Der Salz-Irrtum - James DiNicolantonio - E-Book

Der Salz-Irrtum E-Book

James DiNicolantonio

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  • Herausgeber: VAK
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Seit Jahren empfehlen Ärzte und Ernährungsberater, sich möglichst salzarm zu ernähren, da Salz Herzerkrankungen fördere und bereits vorhandene Beschwerden gefährlich verschlimmern könne. Aber was wäre, wenn dieser altbekannte Ratschlag falsch ist? James DiNicolantonio hat mehr als 500 Publikationen zum Thema ausgewertet, um herauszufinden, welche Auswirkungen Salz wirklich auf unseren Blutdruck und unser Herz hat. Seine überraschende Erkenntnis: Salzreiche Ernährung hat für die meisten Menschen keine negativen Folgen. Im Gegenteil – die Aufnahme von mehr Salz ist sogar gesundheitsfördernd. Die Aufnahme von zu wenig Salz sorgt nämlich dafür, dass wir mehr Lust auf Zucker und Kohlenhydrate verspüren und dass der Körper entkräftet wird und in einen Mangelzustand gerät. Zudem kann zu wenig Salz zu Gewichtszunahme, Insulin-Resistenz, Diabetes Typ 2, kardiovaskulären Erkrankungen, chronischen Nierenkrankheiten, erhöhtem Blutdruck und zu erhöhter Herzfrequenz führen. Die individuell richtige Salzversorgung hingegen ist eine essenzielle Grundlage für ein gutes Allgemeinbefinden: Genügend Salz führt zu besserem Schlaf, mehr Energie, höherer mentaler Leistungsfähigkeit und sogar zu einer verbesserten Fruchtbarkeit. Zudem ist der Körper besser vor chronischen Krankheiten und Herzerkrankungen geschützt. Der Autor klärt nicht nur über die Gefahren einer salzarmen Ernährung auf, sondern zeigt in seinem praktischen Ratgeber auch die besten Wege, Salz wieder in die Ernährung zu integrieren. Mit seinem Fünf-Schritte-Programm kann jeder die für ihn individuell passende Salzversorgung ganz einfach selbst herausfinden. Ein praktischer Ratgeber, der wertvolle Aufklärung über die richtige Salzernährung leistet.

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Seitenzahl: 386

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James DiNicolantonio

Der Salz-Irrtum

Warum Salz so wichtig ist und eine salzarme Ernährung krank macht

VAK Verlags GmbH Kirchzarten bei Freiburg

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

The Salt Fix: Why the Experts Got It All Wrong – And How Eating More Might Save Your Life

Copyright © 2017 by James DiNicolantonio

ISBN 978-0-451-49696-6

This translation published by arrangement with Harmony Books, an imprint of the Crown Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt; alle Angaben beziehen sich selbstverständlich auf Angehörige beider Geschlechter.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VAK Verlags GmbH Eschbachstraße 5 79199 Kirchzarten Deutschland www.vakverlag.de

© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2018

Übersetzung: Isolde Seidel

Lektorat: Nadine Britsch

Layout: Karl-Heinz Mundinger

Umschlag: X-Design, München

Umschlagabbildungen: beide Shutterstock,Hintergrund © photocell, Löffel © mything

Satz & Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Printed in Germany

ISBN: 978-3-86731-210-3 (Paperback)

ISBN: 978-3-95484-438-8 (ePub)

ISBN: 978-3-95484-439-5 (PDF)

Für meine wunderbare Frau Meganund meine großartigen Kinder Alexander und Emmalyn

Hinweise des Verlags

Inhalt

Einleitung: Kein Stress mit dem Salzstreuer!

Kapitel 1: Aber Salz verursacht doch Bluthochdruck?

Kapitel 2: Wir sind Salzmenschen

Kapitel 3: Der Krieg gegen Salz – warum wir uns den falschen Feind ausgesucht haben

Kapitel 4: Was ist die wahre Ursache von Herzerkrankungen?

Kapitel 5: Wir verhungern innerlich

Kapitel 6: Die Rehabilitation eines Kristalls: Zuckersucht überwinden durch Salzverzehr

Kapitel 7: Wie viel Salz braucht der Mensch?

Kapitel 8: Das Ende des Salz-Irrtums: Geben Sie Ihrem Körper, was er wirklich braucht

Ein Wort zum Schluss: Greifen Sie zum richtigen weißen Kristall

Anhang

Quellenverzeichnis

Danksagungen

Über den Autor

EINLEITUNG

Kein Stress mit dem Salzstreuer!

Denken Sie über die berühmte Zeile der dänischen Schriftstellerin Tania Blixen nach: „Salzwasser heilt alles: Schweiß, Tränen oder das Meer.“ In dieser Aussage steckt eine poetische Wahrheit, doch sie bestätigt auch unsere biologische Wirklichkeit als Mensch. Unsere körperliche Innenwelt wurde aus dem Meer geboren und wir tragen den Salzgehalt des Meeres in uns. Salz ist ein entscheidender Nährstoff, den unser Körper zum Leben unbedingt braucht. Sein ausgewogenes Gleichgewicht strebt unser Körper immer wieder an.

Doch im Laufe des letzten Jahrhunderts hat sich unsere Kultur diesem Drang des Körpers widersetzt, hat das Verlangen nach Salz als selbstzerstörerische „Sucht“ verunglimpft. Wir kennen alle Richtlinien. Wir wissen, wir sollen uns fettarm ernähren, Nein sagen zu Zigaretten, wie sollen joggen und lernen, uns zu entspannen – und Salz drastisch einschränken. Diese Liste mit Ermahnungen enthält sicher viel Richtiges. Doch ein Punkt daran ist sehr problematisch: Die meisten von uns brauchen sich in Wirklichkeit gar nicht salzarm zu ernähren. Vielmehr wäre bei den meisten von uns mehr Salz für die Gesundheit besser, nicht weniger.

Unterdessen hat das weiße Kristall, das wir all die Jahre verteufelt haben, den Kopf für ein anderes hingehalten, eines, das so süß ist, dass wir uns sträuben, an seine Nicht-Harmlosigkeit zu glauben. Ein weißes Kristall, das, im Übermaß verzehrt, zu Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronischer Nierenerkrankung führen kann: nicht Salz, sondern Zucker.

Glücklicherweise begreift die etablierte Presse allmählich, dass Zucker ein Wolf im Schafspelz ist; und zuckerarme Ernährung wird jeden Tag populärer. Sogar Fett sieht man mittlerweile mit neuen Augen, denn jetzt werden wir dazu angehalten, die nützlichen Fette in fettem Fisch, Avocados und Oliven aufzuspüren.

Warum also sehen wir immer noch Etiketten auf salzigen Lebensmitteln, die den Salzstreuer regelrecht giftig wirken lassen? Warum lesen wir nach wie vor Angst machende Überschriften über Salz in etablierten und angesehenen Medien, wie diese?

Übermäßiger Salzverzehr tötet Millionen Menschen Forbes, 24. März 2014

1,6 Millionen Herztote jährlich durch zu hohen Salzkonsum Healthline News, 14. August 2014

US-Teenager essen zu viel Salz und riskieren so Fettsucht! HealthDay, 3. Februar 2014

Zum Wohle Ihres Herzens – halten Sie sich beim Salz zurück! Harvard Health Blog, 11. Juli 2016

Wahr ist, unsere ehrwürdigsten Gesundheitsinstitutionen halten an überholten und widerlegten Theorien zu Salz fest – und ihr Widerstand gegen die Wahrheit gefährdet die Volksgesundheit. Bis mit dem Dogma eines geringen Salzkonsums erfolgreich gebrochen ist, bleiben wir in dieser Endlosschleife stecken, in der unser Körper weiterhin zu wenig Salz bekommt, zuckersüchtig ist und ihm letztlich zahlreiche wichtige Nährstoffe fehlen. Viele von uns werden weiter von unstillbarem Hunger geplagt und müssen mit dickem Bauch herumlaufen, obwohl sie sich an die Empfehlungen halten.

