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Künstlerwelten treffen in ungewöhnlich persönlicher Nähe auf bürgerliche Lebensentwürfe. Der Bonvivant Bodo und die Lehrerin Gudrun leben in einer entspannten, kinderlosen Ehegemeinschaft bis Bodo auf die Idee kommt, sich einmal als Lebensberater zu versuchen. Sein erster Klient ist ein 66-jähriger Rentner, der nur geheimnisvoll Alexis genannt werden will. Alexis hadert mit seiner Lebensgeschichte und erwartet von Bodo sich an der Suche nach der Seele zu beteiligen, um sein scheinbar planloses Leben zu vereinfachen. Bodo gerät durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte seines Klienten etwas aus der Bahn, was die Beziehung zu Gudrun belastet. Als Gudrun dann auch noch mit den Bösartigkeiten der fast namensgleichen Schülerin Alexa konfrontiert wird, bekommt die Beziehung erstmalig Risse. Gudrun sucht Rat bei der mütterlichen Freundin Elke, die mit ihrem Mann Hans eine Traditionsbäckerei betreibt. In dem vertraulichen Gespräch unter Frauen muss Gudrun einige unangenehme Wahrheiten einstecken und entdeckt, dass das vermeintlich unproblematische Leben von Elke und Hans auch turbulente Momente hat. Am Ende gelingt es Bodo und Gudrun zurück zu ihrer Gelassenheit zu finden. Obwohl Bodo bei seiner Beratung vollkommen unprofessionell agiert, erfährt Alexis bereits nach der sechsten und letzten Sitzung einen erstaunlichen Sinneswandel. Elke und Hans geben ihr Geschäft auf und gehen in den Ruhestand. Alexa trifft eine dramatische Entscheidung.
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Seitenzahl: 105
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Bodo Schilling - Ganzheitliche Lebensberatung
Gudrun Schilling - Lehrerin
Erste E-Mail von Alexis
Erste Sitzung mit Alexis
Gott der Fülle
Zero Zoom
Abendgespräch von Gudrun und Bodo
Zweite Sitzung mit Alexis
Bodo’s Recherche nach dem Begriff ‚Empathie‘
Spaziergang am Sonntag
Krach am Abend
Dritte Sitzung mit Alexis
Bodo und Gudrun versöhnen sich
Alexis und die schöpferische Pause
Gudruns kurze Bekanntschaft mit Alexa
Vierte Sitzung mit Alexis
Alexa Lombardi
Gudrun hört Mozart
Ein Gespräch unter Frauen
Bodo macht den Test
Fünfte Sitzung mit Alexis
Nachrichten aus aller Welt
Bodo surft im Internet
Elke und Hans
Frühstück bei Schillings
Alexis träumt in der Nacht vor der letzten Sitzung
Bodo’s letzte Recherche
Letzte Sitzung mit Alexis
Alexis träumt
Der letzte Schrei nach Leben
Die große Einfalt
Eine Entscheidung und ein WEITER SO
Über den Autor
Über Alexis Entprima
Über Musik
Musik hören - Bezugsquellen
Das Telefon klingelte. Ein Klingelton aus alten Zeiten. Bodo hasste die angesagten Klingeltöne. Er hatte einige ausprobiert, aber sein Gehirn verband das Hörereignis nicht unmittelbar mit einem Anruf. Das nervte auf Dauer. Jetzt war es eindeutig. Jemand wollte tatsächlich mit ihm sprechen.
Bodo war 40 Jahre alt und hatte eine sehr ruhige Art. Ihn konnte so leicht nichts aus der Fassung bringen. Er besaß eine eingebaute Emotionsbremse, die ihn nach außen oft unbeteiligt erscheinen ließ. Bodo selbst empfand diese Bremse als angenehmen Schutzmechanismus, an dem er gar nichts ändern wollte.
Als das Telefon klingelte, verlor er jedoch kurz seine Fassung. Es war Vormittag und seine Frau Gudrun unterrichtete in der Schule. Genauer gesagt klingelte eines der beiden Telefone von Bodo und es war das falsche. Er telefonierte sowieso nicht besonders gern, aber gerade dieses Telefon hätte nicht klingeln sollen, denn er hatte die Rufnummer gerade erst eingerichtet, und eigentlich kannte sie noch gar keiner.
