Der Reverend des Grauens: Die Trilogie - Steve Salomo - E-Book
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Der Reverend des Grauens: Die Trilogie E-Book

Steve Salomo

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Beschreibung

Reverend Pain Band 1 bis 3

von Steve Salomo

Der Umfang dieses Buchs entspricht 344 Taschenbuchseiten.

Am 6. Juno im Jahre des HERRN 2036 brach die Hölle über die Welt herein. Die Menschen waren gottlos geworden, in den großen Industrienationen gab es keinen Glauben mehr. Allein das Geld regierte.

Es war der Zeitpunkt, auf den die Hölle seit Anbeginn der Welt gewartet hatte. Die Zeit, da es keinen Glauben mehr gab und die Menschen ihr Herz vor GOTT verschlossen.

Die Hölle schlug zu mit all ihrer Gewalt. Dämonenhorden überrannten die Städte der Ungläubigen und nahmen die Erde in Besitz. Der Satan regierte, und seine Schergen versklavten die Menschheit.

Doch dann kam die Priesterschaft. Mutige und gottesfürchtige Männer. Mit ihren Waffen und dem Wort GOTTES drängten sie die Dämonenhorden zurück.

Noch immer gibt es jedoch überall auf der Welt Dämonen Nester. Die Priesterschaft schützt die Menschen gegen die Kreaturen der Finsternis, die noch auf der Erde verweilen. Und sie schickt ihre Reverends aus, Wanderer im Namen GOTTES, die sich den Mächten des Schreckens überall auf der Welt stellen.

Einer dieser Männer war REVEREND PAIN…

Dieses Buch enthält folgende drei Romane:

Dämonentöter

Schrei, wenn dich der Werwolf holt

Das Totenreich der Orks

Titelbild: Michael Sagenhorn

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Steve Salomo

Der Reverend des Grauens: Die Trilogie

Reverend Pain #1-3 Cassiopeiapress Horror

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Der Reverend des Grauens – Die Trilogie

Reverend Pain Band 1 bis 3

von Steve Salomo

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 344 Taschenbuchseiten.

 

Dieses Buch enthält folgende drei Romane:

Dämonentöter

Schrei, wenn dich der Werwolf holt

Das Totenreich der Orks

 

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Dämonentöter

Reverend Pain 1

von Steve Salomo

Prolog

AUS DER CHRONIK DER PRIESTERSCHAFT:

Am 6. Juno im Jahre des HERRN 2036 brach die Hölle über die Welt herein. Die Menschen waren gottlos geworden, in den großen Industrienationen gab es keinen Glauben mehr. Allein das Geld regierte.

Es war der Zeitpunkt, auf den die Hölle seit Anbeginn der Welt gewartet hatte. Die Zeit, da es keinen Glauben mehr gab und die Menschen ihr Herz vor GOTT verschlossen.

Die Hölle schlug zu mit all ihrer Gewalt. Dämonenhorden überrannten die Städte der Ungläubigen und nahmen die Erde in Besitz. Der Satan regierte, und seine Schergen versklavten die Menschheit.

Doch dann kam die Priesterschaft. Mutige und gottesfürchtige Männer. Mit ihren Waffen und dem Wort GOTTES drängten sie die Dämonenhorden zurück.

Noch immer gibt es jedoch überall auf der Welt Dämonen Nester. Die Priesterschaft schützt die Menschen gegen die Kreaturen der Finsternis, die noch auf der Erde verweilen. Und sie schickt ihre Reverends aus, Wanderer im Namen GOTTES, die sich den Mächten des Schreckens überall auf der Welt stellen.

Einer dieser Männer war REVEREND PAIN…

1

Sandy Rendall wälzte sich unruhig in ihrem Bett hin und her. Sie stöhnte. Es war ein ängstliches, furchtsames Stöhnen. Sie sah sich durch einen Wald rennen. Es war hell, und doch war es nicht Tag. Es war eine eigenartige Dämmerung, die aber nicht zwischen Tag und Nacht lag. Ein Zustand, den es in der realen Welt nicht gab. Sie fühlte sich verfolgt, sie wusste, dass er hinter ihr her war. Sie lief keuchend, mit klopfendem Herzen. Sie hatte Angst. Furchtbare Angst. Aber sie wünschte sich auch, dass er sie einholen würde. Sie sehnte sich danach, in seinen starken Armen zu liegen. Sie wünschte sich, seine warmen, zärtlichen Lippen auf den ihren zu spüren, seine verlangenden Berührungen auf ihrem Körper.

Plötzlich schreckte das sechzehnjährige Mädchen zusammen!

Vor ihr tauchte er auf, aus einem dichten, schimmernden Nebel. Eine hoch gewachsene Gestalt, gekleidet in einen langen, nachtschwarzen Umhang.

Er war alt. Viel älter sogar, als er eigentlich aussah. Und er sah sehr alt aus.

Aber vielleicht war »alt« das falsche Wort, überlegte Sandy. Weise klang in ihren Gedanken richtiger. Weise und — reif.

Er war groß, mindestens ein Meter neunzig, schlank, mit feingliedrigen Händen. Sein Gesicht hatte adlige, markante Züge, das schlohweiße Haar war streng zurückgekämmt.

Und darunter brannten Augen in einem höllischen, hypnotischen Feuer.

Dieser Blick strahlte Gefahr aus, teuflische Gier, aber auf eine merkwürdige Weise weckte er in Sandy auch ein Verlangen, das ihr Blut kochen ließ und durch ihren Körper fuhr wie glühende Lava. Ein Verlangen, das die Sechzehnjährige noch nie in ihrem jungen Leben erfahren hatte, jedenfalls noch nie so stark.

Was war das für ein Gefühl, was für ein Verlangen?

Keuchend atmete sie ein, und ihr Busen hob und senkte sich dabei.

Da streckte der Mann die Hand nach ihr aus. Komm …

Sandy zögerte, obwohl es sie Kraft kostete, diesem hypnotischen Befehl zu widerstehen, der sich in ihrem Gehirn einzubrennen schien.

»Komm!«

Der Befehl war jetzt drängender, duldete keinen Widerstand mehr.

Sandy trat auf den Unheimlichen zu …

… und erwachte mit einem lauten Keuchen auf den Lippen.

Sie lag in ihrem Bett, in ihrem Zimmer im Farmhaus ihres Vaters. Draußen herrschte stockdunkle Nacht, die plötzlich von einem grellen Blitz zerrissen wurde.

Ein Gewitter tobte draußen, kein Regen fiel, aber der Sturm heulte und pfiff, und Sandy saß aufgerichtet in ihrem Bett, den Blick auf das große Fenster gerichtet. Und jetzt sah sie auch die hoch gewachsene Gestalt, die dort draußen stand und sie mit brennenden Augen anstarrte. Im zuckenden Licht der Blitze zeichneten sich die Konturen nur als Scherenschnitt vom Sturmhimmel ab, aber Sandy wusste sofort, um wen es sich handelte.

Er war es, der alte Mann aus ihrem Traum.

Der Mann, nach dessen Küssen sie sich sehnte, nach seiner Berührung. Und nach vielem mehr.

Sie hatte trotzdem Angst vor ihm, eine unerklärliche Furcht hatte sie er griffen, die sie lähmte. Selbst wenn sie hätte aufschreien wollen, sie hätte es nicht gekonnt.

Aber sie wollte es nicht. Sie starrte in diese hypnotisch brennenden Augen, direkt in die Gefahr — und wurde von dieser Gefahr angezogen wie eine Mücke von der Flamme einer Kerze.

Komm!, hörte sie wieder den Befehl des Unheimlichen, aber er sprach ihn diesmal nicht, sie hörte ihn in ihren Gedanken, und da stand sie auf und stieg aus dem Bett, bekleidet nur mit einem dünnen Nachthemd, das ihren grazilen Körper kaum vor den Blicken des Unheimlichen verbarg.