Wenn Sie sich gewissenhaft um Ihre Gesundheit kümmern, bemühen Sie sich vielleicht bereits, die Richtlinien für einen niedrigen Salzkonsum einzuhalten; Sie ziehen die Grenze bei 2 300 mg Natrium pro Tag (praktisch 1 Teelöffel Salz) – oder sogar bei 1 500 mg (2/3 Teelöffel Salz), falls Sie älter sind, Afroamerikaner sind oder hohen Blutdruck haben. Ja, der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) zufolge achten derzeit mehr als 50 Prozent der US-Amerikaner auf ihre Natriumzufuhr oder verringern sie; und fast 25 Prozent hören von ihrem Arzt, sie sollten ihre Natriumaufnahme reduzieren.1

Falls Sie zu dieser Gruppe gehören, dann haben Sie vielleicht die weniger schmackhaften „salzarmen“ Varianten Ihrer Lieblingsnahrungsmittel gekauft. Vielleicht durchzuckt Sie ein Schuldgefühl, wenn Sie im Kino von Ihrem Partner eine Handvoll Popcorn stibitzen. Vielleicht haben Sie die Oliven aus Ihrem Salat gefischt und in jedem Rezept die Aufforderung ignoriert, „nach Belieben mit Salz abschmecken“. Möglicherweise ist es schon Jahre her, seit Sie das letzte Mal eine warme Salzbrezel gegessen haben oder eine Schüssel mit einer scharf-würzigen Tomatensoße, voll mit pikanten Kapern, aus Angst vor diesem bösen Gramm Natrium.

Vielleicht fällt es Ihnen auch schwer, sich einzuschränken und dabei wissen Sie nicht, dass Ihr Verlangen nach Salz biologisch völlig normal ist, ähnlich wie wir Durst auf Wasser haben. Wenn Menschen die Natriumaufnahme völlig freigestellt ist, dann pendelt sich diese in allen Bevölkerungen gewöhnlich bei 3 000 bis 4 000 mg Natrium pro Tag ein, das haben Wissenschaftler festgestellt. Diese Menge gilt gleichermaßen auf beiden Hemisphären, in allen Klimazonen, allen Kulturen und Gesellschaftsschichten. Bei freiem Zugang zu Salz fühlen sich alle Menschen in ihrem Salzkonsum zu der gleichen Menge hingezogen; und wie wir wissen, stellt diese Menge bei der Natriumaufnahme den Schwankungsbereich für optimale Gesundheit dar.

Ihr Körper spricht mit Ihnen, und jetzt ist es an der Zeit, ihm zuzuhören. Die gute Nachricht lautet, Sie brauchen Ihren Salzkonsum wahrscheinlich gar nicht zu reduzieren. In Wirklichkeit brauchen Sie vielleicht sogar mehr Salz. Statt Ihr Verlangen nach Salz zu ignorieren, sollten Sie ihm nachgeben – es führt Sie zu besserer Gesundheit.

Auf diesen Seiten werde ich den Sachverhalt richtigstellen und Alltagsmythen über die angeblich negativen Auswirkungen von Salz auf den Kopf stellen. Ich werde die Geschichte erzählen, wie sich die Menschen aus dem salzigen Meerwasser entwickelt haben, wie unsere Biologie unsere Vorliebe für Salz prägt – und wie diese Vorliebe uns tatsächlich unfehlbar leitet. Ich erzähle die Geschichte der Salz-Kriege des letzten Jahrhunderts – die wechselnden Ernährungsrichtlinien, die uns so weit vom rechten Weg abgebracht haben. Ich werde erklären, inwiefern die Anforderungen des modernen Lebens unser physiologisches Grundbedürfnis nach Salz erhöhen und inwiefern wir tatsächlich stärker für einen Salzmangel gefährdet sind als je zuvor. (Zwei Drittel der Weltbevölkerung kämpfen mittlerweile mit drei oder mehr chronischen Gesundheitsproblemen, von denen viele das Risiko eines Salzmangels im Körper erhöhen.) Ich werde darüber sprechen, wie viele der häufig verschriebenen Medikamente, der lieb gewonnenen koffeinhaltigen Getränke und stark beworbenen Ernährungsstrategien in Wirklichkeit einen Salzmangel begünstigen. Ich werde untersuchen, wie viele negative Auswirkungen auf die Gesundheit dem Salz angelastet werden, die in Wirklichkeit übermäßigem Zuckerkonsum zuzuschreiben sind – und wie sich mit dem Verzehr von mehr Salz der Kreislauf der Zuckersucht durchbrechen lässt.

Außerdem nehme ich auch Empfehlungen mit auf, wie Sie mit Salz Ihre sportliche Leistungsfähigkeit verbessern, den Muskelaufbau steigern und eine Unterversorgung mit lebensnotwendigem Jod vermeiden können. Ich spreche konkrete Empfehlungen aus, wie Sie systematisch mehr von den richtigen Salzarten zu sich nehmen können, und zwar in den Mengen, die Ihr Körper braucht (weil manche Menschen mehr Salz brauchen als andere). Sie erfahren, wie der Verzehr des Salzes, das sich Ihr Körper wünscht, alles verbessern kann: von Ihrem Schlaf, über Ihr Energieniveau und Ihre Konzentrationsfähigkeit, bis hin zu Ihrer Fruchtbarkeit und sogar Ihrer sexuellen Leistungsfähigkeit. Abschließend werde ich auf verschiedene Medikamente, Krankheitsstadien und selbst gewählte Lebensstile eingehen, die zu einem Salzverlust führen, damit Sie besser einschätzen können, ob Sie von einem Salzmangel betroffen sind.

Neben diesen Forschungsergebnissen berichte ich Ihnen auch von Menschen, die an chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzschwäche, Übergewicht oder Nierenerkrankungen leiden. Sie finden hier aber auch Geschichten von ehrgeizigen Spitzensportlern, die auf einen Vorteil im Wettkampf hoffen. Sie erfahren, wie der Verzehr der richtigen Salzarten – oder wenn Sie einfach dem Verlangen nach Salz nachgeben – diesen Menschen geholfen hat, sich gesünder zu fühlen, mehr Energie zu haben, ihre sportliche Leistung zu verbessern, lang bestehende chronische Erkrankungen aufzulösen und sogar abzunehmen. Ich erzähle von Menschen wie AJ, einem jungen Mann Anfang 30 mit Bluthochdruck, dem man geraten hatte, seinen Salzkonsum zu reduzieren – doch sein Blutdruck blieb unverändert, sein Energieniveau sank drastisch und er litt immer wieder unter scheußlichen Kopfschmerzen. Erst als AJ wieder – nach Belieben – Salz und gleichzeitig weniger Kohlenhydrate zu sich nahm, hörten seine Kopfschmerzen auf. Er nahm fast 30 Kilo ab und sein Blutdruck sank um 80 Punkte. (Seine vollständige Geschichte lesen Sie im Kasten.) Und im letzten Kapitel dieses Buches füge ich all diese Lektionen zusammen und lege in fünf einfachen Schritten dar, wie Sie sich Ihren Salzinstinkt zunutze machen können, mehr von den gesündesten Salzarten bekommen und Jahre eines Salzungleichgewichts in Ihrem Körper umkehren können.

Wenn Sie die Geschichte der wahren Kraft des Salzes hören, sind Sie vielleicht genauso verblüfft wie ich über den anhaltenden Widerstand gegen eindeutige Forschungsergebnisse. Ich werde die Kräfte untersuchen hinter dieser sturen Weigerung, die Wahrheit anzuerkennen. Und ich werde belegen, dass die Zeit gekommen ist, um mit diesem überholten Dogma aufzuräumen. Wir müssen erkennen, dass die Wissenschaft sich weiterentwickelt hat und das müssen auch unsere Ernährungsrichtlinien tun. Im Namen unseres Herzens, unserer Gesundheit und unserer Zufriedenheit müssen wir dafür sorgen, dass Salz wieder seinen rechtmäßigen und zentralen Platz auf unserem Esstisch einnimmt. Einfach ausgedrückt: Unser Leben und unser Glück hängen davon ab.

