Der Spion - J. R. Ward - E-Book

Der Spion E-Book

J. R. Ward

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Beschreibung

Seit seine große Liebe Sola die Stadt verlassen hat, schwebt Waffenhändler Assail zwischen Leben und Tod. Die BLACK DAGGER haben es sich zur Aufgabe gemacht, den gefallenen Vampir zu retten, denn Assail ist ihr wichtigster Mann im Konflikt mit einem neuen, gefährlichen Feind. Als er den Kampf um sein Leben jedoch zu verlieren droht und die Welt der Vampire schon dem Untergang geweiht scheint, wird der Bruderschaft eines klar: Sie müssen Sola zurückholen, denn nur sie kann Assails Schicksal jetzt noch eine glückliche Wendung geben ...

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Seitenzahl: 320

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Das Buch

Eine mysteriöse Mordserie erschüttert Caldwell: Immer wieder werden Vampire von geheimnisvollen Wesen angegriffen und getötet, doch die Attacken hinterlassen keine sichtbaren Spuren bei den Opfern und die Angreifer verschwinden so schnell und lautlos in der Dunkelheit wie sie gekommen sind. Die BLACK DAGGER stehen vor einem Rätsel. Hat sich ihr alter Erzfeind Omega eine neue Tücke einfallen lassen oder haben sie es gar mit einem noch gefährlicheren Gegner zu tun? Als Bruder Vishous einen Weg findet, die Wesen zu besiegen, wird schnell klar, dass die BLACK DAGGER dazu die Hilfe ihres alten Verbündeten Assail brauchen. Doch der ehemalige Waffenhändler hat gerade mit eigenen Problemen zu kämpfen. Sollte seine große Liebe Sola herausfinden, dass er ein Vampir ist, droht er sie für immer zu verlieren …

Die Autorin

J. R. Ward begann bereits während des Studiums mit dem Schreiben. Nach dem Hochschulabschluss veröffentlichte sie die BLACK DAGGER-Serie, die in kürzester Zeit die amerikanischen Bestsellerlisten eroberte. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in Kentucky und gilt seit dem überragenden Erfolg der Serie als Star der romantischen Mystery.

Mehr über Autorin und Werk erfahren Sie auf:

www.jrward.com

J.R.Ward

Der Spion

Ein BLACK DAGGER-Roman

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Titel der Originalausgabe:THE THIEF (Part 2)
Aus dem Amerikanischenvon Corinna Vierkant
Redaktion: Bettina SpanglerCopyright © 2018 by Love Conquers All, Inc.Copyright © 2019 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung byWilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Bad Aibling
ISBN 978-3-641-22333-5V002
www.heyne.de

Gewidmet:

Euch beiden.Ich wüsste keine Herzen oder Seelen, die enger verwandt wären.

Danksagung

Ein großes Dankeschön allen Lesern der Bruderschaft der Black Dagger!

Vielen, vielen Dank an Kara Welsh und alle anderen bei Ballantine – diese Bücher sind echte Teamarbeit!

Alles Liebe an das Team Waud – ihr wisst, wer gemeint ist. Ohne euch käme die Sache gar nicht zustande.

Nichts von alledem wäre möglich ohne: meinen liebevollen Ehemann, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht, sich um mich kümmert und mich an seinen Visionen teilhaben lässt; meine wunderbare Mutter, die mir mehr Liebe geschenkt hat, als ich ihr je zurückgeben kann; meine Familie (die blutsverwandte wie auch die frei gewählte) und meine liebsten Freunde.

Und wie immer in Liebe und Hingabe an meinen WriterDog II Naamah.

Glossar der Begriffe und Eigennamen

 Ahstrux nohtrum – Persönlicher Leibwächter mit Lizenz zum Töten, der vom König ernannt wird.

 Die Auserwählten – Vampirinnen, deren Aufgabe es ist, der Jungfrau der Schrift zu dienen. In der Vergangenheit waren sie eher spirituell als weltlich orientiert, doch das hat sich mit dem Aufstieg des letzten Primal geändert, der sie aus dem Heiligtum befreite. Nachdem sich die Jungfrau der Schrift aus ihrer Rolle zurückgezogen hat, sind sie völlig autonom und leben auf der Erde. Doch noch immer nähren sie alleinstehende Brüder und solche, die sich nicht von ihren Shellans nähren können, sowie verletzte Kämpfer mit ihrem Blut.

 Bannung – Status, der einer Vampirin der Aristokratie auf Gesuch ihrer Familie durch den König auferlegt werden kann. Unterstellt die Vampirin der alleinigen Aufsicht ihres Hüters, üblicherweise der älteste Mann des Haushalts. Ihr Hüter besitzt damit das gesetzlich verbriefte Recht, sämtliche Aspekte ihres Lebens zu bestimmen und nach eigenem Gutdünken jeglichen Umgang zwischen ihr und der Außenwelt zu regulieren.