Sie trat langsam, mit steifen, stockenden Bewegungen wie eine Mario nette, an das Fenster heran, über die knarrenden Holzbohlen, deren Kälte sie nicht spürte, obwohl sie barfuß war. Dann stand sie vor dem Fenster, sah jetzt deutlich dieses markante, strenge Gesicht der schwarzen Gestalt …

Und da öffnete sie das Fenster.

Der Wind stürmte herein, ließ ihre Haare und das dünne Nachthemd flattern, doch auch das registrierte sie nicht.

Komm …

Wieder war da der stille, lautlose Befehl des Unheimlichen, und er strecke seine Hände nach ihr aus, ergriff sie, und sie keuchte erneut auf unter seiner eiskalten Berührung, die trotz dem irgendetwas in ihr in Flammen zu setzen schien.

Dann hob er sie an, auf seine Arme, als habe ihr schlanker, mädchenhafter Körper überhaupt kein Gewicht, hob sie durchs Fenster zu sich hinaus, und es schien ihr, als würde sie in seiner Berührung und dem Flammenmeer, das diese in ihr entfachte, versinken.

Sie sah sein kaltes Gesicht. Bleich war es und undurchschaubar. Es zeigte keine Regung, kein Gefühl, und trotz dem ließ sein Anblick, seine Ausstrahlung, Sandys Herz in wilder Erregung pochen.

Sie schmiegte sich an seine Brust. Es war eine schmale, flache Brust, und doch war sie für Sandy unheimlich männlich.

Er hielt sie auf seinen Armen, dann trug er sie davon, in den tobenden Sturm hinein …

2

Seena wusste nicht, was sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Es war wie eine unheimliche Aura gewesen, die ihren Geist berührt und sie aus den Träumen geholt hatte. Eine Aura, so böse und schwarz wie die Abgründe der Hölle selbst.

Seena erschrak. Sie hatte nie mit jemandem darüber gesprochen, es war ihr selbst unheimlich, und sie war sich auch gar nicht sicher, ob sie diese Fähigkeiten wirklich hatte oder sie sich vielleicht nur einbildete.

Aber manchmal war es ihr, als könne sie die Schwarzblütigen irgendwie fühlen, ihr Kommen, ihre Nähe. Jedes Mal, wenn sie das kleine Dorf heimsuchten, auf der Jagd nach neuen Opfern, hatte sie es irgendwie gespürt. Aber sie hatte das Grauen nie verhindern können, hatte nicht einschreiten können.

Vielleicht war es wirklich nur Einbildung. Oder Zufall.

Deshalb hatte sie geschwiegen. Sie befürchtete auch, dass man sie, wenn man ihr glauben sollte, für eine Hexe halten würde, und das würde dann ziemlich unangenehme Konsequenzen für sie haben. Die abergläubischen Dörfler würden sie wahrscheinlich auf dem Scheiterhaufen verbrennen!

Abergläubisch? echote es in ihren Gedanken wider. Was war schon abergläubisch? Jahrhunderte lang hatten Menschen, die sich für so aufgeklärt gehalten hatten, nicht mehr geglaubt an Hexen, Dämonen, Werwölfe und Vampire. Doch es gab sie. Es gab sie wirklich. Sie und die Hölle und die ewige Verdammnis. Man hatte nicht mehr dar an geglaubt, und dann hatte die Hölle zugeschlagen, die menschliche Zivilisation fast vollständig ausgelöscht, und nun lungerten sie überall auf der Erde herum, in ihren Dämonennestern und Festungen und terrorisierten die Menschen, ob unschuldig oder nicht …

Nein, auch das stimmte nicht, dachte Seena. Keiner war wirklich unschuldig. Niemand …

Sie lauschte wieder in sich hinein, verdrängte dabei das Geräusch des tobenden Sturmes draußen und versuchte etwas wahrzunehmen.

Und da war tatsächlich etwas. Eine Art Ausstrahlung, die Aura eines dunklen Wesens, da war sich Seena jetzt sicher. Es war, als streife sie ein Hauch der Hölle.

Und dann durchzuckte sie ein Gedanke, ohne dass ihr klar wurde, woher dieser kam.

Sandy!

Ihre Schwester!

Sie wusste nicht, woher diese Erkenntnis kam, aber auf einmal war ihr klar, dass ihre Schwester in Gefahr war.

»Sandy!«, schrie sie auf, dann flog die junge, 22-jährige Frau, nur bekleidet mit Slip und einen knappem Shirt, von ihrem Lager auf, rannte zur Tür, öffnete sie und trat auf den Flur des Farmhauses, der vor ihr in völliger Finsternis lag. Hier war kein Fenster, und so konnten auch die grellen Blitze des Unwetters nicht für sekundenlange Helligkeit sorgen, wenn sie draußen die Nacht zerrissen.

Seena wirbelte herum, wollte auf die Tür von Sandys Zimmer zueilen, doch dann stockte sie, tastete sich zur Eingangstür des Farmhauses und zog den mächtigen Balken fort, der die Tür verrammelte, damit die Mächte der Finsternis nicht eindringen konnten.

Draußen sprang sie der eisige Sturm an, riss ihr rabenschwarzes Haar zurück, zerrte an ihrer spärlichen Kleidung, und eine Gänsehaut bildete sich auf ihrer zarten weißen Haut.

Aber etwas anderes als die Kälte ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren, es war die hoch gewachsene Gestalt, die das Gelände der Farm gerade mit weiten Schritten verließ und zwischen die Bäume des Waldes tauchte, einen Körper auf den Armen, der in ein flattern des weißes Nachthemd gehüllt war.

»Sandy!«, rief die junge Frau gegen das Fauchen des Sturms, und halb nackt, wie sie war, stürmte sie vorwärts, um ihre geliebte Schwester aus den Klauen des Unholds zu befreien. Sie war nicht bewaffnet, sie hatte keine Chance, doch daran verschwendete sie keinen Gedanken, zu sehr war sie von dem ergriffen, was sie gerade gesehen hatte.

Hartfaserige Gräser schnitten in ihre schlanken Beine, Steine bohrten sich in ihre Fußsohlen, doch sie spürte den Schmerz kaum, lief nur einfach vorwärts.

»Sandy!«

Sie kam nicht weit.

Sie wusste zunächst nicht woher, doch plötzlich tauchte direkt vor ihrem Gesicht eine dämonische Fratze auf. Glühende Augen starrten sie an, die Schnauze war die eines Tieres. Sie sah spitze Ohren, und lange Fangzähne glitzerten im Licht des Mondes, an dem die Sturmwolken vorbeijagten.

Nur flüchtig registrierte sie, dass die hässliche, abstoßende Fratze vor ihr auf dem Kopf stand, weil die Kreatur an dem mächtigen Ast einer knorrigen Eiche hing, mit dem Kopf nach unten. Es war eine riesige Fledermaus, mit borstigem Fell auf dem gekrümmten Leib.

Ihr schrilles Kreischen schnitt in Seenas Gehirn, dann griff die Kreatur an, und Seena hatte keine Möglichkeit mehr, ihr auszuweichen. Die Fänge fuhren auf den Hals der jungen Frau zu, der ungeschützt war, denn sie hatte vor Schreck den Kopf gehoben. Schon sprenkelte der faulige Speichel der Bestie ihre Haut.

Sie wollte zubeißen, sie zu einer Kreatur der Nacht machen oder ihr gar den Kopf abbeißen. Erstere war die schlimmere beider Alternativen.

Seena kam nicht mal dazu, aufzuschreien.

Aber dann löste sich die Dämonenfratze vor ihr einfach auf, verging in einer Explosion aus Flammen, Rauch und kochendem Fleisch und Blut. Der Kopf sprang förmlich auseinander, und Seena hob abwehrend die Arme, um von den hässlichen Fetzen nicht getroffen zu werden.

