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Kunstexpertin Talitha St Croix ist außer sich vor Wut, als ihr treuloser Ex-Verlobter Dante King sie in die Toskana zitiert, um für ihn zu arbeiten. Will sie den altehrwürdigen Familiensitz, in dem ihr kranker Großvater lebt, nicht verlieren, muss sie den Auftrag des gefährlich attraktiven Selfmade-Milliardärs annehmen. Misstrauisch ist Talitha auf alles gefasst. Aber unter den Sternen Italiens wird sie von Dantes überraschend zärtlicher Leidenschaft überwältigt. Oder ist seine prickelnde Charme-Offensive etwa Teil eines raffinierten Racheplans?
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Seitenzahl: 205
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2022 by Louise Fuller Originaltitel: „The Italian’s Runaway Cinderella“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2561 09/2022 Übersetzung: Cordula Schaetzing
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751509930
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Gut. Dann bis später. Oder möchten Sie das Ganze nochmal durchgehen?“
Talitha St Croix Hamilton musste an sich halten, um ihren Boss nicht durchs Telefon anzuschreien. Es hatte sie überrascht, dass Philip sie und nicht ihre erfahrenere Kollegin Arielle zu dem Treffen mit dem neuen Kunden gebeten hatte. Er schien mit dieser Entscheidung auch im Reinen gewesen zu sein, doch jetzt, knapp eine Stunde vor dem Gespräch, kamen ihm offenbar doch Zweifel.
„Schließlich werfe ich Sie ins kalte Wasser. Besser, wir finden frühzeitig heraus, ob Sie schwimmen können, untergehen … oder lediglich Schwimmflügel brauchen“, bemerkte er trocken.
„Alles gut, Philip.“ Talitha warf ihren langen blonden Pferdeschwanz zurück. „Ich bin bestens vorbereitet.“
„Okay, dann entschuldige ich mich für das Verhör. Ich habe volles Vertrauen in Sie, Talitha. Aber über der Tür steht mein Name. Also muss ich sicher sein, dass Sie sicher sind.“
Philip Dubarry war ein guter Boss. Er zahlte gut und behandelte seine Mitarbeiter mit Respekt, war geduldig und teilte großzügig seine Zeit und sein Wissen. Aber er war auch ein Kontrollfreak. Es fiel ihm schwer, die Zügel aus der Hand zu geben.
Übelnehmen konnte Talitha es ihm nicht. Sie arbeitete erst seit sieben Monaten für ihn und hatte den leisen Verdacht, dass Philip sie nur eingestellt hatte, weil er bereits für ihren Großvater Edward Gemälde gekauft und verkauft hatte; damals, als ihre Familie dank des erfolgreichen Unternehmens ihres Ururgroßvaters sehr reich geworden war und Talithas Familiensitz Ashburnham eine der wichtigsten privaten Kunstsammlungen Englands beherbergt hatte.
Aber das war einmal. Der Name St Croix Hamilton war gesellschaftlich zwar noch hoch angesehen, doch die kostbaren Gemälde waren größtenteils diskret verkauft worden und das einst wunderschöne georgianische Herrenhaus war reparaturbedürftig. Die Schulden bei der Bank waren inzwischen höher als das damalige Vermögen.
Besser nicht darüber nachdenken. Talitha musste bei dem Meeting heute ihr Bestes geben, aber das war nicht einfach, wenn man keine Ahnung hatte, mit wem man es zu tun bekommen würde. Sie wusste nur, dass der Kunde immens reich war und großen Wert auf seine Privatsphäre legte.
Wenigstens war sie passend angezogen. Das elegante gestreifte Seidenkleid – eine aktuelle Kreation von Giles Deacon – gehörte ihr zwar nicht, denn dafür war es viel zu teuer. Aber sie hatte in Chelsea einen Laden gefunden, der Designerkleidung für den Preis eines guten Mittagessens tageweise verlieh.
Als sie in der warmen Junisonne die Bond Street entlanggegangen war, hatten ihr die zahlreichen bewundernden Blicke mitgeteilt, dass sie eine gute Wahl getroffen hatte. Für Talitha war es sogar mehr als nur ein atemberaubend schönes Kleid: Es war ihre Rüstung. Innerlich mochte sie zittern, doch das würde niemand bemerken.
