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Wer bereits Texte von Horst Grabosch gelesen hat, wird ahnen, dass es in diesem "Musikbuch" um wesentlich mehr als Musik geht. Der aufmerksame Beobachter findet in jedem Detail Querverweise zum Dilemma des Weltgeschehens. Der Sohn des Autors überreicht diesem zwölf Instrumentalentwürfe von Songs aus seiner abgebrochenen Karriere als Popmusiker mit den Worten: "Vielleicht kannst du damit noch etwas anfangen". Die Musik löst beim spätberufenen Schriftsteller und Musikproduzenten emotionale Erinnerungen aus. Über Fotos, die seine Gefühlslage reflektieren, tastet sich der Altmeister an Geschichten heran, die er dann erzählt - musikalisch und in diesem Buch auch in Worten. LUST ist voll von interessanten Einblicken hinter die Kulissen der künstlerischen Kreativität und der musikwissenschaftlichen Begrifflichkeit. Das Ziel des Buches ist es, aus den Informationen mehr Lust auf die Kunst und das Leben zu entwickeln.
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Seitenzahl: 88
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Dieses Buch ist der Künstlerin SOPHIE (aka Sophie Xeon) gewidmet.
SOPHIE bezeichnete sich selbst als „Trans-Frau“ und war eine britische Musikproduzentin, die dem Genre „Avantgarde Pop“ oder auch „Hyperpop“ zugeordnet wird.
Ihr Herz hörte 2021 im Alter von 34 Jahren auf zu schlagen.
2017 erschien ihr erster Song samt Video, in dem sie selbst sang und auftrat. Dem Titel des Songs kann ich nur zustimmen: „It’s Okay To Cry“.
Warum?
Geschichte der Entstehung
Best Times
Icy Days
Indian Slide
Cuban Hope
Happy Fiesta
Hot Water
Mystic Land
Holiday Sunrise
Gentle Lights
Dance Desire
Marry Me
Gospel Train
Musik und Wort
Musik hören - Bezugsquellen
Eklektische Elektronische Musik
Musik und Begrifflichkeit
Über den Autor
Vom selben Autor erschienen
Ein Fragewort, das sich im Deutschen eher wie die lautmalerische Form eines Zusammenstoßes anhört. Bevorzugt auf handgemalten Schildern zu lesen, die gern zusammen mit Blumen und Kerzen an Orten großer Tragödien aufgestellt werden.
„Warum“ ist eine Frage, die gerne gestellt, aber seltener beantwortet wird. Ich will es hier einmal versuchen. Die ganze Frage könnte lauten: „Warum gibt es dieses Buch. Fotos und Musik - oder Kunst im Allgemeinen - sollten doch für sich selbst sprechen, oder?“.
Stellen wir uns einmal den Besuch eines großen Museums vor. Bildende Kunst aus mehreren Jahrhunderten wird uns in großer Fülle zur Betrachtung angeboten - selbst für Kunstkenner eine große Herausforderung. Als Hilfestellung werden uns Führungen angeboten - vielleicht sogar mit Themenschwerpunkten, die das Angebot bewusst reduzieren. Wenn wir als Mäuschen mit der Gruppe mitgehen, werden wir vielleicht diesen Kommentar zu den Ausführungen des Kunstführers hören: „Das ist aber interessant!“
Und genau darum geht es. Niemand hat ein Interesse daran, dich von der Qualität eines Werkes gegen deine spontane Reaktion zu überzeugen. Es gibt nämlich gar keinen objektiven Qualitätsstandard von Kunst. Wenn solche Standards hier und da einmal formuliert werden, dann sind sie immer nur als Hilfen zu sehen, und sie können auch durchaus widersprüchlich sein.
Die verbale oder literarische Rezeption von Kunst ist ein Versuch, deinen Geist für Dinge zu öffnen, die dir vielleicht im Alltagsgeschehen für immer verborgen bleiben würden. Vielleicht beschert dir eine tiefere Einsicht sogar mehr Lust. Und das vorliegende Buch soll genau dies leisten.
Ich möchte dir den Zugang zu den Fotos und zu der Musik erleichtern, indem ich noch einmal beschreibe, was denn eigentlich zu sehen und zu hören ist. Darüber hinaus beschreibe ich dir kurz den Prozess des Entstehens jedes einzelnen Liedes und meine Gedanken, die mir vor, während und nach dem Schaffensprozess durch den Kopf gegangen sind.
Die Motivation dafür entstand aus der Beobachtung, dass die enorm zunehmende Informationsflut unsere Aufmerksamkeit für das Detail verschlingt. Darin sehe ich eine große Gefahr, die uns bei der Suche nach Lust noch anfälliger für Manipulationen aller Art macht.