Er konnte sich nicht erinnern seine brandneue Visitenkarte bereits jemandem ausgehändigt zu haben. Es war eine sehr schlichte Karte auf dem nur sein Name, darunter die Tätigkeit ‚Ganzheitliche Lebensberatung‘ und diese neue Telefonnummer stand. Da Bodo sich nicht ganz sicher war, ob er der Aufgabe auch gewachsen war, wollte er keine zu hohen Erwartungen wecken. Er hasste Erwartungen aller Art.
Bodo meldete sich mit ‚Schilling‘ und war gespannt, wer denn am anderen Ende der Leitung etwas von ihm wollte.
„Sie können mich Alexis nennen, ich bräuchte Ihre Beratung“, sagte eine männliche Stimme.
„Wie ist denn ihr vollständiger Name?“
„Das spielt keine Rolle, denn ich zahle jede Sitzung bar.“
Zwar war er im Geiste bereits einige Erstgespräche durchgegangen, aber so ein rätselhafter Klient kam in seiner Fantasie nicht vor.
„Woher kennen Sie denn diese Nummer?“. Bodo hoffte inständig, dass es eine einfache Antwort gäbe. Daher war er erleichtert, dass die Antwort nachvollziehbar war.
„Ihre Frau hat mir Ihre Karte gegeben.“
Gudrun hatte ein paar Visitenkarten druckfrisch in Ihre Geldbörse gesteckt, weil sie immer spontan und pragmatisch handelte. Die Antwort hatte ihn so erleichtert, dass Bodo ganz den Faden seiner ausgedachten Erstgesprächsvorlagen verlor. Glücklicherweise übernahm Alexis das Ruder.
„Natürlich rufe ich Sie nicht unvorbereitet an. Ihre Frau hat mir zwar sehr kurz, aber doch aussagekräftig etwas von Ihrer Natur erzählt. Die erschien mir passend für die Aufgabe. Ihre Frau kann sehr unaufgeregt und undramatisch den Kern einer Sache treffen.“
‚Oh ja, das kann Gudrun‘, dachte Bodo und schwenkte ins Praktische um. Details zum Auftrag wollte er auf keinen Fall am Telefon klären und schlug vor, einen Termin für die erste Sitzung festzulegen. Offensichtlich war Alexis auch kein Freund von langen Telefonaten und so vereinbarten sie einen Termin in der nächsten Woche.
Obwohl Überraschungen in Bodo’s Leben durchaus vorkamen, brachten sie ihn immer wieder kurzzeitig in einen unangenehmen Erregungszustand. Der erste Klient! Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, freute er sich aber auf die Aufgabe.
Gudrun war drei Jahre älter als Bodo. Sie hatte ein unscheinbares, aber attraktives Äußeres. Bodo hatte sie auf einer Demonstration in ihrem Wohnort, einer Kleinstadt am Alpenrand, kennengelernt. Gudrun nahm daran teil, weil die Demo von Schülern der Schulen organisiert worden war, und sie Lehrerin am Gymnasium war. Es war eine ‚Fridays for Future’- Veranstaltung. Bodo wollte mit seiner Teilnahme Solidarität für die Sorgen der Jugend signalisieren. Er hatte zwar eine ironische Ader, die aber auf einem grundsätzlich freundlichen Fundament ruhte. Beide waren etwa 180 cm groß, gingen nebeneinander und schauten sich zwangsläufig hin und wieder direkt in die Augen.
Auch Bodo war ein attraktiver Mann und so sprang der Funke bei den zunächst unverbindlichen Blicken schnell über. Es entzündete sich ein Smalltalk über Solidarität und das Verständnis für die Belange der nächsten Generationen. Es wurde schnell offensichtlich, dass sich zwei Seelen gefunden hatten. Beide hatten etwas Unaufgeregtes, auch wenn Bodo der lebhaftere von beiden war. Aber genau das gefiel Gudrun, die zurückhaltender war.
Das Eis war endgültig gebrochen als Bodo die Parole der Demo ‚Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut‘ in die ironische Version ‚Wir sind hier, wir sind alt, uns ist es noch viel zu kalt‘ umdichtete. Diese ironische Facette fehlte Gudrun noch in ihrem Leben.
Die Demo war gegen Mittag zu Ende und Bodo lud Gudrun zum Essen ein. Der Rest der Geschichte verlief in einem gemäßigten aber sehr zielgerichteten Tempo, wie es den gleich schwingenden Charakteren entsprach. Ein Jahr später heirateten sie. Es gab nie große Pläne, Zerwürfnisse, oder andere dramatische Ereignisse in der Partnerschaft, aber es war auch nicht langweilig. Die Interessen waren durchaus unterschiedlich, aber man ließ sich respektvoll Raum für die persönlichen Bedürfnisse. Der Kitt der Ehe bestand in Humor, der sich zwar unterschiedlich artikulierte, aber aufkommende Kontroversen schnell im Keim erstickte.