Und ebenso würde niemand ahnen, dass die einst so mächtigen St Croix Hamiltons ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten. Oder dass die glitzernden Diamantohrringe, die sie heute trug, nur hervorragende Fälschungen waren.
„Sie schaffen das“, unterbrach Philip ihre Gedanken. „Sprechen Sie deutlich. Lächeln Sie aufrichtig. Und bedenken Sie stets, dass der Kunde …“
„… immer recht hat“, beendete sie den Satz für ihn und fragte möglichst beiläufig: „Und wir wissen wirklich gar nichts über ihn?“
„Rein gar nichts. Aber deshalb kommt er oder sie ja zu uns. Nur wer Publicity will, geht zu Broussard“, bemerkte Philip abfällig. Talitha musste lächeln. Zu Broussard gingen viele berühmten Kunstsammler – all die Rockstars, Schauspieler und Filmregisseure, die den Rummel einer Auktion liebten. Doch für die ultrareichen Kunden, die lieber anonym blieben, gab es in der Welt des hochrangigen Kunsthandels nur eine Adresse: Philip, den man für seine Diskretion und seine Expertisen schätzte. Sein Kunsthandel war zwar kleiner als die meisten anderen, aber zu seinen Kunden zählten verschwiegene und enorm reiche Kunstsammler, von Technikmagnaten bis hin zu Königshäusern.
Nachdem Philip aufgelegt hatte, öffnete Talitha ihren Laptop und ging noch einmal ihre Präsentation durch. Sie wollte unbedingt, dass alles gut lief. Es war zwar keine Beförderung, aber es würde der Bank beweisen, dass sie sich diesen Job verdient hatte. Dass sie den „Rat“ der Bank angenommen hatte, sich einen „richtigen“ Job zu suchen.
Denk nicht daran, ermahnte sie sich selbst. Wenn sie die Bank nicht überzeugen konnte, den Kredit zu verlängern, war alles verloren. Und zwar für immer. Das Anwesen würde versteigert werden und ihr Großvater sein Zuhause verlieren. Unvermittelt musste Talitha gegen Tränen ankämpfen. Ihr Großvater hatte etwas Besseres verdient, denn er hatte stets das Richtige getan. Er war der einzige Mensch, dem sie vertraute, zumindest der einzige, der dieses Vertrauen wirklich verdiente. Er hatte sie nie enttäuscht, und auch sie wollte ihn nicht enttäuschen.
Was es sie auch kostete, sie würde die Bank zum Einlenken bringen.
„Talitha?“ Harriet James, Philips durch und durch professionelle Assistentin, stand plötzlich in der Tür. „Sie sind da. Ich gehe zum Empfang, um sie zu begrüßen.“
„Danke, Harriet. Wir sehen uns dann im Atelier.“
Plötzlich zitterte Talitha am ganzen Körper. Natürlich bin ich nervös, sagte sie sich auf dem Weg nach oben. Aber das Zittern beruhte nicht nur auf Nervosität. Sie war auch gespannt auf den geheimnisvollen Kunden.
Das Atelier lag im obersten Stock und war der schönste Raum im ganzen Gebäude. Vor dreißig Jahren hatte Philip das erste der vier nebeneinanderliegenden Reihenhäuser gekauft, die später einmal seine Galerie und die Büroräume beherbergen sollten. Das riesige Atelier erstreckte sich über alle vier Häuser und diente nicht nur als Besprechungsraum, sondern auch als lichterfüllter Ausstellungsraum der sich stets verändernden Dubarry-Kunstsammlung.
Darunter befand sich auch Talithas derzeitiges Lieblingsgemälde „Blackboard“ von Cy Twombly. Selbst an Londons trübsten Tagen war das Atelier ein erhebender und inspirierender Ort. Hoffentlich würde es den mysteriösen Kunden dazu bewegen, tief in die Tasche zu greifen.
Sie hörte Schritte und Harriets Stimme. Sie klang nervös. Talitha runzelte die Stirn. Das war ja etwas ganz Neues. Selbst als während der Renovierung der Büroräume ein Arbeiter aus Versehen das Gebäude in Brand gesetzt hatte, war Harriet ruhig und professionell geblieben. Plötzlich zitterte Talitha wieder. Wenn schon Harriet so angespannt war, musste es sich um einen König, einen Emir oder den Herrscher eines der europäischen Fürstentümer handeln.