 Die Bruderschaft der Black Dagger – Die Brüder des Schwarzen Dolches. Speziell ausgebildete Vampirkrieger, die ihre Spezies vor der Gesellschaft der Lesser beschützen. Infolge selektiver Züchtung innerhalb der Rasse besitzen die Brüder ungeheure physische und mentale Stärke sowie die Fähigkeit zur extrem raschen Heilung. Die meisten von ihnen sind keine leiblichen Geschwister; neue Anwärter werden von den anderen Brüdern vorgeschlagen und daraufhin in die Bruderschaft aufgenommen. Die Mitglieder der Bruderschaft sind Einzelgänger, aggressiv und verschlossen. Sie pflegen wenig Kontakt zu Menschen und anderen Vampiren, außer um Blut zu trinken. Viele Legenden ranken sich um diese Krieger, und sie werden von ihresgleichen mit höchster Ehrfurcht behandelt. Sie können getötet werden, aber nur durch sehr schwere Wunden wie zum Beispiel eine Kugel oder einen Messerstich ins Herz.

 Blutsklave – Männlicher oder weiblicher Vampir, der unterworfen wurde, um das Blutbedürfnis eines anderen zu stillen. Die Haltung von Blutsklaven wurde vor Kurzem gesetzlich verboten.

 Chrih – Symbol des ehrenhaften Todes in der alten Sprache.

 Doggen – Angehörige(r) der Dienerklasse innerhalb der Vampirwelt. Doggen pflegen im Dienst an ihrer Herrschaft altertümliche, konservative Sitten und folgen einem formellen Bekleidungs- und Verhaltenskodex. Sie können tagsüber aus dem Haus gehen, altern aber relativ rasch. Die Lebenserwartung liegt bei etwa fünfhundert Jahren.

 Dhunhd – Hölle.

 Ehros – Eine Auserwählte, die speziell in der Liebeskunst ausgebildet wurde.

 Exhile Dhoble – Der böse oder verfluchte Zwilling, derjenige, der als Zweiter geboren wird.

 Gesellschaft der Lesser – Orden von Vampirjägern, der von Omega zum Zwecke der Auslöschung der Vampirspezies gegründet wurde.

 Glymera – Das soziale Herzstück der Aristokratie, sozusagen die »oberen Zehntausend« unter den Vampiren.

 Gruft – Heiliges Gewölbe der Bruderschaft der Black Dagger. Sowohl Ort für zeremonielle Handlungen als auch Aufbewahrungsort für die erbeuteten Kanopen der Lesser. Hier werden unter anderem Aufnahmerituale, Begräbnisse und Disziplinarmaßnahmen gegen Brüder durchgeführt. Niemand außer Angehörigen der Bruderschaft, der Jungfrau der Schrift und Aspiranten hat Zutritt zur Gruft.

 Hellren – Männlicher Vampir, der eine Partnerschaft mit einer Vampirin eingegangen ist. Männliche Vampire können mehr als eine Vampirin als Partnerin nehmen.

 Hohe Familie – König und Königin der Vampire sowie all ihre Kinder.

 Hüter – Vormund eines Vampirs oder einer Vampirin. Hüter können unterschiedlich viel Autorität besitzen, die größte Macht übt der Hüter einer gebannten Vampirin aus.

 Jungfrau der Schrift – Mystische Macht, die dem König bis in jüngste Zeit als Beraterin diente sowie die Vampirarchive hütete und Privilegien erteilte. Existierte in einer jenseitigen Sphäre und besaß umfangreiche Kräfte. Gab ihre Stellung zugunsten einer Nachfolge auf. Hatte die Befähigung zu einem einzigen Schöpfungsakt, den sie zur Erschaffung der Vampire nutzte.

 Leahdyre – Eine mächtige und einflussreiche Person.

 Lesser – Ein seiner Seele beraubter Mensch, der als Mitglied der Gesellschaft der Lesser Jagd auf Vampire macht, um sie auszurotten. Die Lesser müssen durch einen Stich in die Brust getötet werden. Sie altern nicht, essen und trinken nicht und sind impotent. Im Laufe der Jahre verlieren ihre Haare, Haut und Iris ihre Pigmentierung, bis sie blond, bleich und weißäugig sind. Sie riechen nach Talkum. Aufgenommen in die Gesellschaft werden sie durch Omega. Daraufhin erhalten sie ihre Kanope, ein Keramikgefäß, in dem sie ihr aus der Brust entferntes Herz aufbewahren.

 Lewlhen – Geschenk.

 Lheage – Respektsbezeichnung einer sexuell devoten Person gegenüber einem dominanten Partner.

 Lhenihan – ein mystisches Biest, bekannt für seine sexuelle Leistungsfähigkeit. In modernem Slang bezieht es sich auf einen Vampir von übermäßiger Größe und Ausdauer.

 Lielan – Ein Kosewort, frei übersetzt in etwa »mein Liebstes«.

 Lys – Folterwerkzeug zur Entnahme von Augen.

 Mahmen – Mutter. Dient sowohl als Bezeichnung als auch als Anrede und Kosewort.

 Mhis – Die Verhüllung eines Ortes oder einer Gegend; die Schaffung einer Illusion.

 Nalla oder Nallum – Kosewort. In etwa »Geliebte(r)«.

