Der Schweizer Jakobsweg - Monika Hanna - E-Book

Der Schweizer Jakobsweg E-Book

Monika Hanna

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Beschreibung

Auf alten Pilgerwegen Santiago de Compostela ist seit dem Mittelalter das Ziel von Pilgern und Wanderern. Die alten Routen des Jakobsweges führten damals wie heute für viele durch die Schweiz. Monika Hanna beschreibt den Weg vom Bodensee zum Vierwaldstättersee unter Berücksichtigung von drei möglichen Ausgangspunkten: Rorschach, Konstanz und Bregenz.m Neben dem genauen Wegverlauf über Einsiedeln und Schwyz nach Brunnen widmet sie sich kulturellen und historischen Besonderheiten und berichtet von eindrucksvollen Landschaften und Begegnungen. Ein Buch zum Schmökern und Nachahmen – für ein einzigartiges Pilgererlebnis. Die Schweiz ist ein wunderbares Wanderland, das der Jakobsweg vom Bodensee zum Genfersee auf sanften Routen, die nicht über allzu steile Alpenpfade führen, durchquert. Der erste Teil, der abhängig von der Kondition in fünf oder mehr Tagesetappen bis zum Vierwaldstättersee führt, bietet grandiose Aus... mehrsichten und faszinierende Eindrücke. Die praktischen Schilderungen der einzelnen Wegstrecken verbindet Monika Hanna auf ihre ganz eigene anschauliche und unterhaltsame Weise mit geschichtlichen und kulturellen Hintergründen, sie lädt ein zu Klosterbesichtigungen, Naturerlebnissen und kulinarischen Genüssen. Neben den Informationen zu Routenverlauf, Streckenlängen und Übernachtungsmöglichkeiten für das eigene Pilgererlebnis, lässt sie den Leser teilhaben an ihren Erfahrungen auf dem Schweizer Jakobsweg und vermittelt eindrücklich, wieso Pilgern uns so bereichert und dazu beiträgt, unseren Horizont zu erweitern, zur Ruhe zu kommen und neue Einsichten zu gewinnen. reduzieren

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Seitenzahl: 178

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Die in diesem Buch enthaltenen Informationen wurden nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt von der Autorin und dem Verlag überprüft. Dennoch sind, wie wir im Sinne des Produkthaftungsrechtes betonen müssen, inhaltliche Fehler nicht mit letzter Gewissheit auszuschließen. Daher erfolgen die Angaben ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie der Autorin und des Verlags, die keinerlei Haftung im Falle von Unstimmigkeiten übernehmen. Die Benutzung dieses Buches geschieht auf eigenes Risiko. Eine Haftung für etwaige Unfälle und Schäden jeglicher Art wird aus keinem Rechtsgrund übernommen.

Sollten Sie Abweichungen zwischen der beschriebenen Wegführung (Stand Sommer 2013) und den Markierungen feststellen, halten Sie sich bitte an die aktuellen Hinweise. In diesem Fall wären Autorin und Verlag für Änderungshinweise dankbar.

Der Verlag übernimmt keine Verantwortung für die Inhalte der in diesem Buch genannten Webseiten.

Die QR-Codes sind eine freiwillige Leistung der Autorin, die es Pilgern ermöglichen sollen, sich auch unterwegs aktuell über Unterkunftsmöglichkeiten oder Wegsituationen zu informieren. Ein rechtlicher Anspruch kann aber aus keinem Grund und zu keiner Zeit daraus abgeleitet werden.

© für die Originalausgabe und das eBook: 2014 F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlag: Wolfgang Heinzel

Fotos und Karten: Reinhold Hanna

Gesetzt aus Minion und Evo

Satz und Layout: Frank Kreyssig – Mediengestaltung

eBook-Produktion: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

Reproduktionen: Heartwork-Media, Germering

ISBN 978-3-7243-6005-6

Terra magica ist seit 1948 eine international

geschützte Handelsmarke des Belser Reich Verlags AG.

Besuchen Sie uns im Internet unter www.terramagica.de

Inhalt

Vorwort

Wer war Jakobus?