Mehr Salz – weniger Gewicht

Als mein Freund und Arzt Jose Carlos Souto seinen Patienten AJ zum ersten Mal behandelte, war dieser fettleibig und hatte Bluthochdruck (220/170 mmHg), außerdem litt er häufig unter Kopfschmerzen. Den üblichen Empfehlungen folgend, hatte AJ versucht, seinen Salzkonsum zu reduzieren, in dem Glauben, das würde seine Gesundheit verbessern. Doch schon wenig später war er nur noch müde und hatte immer wieder unerklärlichen Schüttelfrost; sein Blutdruck blieb hoch. Dr. Souto entschied, es mit einer anderen Herangehensweise zu versuchen. Er riet ihm, sich kohlenhydratarm zu ernähren und so viel Salz zu sich zu nehmen, wie sein Körper verlangte. Praktisch sofort kam die Energie zurück und der Schüttelfrost verschwand. Seine Kopfschmerzen besserten sich drastisch. Der Blutdruck blieb zwar noch eine Zeit lang erhöht, doch als er Gewicht abnahm, sank gleichzeitig sein Blutdruck. Ein Jahr später hatte er fast 30 Kilo abgenommen – und siehe da, sein Blutdruck hatte sich ohne Medikamente bei 140/90 mmHg stabilisiert.

KAPITEL 1

Aber Salz verursacht doch Bluthochdruck?

Seit mehr als 40 Jahren pochen unsere Ärzte, die Regierung und führende Gesundheitsverbände darauf, dass der Verzehr von Salz den Blutdruck erhöhe und somit chronischen Bluthochdruck verursache.

In Wirklichkeit hat es niemals irgendeinen stichhaltigen wissenschaftlichen Nachweis gegeben, der diese Vorstellung stützt. Bereits 1977, als in den von der Regierung herausgegebenen Ernährungszielen für die USA empfohlen wurde, die Amerikaner sollten ihren Salzkonsum einschränken, räumte der Surgeon General, also der Leiter der amerikanischen Gesundheitsbehörde, in einem Bericht ein, es gebe keinen Beleg dafür, dass eine salzarme Ernährung einen häufig mit fortschreitendem Alter auftretenden Blutdruckanstieg verhindere.1 Die erste systematische Überprüfung und Metaanalyse, wie sich eine Natriumeinschränkung auf den Blutdruck auswirkt, erschien erst 1991; und diese stützte sich fast vollständig auf unzureichende, nicht-randomisierte wissenschaftliche Daten – doch damals wurden die Amerikaner schon fast 15 Jahre lang angehalten, ihren Salzkonsum zu verringern. Zu dem Zeitpunkt waren diese weißen Kristalle in den Köpfen der Menschen bereits als Hauptursache für Bluthochdruck verankert – und an der Botschaft hat sich bis heute nichts geändert.

Der Rat ging hauptsächlich auf die einfachste aller wissenschaftlichen Erklärungen zurück: die „Salz-Blutdruck-Hypothese“. Dieser Hypothese zufolge führt ein höherer Salzkonsum zu höheren Blutdruckwerten – Ende der Geschichte. Doch das war natürlich nur die halbe Wahrheit. Wie bei so vielen alten Theorien in der Medizin ist die wahre Geschichte ein wenig komplexer.

Die Hypothese lautete folgendermaßen: Wir messen den Blutdruck im Körper auf zweierlei Arten. Die erste Zahl des klassischen Blutdrucks ist der systolische Wert, der Druck in den Arterien während der Kontraktion des Herzens. Die zweite Zahl ist der diastolische Wert, der Druck in den Arterien, wenn sich das Herz wieder entspannt. Wenn wir Salz essen, so die Theorie, bekommen wir auch Durst, deshalb trinken wir mehr Wasser. Nach der Salz-Blutdruck-Hypothese führt dieses übermäßige Salz dann dazu, dass der Körper das zusätzlich aufgenommene Wasser zurückhält, um die Salzkonzentration im Blut zu verdünnen. Das daraus resultierende höhere Blutvolumen führt dann automatisch zu höherem Blutdruck.

So jedenfalls lautet die Theorie. Klingt durchaus logisch – oder etwa nicht?

Das alles ergab – in der Theorie – durchaus Sinn, und eine Zeit lang gab es Anhaltspunkte, die diese Behauptung stützten. In verschiedenen Bevölkerungsgruppen wurden Daten zu Salzkonsum und Blutdruck gesammelt, und dabei wurden in einigen Fällen Korrelationen festgestellt. Doch selbst falls diese Korrelationen durchgängig wären, ist eine Korrelation – also ein Zusammenhang –, wie wir alle wissen, nicht gleichbedeutend mit Kausalität, dem Prinzip von Ursache und Wirkung. Nur weil etwas (Salz) manchmal zu etwas anderem (Bluthochdruck) führen kann, was zufällig mit etwas weiterem (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) korreliert, belegt das nicht zwingend, dass das Erste das Dritte auch verursacht.

Gewiss, neben Daten, die die Salz-Blutdruck-Theorie stützten, wurden kontinuierlich auch Daten veröffentlicht, die zu ihr im Widerspruch standen. Die Wissenschaftsgemeinde debattierte hitzig darüber, ob Salz chronisch erhöhten Blutdruck (Bluthochdruck) hervorrief oder nur zu einem flüchtigen, unbedeutenden Anstieg des Blutdrucks führte, und in beiden Lagern gab es Befürworter und Skeptiker. Tatsächlich hat Salz im Vergleich zu allen anderen Nährstoffen, sogar Cholesterin oder gesättigte Fette, die größte Kontroverse ausgelöst. Und sobald wir auf diesen Salz-Bluthochdruck-Zug aufgesprungen waren, kamen wir nur schwer wieder herunter. Regierungen und Gesundheitsbehörden hatten Stellung bezogen zu Salz, und durch ein Eingeständnis ihres Irrtums würden sie ihr Gesicht verlieren. Sie hielten an ihrem immer gleichen Mantra einer salzarmen Ernährung fest und weigerten sich, ihr vorschnelles Urteil über Salz zu revidieren, bis sie erdrückende Gegenbeweise auf den Tisch bekamen. Niemand war bereit, aus dem Zug auszusteigen, bis es den endgültigen Nachweis gab, dass die eigenen Vermutungen falsch waren – statt zu fragen: „Hatten wir überhaupt jemals einen wissenschaftlichen Beleg, eine Natriumeinschränkung zu empfehlen?“

Wir glaubten so fest an den Segen einer verringerten Natriumzufuhr, weil wir so fest an den Blutdruck als Gradmesser für die Gesundheit glaubten. Die Verfechter einer salzarmen Ernährung postulieren, dass bereits eine Senkung des Blutdrucks um einen Punkt (übertragen auf Millionen von Menschen) tatsächlich einer Reduzierung von Schlaganfällen und Herzinfarkten gleichkommen würde. Doch in der medizinischen Literatur gibt es Hinweise, wonach etwa 80 Prozent der Menschen mit normalem Blutdruck (niedriger als 120/80 mmHg) überhaupt nicht empfindlich auf die blutdrucksteigernde Wirkung von Salz reagieren. Von den Personen mit Prähypertonie (einem Vorläufer von Bluthochdruck) sind ungefähr 75 Prozent nicht salzsensitiv, also salzempfindlich. Und selbst von Personen mit ausgeprägtem Bluthochdruck sind rund 55 Prozent völlig immun gegen die Auswirkungen von Salz auf den Blutdruck.2

Ja, sogar die Blutdruckwerte der Hälfte der Menschen mit dem höchsten Blutdruck werden von Salz überhaupt nicht beeinflusst.

Die strengen Richtlinien für eine salzarme Ernährung basierten auf einer Vermutung: Im Grunde genommen spekulierten wir, dass der geringe Nutzen für den Blutdruck, den wir bei einigen Patienten feststellten, sich zu einem großen Nutzen für die ganze Bevölkerung ausweiten würde. Und bei unserer Spekulation kehrten wir den wichtigsten Punkt unter den Teppich: Warum Salz bei manchen Menschen den Blutdruck erhöhen kann, bei anderen hingegen nicht. Hätten wir uns auf diesen Punkt konzentriert, dann hätten wir erkannt, dass die Behandlung des zugrunde liegenden Problems – das mit einem zu hohen Salzkonsum nichts zu tun hat – die „Salzsensitivität“ völlig korrigiert. Auch gingen wir davon aus, Salz wirke sich immer auf den Blutdruck aus, einen flüchtigen Wert, der sich bekanntlich abhängig von zahlreichen Gesundheitsfaktoren ständig ändert. Und wegen dieser ungesicherten Gewissheit folgerten wir, ein übermäßiger Salzkonsum würde logischerweise zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen wie Schlaganfällen und Herzinfarkten führen.