 Novizin – Eine Jungfrau.

 Omega – Unheilvolle mystische Gestalt, die sich aus Groll gegen die Jungfrau der Schrift die Ausrottung der Vampire zum Ziel gesetzt hat. Existiert in einer jenseitigen Sphäre und hat weitreichende Kräfte, wenn auch nicht die Kraft zur Schöpfung.

 Phearsom – Begriff, der sich auf die Funktionstüchtigkeit der männlichen Geschlechtsorgane bezieht. Die wörtliche Übersetzung lautet in etwa »würdig, in eine Frau einzudringen«.

 Princeps – Höchste Stufe der Vampiraristokratie, untergeben nur den Mitgliedern der Hohen Familie und den Auserwählten der Jungfrau der Schrift. Dieser Titel wird vererbt; er kann nicht verliehen werden.

 Pyrokant – Bezeichnet die entscheidende Schwachstelle eines Individuums, sozusagen seine Achillesferse. Diese Schwachstelle kann innerlich sein, wie zum Beispiel eine Sucht, oder äußerlich, wie ein geliebter Mensch.

 Rahlman – Retter.

 Rythos – Rituelle Prozedur, um verlorene Ehre wiederherzustellen. Der Rythos wird von dem Vampir gewährt, der einen anderen beleidigt hat. Wird er angenommen, wählt der Gekränkte eine Waffe und tritt damit dem unbewaffneten Beleidiger entgegen.

 Schleier – Jenseitige Sphäre, in der die Toten wieder mit ihrer Familie und ihren Freunden zusammentreffen und die Ewigkeit verbringen.

 Shellan – Vampirin, die eine Partnerschaft mit einem Vampir eingegangen ist. Vampirinnen nehmen sich in der Regel nicht mehr als einen Partner, da gebundene männliche Vampire ein ausgeprägtes Revierverhalten zeigen.

 Symphath – Eigene Spezies innerhalb der Vampirrasse, deren Merkmale die Fähigkeit und das Verlangen sind, Gefühle in anderen zu manipulieren (zum Zwecke eines Energieaustauschs). Historisch wurden die Symphathen oft mit Misstrauen betrachtet und in bestimmten Epochen auch von den anderen Vampiren gejagt. Sind heute nahezu ausgestorben.

 Trahyner – Respekts- und Zuneigungsbezeichnung unter männlichen Vampiren. Bedeutet ungefähr »geliebter Freund«.

 Transition – Entscheidender Moment im Leben eines Vampirs, wenn er oder sie ins Erwachsenenleben eintritt. Ab diesem Punkt müssen sie das Blut des jeweils anderen Geschlechts trinken, um zu überleben, und vertragen kein Sonnenlicht mehr. Findet normalerweise mit etwa Mitte zwanzig statt. Manche Vampire überleben ihre Transition nicht, vor allem männliche Vampire. Vor ihrer Transition sind Vampire von schwächlicher Konstitution und sexuell unreif und desinteressiert. Außerdem können sie sich noch nicht dematerialisieren.

 Triebigkeit – Fruchtbare Phase einer Vampirin. Üblicherweise dauert sie zwei Tage und wird von heftigem sexuellem Verlangen begleitet. Zum ersten Mal tritt sie etwa fünf Jahre nach der Transition eines weiblichen Vampirs auf, danach im Abstand von etwa zehn Jahren. Alle männlichen Vampire reagieren bis zu einem gewissen Grad auf eine triebige Vampirin, deshalb ist dies eine gefährliche Zeit. Zwischen konkurrierenden männlichen Vampiren können Konflikte und Kämpfe ausbrechen, besonders wenn die Vampirin keinen Partner hat.

 Vampir – Angehöriger einer gesonderten Spezies neben dem Homo sapiens. Vampire sind darauf angewiesen, das Blut des jeweils anderen Geschlechts zu trinken. Menschliches Blut kann ihnen zwar auch das Überleben sichern, aber die daraus gewonnene Kraft hält nicht lange vor. Nach ihrer Transition, die üblicherweise etwa mit Mitte zwanzig stattfindet, dürfen sie sich nicht mehr dem Sonnenlicht aussetzen und müssen sich in regelmäßigen Abständen aus der Vene ernähren. Entgegen einer weitverbreiteten Annahme können Vampire Menschen nicht durch einen Biss oder eine Blutübertragung »verwandeln«; in seltenen Fällen aber können sich die beiden Spezies zusammen fortpflanzen. Vampire können sich nach Belieben dematerialisieren, dazu müssen sie aber ganz ruhig werden und sich konzentrieren; außerdem dürfen sie nichts Schweres bei sich tragen. Sie können Menschen ihre Erinnerung nehmen, allerdings nur, solange diese Erinnerungen im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert sind. Manche Vampire können auch Gedanken lesen. Die Lebenserwartung liegt bei über eintausend Jahren, in manchen Fällen auch höher.

 Vergeltung – Akt tödlicher Rache, typischerweise ausgeführt von einem Mann im Dienste seiner Liebe.