Schweizer Mythen und Geschichte

Im Land der Übergänge

Praktische Hinweise

Auf alten Pilgerwegen nach Einsiedeln

Der St. Gallerweg von Rorschach nach Einsiedeln

Von Rorschach nach Herisau

Start in Rorschach am Bodensee

Zeichen am Weg

Die ehemalige Fürstabtei St. Gallen

Herisau

Wegbeschreibung: Erste Etappe

Von Herisau nach Wattwil

Im Toggenburg

St. Peterzell

Wattwil und die Fazenda da Esperança

Wegbeschreibung: Zweite Etappe

Von Wattwil nach Rapperswil

Burg Iberg

Über Laad- und Rickenpass nach Neuhaus

Rapperswil am Zürichsee

Wegbeschreibung: Dritte Etappe

Von Rapperswil nach Einsiedeln

St. Meinrad und der Etzelpass

Tüfelsbrugg und Paracelsus

Kloster Einsiedeln

Wegbeschreibung: Vierte Etappe

Der Schwabenweg von Konstanz nach Einsiedeln

Von Konstanz nach Tobel

Start in der Weltstadt des Mittelalters – Konstanz

Durch das »Tor der Schweiz« in den Thurgau

Die Heiligkreuzkapelle in Bernrain

Die alte Johanniterkomturei Tobel

Wegbeschreibung: Erste Etappe

Von Tobel nach Steg

Alte Pilgerspuren in der Kapelle in St. Margarethen

Die heilige Idda und das Kloster Fischingen

Auf dem Hörnli

Wegbeschreibung: Zweite Etappe

Von Steg nach Rapperswil

Durchs Zürcher Oberland zum Zürichsee

Wegbeschreibung: Dritte Etappe

(Fortsetzung von Rapperswil nach Einsiedeln siehe im Abschnitt über den St. Gallerweg)

Der alte Vorarlberger Wallfahrtsweg

von Bregenz nach Einsiedeln

Von Bregenz nach Altstätten

Aufbruch am Kloster Mehrerau bei Bregenz

Das Rheintal

Die alte Stätte – Altstätten

Wegbeschreibung: Erste Etappe

Von Altstätten nach Gonten

Über Stoss und Gais ins Appenzellerland

Die Schlacht am Stoss

Appenzell

Appenzeller Käse – Genuss zum Dahinschmelzen

Wegbeschreibung: Zweite Etappe

Von Gonten nach Wattwil

Die fliegenden Pilgerstäbe des heiligen Jakobus

Kloster Leiden Christi in Jakobsbad

Auf dem Besinnungsweg nach Urnäsch

Urnäsch

Wegbeschreibung: Dritte Etappe

(Fortsetzung von Wattwil über Rapperswil nach Einsiedeln siehe im Abschnitt über den St. Gallerweg)

Von Einsiedeln an den Vierwaldstättersee

Ins Herz der Schweiz

Von Einsiedeln nach Brunnen

Das Kloster in der Au

Die Haggenegg

Schwyz und die Mythen

Kloster Ingenbohl

Wegbeschreibung: Fünfte bzw. sechste Etappe

ImBannkreisdes Pilatus

Literatur

Dank

Register

Vorwort

Was kann es für einen Pilger Schöneres geben, als bei einem Blick aus dem Fenster am frühen Morgen zu beobachten, wie die ersten Strahlen der Sonne die Alpengipfel in ein zartes unwirkliches Rosa tauchen … oder von der Haggenegg aus den grandiosen Ausblick auf den Vierwaldstättersee und die umliegenden Berge zu bestaunen ... oder …

Blick auf die Mythen

Ja, die Schweiz ist ein ideales Wanderland. Für Pilger, die sich auf dem Münchner Jakobsweg bereits mit dem »Virus Jakobsweg« infiziert haben und gerne weitergehen möchten, stellt die Schweiz die ideale Fortsetzung ihres Weges dar. Die Landschaft ist der des Allgäus zunächst ähnlich und die Pilger dürfen sich auf ein außergewöhnlich schönes Land freuen, das fast zu zwei Dritteln von Bergen bedeckt ist. Doch auch Pilger, die aus flacheren Regionen kommen und für die das Wandern in den Bergen ungewohnt ist, werden den Schweizer Jakobsweg genießen. Denn er hat den Vorteil, nicht über steile Alpenpfade zu führen, sondern mehr durch das Mittelland und Alpenvorland. Dennoch belohnt er mit grandiosen Aussichten auf viele der berühmten, schneebedeckten Bergriesen.