Unser Fehler kam daher, dass wir eine so kleine Personengruppe – skrupellos klein! – beobachteten und deren Nutzen einer salzarmen Ernährung hemmungslos hochrechneten, ohne jemals die Risiken zu erwähnen. Stattdessen konzentrierten wir uns auf die minimalen Blutdrucksenkungen und ließen dabei zahlreiche andere Gesundheitsrisiken völlig außer Acht, die eine niedrige Salzaufnahme mit sich bringt – darunter mehrere Nebenwirkungen, die das Risiko einer Herzerkrankung in Wirklichkeit erhöhen –, etwa erhöhte Herzfrequenz, eingeschränkte Nierenfunktion und Nebenniereninsuffizienz, Schilddrüsenunterfunktion, höhere Werte bei den Triglyceriden, beim Cholesterin und Insulin und letztlich Insulinresistenz, Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes.

Die Herzfrequenz veranschaulicht diese halsstarrige Missachtung des Risikos am besten. Die Herzfrequenz steigt bei einer salzarmen Ernährung nachweislich. Diese schädliche Wirkung tritt bei fast allen Menschen auf, die ihre Salzzufuhr einschränken. Obwohl diese Wirkung in der medizinischen Literatur recht gründlich dokumentiert ist, heißt es in keiner Lebensmittelwerbung oder Ernährungsrichtlinie: „Eine salzarme Ernährung kann Ihr Risiko für eine erhöhte Herzfrequenz steigern.“ Und was wirkt sich stärker auf die Gesundheit aus: eine Senkung des Blutdrucks um einen Punkt oder eine Erhöhung der Herzfrequenz um vier Schläge pro Minute? (In Kapitel 4 gehe ich genauer darauf ein, was diese Kennwerte bedeuten, und dann lasse ich Sie entscheiden.)

Wenn unser Körper uns jedes dieser Risiken isolieren ließe, könnten wir mit Bestimmtheit sagen, dass das eine oder das andere am wichtigsten ist. Doch wenn Sie alle bekannten Gefahren einer Salzeinschränkung verbinden, lässt sich leicht erkennen, dass die Nachteile schwerer wiegen als alle möglichen Vorteile. Anders ausgedrückt, wir konzentrieren uns auf nur einen einzigen Kennwert, der sich mit einer salzarmen Ernährung ändern könnte – auf den Blutdruck –, ignorieren dabei aber alle anderen schädlichen Auswirkungen völlig.

Da wir unsere Torheit jetzt erkennen, sind wir an einen Punkt für die Volksgesundheit gekommen, an dem wir uns fragen müssen: Setzen wir Generationen von Menschen, besonders solche, deren Gesundheit bereits beeinträchtigt war, einer „Behandlung“ aus, die ihre Gesundheit deutlich verschlechtern könnte?

Diese Frage wird immer drängender, weil die Hektik der modernen Welt von unserem Körper einen mehrfachen Tribut fordert. Zusätzlich zu dem Salz, das wir durch eine kohlenhydratarme, ketogene oder Paleo-Ernährung verlieren, nehmen wir auch Medikamente, die einen Salzverlust hervorrufen. Unser Darm wird stärker geschädigt (etwa durch Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, das Reizdarmsyndrom [RDS] und das Leaky-Gut-Syndrom), was die Salzresorption herabsetzt, und wir schädigen unsere Nieren in höherem Maße, indem wir mehr raffinierte Kohlenhydrate und Zucker verzehren (wodurch die Nieren weniger Salz zurückhalten können).

Die neuere Forschung liefert sogar Hinweise darauf, dass ein chronischer Salzmangel ein Faktor sein kann bei der „internal starvation“, dem innerlichen Verhungern, wie Endokrinologen diesen Zustand nennen. Wenn Sie Ihren Salzkonsum einschränken, gerät der Körper in Panik. Dagegen wehrt er sich unter anderem dadurch, dass er den Insulinspiegel erhöht, denn Insulin hilft den Nieren, mehr Natrium zurückzuhalten. Bedauerlicherweise „sperrt“ ein hoher Insulinspiegel die Energie auch in unseren Fettzellen „ein“, sodass Sie das gespeicherte Fett für die Energiegewinnung nur schwer in Fettsäuren und das gespeicherte Eiweiß nur schwer in Aminosäuren aufspalten können. Bei einem erhöhten Insulinspiegel können Sie als einzigen Makronährstoff Kohlenhydrate wirksam für die Energiegewinnung nutzen.3

Sehen Sie, worauf das hinausläuft?

Sie entwickeln einen extremen Heißhunger auf Zucker und raffinierte Kohlenhydrate, weil Ihr Körper Kohlenhydrate für die einzige brauchbare Energiequelle hält. Und, so geht die mittlerweile bekannte Geschichte weiter, je mehr raffinierte Kohlenhydrate Sie essen, desto stärker nimmt tendenziell Ihr Heißhunger darauf zu. Dieses übermäßige Essen verarbeiteter Kohlenhydrate und zuckerreicher Nahrungsmittel garantiert quasi eine Anhäufung von Fettzellen, Gewichtszunahme, Insulinresistenz und letztlich Typ-2-Diabetes.

Klar ist, wir haben uns die ganze Zeit auf das falsche weiße Kristall konzentriert. Wir haben Natrium verteufelt, bevor wir einen Beweis dafür hatten. Und den Preis dafür zahlen wir mit unserer Gesundheit. Hätten wir das Salz auf dem Tisch gelassen, wären unsere Gesundheitsprobleme allgemein – und besonders die rund um Zucker – vielleicht etwas weniger dramatisch.

Es ist an der Zeit, den Sachverhalt richtigzustellen. Es ist an der Zeit, das Schuldgefühl loszulassen, zum Salzstreuer zu greifen und Salz wieder zu genießen!

Zeit für die Wahrheit

Ich war immer schon sportlich, zu Highschool-Zeiten machte ich Geländelauf und war Ringer, deshalb weiß ich viel darüber, wie sich die Ernährung (oder eben ihr Mangel) auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Dank all dieser Nachmittage beim Geländelauf und all der ausgiebigen Saunabesuche als Ringer, weil ich abnehmen wollte, weiß ich die Bedeutung des Salzes für Sportler zu würdigen.

Nach der Highschool studierte ich in Buffalo Pharmazie und schloss mein Studium mit einer Promotion in diesem Fach ab, danach arbeitete ich dort als Apotheker. Ich interessierte mich noch stärker für Salz, als ich mitbekam, dass eine meiner Kundinnen über Abgeschlagenheit, Benommenheit und Lethargie klagte. Als ich das mit ihr ausklamüserte, fiel mir ein, dass sie ein Medikament einnahm (das Antidepressivum Sertralin), das das Risiko eines niedrigen Natriumspiegels im Blut erhöhen kann. Als ich die Anweisungen ihres Arztes, ihren Salzkonsum zu reduzieren, mit der zusätzlichen Verschreibung eines Diuretikums in Verbindung brachte, vermutete ich sofort, dass sie wegen der Salzarmut dehydriert und ihr Natriumspiegel im Blut niedrig war. Ich schlug vor, sie solle vielleicht wieder mehr Salz essen, riet ihr aber, zuerst ihren Natriumspiegel im Blut messen zu lassen, um meinen Verdacht zu bestätigen.

Tatsächlich war ihr Natriumwert extrem niedrig. Ihr Arzt halbierte die Dosis des Diuretikums und forderte sie auf, mehr Salz zu essen. Nicht lange darauf verschwanden alle Symptome. In der Woche darauf kam sie in die Apotheke, um mir mitzuteilen, ich hätte Recht gehabt und enorm zur Verbesserung ihrer Lebensqualität beigetragen – das ist so ziemlich das Beste, was man jemandem sagen kann, der im Gesundheitsbereich arbeitet. Ich war außerordentlich erleichtert und ermutigt, dass die Lösung für ihre Symptome so einfach, so preiswert und so unmittelbar wirksam war.