 Wanderer – Ein Verstorbener, der aus dem Schleier zu den Lebenden zurückgekehrt ist. Wanderern wird großer Respekt entgegengebracht, und sie werden für das, was sie durchmachen mussten, verehrt.

 Whard – Entspricht einem Patenonkel oder einer Patentante.

 Zwiestreit – Konflikt zwischen zwei männlichen Vampiren, die Rivalen um die Gunst einer Vampirin sind.

1

Vitoria Benloise wachte auf, als der Wagen langsamer und das Motorengeräusch leiser wurde. Streeter war konstant hundertzehn Stundenkilometer gefahren, jetzt bremste er ab, um die Abzweigung Richtung »Iroquois Mountain Reserve« zu nehmen.

Die Umgebung hatte sich komplett verändert, seit Vitoria eingeschlafen war. Verschwunden waren die dicht besiedelten Ausläufer von Caldwell, stattdessen befanden sie sich nun inmitten einer einsamen verschneiten Berglandschaft.

Nirgends Lichter menschlicher Behausungen, keine Autos oder Lkws, nichts als eisige Wildnis, die sich meilenweit in alle Himmelsrichtungen erstreckte.

Die Einsamkeit wirkte unerwartet bedrückend auf sie und erinnerte sie an abgelegene Orte in Kolumbien, die sie niemals bereisen wollte. Ob arktische Tundra oder Regenwald, Vitoria hatte kein Bedürfnis, sich jenseits ausgetretener Pfade zu bewegen. Denn was, wenn sie hier draußen eine Reifenpanne hatten? Wer würde ihnen helfen?

Streeters Blick streifte sie, doch sein Gesicht blieb verschlossen. »Sie sind wach.«

»Wir nähern uns dem Ziel. Warum haben Sie mich nicht geweckt?«

»Sie sind doch schon wach«, brummte er.

»Was ist los?« Wenn es ihn überforderte, kurzfristig eine längere Strecke zu fahren, eignete er sich nicht als ihre wichtigste Stütze. »Nun sagen Sie schon.«

»Hab ’ne Nachricht von ’nem Kumpel bekommen. Kollege aus der Galerie. Macht Security bei Abendveranstaltungen.«

Schön, daran erinnert zu werden, dass er lesen konnte, dachte Vitoria. »Sie sollten am Steuer keine Nachrichten schreiben.«

»Margot Fortescue ist tot. Ihr Freund hat sie gefunden. In ihrem Haus.«

Vitoria legte die Stirn in Falten, als müsste sie scharf nachdenken. »Fortescue – Sie meinen die Angestellte, die glaubte, die Galerie zu leiten? Da habe ich ihr heute wohl ein ziemlich unsanftes Erwachen beschert. Was für ein Jammer.«

»Sie hat mit Ihrem Bruder gevögelt. Wussten Sie das?«

»Mit welchem? Und achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise.« Sie öffnete den Reißverschluss an ihrem Parka. In der Innentasche steckte die Pistole. »Ich bin eine Dame und habe ein empfindliches Gehör.«

»Eduardo. Sie hatten was miteinander.« Wieder blickte Streeter zu ihr. »Haben Sie sie umgebracht?«

Vitoria zog eine Braue hoch und spielte die Empörte. »Ich? Lieber Gott, wo denken Sie hin? Natürlich nicht. Was sollte es mich kümmern, ob sie lebt oder tot ist?«

»Margot wusste ein paar Sachen. Hab mich nur gefragt, ob sie was von dem Scheiß … äh, Quatsch erwähnt hat, als sie mit Ihnen geredet hat.«

»Ganz und gar nicht. Ich gestehe, dass sie mich nicht mag – beziehungsweise mochte. Aber das spielt wohl keine Rolle mehr. Es war ohnehin nicht der Rede wert.« Vitoria beugte sich vor, als ein Schild im Scheinwerferlicht erschien. »Wir nähern uns dem Ziel. Nur noch vier Meilen. Wissen Sie, wo Süden liegt?«

»Hinter uns.«

Vitoria betrachtete den Berg, der sich in der Ferne bis über die Waldgrenze erhob. »Sagen Sie, was für Sachen wusste Margot?«

»Dass Ihre Brüder nicht nur mit Kunst handeln. Aber nichts Genaueres, glaub ich.«

»Und woher wissen Sie das?«

»Two-Tone hat sie ein paarmal gevögelt. Sie hat getan, als hätte sie was in der Hand. Mehr hat er nicht gesagt.«

»Ein Sinnbild der Tugend, diese Frau.« Vitoria deutete auf die Straße vor ihnen. »Fahren Sie langsamer.«

Streeter bremste ab, als sie zu einem Abzweig mit einem großen hölzernen Schild kamen, auf dem »Iroquois Mountain Reserve« stand.

»Da lang«, befahl sie.

Folgsam trat er aufs Gas, doch schon nach kurzer Zeit ging es nicht weiter. Die Straße war nicht mehr befahrbar. Wer immer die Wege räumte, hatte am Fuß des Berges aufgehört.