Blick in die Berge von St. Gallenkappel aus

Die markierten Jakobswege der Schweiz durchziehen das Land von Nordosten nach Südwesten, benutzen meist die Längsfurchen, die die Gletscher im Lauf der Zeit herausgeschliffen haben, folgen dem alten Gesetz der Völkerwanderung von Ost nach West, dem Lauf der Sonne. Vom Bodensee zum Genfersee sind sie als Via Jacobi Teil des europäischen Jakobsweges. Doch was bedeuten sie für die Pilger?

Für die Schweizer ist es ganz einfach: Obwohl jeder Weg, den ein Pilger nach Santiago begeht, ein Jakobsweg ist, ermöglichen es die ausgeschilderten Wege, leichter von »der eigenen Haustüre aus« aufzubrechen. Der Jakobsweg bleibt dadurch kein Weg im fernen Spanien, den man vielleicht nur ein einziges Mal im Leben geht. Auf dem Schweizer Jakobsweg kann man sich langsam an das Pilgern gewöhnen, hat Zeit, über das eigene Leben nachzudenken, bevor man in die viel stärker frequentierten Pilgerwege Frankreichs und Spaniens eintaucht. Ein weiterer Vorteil ist, dass man nach der Rückkehr aus Santiago immer wieder einmal ein Stück Jakobsweg gehen kann, um sich dabei in die Stimmung der Pilgerreise zurückzuversetzen, Gedanken und Gefühle von unterwegs wieder lebendig werden zu lassen und sich so im Alltag schneller entspannen zu können.

Für Pilger aus Deutschland, Österreich oder aus dem osteuropäischen Raum ist die Schweiz ein Durchgangsland, das sie mit den französischen und spanischen Pilgerwegen verbindet. Beim Übergang in die Schweiz – ganz gleich, ob mit dem Schiff über den Bodensee oder zu Fuß auf einem der alten Wege, hatten wir nicht das Gefühl, ein anderes Land zu betreten. Die Schweiz war uns natürlich bekannt, die Landschaft ist der unseren ähnlich, auch verständigen konnten wir uns gut. Von Anfang an erlebten wir die herzliche Gastfreundschaft der Schweizer und viel spontane Hilfsbereitschaft. Doch ganz allmählich spürten wir, dass uns dieses scheinbar so vertraute Land doch irgendwie fremd war. Bei den Gesprächen mit den Einheimischen, die man als Jakobspilger ja sucht, stießen wir auf Unterschiede, die wir als Touristen bisher nicht bemerkt hatten, und begannen, uns näher damit auseinanderzusetzen. Die Schweiz, ein Land im Herzen Europas und doch nicht Teil der Europäischen Union, hat eigene Wege versucht zu einer etwas anderen Demokratie, einer Volksdemokratie, und die Schweizer sind stolz darauf.

Auf unserem Pilgerweg nach Santiago de Compostela verspürten wir das Bedürfnis, unser Wissen über die durchwanderten Regionen zu erweitern. Wir bemühten uns, Land und Leute besser kennenzulernen, neugieriger und offener zu werden für die Menschen dort, um ihr »Anderssein« besser zu verstehen.

Am Zürichsee

Inzwischen sind wir schon öfters durch die Schweiz gepilgert, haben auch Orte aufgesucht, die nicht direkt am Jakobsweg liegen, aber etwas mit der Geschichte und Kultur des Landes zu tun haben. Und auch der »Zufall« – oder Jakobus? – war uns bei unserer Erkundung behilflich: Schon bei unserer ersten Pilgerwanderung durch das Rhonetal, als uns in einem Dorf ein liebevoll hergerichtetes Holzhäuschen mit einem Minigärtchen ins Auge stach, in dem ein Pärchen auf einer runden Steinbank die letzten Sonnenstrahlen genoss. Unser spontaner Ausruf »Ihr habt aber ein hübsches Häuschen« war für die beiden Anlass genug, uns nach dem Woher und Wohin zu fragen. Sofort luden sie uns zu sich ein und bei einer Flasche Wein plauderten wir bis in die späten Abendstunden hinein. Die Pilgernacht geriet etwas zu kurz, aber diese paar Stunden genügten, um aus der zufälligen Begegnung eine Herzensverbindung entstehen zu lassen. Seit damals schreiben wir uns und erzählen uns wie alte Freunde aus unseren unterschiedlichen Leben. Die innige Verbundenheit der ersten Begegnung blieb bestehen; und die beiden brachten uns auch die Schweizer Eidgenossenschaft ein wenig näher.