Sie fiel zu Boden, in das harte Gras, das ihre Haut zerschnitt, und vor ihr landete der Rumpf der Kreatur, verwandelte sich in den Körper eines Menschen und zerfiel in Sekunden zu Staub. Es war ein unbeschreiblicher, entsetzlicher Anblick, wie der menschliche Torso so rasant alterte, das Fleisch mumifizierte, verfaulte und die Knochen freigab, bis endlich nur noch Staub zurückblieb, den der Wind verwehte.

Seena würgte, fasste sich mit beiden Händen an den Hals.

»Seena!«

Es war der Ruf eines alten Mannes, der das Tosen des Sturmes nur mühsam übertönte. Sie drehte den Kopf und sah ihren Vater, wie er mit nacktem Oberkörper, nur mit Stiefeln und einer alten, von Hosenträgern gehaltenen Cordhose bekleidet, dastand. Er hielt ein Lasergewehr in den Händen, eine Waffe, die er sich selbst aus mehreren unbrauchbaren Waffen zusammengeschraubt hatte, und dessen Mündung noch rauchte.

Er war wohl geweckt worden, als Seena nach ihrer Schwester gerufen hatte, und war hinausgestürmt. Er hatte den Vampir erschossen. Mit einem gezielten Laserschuss, denn Laser war gebündeltes Licht, und Licht vernichtete die Kreaturen der Nacht.

Als Sonnenlicht war es für sie tödlich, deshalb fürchteten sie den Tag, und gebündelt als Laserstrahl tat es die gleiche verheerende Wirkung.

Ihr Vater stapfte auf sie zu, sein unrasiertes, faltiges Gesicht drückte Er staunen und Furcht aus, und seine Lippen zitterten. Er wollte eine Antwort haben, wollte wissen, was sie hier draußen tat, doch er war unfähig zu sprechen.

»Sandy«, erklärte Seena. »Sie haben Sandy geholt. Graf Orlov war hier. Er hat sich Sandy geholt.«

Ihr Vater erschrak, und fast befürchtete sie, ein Herzanfall würde ihn nun fällen. Doch er fing sich wieder. Sein Gesicht drückte unendlichen Schmerz aus. Seine Augen wurden feucht, während er stammelte: »Graf Orlov …«

Sie konnte sich nicht länger um den alten Mann kümmern, sie musste ihrer Schwester helfen, deshalb jagte sie an ihm vorbei zum Haus zurück, hastete durch den dunklen Flur auf ihr Zimmer zu, betrat es und schlüpfte in eine alte Armeehose mit großen Taschen und in ihre Stiefel. Eine Jacke anzuziehen, um sich gegen den beißenden Sturm zu schützen, daran dachte sie nicht, denn sie hatte es zu eilig. Gedanken wirbelten wild durch ihr Gehirn, sie drehte sich um und sah ihren Vater, der ihr ins Haus zurück gefolgt war und nun in der Tür zu ihrem Zimmer stand, noch immer die Waffe in der Hand.

»Gib mir das Gewehr, Vater.«

Er antwortete nicht, rührte sich auch nicht. Seine Lippen zitterten immer noch, und ein Speichelfaden hing daran.

»Du sollst mir das Gewehr geben, verdammt!«, schrie sie ihn an und trat auf ihn zu.

»Nein«, sagte er jetzt leise und wich einen Schritt zurück.

»Du verdammter alter Narr.« Sie riss ihm die Waffe einfach aus den Händen und überprüfte die Energiebatterie.

»Was hast du vor, Seena?«, fragte der Alte leise und verstört.

»Ich muss Sandy aus den Klauen dieses Unholds befreien, verstehst du das nicht?« Sie klang zornig, wütend.

»Graf Orlov …«, sagte er verhalten. »Er ist kein gewöhnlicher Untoter, kein gewöhnlicher Vampir. Er ist ein Vampir-Dämon, ein Wesen der Hölle. Er ist mächtig, er ist grausam.« Er packte sie plötzlich bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. »Du kannst ihn nicht jagen, er wird dich töten. Du hast keine Chance.«

»Es geht um Sandy; alter Mann, begreifst du das nicht? Sie ist meine Schwester! Und sie ist deine Tochter.«

»Aber das bist du auch«, murmelte er. »Ich habe an diese Bestien bereits deine Mutter verloren, in dieser Nacht deine Schwester. Aber dich — dich will ich nicht auch noch verlieren. Es würde mir das Herz zerreißen. Zwei Töchter in einer einzigen Nacht …«

»Du Narr«, fauchte sie ihn an. »Du hast deine Frau verloren, ja. Meine Mutter! Als sie sie holten, hattest du auch nicht den Mut, etwas zu unternehmen. Du hast es einfach geschehen lassen. Und das willst du auch heute wieder tun? Du bist ein feiger alter Mann.«

»Graf Orlov wird bereits zurück auf seiner Burg sein«, wandte er ein, während ihm Tränen in die Augen stiegen. »Du kannst ihn nicht mehr einholen, es ist vorbei.«

Fast war es ihm, als wolle sie vor ihm ausspucken, doch dann wirbelte sie nur herum und strebte auf die Tür zu.

»Halt!«, rief er, und sie stoppte tat sächlich und wandte sich ihm noch einmal zu.

Er zog ein Kruzifix aus seiner Hosentasche, ein kleines, silbernes Kreuz, und hielt es ihr hin.

»Nimm es«, sagte er. »Es wird dich schützen. Es ist das Zeichen des HERRN, es besitzt Macht, denn das Böse kann es nicht ertragen.«

Ihre Augen funkelten wild, dann stieß sie hervor: »Es wird mich nicht schützen. Dein Gott hat die Menschen nicht beschützt, als diese Bestien die Erde überfielen. Nichts hat er unternommen, gar nichts. Er wird auch mich nicht schützen.«

»Doch«, keuchte er. »Wenn du an ihn glaubst. Hörst du, du musst glauben! Du musst GOTT vertrauen. Er war es nicht, der das Böse in die Welt ließ, es waren die Menschen selbst.«

Sie warf ihm einen abfälligen Blick zu, auch dem Kreuz in seiner Hand, dann wandte sie sich ab und ging.

»Du musst glauben!«, rief der alte Mann hinter ihr her. »Glauben, hörst du?«

Doch sie war schon fort, und zurück blieb der Alte, ergriffen von der Angst, jetzt ganz allein zu sein.

Alles hatte er verloren, diese Nacht würde ihm auch das Letzte nehmen.

Ahnte Seena denn nicht, wie sehr er sie liebte?

Er sank zu Boden, er weinte.

Und er begann zu beten …

3

Der Angriff erfolgte schnell und unerwartet.

Seena Rendall hatte sich auf das kleine Motorrad geschwungen, das zur Farm ihres Vaters gehörte, hatte das Lasergewehr so auf die Lenkstange gelegt, dass sie nach Möglichkeit auch beim Fahren einigermaßen damit schießen konnte, und war in die tiefe Nacht gebraust.

Sie fuhr nicht quer durch den Wald, sie nahm die kleine, schmale Straße, die mehr ein Trampelpfad war, aber immer hin besser als gar nichts, und gab mehr Gas, als bei diesen Verhältnissen eigentlich gut war. Sie wusste ja, wohin Graf Orlov wollte — zu seiner Burg, die auf dem Gipfel eines nahen Berges stand, und deshalb ging auch der Pfad, die erdige Straße, bergauf.

Sie wunderte sich, warum sich Graf Orlov nicht gleich zu einer riesigen Fledermaus verwandelt und sein Opfer auf breiten Schwingen durch die Luft getragen hatte, statt zu Fuß den langen Weg zu beschreiten. Aber wahrscheinlich hatte es der dunkle Graf nicht eilig, es war ihm egal, ob er verfolgt wurde, denn was hatten die Sterblichen einem Vampir-Dämon — einer Kreatur der Hölle — schon entgegenzusetzen?