Oft sind dramatische Vorkommnisse im Berufsleben Auslöser für familiäre Konflikte. Bodo erlebte aber keine, weil er nie irgendwo länger als nötig arbeitete, und Gudrun konnte im Schulalltag auf unnachahmliche Weise jede Woge glätten. Die Schüler nannten sie ‚Teflon‘, weil alles an ihr abzuperlen schien. Dabei war sie durchaus beliebt, denn sie unterrichtete mit Hingabe und setzte sich jederzeit für die Belange der Schüler ein. Dabei ließ sie aber keine persönliche Nähe zu, die zu Übergriffen eingeladen hätten.
Ihr grundsätzliches Verhalten änderte sich auch nicht im örtlichen Kunstverein oder im Privatleben. Dabei gelang es ihr trotzdem Wärme und Empathie zu verbreiten. Bodo und Gudrun hatten ein erfülltes Sexualleben, das ein durchaus erstrebenswertes Mittelmaß hatte. Überhaupt erreichten die Eheleute in allen Belangen eine Art von Mittelmaß, das bei näherem Hinsehen zwar genug Raum für emotionale Ausschläge bot, aber immer ausgleichend wirkte.
Zwei Tage vor der ersten Sitzung rief Alexis noch einmal an und bat um die E-Mail-Adresse von Bodo. Er sagte, dass er keine Zeit in den Sitzungen vergeuden wolle, weil er befürchte, dass es später noch sehr zeitaufwändig werden würde, wenn sie zum Kern des Problems kämen. Das war Bodo durchaus recht. Eine Vorabinformation würde ihm sicherlich etwas mehr Sicherheit für seine erste Sitzung mit einem Klienten geben. Ein paar Minuten später lag die Mail bereits im Postfach.
Hallo Herr Schilling,
hier ein auf den Anlass zugeschnittener Lebenslauf mit den wichtigsten Informationen, die Sie für den Anfang brauchen. Ich bin auch im Internet vertreten, wenn Sie noch mehr über mich wissen wollen. Sie können gern recherchieren.
Ich beschreibe hier den Anlass meiner Spurensuche in Bezug auf die Seele. Ich bin Vertreter des deutschen Mittelstandes und nicht repräsentativ für viele andere Menschen. Wenn man aber weiß, wo eine Spur beginnt und endet, kann man die Gedanken auf dem Weg sicher auch in anderen Lebensumständen nachvollziehen.
Vor Kurzem konnte ich Rentenansprüche geltend machen. Der Volksmund sagt ja überspitzt, dass Rentner gar keine Zeit mehr haben, und manchmal stimmt das auch. Am besten ist das Phänomen an einem Lebenslauf zu erklären und weil ich meinen am besten kenne, nehme ich den als Beispiel.
Mit 15 Jahren verdiente ich mein erstes Geld als Trompeter und Eisenflechter. Ich kaufte dafür für ein Klavier, das meine Eltern nicht so einfach finanzieren konnten, ohne eigene Bedürfnisse zu vernachlässigen. Von da an setzte sich die Notwendigkeit des Geldverdienstes bis zur Rente fort, wie es fast allen geläufig ist. Du wirst auch die schmerzlichen Begleitumstände kennen, wenn die Erwerbsarbeit nicht den eigenen Vorstellungen eines selbstbestimmten Lebens entspricht. Leider ist das der Normalfall. Später mehr darüber.
Jedenfalls sammelt sich eine Menge Seelenmüll an, der während des Überlebenskampfes teilweise gar nicht mehr wahrgenommen, oder in Kompensationsorgien wie Kaufrausch, Feierwahn und andere Entspannungssurrogate überlagert wird. Wenn die Rente entsprechend hoch ist, machen viele bis zum Tod auch so weiter. Dieses Verhalten hat viele Varianten und es ist nicht auszuschließen, dass einige so auch klaglos sterben. Bei denen dürfte es aber wohl eher ein Hügel sein, der von der Seele noch akzeptiert wird. Bei einigen Menschen ist es aber ein Hochgebirge aus Seelenmüll.