Auf den Jakobswegen durch die Schweiz stellten wir fest, dass die Wege meist recht gut beschildert sind, man kann also den Schildern der Via Jacobi vertrauensvoll folgen und sich dabei auf eigene Gedanken konzentrieren oder sich mit der Geschichte, Kultur und den Religionen des Landes beschäftigen. Deshalb werde ich die Wegbeschreibungen auf das Wesentliche beschränken und dafür versuchen, zusätzliche Geschichten und Informationen über das Land und seine Bewohner einzubinden. Das Buch soll ein wenig dazu beitragen, Land und Leute sowie ihre Geschichte besser zu verstehen. Vielleicht sind ja andere Pilger ähnlich wie wir daran interessiert, die schmale Linie des Jakobsweges, auf der wir uns alle nach Santiago bewegen, etwas zu vertiefen und zu verbreitern.

Allen Pilgern, die dieses interessante und faszinierende Land auf dem Jakobsweg durchqueren, wünsche ich den Schutz und die Begleitung des heiligen Jakobus und tiefe Begegnungen mit den Menschen, die sie auf ihrer Wanderung treffen. Mögen sie viele der kleinen »Jakobswunder« erleben, die diesen Weg auch heute noch zu einem ganz besonderen Erlebnis des Herzens machen. Buen Camino!

München, im Frühjahr 2014, Monika Hanna

Wer war Jakobus?

Wie oft haben wir – unterwegs auf »seinem« Weg – mit Jakobus Zwiesprache gehalten, ihn ganz selbstverständlich um Rat, Schutz oder Hilfe gebeten, doch was wissen wir wirklich über ihn? Was steht in der Bibel, was berichten die Legenden? Der Sohn des Zebedäus und der Salome, Bruder des Johannes und Freund von Petrus und Andreas, war Fischer, bevor er Jesus nachfolgte. Im Markusevangelium heißt es dazu: »So bestellte er die Zwölf: den Simon, dem er den Beinamen Petrus gab, den Jakobus, des Zebedäus Sohn, und Johannes, des Jakobus Bruder, denen er den Beinamen gab Boanerges, das heißt Donnersöhne.« (Markus 3, 16-17)

Später gehörten Jakobus und sein Bruder Johannes zu den engsten Vertrauten von Jesus, die auch bei seiner Verklärung dabei waren. Die beiden befolgten streng die Lehren ihres Meisters, waren aber auch von heftigem Charakter. Wie sie zu dem Namen »Boanerges« kamen, kann man im Lukasevangelium nachlesen. Dort heißt es, dass, als Jesus mit seinen Jüngern in ein Samariterdorf kam, ihn die Bewohner dort nicht aufnehmen wollten. Jakobus und Johannes sagten daraufhin zu Jesus: »Herr, willst du, dass wir sagen, es solle Feuer vom Himmel fallen und sie verzehren?« Er aber verwies es ihnen.

Neben »Donnersohn« hatte Jakobus noch den Beinamen »Maior« (der Ältere), im Gegensatz zu Jakobus »Minor« (der Jüngere), der später berufen wurde.

Nach dem Tod von Jesus erfahren wir aus der Bibel nicht mehr viel von Jakobus. In der Apostelgeschichte fand ich nur eine Aussage (12, 1-2): »Zu jener Zeit legte der König Herodes Hand an, um in böser Absicht gegen Angehörige der Gemeinde vorzugehen. Er ließ Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwerte hinrichten.« Das ist der kurze Hinweis auf die Enthauptung von Jakobus.

Umso mehr erzählen die unzähligen Legenden und Mythen, die sich um ihn ranken. Die wichtigsten davon sind den meisten Jakobspilgern geläufig. Im 13. Jahrhundert schrieb Jacobus de Voragine die »Legenda aurea«, die »Goldene Legende«, in der er das in einem Jahrtausend angesammelte Wissen christlicher Legenden zusammenfasste: Nach der Himmelfahrt von Jesus zogen die Apostel aus, um allen Völkern die Frohe Botschaft zu verkünden. Jakobus dem Älteren soll Spanien zur Missionierung zugefallen sein. Er predigte dort, doch er war nicht sehr erfolgreich und konnte nur neun Jünger gewinnen. Deshalb kehrte er nach Jerusalem zurück, wo es noch schlimmer war, er bekehrte nur einen einzigen Menschen.