Sie strich ihr Haar glatt und setzte ein Lächeln auf, als Harriet, gefolgt von einer Gruppe von Männern in dunklen Anzügen, hereinkam. Talitha jedoch nahm nur den großen dunkelhaarigen Mann ganz vorn wahr. Ihr Lächeln gefror. Wie angewurzelt stand sie da.
Das ist nicht er, sagte sie sich. Das kann er nicht sein. Jeder Mensch hat irgendwo auf der Welt einen Doppelgänger, das hier muss seiner sein. Der Raum schien plötzlich verschwommen, nur der Mann war noch deutlich zu sehen.
Dante King.
In den letzten Jahren war kaum ein Tag vergangen, an dem sie nicht an ihn hatte denken müssen, und kaum eine Nacht, in der er sich nicht in ihre Träume geschlichen hatte.
Auf einmal schien völlig klar, dass er der geheimnisvolle Sammler war.
Schon zu Beginn seiner Karriere war er sehr verschlossen gewesen. Sie wusste, dass er seinen Eltern sehr nahestand. Er hatte oft mit beiden gesprochen, wenn auch nur kurz und immer auf Italienisch. Sie hatte gehofft, er würde sich auch ihr gegenüber öffnen, wenn sie sich erst besser kannten. Ihre Brust zog sich schmerzhaft zusammen, denn angeblich hatte er damals eine gemeinsame Zukunft für sie beide geplant. Dennoch hatte Dante sie aus seinem Leben ausgeschlossen und von allen Personen ferngehalten, die ihm wichtig waren.
Gerade weil ihm seine Familie so wichtig war, hatte sie ihm ihre eigenen Eltern nicht vorgestellt. Doch sie hätte sich gar keine Sorgen machen müssen, er war ohnehin nur an Menschen interessiert, die ihm helfen konnten, sein Imperium auszubauen.
Und nun stand er hier im Atelier, der reichste Mann, von dem allerdings bisher nie jemand gehört hatte. Noch immer sah er umwerfend aus, von seinem zerzausten dunklen Haar bis zu den handgefertigten Lederschuhen.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie es kaum aushalten können, auch nur eine Sekunde von ihm getrennt zu sein. Talithas Puls raste. Dieser Mann hatte gesagt, dass er sie liebe, und ihr dann das Herz gebrochen.
Vor drei Jahren hatte er in einer Mailänder Bar voller aufgeblasener italienischer Männer durch seine ruhige ernsthafte Schönheit Aufsehen erregt, und das nicht nur wegen seines attraktiven Gesichts. Damals versteckte sich unter den perfekt gemeißelten Wangenknochen auch eine Weichheit und Verletzlichkeit, die jede Frau in der Bar – einschließlich Talitha – veranlasst hatte, ihn länger anzusehen als unbedingt notwendig. Heute aber wusste sie, dass Dante King keinen weichen Zug besaß. Er war ein zielstrebiger und rücksichtsloser Mann, der nur ein Ziel kannte: den Aufbau seines eigenen Imperiums. In seinem Leben war kein Platz für etwas oder jemand anderes. Einschließlich Talitha.
Nervös richtete sie den Blick auf sein Gesicht. Heute war er nicht nur dem Namen nach ein King, sondern König eines weltumfassenden Geschäftsimperiums. Und er sah unglaublich gut aus.
Harriet räusperte sich. „Mr. King, ich möchte Ihnen unsere Kuratorin vorstellen, Talitha St Croix Hamilton.“ Sie nickte Talitha zu. „Talitha wird sie leiten und beraten. Allerdings raten wir bei Dubarry unseren Kunstsammlern, in erster Linie sich selbst und ihrem Geschmack zu vertrauen. Ihre Wünsche stehen an erster Stelle. Was immer Sie wünschen, wir besorgen es für Sie.“
Dante hob eine Augenbraue. „Was immer ich wünsche?“
Talitha schluckte, als er sie mit seinen grauen Augen musterte. Nun, da der Schock langsam abebbte, fühlte sie sich nervös und verletzlich.