»Das war’s«, sagte Streeter. »Hier ist Schluss. Wir kommen nicht …«

»Wir gehen zu Fuß.«

Er sah sie an. »Was?«

Wortlos beugte sie sich zu ihm rüber, brachte den Schalthebel in Parkposition und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss.

»Wir laufen.«

»Sind Sie irre?«

»Ich habe Ausrüstung für uns.«

Sie stieg aus. Die Kälte war schneidend, aber dagegen konnte man etwas tun. Der Berg dagegen? Sie musste sich den Hals verrenken, um zum Gipfel hinaufzuschauen, und ihre Zuversicht schwand.

Eine halbe Meile, sagte sie sich. Das musste zu schaffen sein.

Sie ging zum Kofferraum und holte die zwei Paar Schneeschuhe heraus, die sie in der geräumigen Garage ihres Bruders gefunden hatte – neben einer Menge anderer nützlicher Dinge. Ein Hort von Schätzen. Darunter ein Bentley Flying Spur und ein Rolls-Royce Ghost, sorgsam gepflegt, genau wie das Haus.

Sie freute sich schon darauf, sie bald zu fahren. Aber diese Luxuslimousinen eigneten sich nicht für nächtliche Ausflüge aufs Land auf der Suche nach Leichen. Nein, dafür musste ein letztes Mal ihr Mietwagen herhalten.

»Ziehen Sie die an.« Auch Streeter war ausgestiegen, und sie warf ihm ein Paar Schneeschuhe zu. »Die Bindung ist verstellbar.«

»Ich lauf nicht auf so Dingern.«

»Damit kommen wir schneller voran.«

»Ich bin Raucher.«

»Ach, was. Keine Ausreden, ziehen wir uns anständig an. Ich habe Skihandschuhe und Daunenjacken, Schneehosen und was man sonst noch braucht.«

Murrend fügte er sich. Sie legten die Ausrüstung an und marschierten los, sie voran, er hinterher. Die Schneeschuhe erwiesen sich als Glücksgriff, denn damit sanken sie kaum ein, als sie die breite Lichtung emporstiegen, die von der Straße übrig war. Stirnlampen waren überflüssig in dieser weißen Landschaft, die der Mond durch eine lückenreiche Wolkendecke beschien, aber sie hatten für alle Fälle welche dabei.

Es war schön hier draußen. Ihr Atem trat in kleinen Wölkchen aus ihrem Mund und stieg auf wie Rauch aus einem Kamin.

Hinter ihr keuchte Streeter vor Anstrengung. Aber die Bewegung würde ihm guttun – und wenn er starb, würde sie ihn einfach liegen lassen, bis man ihn im Frühling fand.

»Sagen Sie, wie kommen Sie auf die Idee, Streeter?«

»Was?«, japste er.

Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Er war ungefähr drei Meter hinter ihr, und als er aufholte, war sein Gesicht krebsrot.

»Haben Sie allen Ernstes geglaubt, ich hätte sie umgebracht?«

Es dauerte, bis er genug Luft zum Antworten hatte. »J-J-J-Jimmy hat mich angerufen. Sein Bruder ist beim … CPD …«

»Jimmy? Ist das der Wachmann aus der Galerie?«

»Ja.« Immer noch schnaufte Streeter wie eine Dampflok. »Er meinte, er hätte seinen Gehaltsscheck geholt … und Sie wären in Eduardos Büro gewesen … Margot ging rein und kam wütend wieder raus.«

Vitoria lächelte, obwohl sie insgeheim zutiefst verärgert war. Der Wachmann hatte einen Bruder bei der Polizei? Verdammt. »Ich versichere Ihnen, was immer dieser Frau zugestoßen ist, hat nichts mit mir zu tun. Kommen Sie, gehen wir weiter.«

In seinem gläsernen Haus am Ufer des Hudson schlüpfte Assail geräuschlos aus dem Bett und zog sich einen Morgenmantel über. Marisol lag nackt zwischen den Laken, gut zugedeckt, den Kopf mit den jetzt blonden Haaren aufs Kissen gebettet. Sie durfte nur noch eine Stunde bleiben, bevor er sie wecken und in den Keller schicken musste, damit ihre vovó sie morgens am rechten Ort vorfand. Aber er wollte nicht, dass sie ging. Sie war genau da, wo er sie haben wollte.

Als er am Bett stand und das Heben und Senken ihrer Brust beobachtete, kam er sich vor wie ein Vampir bei Bram Stoker: ein seelenloses Monster, das hungrig über ein zerbrechliches menschliches Wesen gebeugt steht, dem es das Leben aussaugen möchte.

So würde sie ihn sehen, sollte sie je herausfinden, wer er wirklich war. Es widerstrebte ihm, sie zu täuschen – verrückt, nachdem er ein Leben lang schamlos gelogen hatte, wann immer es von Nutzen war –, doch ihre Reaktion auf die Wahrheit fürchtete er noch viel mehr.

Sorgenvoll löste er sich von ihrem Anblick und ging die Stufen hinunter ins Erdgeschoss, wobei er die Türen behutsam hinter sich schloss.

Aber nicht nur, weil er niemanden wecken wollte.