Seena bezweifelte sogar, ob das Gewehr gegen ihn helfen würde, das gebündelte Laserlicht.

Vielleicht hatte ihr Vater Recht, viel leicht war es dumm und töricht, den Grafen jagen zu wollen, aber sie musste einfach etwas unternehmen. Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Schwester das gleiche Schicksal erlitt wie der einst ihre Mutter.

Die hatte sich ebenfalls Graf Orlov geholt. Auch als Vampir-Dämon unter lag er dem Gesetz der Blutsauger, nicht in ein fremdes Gebäude eindringen zu

können, in dem Menschen lebten, wenn man ihn nicht einließ. Aber er hatte Mutter unter einen Bann geschlagen, und sie hatte ihn ins Haus gebeten.

Wahrscheinlich war es bei Sandy ähnlich gewesen. Dann hatte der Graf sie zur Frau genommen, denn damals war Seenas Mutter noch sehr jung und schön gewesen. Seena selbst war noch ein Kind gewesen, und Sandy gerade erst vier. Die Vampire liebten junge Frauen. Gut mussten sie aussehen und begehrenswert, stärker noch als bei sterblichen Männern war dieses Verlangen nach äußeren Gelüsten, denn im Gegensatz zu den Sterblichen kannten die Dämonischen kein Gefühl, keine wahre Liebe, und so zählte für sie nur das Äußere und die Lust und die Gier.

Damals hatte Seenas Vater es einfach zugelassen, war verzweifelt gewesen und hatte geheult, hatte aber nichts unternommen in seiner Feigheit, und Seena hasste ihn dafür. Das tat sie noch immer, über all die Jahre hinweg.

Seenas Mutter war zur Vampirin geworden, zur Buhle des schwarzen Grafen, seine Geliebte und seine Hure, und Seena, ein junges Mädchen damals noch, hatte stets geschluchzt und geweint, wenn die anderen Jugendlichen, aber auch die älteren, ihr das gesagt hatten, um sie zu quälen und sich an ihr zu rächen für die Untaten, die ihre Mutter als Vampir Gräfin beging.

Dann aber war ein Reverend ins Dorf gekommen, einer jener Priester, die stets auf Wanderschaft waren. Das Dorf Tombstone hatte keinen Priester, niemand verspürte den Ruf dazu und hatte den Mut, diese Aufgabe zu übernehmen und sein Leben zu riskieren, um sich den Teuflischen entgegenzustellen, und so hatte sich der Reverend der Sache angenommen.

Er war ein undurchsichtiger, schweigsamer und harter Mann gewesen, nur dem Glauben verhaftet, und

Seena fragte sich, ob alle Reverends so waren, denn sie hatte bisher nur diesen gesehen. Doch der Reverend hatte wenigstens tröstende Worte für sie gehabt, hatte für einen Moment ihre Qual gelindert und von der göttlichen Bestimmung gesprochen, und Seena hatte an Gott zu glauben begonnen, an seine unermessliche Gnade und an die Erlösung.

Aber dann hatte der Reverend die Vampir Gräfin, ihre Mutter, gefangen, ihr Gesicht war entstellt gewesen, verätzt vom Weihwasser, das er ihr entgegengespritzt hatte, und er hatte sie auf den Dorfplatz gezerrt und sie gepfählt, während alle Dorfbewohner gejohlt und gejubelt hatten und auch Seena mit ihrer kleinen Schwester hatte zugucken müssen.

Ihre Mutter war nicht zu Staub verfallen, das taten nur wirklich alte Vampire, die über Jahrhunderte gelebt hatten und die der Alterungsprozess dann schlagartig einholte. Ihre Mutter hatte wieder ausgesehen wie früher, auch ihr Gesicht war nicht mehr entstellt gewesen, und es hatte ausgesehen, als ob sie schliefe.

Dann aber hatte der Reverend ihre sterbliche Hülle auf einen Scheiterhaufen gelegt und sie verbrannt. Das verzehrende Feuer hatte ihren schönen Körper endgültig zerstört. Es hatte nach verbranntem Fleisch gerochen, und die kleine Sandy hatte geschrien und getobt, und Seena hatte den Reverend gehasst, da konnte er noch so viel von Erlösung sprechen und ihr Trost schenken wollen.

Sie hatte sich auch wieder abgekehrt vom Glauben. Was sie gesehen hatte — sah so die Erlösung aus?

Auch ihr Vater hatte einfach nur zu gesehen, und jetzt erzählte er wieder vom Glauben und von Gott? Sie hasste ihn noch mehr dafür!

Graf Orlov hatte sich an dem Reverend grausam gerächt. Er hatte ihn zu einem Untoten gemacht, zu einer Kreatur des Teufels, die nicht sterben konnte, aber er hatte ihn beerdigt, lebendig begraben, das hatte er in einer Nacht im ganzen Dorf höhnisch herumgebrüllt. Der Reverend würde bis in alle Ewigkeiten in seinem Sarg liegen, nach Blut dürsten, sich aber nicht befreien können und dieses schreckliche Schicksal erleiden, bis die Welt selbst unter ging. Eine grausame, entsetzliche Rache.

Seena fragte sich, ob die Geschichte von damals mit der Entführung von Sandy zusammenhing. Suchte der Blutgraf nun eine neue Frau? Sollte es die Tochter sein, wollte er die Blutlinie weiter fortsetzen oder die an den Rendalls begangene Untat noch verstärken, weil ihr Schmerz noch nicht reichte und sich der Vampir-Dämon daran weiden wollte?

All diese Gedanken gingen ihr während der wilden, gefährlichen Fahrt durch die Nacht und den Sturm durch den Kopf, ungeordnet und wirr, und in zwischen hatte es angefangen zu regnen, was die Straße in eine Schlammpiste verwandelte, die mörderisch war.

Dann erfolgte er Angriff.

Sie schossen aus der Nacht heraus auf sie zu, vier, fünf, nein — sechs Kreaturen. Riesige Fledermäuse mit mächtigen Schwingen. Ihre Augen glühten wie Kohlen im Feuer der Hölle. Kreischend stürzten sie sich auf das Mädchen auf dem Motorrad.

Seena reagierte, und es verwunderte sie selbst, wie schnell sie das tat. Sie hob das Lasergewehr mit nur einer Hand und schoss. Sie schoss mehrmals, mindestens fünf oder sechs Laserblitze durchstießen die pechschwarze Nacht, und zweimal traf sie.

Kreischend stürzten die beiden Kreaturen vom Himmel, und noch während sie fielen, wurden ihre Körper von Flammen eingehüllt, glühten, zuckten— und explodierten in der Luft, zerplatzten wie Gasballons, und die Fetzen ihrer Körper wirbelten umher.

Doch Seena hatte nicht mehr auf ihre rasante Fahrt achten können, während sie schoss. Die Maschine rutschte im Schlamm weg, kam vom Weg ab und prallte mit dem Vorderrad gegen einen umgestürzten Baum. Seena schrie auf, wurde von der Fliehkraft aus dem Sattel gerissen und flog wie eine weggeworfene Puppe durch die Luft.

Alles um sie herum wurde schwarz, und als sie wieder zu sich kam, lag sie im dichten Unterholz. Sie wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Sie wusste auch nicht, ob und wie schwer sie verletzt war, aber sie sah die Maschine neben sich liegen, und sie war völlig zerstört.

Und dann sah sie die Kreaturen, die Vampire, die auf sie zujagten, um ihr die spitzen, messerscharfen Fänge in den schlanken Hals zu schlagen.

Sie spürte, dass sie noch etwas in der Hand hatte, metallisch und kalt war es. Das Lasergewehr, sie hatte es nicht los gelassen, als sie durch die Luft geschleudert worden und im Unterholz aufgeschlagen war. Wie eine Ertrinken de hatte sie sich daran festgeklammert, denn es war das einzige, was sie noch schützen konnte vor dem Tod ― oder vor Schlimmerem.