Diese Erfahrung brachte mich dazu, mir die Richtlinien einer salzarmen Ernährung gründlicher anzusehen. Je intensiver ich mich damit beschäftigte, desto deutlicher erkannte ich: Vielleicht war der Rat, den wir den Menschen gegeben hatten, nämlich ihren Salzkonsum zu reduzieren, gar nicht richtig. Etwa zur gleichen Zeit, im Jahr 2013, trat ich eine Stelle als Wissenschaftler in der Herz-Kreislauf-Forschung am Saint Luke’s Mid America Heart Institute an. Während meiner Tätigkeit dort veröffentlichte ich fast zweihundert medizinische Artikel in der wissenschaftlichen Literatur; in vielen davon ging es um die Auswirkungen von Salz und Zucker auf die Gesundheit. Auf der Grundlage dieser akademischen Veröffentlichungen wurde mir im selben Jahr eine Stelle als Mitherausgeber des BMJ Open Heart angeboten, einer offiziellen Fachzeitschrift der British Cardiovascular Society.

Insgesamt untersuche ich bereits fast zehn Jahre lang die Forschung zu Salz und arbeite mit Klinikern daran, die Komplexität unserer Salzaufnahme zu entwirren und zum Kern des Themas vorzudringen. Sollten wir mit diesen überholten Einschränkungen aufräumen? Wer braucht wirklich weniger Salz – und wer braucht mehr? Wie viel Salz und welche Salzarten sind optimal? Und vielleicht am faszinierendsten: Wie kann uns ein höherer Salzkonsum tatsächlich helfen, die Welle der Fettleibigkeit umzukehren und die zunehmende Epidemie von Typ-2-Diabetes einzudämmen, die unser Land und die ganze Welt zu überwältigen droht?

Wir können damit beginnen, die Wahrheit zu sagen:

Wenig Salz ist ein Elend.

Wenig Salz ist gefährlich.

Unser Körper hat sich so entwickelt, dass er Salz braucht.

Die Richtlinien einer salzarmen Ernährung beruhen auf ererbter „Weisheit“, nicht auf wissenschaftlichen Fakten.

Der wahre Übeltäter ist Zucker, die ganze Zeit schon.

Und schlussendlich: Salz könnte eine der Lösungen sein für die chronischen Krankheitskrisen unseres Landes – statt eine ihrer Ursachen.

Ihr Körper drängt Sie dazu, täglich mehrere Gramm Salz zu essen (ungefähr 8 bis 10 g, was 3 000 bis 4 000 mg Natrium entspricht), um die Homöostase aufrechtzuerhalten, also den optimalen Zustand, in dem Sie den Körper am wenigsten belasten. Aber Sie könnten buchstäblich den Rest Ihres Lebens leben – und wahrscheinlich würden Sie auch viel länger leben –, wenn Sie niemals ein weiteres Gramm zugesetzten Zucker essen würden.

Mir ist klar, dass es eine Weile dauert, um die jahrelange Indoktrination zu den Übeln von Salz zu verlernen, darum habe ich dieses Buch geschrieben. Hier erfahren Sie die ganze Geschichte. (Am Ende, in den Kapiteln 7 und 8, finden Sie spezielle Empfehlungen, wie Sie Ihren idealen Salzkonsum ermitteln und umsetzen können.) Doch dieses Verständnis beginnt mit einer Umschulung über die zahllosen Möglichkeiten, wie wir gesünder, stärker und länger leben können, wenn wir Salz wieder in unserem Leben willkommen heißen.

Wenn Salz immer schon eine so entscheidende Rolle für die menschliche Gesundheit gespielt hat, warum begannen wir dann überhaupt, diese anzuzweifeln? Vielleicht trug die Allgegenwart des Salzes zu seinem Niedergang bei; vielleicht sahen wir Salz einfach als selbstverständlich an. Um zu verstehen, wie wir so weit vom Weg abkommen konnten, müssen wir zuerst die entscheidende Rolle verstehen, die Salz schon immer für die menschliche Gesundheit spielt, von dem Moment, als das Leben aus dem Meer kam, bis zum Beginn der modernen Medizin. Indem wir die entscheidende Rolle des Salzes in unserer Vergangenheit genau betrachten, können wir nach und nach seinen angeschlagenen Ruf wiederherstellen und den Platz des Salzes in unserer Zukunft würdigen.

KAPITEL 2

Wir sind Salzmenschen

Im Grunde genommen sind wir Salzmenschen.

Unsere Tränen enthalten Salz, unser Schweiß enthält Salz und unsere Körperzellen sind von einer salzhaltigen Flüssigkeit umgeben. Ohne Salz könnten wir nicht leben.

Nur eine kleine Prise Salz kann alle Geschmacksnuancen eines faden Essens stärker hervortreten lassen und ihm einen außergewöhnlichen Geschmack verleihen. Salz nimmt Nahrungsmitteln ihren bitteren Geschmack und lässt sie süßer schmecken, wodurch wir weniger Zucker brauchen. Und genau wie wir die Befriedigung und die pikante Herzhaftigkeit genießen, die Salz unserem Essen verleiht, so spielt Salz auch bei Dutzenden lebenswichtigen Körperfunktionen eine entscheidende Rolle. Unser Körper braucht Salz, um die optimale Blutmenge im Körper aufrechtzuerhalten; ja sogar das Herz braucht Salz, um Blut durch den Körper zu pumpen. Salz ist unerlässlich für die Verdauung, die Kommunikation zwischen den Zellen, für die Bildung und Stärke der Knochen und dafür, eine Dehydrierung, also einen Flüssigkeitsmangel, zu verhindern. Natrium ist auch entscheidend für die Fortpflanzung, für die volle Funktionsfähigkeit von Zellen und Muskeln und für die optimale Weiterleitung von Nervenimpulsen zu und von Organen wie dem Herzen und dem Gehirn. Tatsächlich ist unser Körper angewiesen auf in den Körperflüssigkeiten gelöste Elemente, die man als Elektrolyte bezeichnet, zum Beispiel Natrium, Kalium, Magnesium und Kalzium. Diese Elektrolyte sind an der Weiterleitung elektrischer Impulse zur Steuerung zahlreicher Körperfunktionen beteiligt. Ohne eine ausreichende Natriumzufuhr nimmt unser Blutvolumen ab, was dazu führen könnte, dass bestimmte Organe wie Gehirn und Nieren abschalten.

Einfach ausgedrückt: Streichen wir Natrium komplett aus unserer Ernährung, dann sterben wir.

Unser Gehirn und unser Körper entscheiden selbst, wie viel Natrium wir essen, resorbieren und ausscheiden. Die Fähigkeit unseres Körpers, mit Salz und Wasser sparsam umzugehen, wird, so nimmt man an, vom Hypothalamus gesteuert, einer Gehirnregion, die die Homöostase, also das innere Milieu des Körpers, aufrechterhält. Der Hypothalamus empfängt jene Signale und sendet sie aus, die uns nach Salz verlangen lassen oder ein Durstgefühl vermitteln.

Wenn wir diese Signale anerkennen, führen sie dazu, dass sich in unserem Körper ganz von selbst die optimale Wasser- und Salzmenge einstellt, weil dieser machtvolle instinktive Drang unmittelbar aus den evolutionsbedingten Gegebenheiten des Lebens resultiert. Die ersten Lebewesen auf dem Planeten waren im Meerwasser beheimatet, und als sie an Land kamen, brachten sie das Salz aus dem Meer mit.1 Und heute, Millionen Jahre später, bildet die Zusammensetzung der menschlichen Körperflüssigkeiten immer noch die des urzeitlichen Meeres nach.

