheren Wasserschichten nach unten sinken und die sie auf dem Grund des Meeres finden.

Schon lange wurde vermutet, dass Grönlandhaie ein sehr hohes Alter erreichen. Die sonst gebräuchliche Altersbestimmung war aber nicht möglich, da Eishaie wie alle Knorpelfische kein verkalktes Gewebe besitzen. Erst in den letzten Jahren konnte ihre Lebensspanne genau bestimmt werden. Mit der Radiokarbonmethode wurden die Eiweiße in den Augenlinsen der Eishaie untersucht, da diese bereits im Mutterleib gebildet werden und sich danach nicht mehr verändern. Durch den Zerfall von Kohlenstoffatomen (14C) lässt sich der Zeitraum der Geburt bestimmen und so der Altersrekord von unglaublichen vier Jahrhunderten beweisen.

Bis zu dieser Erkenntnis galt der Grönlandwal (Balaena mysticetus) mit seinen etwas mehr als 200 Jahren als das Wirbeltier mit der höchsten Lebenserwartung. Sein Lebensraum sind ebenfalls die eisigen Gewässer der arktischen Meere, wobei sich Grönlandwale fast immer an der Packeisgrenze aufhalten. Sie sind gewaltige Riesen mit bis zu 100 Tonnen Gewicht und 18 Metern Körperlänge. Eine 70 Zentimeter dicke Fettschicht schützt dieses Säugetier vor der Kälte, und mit seinem enorm großen und starken Kopf kann ein Grönlandwal 30 Zentimeter dicke Eisschichten durchbrechen. Er ernährt sich von Plankton, das er mit seinem Maul aus den eisigen Fluten filtert. Dabei kann der Grönlandwal sein Maul auf vier Meter Höhe und 2,5 Meter Breite öffnen.

In den arktischen Gewässern existiert aber ein Tier, das beide an Lebenszeit übertrifft. Das älteste bisher gefundene Exemplar der nur wenige Zentimeter großen Islandmuschel (Arctica islandica) war stolze 507 Jahre alt. Durch die Wachstumsringe der Kalkschale ist es ähnlich wie bei einem Baumstamm möglich, das Alter der Tiere abzuzählen. Die Breite der einzelnen Jahresringe sind ein Hinweis auf die Güte der Lebensbedingungen. Diese jährlichen Zuwächse lassen sich zu Zeitreihen verknüpfen und geben so Auskunft über weit zurückliegende Klimaschwankungen und Veränderungen im Meer.

Die besten Voraussetzungen für ein sehr langes Leben bieten somit Kälte und ein sehr träger Stoffwechsel.

Der Elefantenrüsselfisch und das Fischen im Trüben

Wenn man ihn sieht, erklärt sich sein Name von selbst. Er benutzt seinen kleinen Rüssel wie sein gewaltiger Namensgeber, nämlich zum Aufspüren der Nahrung.

Der Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii) gehört zur Familie der nur in Afrika vorkommenden Nilhechte und ist in allen Fließgewässern und Seen West- und Zentralafrikas weit verbreitet. Er erreicht eine Länge von etwa 20 bis 30 Zentimetern, lebt am Grund der Gewässer und kommt meist in größeren Schwärmen vor. Hauptsächlich ernährt er sich von Insektenlarven und kleinen wirbellosen Tieren, die er im weichen Untergrund mit seinem Rüssel aufspürt. Als nachtaktiver Fisch versteckt er sich tagsüber meist am Gewässergrund unter Steinen oder Wurzeln.

Sein größtes Problem bei der Nahrungssuche ist die Trübe der Gewässer und die damit verbundene ganz schlechte Sicht. Der Elefantenrüsselfisch fischt wörtlich im Trüben. Er hat aber ein System entwickelt, mit dem er trotzdem ausgezeichnet „sehen“ kann. Er kann mithilfe eines elektrischen Organs im Schwanzstiel schwache elektrische Impulse aussenden. Damit baut sich um ihn herum ein elektrisches Feld auf. In der Haut an Kopf, Bauch und Rücken des Fisches befinden sich zahlreiche Sensoren, die das durch Gegenstände im Gewässer veränderte elektrische Feld wahrnehmen. So verschafft er sich je nach Leitfähigkeit der Gegenstände eine räumliche Wahrnehmung und kann damit sogar die materielle Beschaffenheit seiner Umgebung beurteilen. Es handelt sich um eine aktive Elektroortung, vergleichbar der aktiven Echoortung von Fledermäusen mit Ultraschall, die damit auch ein dreidimensionales Bild ihrer Umgebung wahrnehmen können. Die Elektroortung des Elefantenrüsselfischs funktioniert nur auf kurze Distanzen bis maximal etwa zehn Zentimeter und dient vor allem zum Beutefang und zur innerartlichen Kommunikation, die vielfältig und sehr ausgeprägt ist.