Sie riss es hoch, sie schoss, und ein Vampir wurde mit aufgesprengtem Brustkorb zur Seite geschleudert, aber da war der vorderste bereits heran, seine Augen schienen Feuer zu versprühen, und sein fauliger Odem raubte Seena den Atem.

Trotzdem, sie feuerte nochmals, aber der Kopf der heranrasenden Bestie war bereits sehr nahe, und als er von dem Laserblitz getroffen wurde und explodierte, spritzte kochendes Blut und Fleisch in Seenas Gesicht. Es war Dämonenblut, es schien ihre Haut in Feuer zu setzen, und sie schrie gellend auf, ließ das Gewehr fallen und drückte die Hände aufs Gesicht.

Ein böser Fehler.

Ein mörderischer Fehler.

Denn eine der verbleibenden Kreaturen war jetzt heran. Seena konnte sie zwischen den Fingern ihrer einen Hand hindurch erblicken, die glühenden Augen, die Fangzähne.

Aus, schoss es ihr durch den Kopf. Aus und vorbei!

4

Und dann …

Dann sah Seena, wie ein gleißender Laserstrahl die Kreatur traf und zur Seite wischte. Kreischend landete sie im Unterholz, zappelte, kämpfte verzweifelt gegen die Flammen an, die ihren Körper verzehrten, schaffte es aber nicht und verbrannte bei lebendigem Leibe. Das Schreien und Kreischen war schier unerträglich.

Seena drehte den Kopf, ließ die Hände von ihrem immer noch schmerzen den Gesicht sinken — und sah ihn!

Er war von hoch gewachsener, breitschultriger Statur und saß auf einem schweren Motorrad, einer Harley Davidson, wie sie noch bis Anfang dieses Jahrhunderts gebaut worden war — bevor die Dämonen kamen.

Sie hatte die Maschine nicht heran fahren hören. Das war wohl geschehen, während sie sekundenlang ohnmächtig gewesen war, doch jetzt war der Motor der Harley erstorben, und ihr Fahrer stieg aus dem Sitz, eine beeindrucken de Gestalt in schwarzem Leder, auf dem der strömende Regen im zuckendem Licht der Blitze glänzte.

Er war ganz in Schwarz gekleidet, er trug einen langen, schwarzen Ledermantel, der bis hinab zu den schweren Motocross Stiefeln fiel, in denen sogar noch Waffen steckten. Die Lederhose, die er trug, war die eines Motorrad Junkies, abgewetzt und dreckig. Ein schwarzes Hemd, staubig, mit einem weißen Kragen, davor hing ein silbernes Kruzifix …

Dieser Mann musste ein Priester sein. Oder vielmehr ein Reverend!

Sein Gesicht war hart und unrasiert, voll tiefem Ernst, seine Augen lagen weit in den Höhlen, und selbst aus der Entfernung hatte sein Blick etwas Stechendes, Bedrohendes, als könne er tief in die Seele seines Gegenübers blicken und alle Sünden dort ablesen wie in einem aufgeschlagenen Buch.

Seine Haare waren blond und militärisch kurz geschnitten. Um seine Schulter hatte er eine Art Waffengurt geschlungen, angespitzte Eichenpflöcke waren darin aneinander gereiht.

Ein Reverend!

Wie er da im strömenden Regen stand, die Waffe in den Händen, beleuchtet von den zuckenden, grellen Blitzen, der lange Ledermantel flatternd im tosenden Sturm, wirkte er wie die Rache Gottes!

Er hatte den Vampir erschossen, war jetzt von seiner Harley gestiegen, doch die verbleibenden zwei Vampire griffen ihn sofort von zwei Seiten an. Sie nahmen ihn in die Zange, und sie waren ungeheuer schnell. Er konnte sich nur zu einer Seite hin verteidigen.

Er überlegte nicht lange, richtete die Mündung des Lasergewehrs auf den Vampir vor ihm und schickte die Kreatur auf dem direkten Weg zur Hölle.

Doch da war der letzte der Vampire heran, direkt im Rücken des Reverends. Doch dieser reagierte mit traumhafter Schnelligkeit, duckte sich, sodass er den Klauen der Höllenkreatur entging und sie ihn nur streiften. Trotzdem stieß ihn die Wucht des Aufpralls zu Boden, und dabei verlor er das Gewehr, das ins Unterholz geschleudert wurde.

Kein Ton drang über die Lippen des Reverends, auch kein Fluch, wie Seena es erwartet hätte. Aber natürlich blieb er aus, denn dieser Mann war ein Streiter Gottes — er fluchte nie.

Der Vampir stoppte seinen Flug abrupt und stürzte sich wieder auf den Reverend. Kreischend stieß er auf den Mann am Boden hernieder, und es sah so aus, als wenn dieser keine Chance mehr hätte.

Doch der Reverend wirbelte im aller letzten Augenblick herum. Er hatte et was in der Hand, eine Art Phiole, und Wasser spritzte daraus hervor, Weihwasser. Der Vampir hielt sofort inne, er kreischte, und Rauch und beißender Qualm stieg aus seinem Gesicht, in dem es nun brodelte und ätzte.

Für Sekunden war der Vampir hilf los, dann wollte er sich in die Luft schwingen, doch das ließ der Reverend nicht zu. Er stürzte sich auf die Bestie, klammerte sich in ihrem borstigen, widerlichen Fell fest und zwang sie mit seinem Gewicht wieder nach unten.

Etwas blitzte in der Hand des Reverends auf. Es war ein Silberdolch, den er aus der Scheide seines rechten Stiefels gezogen hatte, und damit stach er jetzt zu, immer und immer wieder.

Er achtete nicht darauf, dass das schwarze Blut der Bestie sein Gesicht sprenkelte, er stach unaufhörlich zu, bis die Kreatur hilflos um sich schlagend zu Boden sank. Der Reverend kam über ihr zu liegen, zog einen der Eichenpflöcke aus seinem Waffengurt, der quer über seine Brust geschnallt war, und rammte sie der Kreatur in den Leib.

Sie schrie und kreischte, aber der Reverend griff hinter seinen Rücken, holte einen Hammer hervor, einen schweren Holzhammer, und damit trieb er den Pflock weiter in die Brust des Vampirs, bis er das Herz durchbohrt hatte.

Überall war Blut, schwarzes Blut. Dann war die Kreatur tot.

Endgültig tot, denn gestorben war sie schon, als der Vampir-Dämon oder ein anderer Vampir ihn zum Untoten gemacht hatte. Jetzt aber war auch dieses untote Leben aus ihm gewichen.

Der Reverend sank erschöpft neben der toten Kreatur zu Boden, die sich jetzt in einen Menschen zurückverwandelte.

Seena schrie auf.

»Hampton!

Sie kannte den Mann, der zum Vampir geworden war. Vor Jahren, als sie noch ein Teenager gewesen war, hatte er ihr den Hof gemacht. Es war eine erste, unschuldige Liebe gewesen. Dann hatte sie nie wieder von ihm gehört, sie hatte ihn völlig vergessen und wäre nie darauf gekommen, dass er ein Opfer der Höllenschergen geworden war.

Nun aber stiegen die Erinnerungen wieder in ihr hoch, und eine eiskalte Klaue schien ihr Herz zusammenzudrücken.

Der Reverend erhob sich, straffte sich, sammelte seine Waffen ein und stand dann vor dem Gepfählten. Er schrieb ein Kreuzzeichen mit zwei Fingern in die Luft, und Seena erschrak fast, als sie sah, wie er das tat. Er murmelte sogar ein kurzes Gebet, dann wandte er sich ihr zu.

»Du kanntest ihn, meine Tochter?«

Tochter! Wie sie es hasste, dass dieser wildfremde Mann sie so ansprach.