Aus dem Meer

Das Meer bedeckt 71 Prozent der Erdoberfläche, doch aufgrund seines riesigen Volumens bildet das Meer auch 99 Prozent des Lebensraumes der Erde insgesamt.2 Natriumchlorid (NaCl), auch bekannt als Salz, macht 90 Prozent des gesamten Mineralgehalts des Meeres aus,3 dieselbe prozentuale Zusammensetzung, wie sie auch unser Blut aufweist. Beide unterscheiden sich nur in der Konzentration – das Meer ist vier- bis fünfmal so salzig wie unser Blut (ungefähr 3,5 Prozent NaCl versus 0,82 Prozent NaCl).4 Neben dem Meer findet sich Salz auch in kleineren Seen sowie in Steinsalz, Brackwasser, Salzlecken und sogar im Regenwasser. Die riesige Menge Salz, die wir in zahlreichen Gegenden weltweit finden, unterstreicht die Bedeutung des Salzes für alle Lebensformen.

Die Ähnlichkeit des Mineralgehalts und der Konzentration von Blut und Meerwasser ist seit Jahrzehnten bekannt.5 Zellen können nur innerhalb der engen Grenzen des Elektrolythaushalts in der Zwischenzellflüssigkeit überleben, in der sie sich befinden. Damit eine Spezies das Meer verlassen und auf dem Land überleben konnte, mussten sich mehrere Systeme zur Salzregulierung ausbilden und entwickeln. Diese Systeme wirken überall im Körper, etwa in der Haut, den Nebennieren und den Nieren.

Die präzise Ionenverteilung, die das Leben der Zellen ermöglicht, hat sich seit der Entstehung des Lebens selbst nicht wesentlich verändert.6 Auch jetzt hält unser Körper in Zeiten der Knappheit Salz zurück und er scheidet überschüssiges Salz aus, wenn wir es nicht brauchen. Aufgrund dieser Fähigkeit, den Salzgehalt im Körper zu regulieren und es in Zeiten der Not aufzuspüren, können wir überleben und in fast allen geografischen Regionen auf der Welt gut und erfolgreich leben – doch im Wesentlichen spiegelt unser Blut das urzeitliche Meer wider, in dem das Leben begann und aus dem heraus es sich entwickelt hat.7

Verglichen mit den drastischen Veränderungen in Form, Struktur und Funktion der Organe, die in der Evolution der Wirbeltiere stattfanden, zeigt die Tatsache, dass die Zusammensetzung der Zwischenzellflüssigkeit weitgehend konstant geblieben ist: Der Salzhaushalt ist eine evolutionäre Anpassung. Diese Anpassung bleibt eng reguliert, um das Leben aller Wirbeltiere aufrechtzuerhalten, darunter auch der Meeres- und Süßwasserfische und Schildkröten, der Reptilien, Vögel, Amphibien und, ja, der Säugetiere.8 Diese Gegebenheit ist grundlegend für die Theorie, dass sich alle Tiere – auch die Menschen –, aus Lebewesen entwickelt haben sollen, die aus dem Meer stammen.9

Sobald die wirbellosen Lebewesen des Meeres ein geschlossenes Kreislaufsystem entwickelt hatten, mussten sie auch Organe entwickeln, Nieren genannt, mit denen sie (unter anderem) Salz und Wasser resorbieren und ausscheiden konnten. Bis dahin entsprach der Salzgehalt im Körperinneren der wirbellosen Lebewesen dem des Meereswassers. Vom Blickwinkel der Evolution aus entwickelten sich die Nieren wahrscheinlich zuerst im Meer und betrachteten Salz daher als Freund, nicht als Feind. Dieser Umstand ist in unserer heutigen Debatte über die optimale Salzzufuhr anscheinend in Vergessenheit geraten.

Dass ein Organismus Salz zurückhalten und ausscheiden kann, ist entscheidend für eine einwandfreie Zellfunktion und die lebenserhaltende Hydrierung. Dafür gibt es kein besseres Beispiel als Fische, die sowohl in Süßwasser als auch in Salzwasser leben können. Die meisten dieser Fische können Natrium aktiv über die Kiemen resorbieren und ausscheiden, sodass sich der Salzgehalt der Umgebung auch drastisch verändern darf.10 Die Kiemen dieser Fische erfüllen eine ähnliche Funktion wie die menschlichen Nieren; sie resorbieren Natrium oder scheiden es aus, je nachdem, ob zu viel oder zu wenig Salz im Körper ist. So erhalten sie einen normalen Elektrolyt- und Wasserhaushalt mit aufrecht. Eine weitere evolutionäre Anpassung, um die Homöostase von Wasser und Salz zu garantieren, ist der schwere Panzer, den man bei Süßwasser-Reptilien findet. Durch diese Anpassung kann der normale Elektrolyt- und Wasserhaushalt gewahrt werden, weil der Panzer dem drastischen Unterschied im osmotischen Stress entgegenwirkt, den das Leben im Süßwasser mit sich bringt, wo die Salzkonzentration viel niedriger ist als die des Blutes.11

Trotz erheblich verändertem Salzgehalt im Lebensraum der Tiere entwickelten sich ihre Organe weiter, um eine normale Salzkonzentration und damit einen normalen Flüssigkeitshaushalt im Blut beizubehalten, ganz unabhängig davon, wohin ihr Weg sie führte – und das sogar dann, als sie diese ersten entscheidenden „Schritte“ aufs Land unternahmen.

An Land kriechen

Landwirbeltiere, die ersten Wirbeltiere mit vier Gliedmaßen, gelten als die letzten gemeinsamen Vorfahren von Amphibien, Reptilien und Säugetieren. Diese Tiere konnten als Erste das Meer verlassen, indem sie Luft schluckten.12 Als diese Lebewesen an Land waren, mussten sich ihre Nieren vom salzhaltigen Lebensraum des Meeres an eine relativ salzarme Umgebung anpassen.

Es gibt zwar viele Theorien über den Ursprung der Landtiere und die Entwicklung der Wirbeltiere aus den Wirbellosen, doch unsere Nieren und unser Verlangen nach Salz sind wichtige Hinweise, dass wir uns mit höherer Wahrscheinlichkeit aus Meerestieren als aus Süßwassertieren entwickelt haben.13 Falls wir tatsächlich aus dem Meer kamen, wäre die evolutionäre Fähigkeit, Natrium zurückzuhalten, eine Voraussetzung gewesen, eine, durch die wir den Blutdruck und die Blutzirkulation durch das Gewebe auch an Land beibehalten konnten.14 Diese Tiere, die einst im Salzwasser lebten, waren nun mit der relativen Salzarmut der Wüste, des Regenwaldes, der Berge und anderer nicht-maritimer Lebensräume konfrontiert. Somit war es nicht nur wichtig, Salz zurückzuhalten, sondern es musste sich in diesen Tieren auch ein „Verlangen“ nach Salz entwickeln, um sicherzustellen, dass ihre Bedürfnisse erfüllt würden. Dieses „Verlangen“ würde ein physiologisches Signal darstellen – den Drang, Salz aufzunehmen, wann immer sich ein Mangel abzeichnete. Mit ihrem neuen geschlossenen Kreislaufsystem würden sie ein Natrium- und Wassergleichgewicht besser aufrechterhalten können, hauptsächlich weil sich Nieren, Blase, Haut, Darm und endokrine Drüsen entwickelt hatten, die bei den urzeitlichen wirbellosen Meerestieren nicht vorhanden waren.15

Im Tierreich gibt es natürlich keine Ernährungsrichtlinien – keine medizinischen Vorschriften, sich bewusst um einen reduzierten Salzkonsum zu bemühen. Tatsächlich nehmen viele Tiere (besonders die Räuber des Meeres) jeden Tag selbstverständlich Salz in großen Mengen auf. Als Beispiele könnten Sie etwa Reptilien nehmen, Vögel und Meeressäugetiere wie Seelöwen, Seeotter, Robben, Walrosse und Eisbären, die im Meer lebende Beute jagen. Diese Tiere nehmen bei einem Beutezug viel Salz auf, sowohl über das Beutetier als auch über das Salzwasser, insbesondere wenn sie im Meer lebende Wirbellose fressen, die dieselbe Salzkonzentration haben wie das Meer.16 Der Salzgehalt des Blutes dieser Meeressäugetiere unterscheidet sich nicht stark von dem der Landsäugetiere17 – und da Meeressäuger Meerwasser mit dem vier- bis fünffachen Salzgehalt ihres Blutes aufnehmen, muss dieses Salz über die Nieren ausgeschieden werden.

Oder, um es ganz direkt zu sagen: Ihre Nieren müssen massive Salzmengen ausscheiden können.