Als er vor seinem Büro stand, machte sich ein unangenehmes Kribbeln in seinem Bauch bemerkbar, und es dauerte eine Weile, bis er eintrat und das kurze Stück zu seinem Schreibtisch zurücklegte. Dort setzte er sich in den gepolsterten Bürostuhl und legte die Hände auf die Schreibunterlage. Hätte er den PC angeschaltet – was er nicht tat –, hätte er seine Konten sichten, die Portfolios prüfen, das Wachstum seines Reichtums ermitteln und sich daran erfreuen können.

Oder auch nicht. Der Umfang seines Vermögens erschien ihm nicht mehr so bedeutsam wie früher.

Er stählte sich innerlich, schwenkte den Bürostuhl in Position und öffnete die linke obere Schreibtischschublade. Ein brauner Glasflakon lag darin, ungefähr so groß wie eine Rolle Kaubonbons.

Zu Beginn waren die Behältnisse kleiner gewesen, doch die Menge hatte irgendwann nicht mehr gereicht. Zum Schluss hätte er fast kofferweise von dem Zeug packen müssen.

Assails Hand zitterte, als er den Flakon herausnahm. Es war nur noch ein feiner Rest Kokain darin. Kein Wunder. In der letzten Woche vor dem Entzug hatte er so viel Schnee durch die Nase gezogen, dass er sich ein Loch in die Nasenscheidewand geätzt hatte.

Er ließ das Gefäß auf der Handfläche hin und her rollen. Erstaunlich, wie ihn ein unbelebtes, wertloses Objekt so erschüttern konnte, als wäre es eine Granate, die jeden Moment explodieren konnte.

Er wartete … und wartete … ob der Drang ihn überkam.

Als er ausblieb, spürte er kurz das Gefühl von wilder Freiheit und Euphorie. Er hatte den Feind besiegt, den Dämon bezwungen – und die holde Maid wartete in seinem Bett. Doch dann wurde sein Höhenflug jäh gebremst. Er wusste, es war einfach, der Versuchung zu widerstehen, solange er entspannt und gelassen war. Die Kunst bestand darin, es auch in Stresssituationen zu tun.

Ernüchtert legte er den Flakon zurück in die Schublade und schloss sie wieder. Warum er ihn behielt, wusste er selbst nicht, und er wollte es auch nicht ergründen. Sollte er als finstere Mahnung dienen und ihn erinnern, wie leidvoll der Entzug gewesen war? Oder hob er ihn doch auf für den Moment, da er zurück in seine Sucht verfiel?

Assail wollte die Antwort nicht wissen, weil er sich selbst nicht traute.

Letztlich schaltete er doch den Computer ein, und der blaue Schein des Monitors flammte auf wie ein Feuer. Das Passwort fiel ihm auf Anhieb ein – eine Erleichterung –, und dank Hochkonjunktur konnte er durchaus zufrieden sein mit dem Stand der Dinge.

Selbst im Zustand geistiger Umnachtung hatte er sein Vermögen vermehrt.

Er lehnte sich zurück und fühlte in sich hinein. Verspürte er Müdigkeit? Nein. Nur ein Ziehen in den Muskeln, die nicht mehr an Bewegung gewohnt waren. Außerdem ein leichtes Hungergefühl, aber keine Lust, etwas dagegen zu unternehmen. Ihm war ein wenig kalt.

Die Stille im Haus spülte über ihn hinweg. Aus irgendeinem Grund wirkte sie bedrückend auf ihn und machte die Erleichterung zunichte, die ihn beflügelt hatte, seit man die Fixiergurte an seinen Handgelenken und Knöcheln gelöst hatte.

Seit er in seinen Körper zurückgekehrt war.

War das nun alles, was sein Leben zu bieten hatte? Passiv in einem Bürostuhl zu sitzen und zuzusehen, wie sich Kontostände änderten – aufgrund von Vorgängen, an denen er nicht teilhatte und die er nicht beherrschen konnte?

Er wollte nicht zurück zur Manie seiner Sucht, auch nicht zu seinen illegalen Geschäften. Aber ohne Beschäftigung fühlte er sich wie farbenblind für die Existenz, fehlte der Welt eine gewisse Plastizität und Tiefe. Natürlich würde er als gebundener Vampir für seine Frau leben, das ja. Aber er brauchte mehr Perspektiven im Leben, als zu einem Möbelstück in seinem schicken Büro zu mutieren.

Sonst gab es nicht viel, das Marisol an ihrem Hellren finden konnte.

Assail öffnete die Schublade erneut. Neben dem Flakon lag ein Prepaid-Handy ohne Vertrag, doch als er es einschalten wollte, war natürlich der Akku leer.

Vielleicht war es ein Zeichen. Wenn er keine krummen Geschäfte mehr betrieb, brauchte er das Handy, über das sie gelaufen waren, letztlich auch nicht mehr.