So hatte sie auch der Reverend angesprochen, der ihre Mutter auf dem Gewissen hatte, aber damals war sie noch ein Kind gewesen. Dieser Mann aber mochte Mitte Dreißig sein, und für Seena war dieser Altersunterschied nicht allzu groß, auch ältere Männer waren schon hinter ihr her gewesen und zogen sie mit ihren gierigen Blicken regelmäßig aus, wenn sie mit ihrer Schwester und ihrem Vater ins Dorf ging …

Jetzt erst, da ihr dieser Gedanke kam, fiel ihr auf, dass sie nicht gerade sittsam gekleidet war, und das gegen über diesem wildfremden Mann. Sie trug immer noch das Shirt, das sie nachts zum Schlafen trug, und das war ihr eigentlich viel zu eng. Der Stoff spannte sich über ihren festen, mädchenhaften Brüsten. Der Regen hatte das Shirt durchsichtig werden lassen, und es ließ auch ihren flachen Bauch mit dem Nabel frei. Der Regen glänzte dort auf der Haut.

Sie schämte sich, wollte es nicht zeigen, aber trotzdem verschränkte sie unwillkürlich die Arme vor ihren Brüsten. Es war ihr jetzt auch kalt, sie fröstelte.

Sie sah den Reverend an, diese düstere, hoch gewachsene Gestalt, versuchte etwas in seinem Blick zu erkennen. Doch seine Augen ruhten nicht auf ihren weiblichen Rundungen, wie sie befürchtet hatte und es bei Männern leider als selbstverständlich ansah. Er schien es gar nicht zu registrieren, sondern sah ihr direkt ins Gesicht.

Die Reverends unterwarfen sich wie alle Priester dem strengen Zölibat, das behaupteten sie jedenfalls von sich selbst. Doch es kamen immer wieder Gerüchte auf, die dem widersprachen. Vielleicht auch, weil niemand es sich so recht vorstellen konnte. Anfang des Jahrhunderts hatte man das Zölibat bei Priestern generell aufgehoben, doch dann, nachdem die Dämonen die Welt überfallen hatten, unterwarfen sich die Priester diesem wieder. Je strenger die Sitten waren, so glaubten sie, desto fester wären sie in ihrem Glauben …

Dieser Mann schien jegliches körperliches Empfinden von sich abgelegt zu haben. Er erschien ihr selbst wie ein Dämon, der einem unheimlichen Zwang unterlag, denn sein Blick war stechend wie der einer Höllenkreatur.

Wie sie diesen Blick hasste, der so tief in die Seele ging. Der Reverend, der ihre Mutter getötet hatte, hatte denselben Blick gehabt. Nein, dieser hier war noch strenger, noch unheimlicher.

»Du hast ihn gekannt?«, wiederholte der Reverend jetzt mit rauer Stimme.

»Ja …«, stotterte sie fröstelnd und er hob sich jetzt. Offensichtlich hatte sie sich nichts gebrochen, doch ihr Körper schmerzte. Sie spürte, dass sie sich am Rücken über dem Schulterblatt schwer verletzt haben musste. Als sie sich er hob, streckte ihr der Reverend hilfreich die Hand hin, aber sie nahm sie nicht an und fügte hinzu: »Er war ein Junge aus Tombstone.«

»Tombstone?«

»Ein nahe gelegenes Dorf. Ich wusste nicht, dass er ein Vampir war.« Sie sah den Toten an. »Er war ein ehrlicher, hilfreicher Bursche, hat stets hart gearbeitet. Sie haben ihn umgebracht.«

»Ich habe ihn erlöst. Seine Seele ruht jetzt bei GOTT.« Es klang nicht pathetisch, er sagte es sachlich und kühl.

»Bei Gott …«, schnaubte sie spöttisch. »Und Sie glauben daran. O Mann …«

»Natürlich glaube ich daran«, erwiderte er, aber es lag kein Vorwurf in seiner Stimme. »Du bist verwirrt, meine Tochter. Deshalb sind deine Worte jetzt böse. Du hast gesehen, was das Böse tut, also sprich nicht so. Es ist Sünde, so zu sprechen.«

»Sünde?«, rief sie. »Mann, danke für Ihre Hilfe, aber Ihre guten Ratschläge können Sie sich sparen. Sie sind ein Reverend, nicht wahr?«

»Ja, das bin ich. Ein Mann des HERRN …«

»Gut, Mann des Herrn«, spottete sie. »Ich danke Ihnen, dass Sie diese Kreaturen erledigt haben, wirklich, aber jetzt lassen Sie mich in Ruhe, ich habe zu tun.«

»Was hast du zu tun, meine Tochter?«, wollte er wissen. »Ein Mädchen in deinem Alter, bewaffnet mit einem Lasergewehr hier in der Nacht? Das ist nicht richtig. Du solltest daheim sein, bei Vater und Mutter, und dich nicht der Gefahr aussetzen. Denn das Böse lauert hier, du hast es gesehen. Hätten sie dich ergriffen, wärst auch du zu einer Dienerin der Hölle geworden, und das Fegefeuer ist heiß und grässlich, glaube mir. Nein, ein Mädchen wie du sollte nicht in so einer Nacht draußen sein, denn Kreaturen des Bösen lauern hier, und also ist auch die Sünde an diesem Ort, denn nur, wo die Sünde ist, kann auch das Böse sein. Die Sünde ist die Saat, und das Böse die Ernte …«

Als er da wieder von der Sünde sprach, schlang sie die Arme noch fester um ihre Brüste, aber sie herrschte ihn an: »Ich bin kein kleines Mädchen, Reverend! Wie — wie heißen Sie überhaupt?«

»Ich heiße Pain«, sagte er. »Reverend Pain.«

Pain, dachte sie. Schmerz. Ein toller Name. Schmerzen, die wollte er den Sündern wahrscheinlich bereiten, in dem er ihre Seele dem Fegefeuer über antwortete, wenn er sie verdammte. Das würde zu diesem finsteren Mann jeden falls passen.

Sogleich dachte sie wieder an den Mann, der ihre Mutter gequält und er mordet hatte, diesen anderen Reverend. Er war jetzt zur Hölle gefahren. Sein Schicksal war vielleicht noch schlimmer als das Fegefeuer, von dem die Priesterschaft immer sprach.

»Du wirst mir sagen, was hier geschehen ist, Tochter«, sagte der Reverend jetzt wieder, und es klang wie ein Befehl. Vom Regen, Sturm und zuckenden Blitzen umtobt stand er vor ihr, eine schwarze Gestalt aus einer anderen Welt. Aus einer Welt, die noch finsterer und grausamer sein musste als diese hier. »Du wirst mir sagen, warum die Schergen der Finsternis hier sind. Dann kann ich ihnen entgegentreten, sie aus löschen. Ich werde die Sünde von diesem Ort verbannen und damit das Böse vertreiben.«

Sie erschrak. Sie dachte an ihre Mutter — und an Sandy. Graf Orlov — wenn er Sandy bereits zur Vampirin gemacht hatte, zu seiner Braut, was war dann? Dieser Reverend würde sie ebenfalls ja gen, er würde sie ebenfalls quälen und sie ermorden, da war sie sich sicher.

Der Blick dieses Mannes war eiskalt, er wirkte unberechenbar.

»Gehen Sie zum Teufel!«, rief sie jetzt, doch Angst hatte sie ergriffen. »Die Sache geht Sie nichts an.«

In seinen Augen blitzte es. Es war, als spiegelte sich dort der Zorn seines Gottes wieder.

»Sehr wohl geht mich diese Sache etwas an!« Plötzlich ergriff er ihr Handgelenk. Sein Blick bohrte sich regelrecht in sie. Sein Griff war hart und tat ihr weh. »Und zum Gottseibeiuns werde nicht ich gehen, aber vielleicht ein paar Seelen, wenn ich sie nicht retten kann. Also wirst du reden, und du wirst deine Zunge zügeln, denn was du sagst, er freut weder mich noch den HERRN, den Allmächtigen.«

Wie streng sein Blick war, voller Zorn und Fanatismus. Dieser Mann ging seinen Weg, nur diesen einen Weg, der ihm vorgeschrieben war. Und auf diesem Weg gab es nur Buße und harte Strafe oder Verdammnis und Tod.