Die Pharisäer verehrten zu dieser Zeit den Magier Hermogenes, der seinen Schüler Philetus zu Jakobus schickte, um ihm zu beweisen, dass seine Predigt falsch sei. Doch Jakobus konnte Philetus von der Richtigkeit seiner Lehre überzeugen. Hermogenes rief alle Teufel zusammen, aber Jakobus trieb sie zurück und gab dem Magier sogar seinen Pilgerstab, damit er sich künftig damit schütze. Hermogenes war beeindruckt, warf sich dem Apostel zu Füßen und verkündete von nun an das Wort Gottes.

Das war den Juden ein Dorn im Auge, sie ließen Jakobus einen Strick um den Hals werfen und zu König Herodes Agrippa schleppen, der seine Enthauptung befahl. Auf dem Weg zum Richtplatz heilte Jakobus einen Lahmen, ein Schriftgelehrter, der ihn begleiten musste, ließ sich daraufhin taufen und wurde deshalb mit ihm zusammen enthauptet.

Erst im Dunkel der Nacht wagten die Jünger des Jakobus, seinen Leichnam in ein Boot zu legen, ein Engel begleitete sie über das Meer. Das Boot landete an der Ulla-Mündung bei Padrón im Nordwesten Spaniens. Als sie den Leichnam am Ufer auf einen Stein legten, schloss sich dieser wie Wachs um ihn. Von diesem berühmten Stein schlugen sich die Wallfahrer des Mittelalters so lange kleine Stücke ab, bis er verschwunden war.

Hl. Jakobus, Portico de la Gloria, Santiago

Eine weitere Legende erzählt, dass die sterblichen Überreste von Jakobus etwa im Jahr 44 in einem Marmorgrab nahe der galizischen Stadt Iria Flavia beigesetzt wurden. Das Grab sank in tiefe Vergessenheit – bis zum 9. Jahrhundert, als ein Einsiedlermönch namensPelagius eine Erscheinung hatte, er sah ein übernatürliches Licht und hörte Gesänge. Der Eremit berichtete dem Bischof Theodemir davon, der eine Untersuchung einleitete – und man entdeckte das Grab des Apostels. Wegen des Leuchtens wurde der Platz »campus stellae« (»Feld des Sternes«) genannt, später wurde daraus Compostela. König Alfons II. ließ über dem Grab eine erste kleine Kapelle bauen und Papst Leo III. verkündete die Nachricht der ganzen Christenheit. Die Geschichte der Stadt Santiago de Compostela setzte ein.

30 Jahre später kam es zu einem Konflikt mit den Mauren. Der Tribut von 100 Jungfrauen war nicht an den Kalifen von Córdoba abgeliefert worden und es kam zwischen den christlichen Fürsten und den Mauren in Clavijo zu einer Schlacht. Der Ausgang schien ungewiss, als plötzlich auf der Seite der Christen Jakobus erschien, furchterregend und mit dem Schwert in der Hand. Santiago Matamoros – Sankt Jakob der Maurentöter – schlug die Sarazenen in die Flucht. Soweit die »Legenda aurea«.

Viele weitere Legenden ranken sich um den heiligen Jakobus. Ob es sich in Santiago de Compostela wirklich um das Grab des Apostels handelt, ziehen viele Historiker und Kritiker aus der Kirche in Zweifel. Manche behaupten, man habe ein Grab für diesen Heiligen gesucht, um ein Pilgerziel und einen Pilgerweg in Nordspanien zu schaffen; um die Menschen aus anderen europäischen Ländern anzuziehen und sich Unterstützung aus dem Norden zu holen im Kampf gegen die Mauren – was auch gelungen ist. Vielleicht ist die Wahl deshalb auf Jakobus gefallen, weil der »Donnersohn« unter den Jüngern für die Verteidigung des Glaubens besonders gut geeignet erschien.

Jakobus in der Ursula-Kapelle, Rüeterswil

Wahrheit und Legenden sind teilweise schwer auseinanderzuhalten. Die Grundlagen für die große Jakobsverehrung waren weniger die Überlieferungen aus der Bibel als die der Legenden. Weil die Menschen sie glauben wollten. Weil sie nach Erlösung strebten und dafür ungeheure Mühen auf sich nahmen, unterwegs durch eine Art »Fegefeuer« gingen. Jeder für sich allein.