Harriet lächelte. „Selbst Stücke, die offiziell nicht zum Verkauf stehen. Letzte Woche hatte Talitha einen Kunden, der einen schwarzweißen de Kooning wollte. Und wissen Sie, was sie gemacht hat? Sie fand den Sammler in Japan, der das Gemälde besaß. Dann fand sie einen anderen, bedeutenderen de Kooning in San Francisco. Dieses Gemälde verkaufte sie an den japanischen Sammler, und dieser verkaufte sein Gemälde an unseren Kunden.“
„Das ist ein seltenes Talent“, bemerkte Dante kühl. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte seinen Mund, sein Gesichtsausdruck war unergründlich.
Talitha wurde rot. Der Klang seiner Stimme, der leichte italienische Akzent ließ ihren Puls schneller schlagen. Als er seinen durchdringenden Blick direkt auf ihre hellbraunen Augen richtete, konnte sie plötzlich kaum noch atmen.
Quälend langsam ließ er seinen Blick über ihren Körper wandern, was ihren Puls noch weiter beschleunigte.
„Ms. Hamilton. Wie ist es Ihnen ergangen?“
Einen Moment herrschte Schweigen.
„Sie kennen sich?“ Neugierig schaute Harriet zwischen ihnen hin und her.
Wir kennen, liebten und verloren einander, dachte Talitha und versuchte, ihren ungestümen Herzschlag zu beruhigen, während eine Welle von Ärger und Schmerz über sie hinwegspülte. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, in seinen kühlen grauen Augen eine Regung zu erkennen. Dann war es vorbei, und sie fragte sich, ob sie sich dies – wie alles andere in ihrer Beziehung – nur eingebildet hatte.
„Das würde ich nicht sagen“, antwortete er. „Aber wir sind uns schon einmal über den Weg gelaufen. Vor langer Zeit.“
So lässt es sich auch ausdrücken, dachte sie und zwang sich, seinem herausfordernden Blick standzuhalten. Genauso gut hätte man sagen können, dass er nur mit ihr gespielt hatte. Er hatte ihre Schwäche erkannt, sich aber nicht bemüht, den Grund dafür herauszufinden. Stattdessen hatte er diese Schwäche genutzt – wie alle erfolgreichen Jäger, mit derselben rücksichtslosen Effizienz, die ihn zu einem der jüngsten Milliardäre der Geschichte gemacht hatte. Sein Unternehmen KCX war zwar noch nicht die größte Börse für digitale Vermögenswerte, aber die am stärksten wachsende.
Ihr kometenhafter Aufstieg hätte ihren Gründer und Geschäftsführer berühmt machen können. Aber Dante King mied die Öffentlichkeit und gab selten Interviews. Das hieß allerdings nicht, dass man ihn unterschätzen durfte, das wusste sie aus Erfahrung.
Hatte sie ihm eigentlich jemals etwas bedeutet? Oder war es ihm nur um ihre Verbindungen gegangen?
Dante wandte den Blick zu Harriet. „Ms. James … und meine Herren … Könnten Sie uns bitte einen Moment allein lassen? Ich möchte unter vier Augen mit Ms. Hamilton reden.“
Er sprach leise, doch es lag eine eindeutige Autorität in jedem Wort. Innerhalb von Sekunden waren sie allein, und plötzlich kam Talitha der Raum sehr klein vor. Sie hatte das Gefühl, kaum noch atmen zu können. Wie oft hatte sie sich diese Szene ausgemalt?
Man sollte denken, all ihre Wut und ihre Enttäuschung wären inzwischen aufgebracht, doch sobald die Tür leise ins Schloss gefallen war, brach sich ihr Zorn Bahn, und sie ging direkt zum Angriff über.
„Was willst du hier, Dante? Es ist drei Jahre her.“ Drei Jahre lang hatte sie sich vor der Vergangenheit versteckt und vor ihren Gefühlen. Drei Jahre lang hatte sie versucht, ihr gebrochenes Herz wieder zu kitten. Manche Menschen meinten, die Zeit heile alle Wunden. Aber auf deren Herzen war auch nicht Dante King herumgetrampelt.
Er trat einen Schritt vor. „Ich weiß, wie lange es her ist, Talitha.“
Als sie ihren Namen aus seinem Mund hörte, wurde ihr heiß.
„Du verschwendest deine Zeit.“ Ihr Herz schlug plötzlich so heftig, dass sie fürchtete, es könne ihr aus der Brust springen. Er war damals zu seiner Familie gereist und hatte sie allein zurückgelassen. Drei Wochen lang hatte sie auf ihn gewartet, doch er hatte sich nicht gemeldet.