Nein, sie durfte ihm nichts von Sandy sagen, das wurde ihr immer klarer. Dieser fanatische Blick in seinen Augen, seine strenge Stimme — er würde Sandy töten.

»Niemand hat Sie gerufen, Reverend! Also ziehen Sie ab.« Sie riss sich los. »Ich komme auch ohne Sie klar.«

Er wies auf ihr Motorrad. »Deine Maschine ist nur noch Schrott. Ich las se nicht zu, dass du in einer Nacht wie dieser, in der das Böse regiert, zu Fuß gehst, wo immer du hin willst. Du kommst mit mir.«

»Das werde ich nicht, Reverend.«

»Du hast keine Wahl. Und ich bin für dich verantwortlich.«

»Wie kommen Sie darauf? Sie bilden sich ganz schön was ein!«

»GOTT hat mir diese Verantwortung gegeben. Ich bin berufen! Und jetzt komm und sag mir, wo dein Zuhause ist.«

Eigentlich hatte er Recht. Sie konnte es nicht allein mit Graf Orlov, dem Vampir-Dämon, aufnehmen. Schon diese Vampire, die ihr hier auflauerten, hätten sie fast erledigt. Und der Vampir-Dämon selbst war noch viel stärker und mächtiger, stärker sogar als eine ganze Heerschar dieser Kreaturen.

Und zu Fuß nach Hause zu gehen, da hatte der Reverend recht, war auch zu gefährlich. Von Kindheitstagen an hatte man es ihr eingebläut, dass man die Nacht, die Finsternis meiden musste. Im Dunkeln lauerten die Schrecken der Hölle, und sie holten einen dann, wohin, davon wagte niemand zu sprechen.

Sie war verzweifelt. Sie hatte Angst. Angst um sich und um ihre geliebte Schwester, der sie so lange die Mutter ersetzt hatte. Doch schützen können hatte sie sie letztendlich nicht.

Aber wenn sie sich diesem unheimlichen Mann anvertraute, wenn sie sich von ihm nach Hause bringen ließ, dann würde ihr Vater ihm von Sandy erzählen. Das hatte er schon einmal getan, bei ihrer Mutter, auch sie hatte er damals verraten. Ihr Vater war ein gläubiger Mann, es gab zwar keinen Priester im Dorf, und so konnte er nicht regelmäßig zur Kirche gehen, doch er hätte es sicher getan, er war immer ein recht frommer und gottesfürchtiger Mann gewesen. Dieser Reverend würde ihn um den Finger wickeln mit seinem Gequatsche von Sünde und Erlösung, und dann würde er Sandy töten.

»Lassen Sie mich in Ruhe, hören Sie?«, schrie sie ihn an, und die Verzweiflung nahm in ihr Überhand, denn die Situation war aussichtslos. Tränen stiegen ihr jetzt in die Augen, liefen ihr durchs Gesicht und vermischen sich mit dem Regen. »Lassen Sie mich in Ruhe, ist das klar?«

Sie wandte sich ab, aber bei der ruckartigen Bewegung spürte sie wie der die Verletzung in ihrem Rücken, und das schlimmer als zuvor. Ein stechender, fast unerträglicher Schmerz tobte durch ihren schlanken Körper.

Sie konnte sich kaum noch auf den Füßen halten. Dann wankte sie und ging in die Knie, weil ihr die Beine einfach wegknickten.

Sie war so erschöpft, der Schmerz und die Verzweiflung überschwemmten sie wie eine Woge, und jetzt brach sich das Entsetzen freie Bahn. Sie weinte, sie heulte, und sie schämte sich nicht einmal dafür.

Plötzlich spürte sie etwas auf ihrer Schulter. Der Reverend hatte seinen Mantel ausgezogen und legte ihr das schwere Leder um. Dann spürte sie seine Hand, die er ihr sanft auf den Kopf legte.

»Tochter, du kannst mir vertrauen«, sagte er nun mit ruhiger Stimme. »Ich bin ein Mann des HERRN, und der HERR ist der göttliche Zorn und die Rache, aber er bringt auch Gnade und Liebe. Du musst mir vertrauen, und du brauchst keine Furcht zu haben, wenn dein Herz rein ist. Und sollte dem nicht so sein, so bin nicht ich es, der dich verurteilen wird, denn nur GOTT, dem HERRN, steht das zu.«

Sie weinte immer noch, dann aber schluchzte sie mit tränenerstickter Stimme: »Helfen Sie mir, Reverend Pain. Bitte, helfen Sie mir …«

Da ging er neben ihr in die Knie und legte seine Arme um sie, um sie an sich zu drücken, und Seena legte ihren Kopf an seine Brust und weinte unaufhörlich …

Sie konnte diesem Mann nicht trau en, und das tat sie auch nicht. Aber trotzdem brauchte sie ihn jetzt.

5

Olga Blair war eine sehr alte Frau. Sie war auch Witwe, und die meisten Jahre ihres langen Lebens hatte sie in Verbitterung und Trauer zugebracht. Sie war die Dorfschullehrerin von Tombstone, und nur das erfreute ihr trauriges Leben ein bisschen, auch wenn ihr die Arbeit mit ihren über sechzig Jahren mittlerweile sehr schwer fiel.

Sie hatte ein kleines Haus mit nur wenigen Zimmern, fast eine Hütte, am Dorfrand, das sie nur noch verließ, um zur Schule oder zum Markt zu gehen. Sie war anerkannt, die Bewohner des Dorfes schätzten sie, doch sie hatte seit Jahrzehnten jeglichen Kontakt zu Freunden und Bekannten abgebrochen.

Damals, seit jener verhängnisvollen Nacht.

Da war sie noch eine junge Frau gewesen, strahlend schön, und sie war mit Jim Blair verheiratet gewesen, einem attraktiven, starken Mann, der sie liebte und vergötterte.

Dann aber kamen die Vampire. Sie konnten nicht ins Haus gelangen, nicht, wenn sie nicht eingeladen wurden, aber des Nachts hatten sie das Haus regelmäßig belagert. Sie hassten die Dorfschullehrerin, die in ihrem Glauben unverrückbar war. Es gab in Tombstone keinen Priester, nie hatte jemand den Mut aufgebracht, dieses Amt zu bekleiden. Olga vielleicht, doch Frauen war dieses Amt verwehrt. Generell, seit es die Priesterschaft wieder gab.

Doch trotzdem sprach Olga Blair das Wort GOTTES, sie gab den Glauben an ihre Schüler und Schülerinnen weiter, stärkte sie in ihrem Glauben und machte aus ihnen gottesfürchtige Menschen. Sie ersetzte damit den Priester, der diesem Ort so schmerzlich fehlte, und die Vampirhorde, allen voran Graf Orlov, hasste sie dafür.

Sie hassten sie so sehr, dass sie ihr nur Schmerzen bereiten wollten, dass sie sie terrorisierten, indem sie ihr Haus belagerten.

Und dann, in dieser verhängnisvollen stürmischen Nacht, hatten sie sich grausam an der damals noch jungen und schönen Olga gerächt.

Einem der Vampire war es gelungen, sie in ihren Bann zu schlagen, und dann hatten sie das Schreckliche, Unglaubliche getan. Ihr Mann, Jim, hatte tief und fest geschlafen, als sie den unheimlichen Ruf vernommen hatte. Sie war bei vollem Bewusstsein gewesen, hatte sich gefürchtet, ihr Herz hatte sich zusammengekrampft, und trotzdem hatte sie dem Ruf nicht widerstehen können, so sehr sie sich auch dagegen gewehrt hatte.