Was dem Apostel der Legende nach zu seinen Lebzeiten schwerfiel, nämlich Menschen zu missionieren, zur Umkehr und Lebensänderung zu bewegen, gelingt ihm nach seinem Tod mühelos und erfolgreich. Seit über 1000 Jahren pilgert ein nicht enden wollender Menschenstrom zu seinem Grab. Wie die Menschen des Mittelalters brechen die Menschen von heute aus unterschiedlichsten Motiven nach Santiago auf. Was sie vereint, ist die gemeinsame Suche – nach vielleicht verschiedenen Dingen, doch die Suche nach Erkenntnis, nach dem eigenen Weg oder dem Sinn des Lebens ist fast immer dabei. Und es scheint, als ob Jakobus jeden Einzelnen an die Hand nimmt, begleitet und unmerklich an die Antworten auf seine individuellen Fragen heranführt. Mit uns selbst allein beginnen wir, Einstellungen zu überdenken und uns zu wandeln. In Santiago kommen die meisten als Pilger an, haben verstanden, dass Glück nicht nur von Besitz und Geld abhängt, sondern von vielen kleinen Dingen des Lebens und vom menschlichen Miteinander. Jeder Mensch, der sich auf den Weg macht, nimmt etwas für seinen eigenen Lebensweg mit und Jakobus müsste eigentlich stolz auf sich sein. Aber das ist sicher menschlich gedacht – oder sollte er auch im Himmel noch ein »Donnersohn« sein? Jedenfalls ist er doch noch ein guter »Menschenfischer« geworden, wie es ihm Jesus prophezeit hat. Ist es da wirklich so wichtig, ob sein menschlicher Leichnam in »seinem Grab« in Santiago liegt?

Seit es den Jakobsweg gibt, hat er die Menschen zusammengeführt. Die Völker Europas lernten sich auf ihm kennen und konnten ein Zusammengehörigkeitsgefühl, Toleranz und Verständnis füreinander entwickeln. In den Städten am Jakobsweg blühten Handel und Gewerbe auf, ehemals abgelegene Gebiete wurden miteinander verbunden. Im Jahr 1987 wurden vom Europarat die gesamten historischen Jakobswege nach Santiago de Compostela zur ersten europäischen Kulturstraße erklärt. Man wollte damit das durch das Pilgerwesen entstandene Erbe schützen: ein historisches, literarisches, musikalisches und künstlerisches Erbe. Und die Pilger erfreuen sich an der Kunst und Kultur, die entlang des Pilgerwegs entstanden ist. In den letzten Jahren pilgerten jährlich etwa 200000 Menschen nach Santiago.

Aber was macht ihn so besonders, was unterscheidet den Jakobsweg von den großen Weitwanderwegen, die sich ja auch durch Europa ziehen, werden wir öfters gefragt. Ich meine, es sind die Menschen, die den Jakobsweg zu etwas Besonderem machen. Sie und die unterwegs entstehenden Pilgerfreundschaften sind es, die den Pilgerweg von einem Wanderweg unterscheiden und ihn zum einmaligen »Erlebnis des Herzens« machen, das sich tief in die Seele einbrennt und man nie wieder vergisst.

Unterwegs auf dem Jakobsweg in Spanien

Schweizer Mythen und Geschichte

Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,

in keiner Not uns trennen und Gefahr.

Wir wollen frei sein, wie die Väter waren,

eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.

Wir wollen trauen auf den höchsten Gott

und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.

So poetisch drückte Friedrich Schiller in der Sage von »Wilhelm Tell« den Rütlischwur aus, den Gründungsmythos der Eidgenossenschaft.

In der Kuppelhalle des Berner Bundeshauses befindet sich eine große steinerne Monumentalgruppe, »Die drei Eidgenossen«. Sie wurde 1914 aufgestellt und soll die Schweizer Politiker auf die Werte der eidgenössischen Gründerväter von 1291 verpflichten. Die drei Vertreter der Orte Uri, Schwyz und Unterwalden schworen auf der Rütliwiese am Vierwaldstättersee einen ewigen Bund gegen die ungerechte Herrschaft der Habsburger und ihrer Vögte, von denen sie sich unterdrückt fühlten.