Die grundlegende Physiologie der Nieren ist bei den Menschen die gleiche. Wie die Forschung gezeigt hat, können Personen mit normalem Blutdruck und normaler Nierenfunktion tatsächlich leicht zehnmal so viel Salz ausscheiden, wie wir normalerweise an einem Tag zu uns nehmen.18 Warum Menschen nicht von Meerwasser allein leben können, liegt nicht daran, dass unsere Nieren es nicht schaffen, den hohen Salzgehalt auszuscheiden, sondern vielmehr daran, dass wir damit gleichzeitig auch Wasser ausscheiden müssten, was irgendwann zu einer Dehydrierung, also Austrocknung, führen würde (und letztlich zum Tod!). Doch wenn wir ausreichend Süßwasser zur Verfügung hätten, um das mit der Salzausscheidung ausgeschiedene Wasser zu ersetzen, könnten Menschen durchaus Meerwasser trinken.

Fast ausnahmslos ist die Salz- und Wasserregulation bei fast allen Tieren ein gut angepasster Überlebensmechanismus – und damit auch bei allen Primaten und den Menschen.

Primaten vor der Entstehung des Menschen

Noch heute glauben die meisten Menschen, Primaten (wie Orang-Utans, Affen, Paviane und Makaken) hätten sich hauptsächlich von Früchten und der Vegetation an Land ernährt. Daher pocht eine Gruppe von Wissenschaftlern darauf, der vormenschliche Körper habe sich mit einer salzarmen Ernährung entwickelt. Doch das ist eindeutig nicht der Fall.

Vor Jahrmillionen sollen Klimaveränderungen, die durch sehr trockene Jahreszeiten gekennzeichnet waren, nicht-menschliche Primaten gezwungen haben, Feuchtgebiete aufzusuchen.19 Sie müssten sich von Wasservegetation ernährt haben mit einem Natriumgehalt, der fünfhundertfach über dem von Landpflanzen lag.20 Das könnte auch der Fall gewesen sein, als nicht-menschliche Primaten Fleisch zu essen begannen, auf das sie erstmals gestoßen sein dürften, wenn Fische und wirbellose Wassertiere sich in der Wasservegetation verfingen – was den Primaten ganz ursprünglichen Meeresfrüchtesalat bescherte.21 Als die nicht-menschlichen Primaten diese Nahrung „unbeabsichtigterweise“ aßen, kamen sie wahrscheinlich auf den Geschmack und begannen, gezielt danach zu suchen. Ihre ersten Fische dürften eine recht leichte Beute gewesen sein, etwa verletzte Welse, die ans Ufer gespült wurden oder in seichten Teichen gefangen waren. (Welse gab es reichlich dort, wo die Ur-Primaten und die frühen Menschen umherstreiften, was diese Vorstellung plausibel macht.)

Diese veränderten Ernährungsgewohnheiten – hin zu mehr Fett und Omega-3-Fettsäuren – ergibt zweifellos einen Sinn, denn sie kann die Entwicklung eines größeren (in seinen Ausmaßen menschlichen) Gehirns fördern. Dutzende nicht-menschliche Primaten sollen den Aufzeichnungen zufolge Fisch und andere Wasserfauna gefressen haben, wodurch sie viel Salz aufnahmen.22 Sie wären dann in beiden Wasserarten mit unterschiedlichem Salzgehalt auf Hai-Eier gestoßen, auf Krabben, Krebse, Muscheln, Schwertmuscheln, Schnecken, Tintenfisch, Austern, andere gepanzerte Wirbellose und Laubfrösche, auf Wirbellose im Flussschlamm, auf Eier der Schnappschildkröte, Wasserkäfer, Napfschnecken, Kaulquappen, Sandflöhe, Seehundläuse und Regenwürmer.23 Diese gab es an Meeresküsten und in Sümpfen, im Süß- und Meerwasser und an anderen tropischen und gemäßigten Orten in Hülle und Fülle. Aus dieser Liste geht hervor, dass die Nahrung der vormenschlichen Primaten (und somit der frühen Menschen) nicht salzarm war; ja, sie könnte sogar außerordentlich salzreich gewesen sein.

Wegen dieser Vorliebe für Fisch und andere Wasserlebewesen könnten diese vormenschlichen Primaten gezielt versucht haben, Fische mit der Hand zu fangen und irgendwann auch mit Hilfsmitteln wie Stöcken, Sand und Nahrung – was einen riesigen Sprung in der kognitiven Entwicklung darstellte. Was für eine Wendung des Schicksals: Weil die frühen Primaten zufällig Fisch fraßen, konnten sich Gehirn und Geist überhaupt erst so entwickelt haben, um Fische aktiv mit Werkzeugen zu fangen. Wie sie genau an diese salzhaltigen Lebewesen herankamen, ist noch immer ein Rätsel, doch man glaubt, dass sie die Panzer mit Steinen öffneten und auf Bambus klopften, um die darin lebenden Frösche zu finden. Wie festgestellt wurde, verwendeten mindestens fünf andere Arten neben Orang-Utans Werkzeuge, um Fische und andere salzhaltige im Wasser lebende Beute zu fangen. Im Folgenden wandten die Hominini – sowohl die heutigen als auch die ausgestorbenen Menschen – die Fischfangtechniken der Primaten an.24

Frühe Menschen

Interessanterweise kam der Fischfang mit Werkzeugen beim frühen Homo vor rund 2,4 Millionen Jahren auf. Dass Primaten gewohnheitsmäßig Fisch fraßen, legt nahe, dass die Hominini ebenfalls zuerst Wasserpflanzen aßen und dann zufällig die Wassertiere probierten, die an ihrem „Abendessen“ hingen. Nachdem sie Geschmack an dem neu entdeckten Fleisch gefunden hatten, gingen sie irgendwann dazu über, Fisch und andere im Wasser lebende Beute zu fangen.25 Einige Forscher behaupten, ein früher Mensch, Paranthropus boisei, und ein früher Homo hätten in den Sümpfen gegraben, um ihre vorher überwiegend pflanzliche Ernährung um Wirbeltiere und Wirbellose zu ergänzen. Diese essbaren Wassertiere boten reichlich Salz und neuartige qualitativ hochwertige Nährstoffe, wie Docosahexaensäure (DHA). Ähnlich wie diese essenziellen Fettsäuren bei den vormenschlichen Primaten das Gehirnwachstum angeregt haben können, so konnte sich das Gehirn der frühen Menschen durch DHA vergrößern.26

Salz hilft ihr atmen

Einer meiner Freunde und Kollegen, der Arzt und Gesundheitswissenschaftler Dr. Sean Lucan, Privatdozent am Institut für Familien- und Sozialmedizin am Montefiore Medical Center des Albert Einstein College of Medicine, sagte mir, er habe seine Meinung zu Salz völlig geändert. „Früher war ich sehr gegen Salz eingestellt. Ich besaß keinen Salzstreuer und riet meinen Eltern, beim Kochen kein Salz zu verwenden und ihr Essen nicht zu salzen“, erinnert er sich. „Ich glaubte an das Argument, Salz sei kurzfristig gleichzusetzen mit hohem Blutdruck und langfristig mit Herzinfarkten und Schlaganfällen. Doch als ich mich zunehmend für Ernährung interessierte und mir die Datenlage anschaute, sah ich den Nutzen meiner eigenen Salzvermeidung und den Rat, den ich meinen Eltern gab, zunehmend skeptisch.“ Vor einigen Jahren nahm Sean Lucan an einem Symposium für Ernährung und Kochen am Culinary Institute of America teil, dem er seinen Sinneswandel zuschreibt: „Ich begann, Salz als kulinarische Zutat zu schätzen, und ich begann, selbst mit Salz zu kochen. Die Ergebnisse zeigten sich sofort und waren drastisch und fantastisch. Ich kochte nur mit natürlichen Nahrungsmitteln. Und jetzt schmeckte dieses natürliche Essen richtig gut.“

Seine Familie war begeistert, wie Salz den Geschmack ihres gesamten Essens verbesserte, und niemand erlitt irgendwelche unerwünschten Gesundheitsfolgen infolge der höheren Natriumzufuhr. An diese Erfahrung erinnerte er sich, als er in die Behandlung einer Frau mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz eingebunden wurde, der eine streng natriumarme Diät verordnet war. „Sie wollte nur ihr Essen schmecken. Doch die Ärzte hatten Salz von ihrem Tisch verbannt und ihre Familie hatte es aus dem Haus geschafft“, erinnert er sich. „Als ihr Leben sich dem Ende zuneigte, überredete ich die Familie endlich, ihr etwas Salz zuzugestehen. Sie gestatteten es nur widerwillig, denn sie befürchteten, ihr Herz würde weiteren Schaden nehmen.“ Doch weil sie ihre Verzweiflung erkannten und ihr einen so aufrichtigen Wunsch nicht abschlagen wollten, willigten sie ein.