So war es bei mir, obwohl ich bis zum 40. Lebensjahr Musiker war, was allgemein als ein Traumberuf angesehen wird. Nun steckt der Teufel allerdings bekanntlich im Detail. Was nützt dir beispielsweise ein Traumberuf, wenn du bei einer Firma arbeitest, die das Wohl ihrer Mitarbeiter nicht im Geringsten interessiert? Es gibt hunderte andere Gründe unglücklich in seinem Berufsleben zu sein. Leider verschlingt die Erwerbstätigkeit in der Regel die überwiegende Lebenszeit.
Jetzt bist du nach 40 oder mehr Arbeitsjahren plötzlich frei. Etliche Stunden am Tag stehen zur freien Verfügung. Einige verzweifeln an dieser Situation und werden sogar depressiv. Andere stürzen sich in Tätigkeiten, die sie ‚immer schon machen wollten‘. Das sind genau die, die jetzt gar keine Zeit mehr haben, weil das Lebensende ziemlich nah ist. Es sind aber auch diejenigen, die zumindest noch wissen, ‚was sie immer schon machen wollten‘. Bei einigen ist der Seelenmüllberg jedoch so hoch, dass sie sich gar nicht mehr erinnern, was sie eigentlich einmal machen wollten. Oder wussten sie es vielleicht nie?
Aufgrund von verschiedenen unglücklichen Umständen musste ich meinen Traumberuf im Alter von 40 Jahren mit einem fulminanten Burnout und nachhaltigen Schäden aufgeben. Dadurch war ich damals bereits gezwungen, über die Frage nach dem ‚richtigen‘ Beruf für mich nachzudenken. Der Beruf des Musikers schien es jedenfalls nicht zu sein, denn so ein Zusammenbruch hat viele Gründe, und einer davon ist die falsche Wahl des Berufes. Auch wenn es bei mir nicht so ganz eindeutig war, überkam mich eine Wut auf diesen Beruf, ja sogar auf die Musik selbst. Ich hörte fast 20 Jahre fast keine Musik mehr.
Ich machte dann eine Ausbildung zum Informationstechnologen und übte diesen Beruf inklusive einem zweiten Burnout bis zur Rente aus. Offensichtlich war es nicht der Beruf an sich, der mein Problem war, aber was war es dann?
Nach 20 Jahren als Informationstechnologe hatte ich mich mit der Musik wieder versöhnt und auch wenn ich kein Instrument mehr spielen konnte, dachte ich etwa drei Jahre vor Renteneintritt darüber nach, ob vielleicht die Produktion von elektronischer Musik eine geeignete Beschäftigung im sogenannten Ruhestand wäre. Der Pragmatiker in mir sagte, dass das eine ideale Kombination aus den Kenntnissen beider Berufe sei. Ich fing dann auch gleich damit an. Die 3 Jahre bis zum Renteneintritt sollten meine Testzeit sein, damit ich nicht wieder etwas machte, was mich nicht glücklich machte.
Manche Menschen können offensichtlich glücklich mit einem Hobby sein, ohne die beglückenden Momente mit irgendeinem anderen Menschen zu teilen. Mir war jedoch bereits bei der Produktion des ersten Songs klar, dass ich mich nach einem Publikum für meine Schöpfungen sehnte. Diese Sehnsucht sehe ich bei den meisten Künstlern, die ich in großer Zahl kenne. Dabei entdeckte ich auch einen Unterschied zwischen dem Wunsch nach finanziellem Erfolg und der Sehnsucht nach der emotionalen Verbindung zu einem Publikum. Das lässt sich eigentlich nur trennen, wenn man nicht auf Gewinne aus der Kunst angewiesen ist, und selbst dann ist finanzielle Anerkennung durchaus willkommen.
Schnell wurde mir bewusst, dass ich mich mit der Musikproduktion als Beschäftigung im Ruhestand in einem Dilemma befand. Die Arbeit an der Musik bereitete mir Freude und die Ergebnisse stellten mich zufrieden. Das notwendige Marketing, um ein Publikum zu erreichen, erwies sich jedoch als schwere Last. Nach den drei Jahren Testzeit und etwa 100 produzierten Musiktiteln konnte ich nun ein erstes Fazit ziehen.
Erfreulicherweise blieb die Musik vollkommen frei von Marketingeinflüssen, also Bemühungen die Musik an einen Publikumsgeschmack anzupassen. Beim Marketing stieß ich aber immer wieder auf Dinge, die mir extrem unangenehm waren. Das ist zwar für einen