Sie hatte sich von ihrem Lager erhoben, war zur Tür geschritten …

Und sie hatte den Vampiren Einlass gewährt.

Graf Orlov war bei ihnen gewesen. Mit seinem teuflischen, bösartigen Grinsen hatte er sie verhöhnt.

Doch sie hatten sie nicht getötet. Nein, es war viel schlimmer.

Wie in Trance hatte sie zusehen müssen, wie sie Jim ergriffen, ihn bissen, ihm das Blut aus dem Körper saugten, und sie hatte zusehen müssen, hatte sich nicht regen können, hatte keinen Laut von sich geben können, obwohl in ihrem Innersten alles verzweifelt aufgeschrien hatte. Aber sie hatte zusehen müssen, wie sie aus ihrem geliebten Mann einen Untoten machten.

Dann hatten sie sie mit Jim allein gelassen, und Graf Orlov hatte noch zu ihr gesagt: »Du siehst, wohin dich deine Gottesfurcht geführt hat. Deine Schuld ist es, was mit deinem geliebten Mann geschehen ist. Sieh, was du aus ihm gemacht hast, Weib. Es ist deine Schuld, und mit dieser Schuld musst du leben bis in alle Ewigkeit.«

Nein, sie hatten sie nicht zur Vampirin gemacht, denn dann hätte sie den Schmerz nicht ertragen müssen. Vampire kannten keine Skrupel, keine Trau er, keinen seelischen Schmerz, der für Olga schlimmer war als die grausigste Folter. Auch Jesus, der HERR, hatte Schmerzen ertragen, und so erlitt sie körperlichen Schmerz gern, wenn sie damit ihren Glauben verteidigte, denn so hatte es der HERR doch gelehrt.

Aber diesen Schmerz konnte sie einfach nicht ertragen.

Sie hatten Jim bei ihr zurückgelassen, sie hatten ihm auch so viel Blut entzogen, dass er in den ersten Stunden seines Vampirdaseins viel zu schwach war, um sich selbst zu retten.

Es hätte genügt, weniger Blut zu saugen, ihm den Vampirkeim in die Adern zu pflanzen, um ihn zu einem der ihrigen zu machen, doch das war nicht ihre Absicht gewesen.

Er hatte auf dem Bett gelegen, das Laken blutbesudelt, hatte sich nicht rühren können, aber gekeucht, hässlich und böse, und Olga hatte auch die langen Eckzähne in seinem Mund gesehen, die ihm gewachsen waren, und er hatte sie trotz seiner Schwäche mit funkeln den Augen angestarrt, und Blutgier war darin zu lesen gewesen.

Wenn er wieder zu Kräften gekommen wäre, hätte er sie gebissen, denn keine Liebe, keine Gnade war mehr in ihm.

Olga Blair hatte nichts tun können, sie war erstarrt in ihrem Schrecken, hatte einfach nur dagesessen, stunden lang, und auf ihren Mann gesehen, der sie so blutlüstern anstarrte.

Und dann war die Sonne aufgegangen, hatte sich über den Horizont erhoben als blutroter Feuerball, und Jim hatte angefangen zu schreien, dann schrill zu kreischen.

Sie hatte gesehen, wie seine Haut angefangen hatte, Blasen zu werfen, dann war Qualm aufgestiegen, es hatte nach verbranntem Fleisch gerochen, er hatte sich hilflos hin und hergewälzt, dann fing sein Körper Feuer, er verbrannte bei lebendigem Leib, und auch das Bett brannte, schließlich das ganze Haus.

Olga hatte sich zunächst nicht bewegt, wollte auch sich den Flammen überantworten. Welchen Sinn hatte das Leben schon ohne Jim, ein Leben, in dem es nur noch Leere und Trauer und Grauen gab?

Dann aber hatte der Überlebenstrieb in ihr gesiegt. Nein, Orlov sollte nicht triumphieren, sein Sieg sollte nicht absolut sein.

Aber sie schämte sich trotzdem da für. Dass sie davongelaufen war, sich nicht zusammen mit Jim der Gnade GOTTES überlassen hatte, das war es, das sie am schlimmsten peinigte.

Peinigte bis in alle Ewigkeit, so wie Orlov es gesagt hatte …

Sie litt noch immer, sie hatte sich zurückgezogen vom Leben, sie gab an ihre Schülern und Schülerinnen immer noch das Wort GOTTES weiter, aber ihr Leben war einsam geworden, eine Aneinanderreihung aus Tagen des Schmerzes und der Trauer.

Jetzt wohnte sie in diesem Haus, und ihr Leben war Schmerz.

In dieser Nacht herrschte ein Unwetter, als hätten sich die Pforten der Hölle geöffnet. Grelle Blitze zerrissen das Dunkel der Nacht, der Donner grollte, als wolle er die Häuser des Dorfes unter sich zermalmen. Es war eine Nacht wie damals, als Graf Orlov gekommen war.

Es war ihre Schuld, dass Jim gestorben war.

Ihre Schuld.

Ihre Schuld …

Olga lag wach in ihrem Bett. Sie konnte nicht schlafen. Irgendwann, das wusste sie, würden die Vampire auch sie holen, denn sie hatte nicht aufgehört, das Wort GOTTES zu verbreiten. Wenn sie sie töten würden, wäre Olga ihnen sogar dankbar dafür, denn dann hätte der ewig währende Schmerz ein Ende, doch das würden sie nicht tun.

Sie würden sie zu einer der ihren machen, eine alte Frau, gefangen in der Unsterblichkeit ohne Hoffnung auf Erlösung. Wahrscheinlich würde sie in einer Gruft hausen und sich nicht einmal bei Nacht hinaustrauen, denn auch als Vampirin würde ihr Körper alt und schwächlich sein. Sie würde die Ewigkeit verbringen zusammen mit Ratten und Würmern und den Gebeinen von Toten.

Vielleicht hatte sie dieses Schicksal ja verdient. Weil letztendlich Graf Orlov recht damit hatte, dass sie Schuld war an Jims grauenvollem Tod …

Und dann hörte sie plötzlich das Klopfen. Klopfen an ihrer Haustür, erst leise, dann lauter und drängender.

Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie kommen, dachte sie. Jetzt werden sie dich holen.

Sie war erstarrt. Sie konnte sich nicht rühren.

Das Klopfen wurde noch lauter, und jetzt hörte sie eine raue Stimme.

»Aufmachen!«, rief jemand. »Wir brauchen Ihre Hilfe!«

Ihre Hilfe? Würden Vampire je ihre Hilfe verlangen?

Aber es war bestimmt nur ein Trick. Ein Trick, damit sie diese Kreaturen der Hölle wieder ins Haus bat. Wenn sie erst mal vor der Tür stand, würden sie sie in ihren Bann schlagen.

»Machen Sie auf! Wir brauchen Ihre Hilfe.« rief wieder die Männerstimme.

Aber was war, wenn draußen wirklich jemand Hilfe brauchte? Sie durfte einem Bruder diese Hilfe doch nicht verweigern, nicht in so einer Nacht, die vom Bösen beseelt zu sein schien.

Aber die Angst hielt sie in ihren Klauen. Außerdem, wer würde sich in so einer Nacht nach draußen wagen? Alle Bewohner des Dorfes hatten Türen und Fenster verrammelt, wie sie es jede

Nacht taten. Niemand wagte sich in die Finsternis der Nacht, es wäre zwangsläufig sein Verderben.

»Im Namen des HERRN Jesu Christi!«, rief da die Stimme. »Machen Sie auf.«

Und jetzt erschrak sie. Im Namen des HERRN? Jesu Christi? Würde eine der Kreaturen es je wagen, den Namen des HERRN in so einem Tonfall auszusprechen, ohne Spott und Hohn in der Stimme?

Würde dann nicht der Mund der Höllenkreatur bei diesen Worten in Flammen auflodern, ihr die Zunge verfaulen?

Oder waren diese Kreaturen tatsächlich so mächtig?