„Und weißt du was? Es ging ihr besser. Nein, ihre Herzinsuffizienz verschwand nicht – aber ihr Blutdruck wurde dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen, sie hörte auf, nach Luft zu schnappen, und sie musste nicht mehr ins Krankenhaus, wie es vorher regelmäßig der Fall gewesen war. Außerdem genoss sie ihre übrigen Mahlzeiten und die restlichen Tage ihres Lebens – im Gegensatz zu einem unnötigen Leiden unter einer rational nur schwer erklärbaren Entbehrung.

„Ich habe noch das Bild vor mir, wie einer ihrer Urenkel auf ihrem Schoß sitzt. Er ist mittlerweile einige Jahre älter, doch anders als andere Kinder seines Alters nimmt er keine verarbeiteten Nahrungsmittel zu sich. Er salzt sein Essen nach seinem Geschmack; er ist gesund, es geht ihm gut und er ist uns allen ein Vorbild.“

Die Tatsache, dass DHA wichtig ist für die Entwicklung des menschlichen Gehirns, führt zu der zwangsläufigen Vermutung, dass aus dem Wasser stammende Nahrung – und der Salzhunger, der unsere Vorfahren zu dieser hinzog – eine bedeutende Rolle spielt für die Entwicklung des menschlichen Gehirns, wie es heute ist.27 Landpflanzen enthalten nur wenig DHA, was nahelegt, dass dieser Übergang zur Wasservegetation und zu im Wasser lebender Beute entscheidend war für die Größenzunahme unseres Gehirns.28 Stellen Sie sich vor: Unser Salzhunger kann Anteil gehabt haben an einem großen Entwicklungssprung des frühen Menschen.

Selbst frühe Menschen, die weit entfernt von Brackwasserzonen des Meeres lebten, hatten dieses Bedürfnis nach Salz. Den Daten zufolge könnten frühe Menschen, die vor 2,4 bis 1,4 Millionen Jahren die küstenfernen Regionen Ostafrikas durchstreiften, ausgesprochen viel Salz gegessen haben. Ein urzeitlicher Vorfahr der Menschen, der sogenannte „Nussknacker-Mensch“, soll sich von großen Mengen Erdmandeln (Tigernüssen) ernährt haben.29 Die 1959 in Tansania gefundenen Fossilien dieses frühen Menschen zeigen kräftige Kiefermuskeln und eine Abnützung der Backenzähne, was auf eine Ernährung mit hohem Anteil an Erdmandeln hinweist. Diese enthalten extrem viel Salz (bis zu 3 383 mg Natrium pro 100 g, das ist die durchschnittliche Natriummenge, die wir heutigen Menschen an einem ganzen Tag zu uns nehmen).30 Schon eine Handvoll (etwa 90 g) dieser nussartigen Knollen hätte in der heutigen Welt eine ganze Tagesration an Natrium geliefert.

Doch der Nussknacker-Mensch ernährte sich nicht nur von Nüssen, sondern seine Ernährung bestand zu einem großen Teil auch aus Heuschrecken. Eine nahe Verwandte der Heuschrecke, die Grille, enthält reichlich Natrium (ungefähr 152 mg Natrium pro fünf Grillen).31 Höchstwahrscheinlich haben bestimmte Insekten einen so hohen Natriumanteil, weil sie sich dadurch schneller bewegen und schneller fliegen können, und so ihren Fressfeinden entkommen können.32 Wie Wissenschaftler beobachtet haben, kann ein Natriummangel bei Insekten (und wahrscheinlich auch bei anderen Tieren) zu Kannibalismus führen.33 Der Theorie zufolge wissen die Tiere instinktiv, dass Salz im Blut vorkommt, in der Zwischenzellflüssigkeit, der Haut, den Muskeln und in anderen Körperteilen. Wenig überraschend nehmen Menschen nach Ansicht der Experten Proteine und Mikronährstoffe seit Jahrmillionen über wilde Insekten auf – und tun das vor allem in Teilen Afrikas, Asiens und Mexikos heute noch.34

Der Fall ist klar

Vom Standpunkt der Evolution aus weist nichts darauf hin, dass wir uns mit einer salzarmen Ernährung entwickelt haben. Vielmehr scheint unsere Evolutionstheorie weitgehend die Tatsache zu bestätigen, dass wir uns dank einer salzreichen Ernährung entwickelt haben. Woher kommt also diese sich hartnäckig haltende Fehlannahme bezüglich unserer ursprünglichen Ernährung?

Die Vorstellung, dass unsere menschlichen Vorfahren sehr wenig Salz aßen, allgemein weniger als 1 500 mg Natrium pro Tag, ist sowohl alt als auch aktuell.35 Die Diskussion über die Entwicklungsgeschichte der Ernährung geht anscheinend teilweise auf einen einflussreichen Artikel zu dem Thema zurück, der 1985 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, einer der weltweit angesehensten medizinischen Fachzeitschriften. Nach Schätzung der Autoren dieses Artikels nahmen wir in der Altsteinzeit (von vor rund 2,6 Millionen Jahren bis vor etwa 10 000 Jahren) nur 700 mg Natrium pro Tag zu uns.36 Doch diese Zahl beruhte auf dem Natriumgehalt ausgewählter Landtiere (und nur dem des Fleisches) sowie dem Natriumgehalt der Landpflanzen, die Jägern und Sammlern zur Verfügung standen. Diese Schätzung beinhaltet nicht das Natrium, das wir über Erdmandeln, Insekten oder Wasserpflanzen und im Wasser lebende Beutetiere aufnahmen. Ebenso wenig beinhaltet sie andere große Natriummengen, die in Tieren zusätzlich zum Fleisch vorkommen, etwa in der Haut, in der Zwischenzellflüssigkeit, im Blut und im Knochenmark (was die Jäger und Sammler sehr wohl aßen, wie wir wissen). Nicht zu vergessen ist dabei, dass Tiere an sich (Muskeln, Organe, Eingeweide, Haut und Blut), ausgesprochen gute Salzquellen sind. Muskeln beispielsweise enthalten ungefähr 1 150 mg Natrium pro Kilo. Australische Ureinwohner aßen bei einer Mahlzeit zwei bis drei Kilo Fleisch eines Beutetieres.37 Das entspricht 3 450 mg Natrium pro Tag, genau die Natriummenge, die Amerikaner heute verzehren (das heißt, solange sie nicht mühsam die Richtlinien einer salzarmen Ernährung einzuhalten versuchen!). Andere Teile und die Organe von Tieren enthalten sogar noch mehr Salz als das Fleisch: Nur etwa 250 g Bisonrippen liefern 1 500 mg Natrium, die gleiche Menge befindet sich in nur 400 g Bisonnieren oder rund 900 g Bisonleber. Und denken Sie daran, darin enthalten ist noch nicht einmal das Salz, das in Haut, Zwischenzellflüssigkeit, Blut und Knochenmark vorkommt.

Wahrscheinlich kamen die frühen Menschen auch noch auf andere Arten an Salz. Einige sollen auch Erde gegessen haben, wie es Kikuyu-Frauen aus Afrika heute noch tun, die bekannt dafür sind, dass sie Gerichte aus natriumhaltiger Erde zubereiten.38 Unsere Vorfahren hatten wahrscheinlich auch Salzlecksteine und tranken Regenwasser, was eindeutig darauf hinweist, dass frühere Schätzungen zur Salzzufuhr in unserer Evolution höchstwahrscheinlich drastisch zu niedrig lagen.