Wie viele andere musikbegeisterte junge Leute gründete mein Sohn Moritz seinerzeit eine Schülerband. Einige Jahre später entdeckte mein zweiter Sohn Julius sein Interesse an der Rockband „KISS“ und wünschte sich ein Schlagzeug. Nachdem er seine jugendliche Wut am Schlagzeug-Lehrer und dem Instrument abgearbeitet hatte, wandte er sich mehr den Computerspielen zu. Moritz hatte einen etwas längeren musikalischen Atem und schaffte es noch bis zu einem Diplom als „Executive Music Producer“1 und einer Coverband2 samt etlichen Eigenkompositionen. Dann merkte er, dass der Weg zum Berufsmusiker mit vielen Entbehrungen verbunden ist und entwickelte seine Talente Richtung Business-Coaching. Als die Ertragsquellen sich eindeutig zur zweiten Quelle verschoben hatten, gab er die Musik bis auf gelegentliche Gitarrenkäufe und „Guitar-Hero-Attacken“ in seiner Wohnung auf.
Die damaligen Ambitionen der Jungs hatten mich wieder mit Musik in Verbindung gebracht, nachdem ich der ehemaligen Liebe und dem ehemaligen Beruf nach einem Burn-out beleidigt für viele Jahre die kalte Schulter gezeigt hatte. Im Jahr 2021 hatte ich mich dann in die jetzt vollkommen neue Musikwelt eingearbeitet und war zum Produzenten von elektronischer Musik herangereift. Nachdem ich einige alte Songs von Moritz quasi als Dokumentation jugendlicher Musikbegeisterung herausgebracht hatte, schickte er mir noch 12 Tonspuren zu, die einmal als Playbacks3 für Songs seiner Band dienen sollten. „Vielleicht kannst du ja damit etwas anfangen“, waren seine Worte.
Ursprünglich sollte es so etwas wie eine musikalische Reise um die Welt werden, aber ohne Melodie und Gesang war das nur streckenweise an einigen charakteristischen Musikelementen zu erkennen. In Form und Tendenz waren es aber immer noch geeignete Story-Vorlagen. Die passenden Geschichten dazu mussten nur erfunden und erzählt werden. Nachdem ich mich selbst als „Geschichtenerzähler in Wort und Ton“ verstand, war das eigentlich eine sinnvolle Aufgabe.
Das Musikgenre4 der Basis-Tracks war eindeutig „House5“ mit der durchgehenden Kick-Drum6 und den typischen rhythmischen Elementen, die jedem House—Fan geläufig sind.
Das war zwar nicht so ganz mein Stil, aber als eklektisch denkender Produzent war es auch kein Ausschlusskriterium. Die Frage war, wie ich zur passenden Geschichte kommen sollte, weil ich doch für meine eigenen Kompositionen immer mit einer Idee in Form eines Samenkorns beginne. Jetzt war das Samenkorn aber bereits eine junge Pflanze mit erkennbaren Charakterzügen.
Ich probierte es dann über den Umweg einer abstrakten Stimmung, der ich ein Foto zuordnete. Foto und Musik zusammen sollten dann die Geschichte ergeben. Und tatsächlich funktionierte der Plan - allerdings hauptsächlich für mich selbst.
Ich erkannte die Geschichte in den fertigen Songs wieder, aber da die von mir hinzugefügten menschlichen Stimmen im Wesentlichen lautmalerischer Natur waren, gab es keinen wirklichen Text dazu.
Dieses Buch soll diese Lücke schließen. Das bedeutet allerdings, dass das Buch allein nur eingeschränkten Genuss bedeutet. Nur in Verbindung von Musik, Bild und Erzählung entfaltet sich die ganze Geschichte. Die Erzählung beschreibt meine Fantasie zum Foto und die Entwicklung dieser Grundstimmung in der Musik. Die Fotos und die Musik sind auf einer exklusiven Website für Leser dieses Buches zu finden. Die Zugangsdaten findest du auf Seite 74.
Mich beschäftigt schon lange das Problem der Völkerverständigung, das durch die verschiedenen Sprachen entsteht. Durch die Technologien des Internets ist diesbezüglich in den letzten Jahren viel passiert. Maschinenübersetzungen werden immer besser, und ich nutze auch intensiv Maschinenstimmen in einigen meiner Songs. Aber Gesang wird nun einmal meist nur in einer Sprache eingesungen, was den direkten Zugang für viele Menschen erschwert. Eine Veröffentlichung in mehreren Sprachen wäre viel zu aufwendig.
Auch dieses Buch erscheint zunächst in meiner Muttersprache Deutsch, also ist es auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es ist ein Anfang.
Da Englisch momentan die internationalste Sprache (auch „Lingua Franca“ genannt) ist, sind meine Songtitel meist in englischer Sprache, so auch bei diesem Projekt. Die Kapitelüberschriften sind die englischen Songtitel.
Glücklicherweise gibt es das Wort „Lust“ sowohl im Deutschen als auch im Englischen. Das entsprechende Album „LUST“ mit allen 12 Songs ist auf den bekannten Musikplattformen erhältlich.