Sie war eine Närrin. Aber sie war einfach in ihrer Fantasie von Liebe gefangen gewesen. Wahrscheinlich würde sie jetzt noch auf ihn warten, hätte sie nicht zufällig Nick getroffen und die Wahrheit herausgefunden: Dante hatte sie nur benutzt. Und zwar wegen ihrer Kontakte. Er hatte sie gar nicht um ihrer selbst willen gewollt.
Sie hatte Monate damit verbracht, ihn zu hassen und zu vergessen. Und nun tauchte er nach all dieser Zeit einfach aus heiterem Himmel hier auf und wollte mit ihr unter vier Augen reden? Sie warf einen Blick in sein attraktives Gesicht, und ihr kam die Galle hoch. Dieser Mann hatte nicht einen Funken Mitgefühl.
Sie schüttelte den Kopf.
„Darüber reden wir nicht, weder jetzt noch irgendwann. Damals wäre der richtige Zeitpunkt zum Reden gewesen. Aber da wolltest du nicht.“
Sie schluckte ihren Schmerz herunter. Damals hatte sie gehofft, dass er wenigstens versuchen würde, es wieder geradezubiegen. Aber er hatte ihr nicht einmal eine SMS geschickt.
Schweigend sah er sie an, während er ihre Worte überdachte und nach einer Antwort suchte. Aber sie kannte seine Tricks. Er benutzte Schweigen als Waffe, damit sein Gegenüber den Faden verlor. Nun, diesmal konnte er lange warten. Genauso wie sie damals in seiner Wohnung.
„Es gab nichts zu bereden. Du hast überreagiert – wie immer.“
Überreagiert – wie immer.
Fassungslos sah sie ihn an. Sie hatte lediglich versucht, ihre Beziehung zu retten.
„Ich reagiere lieber über, als zu enttäuschen“, fauchte sie ihn an.
In seinen dunklen Augen blitzte etwas auf. „Es tut mir leid, dich erneut enttäuschen zu müssen“, sagte er gefährlich sanft. „Aber ich bin nicht hierhergekommen, um mit dir zu diskutieren, Talitha.“ Er ging an ihr vorbei und blieb vor einem markanten geometrischen Gemälde von Frank Stellas stehen. „Ich wusste nicht einmal, dass du für Dubarry arbeitest.“
Sie brauchte einen Moment, um seine Worte zu verarbeiten.
War es tatsächlich reiner Zufall, dass er hier stand? Sie errötete. Was hatte sie sich eben nur gedacht? Vor drei Jahren hatte er doch bewiesen, dass ihm nichts an ihr lag. Er war ein herzloser egozentrischer Bastard, warum also sollte er jetzt nach ihr suchen? Sie biss die Zähne zusammen. Ich bin echt gut darin, ihn falsch einzuschätzen.
„Du hast mich nie wahrgenommen.“
Er drehte sich nicht um. Genau so hatte er auch in der Bar gestanden, damals in Mailand, als sie sich kennengelernt hatten. Sie hätte es als Omen sehen sollen, als Warnung: Dante, der ihr den Rücken zukehrte, den Blick auf den Horizont gerichtet, auf eine Zukunft, in der sie keinen Platz hatte.
Sie hätte es besser wissen und sich gar nicht erst mit ihm einlassen sollen. Doch sie hatte zugelassen, dass ihre Libido ihren Verstand ausschaltete und sie die unglückliche Ehe ihrer Eltern vergessen ließ. Sie hatte nur noch Augen für die dunklen Locken in seinem Nacken gehabt und für die wohlgeformten Muskeln unter seinem T-Shirt. Weiche Locken und harte Muskeln, dieser Widerspruch hatte sie fasziniert und erregt.
Sie waren miteinander ins Bett gegangen. Als er sich auf sie gelegt und sie leidenschaftlich geküsst hatte, war sie mit den Händen durch sein Haar gefahren.
Unwillig blinzelte sie und verdrängte die Erinnerung an seine Künste als Liebhaber.