Die drei Eidgenossen, Bundeshaus Bern

Dass der Rütlischwur in dieser Form je stattgefunden hat, ist nicht erwiesen. In der Geschichtserzählung taucht er erstmals Ende des 15. Jahrhunderts auf, im 16. Jahrhundert kommt die Vorstellung dazu, der Bund sei schriftlich besiegelt worden. Aus dem gleichen Zeitraum gibt es jedoch über 80 Dokumente ähnlicher Art. Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine auf Anfang August 1291 datierte Urkunde als »Bundesbrief« in den Rang eines Gründungsdokuments erhoben; seither werden die drei schwörenden Eidgenossen mit einer Urkunde in der Hand dargestellt. Das Jahr 1291 als Gründungsjahr der Eidgenossenschaft und den ersten August als Nationalfeiertag festzulegen, geht auf eine Initiative der Berner zurück, als sie 1891 das 700-jährige Bestehen der Stadt feiern wollten. Was lag näher, als gleichzeitig die 600-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft zu begehen?

Der Schwur der drei Eidgenossen gehört zu den Gründungsmythen der Schweiz. Die Idee der Gleichheit in der Verschiedenheit ist, ebenso wie die viel beschworene Vielfalt in der Einheit, ein immer wiederkehrendes Motiv in der politischen Ideologie des Landes. Drei Männer mit verschiedener Herkunft und Motivation sowie unterschiedlichen Alters haben ein gemeinsames Ziel. Sie stehen für eine Gemeinschaft, die es durch Zusammenarbeit schafft, ein Rechtssystem, das als ungerecht empfunden wird, durch einen beschworenen Vertrag zu ersetzen. Symbolisch steht die »Drei« für drei Völker, drei Generationen und drei Stände: Bauernstand, Bürgertum und Handwerkerstand.

Relativ sicher ist, dass die drei Waldstätte Uri, Schwyz und Unterwalden nach dem Tod des römisch-deutschen Königs Rudolf I. von Habsburg ein älteres Bündnis vertraglich erneuert haben. Dieses wurde wohl mythologisch verklärt und der »Gründung« der Alten Eidgenossenschaft zugrunde gelegt.

Der Mythos bedurfte noch einer Verstärkung in Form eines legendären Schweizer Freiheitskämpfers, der mit dem Rütlischwur in Verbindung gebracht wird: Wilhelm Tell. Seine Geschichte wird auf das Jahr 1307 datiert und spielt in der Zentralschweiz:

Der habsburgische Landvogt Gessler lässt einen Hut auf eine Stange stecken und befiehlt seinen schweizerischen Untertanen, diesen jedes Mal zu grüßen, wenn sie vorbeigehen. Doch der weithin bekannte Armbrustschütze Wilhelm Tell weigert sich, den Hut zu grüßen. Zur Strafe befiehlt ihm der Vogt, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen. Nur so könne er seine Freiheit zurückerlangen, ansonsten müsse sein Kind mit ihm sterben. Widerstrebend lässt sich Tell darauf ein: Er schießt – und trifft den Apfel. Aber er gibt zu, dass sein zweiter Pfeil für den Vogt bestimmt gewesen wäre, wenn er sein Kind getroffen hätte. Daraufhin will ihn dieser gefesselt auf seine Burg nach Küssnacht bringen lassen. Auf dem Vierwaldstättersee wird Tell von seinen Fesseln befreit, um das Boot im aufkommenden Sturm zu lenken. Geschickt steuert er es in Ufernähe und wagt einen verwegenen Sprung auf eine hervorspringende Felsplatte, die heute noch Tellsplatte heißt. Er eilt nach Küssnacht, erwartet den Vogt in der »hohlen Gasse« und erschießt ihn mit seiner Armbrust. Damit wird er zum Tyrannenmörder.

Hohle Gasse, Küssnacht

Aber auch Wilhelm Tell erweist sich als nicht real. Ein Berner Pfarrer stellt im 18. Jahrhundert fest, dass die Sage vom Apfelschuss die Nachdichtung einer dänischen Sage aus dem 13. Jahrhundert ist. Warum also diese Mythen und warum gerade in der Schweiz, diesem überschaubaren Land inmitten Europas?

Vielleicht, weil ihren Bewohnern Mythen von Beginn an sehr vertraut waren? Der »Mythos Berg« als Sitz von Göttern und Dämonen hat seit Jahrtausenden die Menschen inspiriert und ihre Fantasie beflügelt. Und die Schweiz hat besonders viele hohe Berge – allein 48 Viertausender und über 1000 Dreitausender.