Musikalische Fachbegriffe werden im Anhang definiert und sind mit einer hochgestellten Zahl gekennzeichnet.
„Best Times“ ist nicht zufällig der erste Titel des Albums. Es ist gewissermaßen der Trailer zu den folgenden Geschichten. Unter den guten Zeiten gibt es nun einmal die Besten, die hier vorgestellt werden.
Bei der Suche nach einem passenden Coverfoto für dieses Lied/Song7 entwickelte sich eine Arbeitsweise, die ich dann im gesamten Projekt beibehalten habe - die Entwicklung einer Geschichte durch die Interpretation eines Fotos.
Drei junge Frauen laufen freudig am Strand einem vielversprechenden Abend entgegen. Im Zwielicht der untergehenden Sonne halten sie Fackeln hoch. Vielleicht gibt es bereits einen Plan für den Abend und die Nacht, aber bereits der Moment macht sie glücklich.
Es ist windstill und die Temperatur ist noch angenehm. Eine übergeworfene Jacke reicht, um der Kühle der aufziehenden Nacht zu trotzen. In ihrer Fantasie entwickelt sich Musik.
Über einem sich aufbauenden Rhythmus erklingt eine weiche Männerstimme. Sie ist rufend, aber nicht aufdringlich. Die Stimme verstärkt die unverbindliche, erwartungsvolle Stimmung der Frauen.
Der Rhythmus nimmt Fahrt auf und Akkorde8 vom Klavier formen das Lied. Eine tiefe Flötenstimme verstärkt den Zauber der unschuldigen Erwartung. Die Männerstimme wird melodiöser und besingt den bald aufziehenden Mond („Luna“).
Mit dem Einstieg einer Gitarre ist das Fundament des Liedes gelegt, das nun zum Tanzen anregt. Die Männerstimme wird fordernder, aber bleibt romantisch zart. In einem Zwischenspiel wird noch einmal der Mond besungen und die Flöte steigt in höhere Lagen auf. Sie übernimmt die Melodieführung.
In einem weiteren Zwischenspiel erklingen jetzt Glöckchen, die wie helle Boten des Glücks vom dunkler werdenden Himmel regnen. Die nun folgende tanzbare Passage ist eine Zusammenfassung des Versprechens von einer glücklichen, zarten Nacht. Das Ende wird von einem „Glöckchenregen“ eingeleitet. Ein tiefer Flötenton klingt aus und die Akkorde der Begleitung verschwinden im Dunkel der Nacht.
In allen Songs dieses Albums geht es um Verheißungen. Es geht nicht so sehr darum, was passiert, sondern um das, was passieren könnte. Wahrscheinlich ist Fantasie eines der schönsten Dinge, die wir Menschen erfahren können.
Unsere Fantasie beruft sich auf Erfahrungen, doch sie lässt die erfahrenen Enttäuschungen bei der Verheißung aus. Die Fantasie prüft auch nicht den Realitätsgehalt der Vorstellung. Kunst ist ein idealer Raum für Verheißungen. Sie idealisiert und bleibt dabei unscharf.
Jedes Kunstwerk ist ein Märchen und hat die Kraft zu verzaubern. Ich versetze mich in die drei jungen Frauen auf dem Foto und spüre ihre Sehnsucht nach der Schönheit, die der Abend bringen würde. Es geht nicht um einzelne Erwartungen, denn die sind vielleicht sehr verschieden. Es geht um ihre gemeinsame Sehnsucht, die sie in diesem Moment verbindet.
Die Instrumentalvorlage von diesem Titel beginnt mit einer abstrakten, kristallinen Klavierfigur. Ich hatte sofort die Assoziation von Kälte und fand sehr schnell das passende Foto.
Der Titel lag fast schon auf der Hand. Die Einleitung ist sehr lang und atmosphärisch, bevor sich der Song harmonisch und melodisch entwickelt.
Ein glitzernder Eisberg schiebt sich an einer verschneiten und bergigen Küste entlang. Es ist ein sonniger Tag und weiße Schleierwolken ziehen am Himmel vorbei. Die Bergzüge verschwimmen in einer Mischung aus Wolken und Nebel am Horizont.
Der Eisberg spiegelt sich im ruhigen und glitzernden Wasser. Das Stahlblau von Himmel und dem etwas dunkleren Blau des Wassers wird im Grünblau von Teilen des Eises aufgenommen. Die Stimmung ist eher friedlich als bedrohlich.
Eine Klavierfigur in mittelhoher Lage, die sich als Ostinato9 durch die ganze Einleitung zieht, klingt eisig. Ab- und anschwellende Klänge von Stimmen und Instrumenten symbolisieren die prinzipielle Bedrohlichkeit von Eis. Entfernte Frauenstimmen heben diese Bedrohlichkeit jedoch bereits etwas auf.