„Ich stand immer nur im Hintergrund.“
Er drehte sich um und sah sie durchdringend an. „Du warst nie im Hintergrund. Du hast den Raum erleuchtet.“ Er trat einen Schritt näher. Nun konnte sie die Konturen seiner Muskeln unter dem dunkelblauen Hemd und dem perfekt sitzenden Jackett sehen. „Wie die Sonne. Nur dass du Tag und Nacht geleuchtet hast. Manchmal dachte ich, du wärst ein Stern, der vom Himmel gefallen ist.“
Bei seinen Worten beschleunigte sich ihr Puls. Wütend schaute sie ihn an. „Tu nicht so, als wäre es in unserer Beziehung je um etwas anderes als Sex gegangen.“ Unwillkürlich erinnerte sie sich daran, wie gut der Sex mit ihm gewesen war. Und schon liefen Schauer der Erregung über ihren Körper.
Sie verdrängte die Gedanken und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen. „Und selbst der Sex war wahrscheinlich nur ein Bonus. Was dir wirklich gefiel, war mein Name.“
„Das stimmt nicht.“ Er trat einen Schritt näher. „Als ich dich in jener Bar sah, kannte ich deinen Namen gar nicht. Ich wusste nichts über dich, außer dass du die schönste Frau bist, die ich je gesehen hatte.“ Er spielte mit einer Strähne ihres Haars, die sich gelöst hatte. „Selbst wenn Hera, Athene und Aphrodite neben dir gesessen hätten, hätte ich dennoch dir den goldenen Apfel gegeben.“
Bei seiner Berührung erschauerte sie innerlich. Tief in ihrem Unterleib spürte sie ein Feuer, als erwache ihr Körper nach einem langen Winterschlaf zum Leben. Plötzlich war sie sich seiner Hand und dieses verführerischen männlichen Dufts, den sie nur mit ihm verband, quälend bewusst. Die Versuchung war groß, das Gesicht in seine Hand zu schmiegen.
Sie hasste sich dafür, dass er dieses Bedürfnis immer noch in ihr auslösen konnte. Am liebsten wäre sie einen Schritt zurückgetreten, um etwas Abstand zu gewinnen. Aber sie wollte ihn auf keinen Fall merken lassen, dass ein Teil von ihr sich immer noch nach ihm sehnte. Daher ignorierte sie das verräterische Zittern ihres Körpers und zwang sich, stehenzubleiben.
„Ich mag keine Äpfel“, log sie. „Ich bevorzuge Birnen. Aber das kannst du nicht wissen, da du nie wirklich an mir interessiert warst. Für dich war ich nur ein Sprungbrett.“
„Ich dachte, du willst nicht über die Vergangenheit reden.“ Mit seinen grauen Augen sah er sie ruhig an. „Vorsicht, Talitha. Du brichst deine eigenen Regeln. Und wie ich mich erinnere, tust du das gerne.“
Unwillkürlich zuckte sie zusammen und wurde tiefrot. Sie wusste, worauf er anspielte. Diese ersten Wochen in Mailand waren wild und verrückt gewesen, sie hatten die Hände nicht voneinander lassen können. Scharf sog sie die Luft ein und verdrängte die Erinnerung daran, wie sie die Treppe zum Hotelzimmer hinaufgeeilt war, wie sie sich an ihn gepresst, seine harte Männlichkeit an ihrem Unterleib gespürt und ihn vor lauter Ungeduld in die Schulter gebissen hatte.
Talitha ballte die Hände zu Fäusten. Wenige Sekunden zuvor hatte sie sich noch mit ihm streiten, ihn verletzen wollen, so wie er sie damals verletzt hatte. Jetzt wollte sie nur noch, dass er verschwand. Bevor sie etwas Dummes tat. Ihm vielleicht eine Ohrfeige verpasste.
Oder ihn küsste. Trotzig schob sie das Kinn vor.
„Unsere Erinnerungen an die gemeinsame Zeit sind offensichtlich sehr unterschiedlich, Dante. Aber wie du bereits gesagt hast, bist du nicht hier, um mit mir zu diskutieren, sondern um die Strategie für den Aufbau deiner Kunstsammlung zu besprechen.“
Er ließ den Blick nicht von ihren Augen. „Das ist richtig.“
„Gut.“ Sie lächelte kühl und hätte hoch erhobenen Hauptes den Raum verlassen, hätte er ihr nicht den Weg blockiert. „Was machst du da?“, fragte sie überrascht.
„Dasselbe könnte ich dich fragen“, erwiderte er sanft.