Ein unangenehmes Gefühl der Leere trieb ihn zum Weitermachen an. Das Ladekabel hing an einer Steckerleiste unter dem Schreibtisch, und er steckte es ein. Dann hielt er es in den Händen. Es dauerte eine Weile, bis es zu Leben erwachte. Während er wartete, erwog er, es zurück in die Schublade zu legen oder vielleicht wegzuwerfen. Letztlich klappte er es jedoch auf und sah, dass er vier Nachrichten auf der Mailbox hatte.

Er gab den Pin ein. Die älteste kam zuerst. Er hatte sie lang aufgehoben.

»Ich habe Ihre Nachricht erhalten. Ich treffe mich gern auf einen Kaffee mit Ihnen. Machen Sie es gut, mein Freund.«

Eduardo Benloise. Seine Reaktion auf die Anweisung, an einen Treffpunkt zu kommen, in einem vorab vereinbarten Code, seiner Meinung nach, um eine Million Dollar in bar in Empfang zu nehmen. Da er gierig war und Geld an seinem großen Bruder vorbeischleusen wollte, war er bereitwillig allein gekommen, ohne jemandem von der Vereinbarung zu erzählen.

Doch es war nicht zur Geldübergabe gekommen. Stattdessen hatten Assail und seine Cousins Eduardo überwältigt und hinten in Assails Range Rover gestopft wie eine Postsendung, um ihn im richtigen Moment als Druckmittel einzusetzen.

Assail hatte die Nachricht als Erinnerung daran behalten, dass er Marisol gerächt hatte.

Es war eine traurige Verbindung zu ihr und ihrer Beziehung gewesen.

Die zweite Aufzeichnung war vierzehn Tage alt. Jemand hatte sich verwählt und aufgelegt, genauso wie der dritte Anrufer.

Die vierte Nachricht war frisch, ungefähr zwölf Stunden alt. Eine Frau mit kaum hörbarem Akzent.

»Guten Tag, Sir. Ich rufe aus der Benloise-Art-Gallery an. Es geht um Ihren Kauf vom zwanzigsten Dezember. Laut unseren Aufzeichnungen hat sich die Auslieferung verzögert. Wenn es Ihnen recht ist, würden wir den Umstand gern mit Ihnen besprechen. Sollten Sie sich bereits mit uns in Verbindung gesetzt haben, betrachten Sie diesen Anruf bitte als gegenstandslos. Danke.«

Assail runzelte die Stirn und hörte die Nachricht ein zweites Mal ab. Und ein drittes.

Ja, sie hatte wirklich einen leichten Akzent, auch wenn sie ihn geschickt verbarg. Doch ihre »Rs« und die Sprachmelodie stimmten nicht ganz.

Sie stammte aus Südamerika.

Auf welchen Kauf bezog sie sich?

Sie hatte keine Nummer hinterlassen, doch das war unnötig. Sie war im Handy gespeichert.

»Assail?«

Er blickte auf. Marisol war die Treppe heruntergekommen und lief in Richtung Küche.

Er legte das Handy in die Schublade und schob sie zu, soweit es das Ladekabel zuließ. Dann stand er auf.

»Ich bin hier, mein Liebling.«

Ihre Schritte waren schnell, aber leicht, als sie umdrehte und in der offenen Tür erschien, doch dann zögerte sie. »Warum sitzt du im Dunklen?«

»Ich habe einen Blick auf meine Konten geworfen.« Er deutete auf den Monitor. »Erfreulicherweise kann ich berichten, dass es noch mindestens ein Jahr für Gas- und Strom reicht. Vielleicht zwei.«

»Oh … gut.« Marisol hüstelte. »Äh, ich habe mir Sorgen gemacht, als du nicht da warst.«

Assail breitete die Arme aus, und sie kam zu ihm. Sie hatte das Hemd angezogen, das er in der Kirche getragen hatte, und ihre nackten Beine sahen bezaubernd aus.

»Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen.« Er zog sie an sich und küsste sie auf die Brust, direkt über dem Herzen. »Es geht mir gut.«

»Kommst du zurück ins Bett?«

»Hm … ja.« Er ließ die Hände zu ihren Hüften wandern, und ehe er sich’s versah, glitten sie unter das Hemd. Ihre nackte Haut war warm und weich.

»Sollen wir zurück nach oben?«, fragte sie mit rauchiger Stimme.

»Ich will dich hier.«

Damit drückte er sie sanft an den Schreibtisch, schob Tastatur und Aschenbecher beiseite und drängte sie, sich auf die Schreibtischplatte zu setzen. Dass dabei fast der Monitor hinuntergefallen wäre, war ihm egal.

Dann schloss er die Tür kraft seiner Gedanken, sodass kein Licht mehr vom Flur hereindrang und nur der blaue Schein des …

Mist, dachte er. Die Tür. Er hätte sie nicht mittels seiner Gedanken schließen sollen. Wenigstens schien es Marisol in ihrem Zustand der sich steigernden Erregung nicht aufgefallen zu sein.

»Versuch bitte, leise zu sein«, sagte er süffisant und legte die Fingerspitzen an die Innenseite ihrer Schenkel. »Du darfst niemanden wecken.«

»Und du?«, gab sie zurück.