„Ich dachte, das sei offensichtlich.“ Ihr Herz schlug schnell, sie atmete heftig. „Dieses Meeting ist beendet. Wenn es dir nichts ausmacht, einen Moment zu warten, hole ich meine Kollegin Arielle Heathcote. Sie ist sehr erfahren …“
„Es macht mir aber etwas aus“, fiel er ihr ins Wort.
Ein Kribbeln lief über ihre Haut. Es war schon schlimm genug, dass er sie benutzt hatte, um seine Interessen voranzutreiben. Auf keinen Fall wollte sie zu seiner Handlangerin degradiert werden, die ihm bei seinem neuesten Hobby half. „Was soll das bedeuten?“
„Dass du deine Kollegin nicht holen musst. In diesem Fall reichst du aus.“
„Wir können aber nicht zusammenarbeiten“, widersprach sie entsetzt.
„Können wir nicht?“ Er runzelte die Stirn. „Warum nicht?“
Bei seiner Frage blieb ihr die Luft weg. Er war immer noch unheimlich ruhig und distanziert. Er spielte mit ihr, rieb Salz in ihre Wunden, das war ihr klar. Auf einmal hasste sie ihn – und auch sich selbst, weil in ihr wieder die Wut hochkochte.
Weil sie etwas fühlte.
„Dafür gibt es viele Gründe.“
Seine Haltung veränderte sich kaum wahrnehmbar. Hätte sie ihn nicht gekannt, wäre ihr sicher entgangen, dass er die Augen leicht zusammenkniff, während er sie musterte. „Magst du mir das vielleicht erklären?“
Sein Ton war immer noch sanft, doch Talitha spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Sie hatte seine unglaubliche Karriere bewusst nicht verfolgt. Nur ab und zu, wenn sie mal wieder einen Abend damit verbracht hatte, eine DVD nach der anderen zu schauen, hatte sie im Internet nach ihm gesucht. Es hieß allerorten, man wolle ihn lieber zum Freund als zum Feind haben.
„Ich habe dir nichts zu erklären, Dante“, erwiderte sie mit rauer Stimme, während ihre Wut und ihr Schmerz immer stärker wurden. Wann hatte er ihr jemals etwas erklärt?
„Du weißt ganz genau, warum wir nicht zusammenarbeiten können. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit.“
Er hob die Schultern. „Das ist Geschichte. Wenn ich bereit bin, das hinter mir zu lassen, warum solltest du das nicht auch können?“
Sprachlos sah sie ihn an. Wie konnte er ihren Schmerz einfach ignorieren? Er musste doch gewusst haben, wie sehr sie ihn liebte. Hatte er denn keine Ahnung, wie tief er sie verletzt hatte? War er völlig gefühllos?
Sie betrachtete seinen maßgeschneiderten Anzug, das frisch gebügelte blaue Hemd und die dezent gemusterte Seidenkrawatte. Die Antwort hieß: Ja. Dante King interessierten Gefühle nicht, schon gar nicht die anderer Menschen.
Am liebsten hätte sie sich auf ihn gestürzt und mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen – damit er auch nur einen Bruchteil ihres Schmerzes empfand.
„Wir waren verlobt, Dante. Du hattest mir ein Versprechen gegeben.“
Ein Versprechen für immer, nur hatte er es nicht gehalten …
Er schaute ihr in die Augen, sein Blick war kalt. Unwillkürlich verspannte sie sich. Ihr Herz schlug heftig, als er auf sie zukam.
„Du mir auch.“
Er hatte recht. Allerdings war es für sie mehr als ein Versprechen gewesen. Es hatte ein Wagnis bedeutet. Doch sie hatte sich verschätzt.
„Jeder macht mal Fehler, Dante.“ Und für diesen Fehler zahlte sie immer noch, jeden Tag. „Ich glaubte damals, das zwischen uns würde funktionieren. Aber ich habe mich geirrt. Diesmal mag es nur um Geschäftliches gehen, nicht um etwas Persönliches. Aber ich möchte den gleichen Fehler nicht zweimal machen.“
Schweigend sah Dante Talitha an. Sie lag falsch. Das hier war persönlich.
Als er den Raum betreten und sie nach all den Jahren wiedergesehen hatte, hatte er seinen Augen nicht getraut. Einen Moment hatte er tatsächlich geglaubt, er würde noch schlafen und alles – das Atelier, die Gemälde, Talitha – wäre nur ein Traum.