»Hier geht es nicht um mich.«

Damit zog er rechts und links die Schreibtischschubladen auf, spreizte ihre Beine und stellte ihre Füße auf die Stützen, die er geschaffen hatte. Dann ließ er sich auf die Knie sinken.

Sie keuchte schon, bevor er an der Innenseite ihrer Schenkel emporwanderte.

»Nicht vergessen«, sagte er und ließ die Lippen über eines ihrer Knie streifen, »schön leise.«

Dann wanderte seine Hand weiter nach oben, doch er berührte sie nicht. Noch nicht. Stattdessen öffnete er den untersten Knopf ihres Hemds. Dann den darüber. Und den nächsten …

Er wollte es ganz öffnen, doch für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand klopfte oder, schlimmer noch, einfach hereinkam, musste er den Anstand wahren.

Schließlich teilte er das Hemd und schob es ihr über die Hüften.

Und da war sie nun, nackt und mit weit geöffneten Schenkeln.

»Mmm«, schnurrte er und küsste sich von ihrem Knie an aufwärts bis zu dieser Stelle, die für ihn erblühte.

Er blickte auf und lächelte. Sie stützte sich mit den Händen auf der Schreibtischunterlage ab und bog den Rücken durch, doch ihr Kopf war nach vorn geneigt, weil sie ihm zusah.

Assail hatte genug vom Vorspiel. Langsam leckte er über das Zentrum ihres Geschlechts bis zu der Knospe am oberen Ende, die er mit der Zungenspitze neckte. Dann umschloss er sie mit einem Kuss.

Ihr unterdrücktes Stöhnen brachte ihn zum Lächeln, doch er hatte zu tun. Er saugte ihre Knospe ein, dann liebkoste er sie, ganz gemächlich, gab sich dem Gefühl und dem Geschmack hin, der Wärme und dem Rausch. Gierig schoben seine Hände ihre Knie weiter auseinander, hielten sie fest, massierten sie.

Sein Schmatzen war laut und deutlich zu hören in der Stille des Zimmers – genauso wie ihr Keuchen. Beides wurde lauter, als er begann, die Zunge schnalzen zu lassen, zuzustoßen und sie tanzen zu lassen, bis Solas Hüften auf und ab zuckten und sie sich ihm entgegendrängte.

Als sie kam, rutschten ihre Hände quietschend über die Schreibtischunterlage, und sie bog den Rücken durch, sodass der Monitor gegen die Wand schlug.

Doch er ließ ihr keine Verschnaufpause.

Er war ein grausamer Zuchtmeister.

2

Im Fernsehen lief Sport, als Vishous auf der Ledercouch in der Höhle zu Bewusstsein kam, eine Doku über … Ric Flair, den alten Wrestling-Star.

Die Augen zu öffnen kostete mehr Anstrengung, als es das Gewicht der Lider rechtfertigte. Verdammt. Nicht mal Bankdrücken im Kraftraum war so kräftezehrend.

Der Kickertisch kam als Erstes scharf ins Bild, danach der große Flachbildschirm dahinter. Das Dritte waren die zwei Männer, die in der Küche standen und die Köpfe zusammensteckten. Sie unterhielten sich flüsternd, sodass er sie nicht hören konnte.

Es waren Butch und Rhage, und beide hielten Getränke in den Händen: Ersterer ein hohes Glas mit einer braunen Flüssigkeit, die ganz bestimmt keine Cola war, Letzterer eine Tasse so groß wie eine Badewanne, und V wusste auch ohne zu schnuppern, dass sie eine pappsüße heiße Schokolade enthielt.

Doch die Details seiner Umgebung waren nicht relevant. Sie waren nur Durchgangsstationen für sein anlaufendes Hirn, Appetithäppchen und nicht der Hauptgang.

Denn seine Existenz drehte sich um Schmerz, und während er mehr und mehr zu Bewusstsein kam, kehrte die Erinnerung zurück, wie er Jane in den Armen gehalten und ein zweites Mal verloren hatte. Die Bilder trafen ihn wie die Schläge eines Lessers, der über ihn gebeugt stand und mit einem Bleirohr auf ihn eindrosch, bis sein Schädel in tausend Splitter zersprang.

Die Wirkung des Beruhigungsmittels, das sie ihm gegeben hatten, ließ nur langsam nach, was ihn frustrierte – obwohl er nicht verstand, warum.

Nüchtern würde sein Leid noch schwerer zu ertragen sein.

Jane, hauchte er. Jane …

Als etwas Heißes seine Wange streifte, fragte er sich, wer da Kerzenwachs auf ihn tropfte …

Ein Paar bizarr pupillenloser Augen tauchte so unerwartet vor ihm auf, dass er zusammenzuckte und sein Kopf vom Lederpolster abprallte.

Lassiter war wirklich der Letzte, den er jetzt sehen wollte. Dieses Großmaul mit dem blond-schwarzen Haar war sicher schädlich für seine Gesundheit.

»Hau ab«, knurrte V. »Lass mich in Frieden …«

Der Engel legte den Zeigefinger an die Lippen. Ganz ruhig. Alles ist gut.

Jane ist weg!, wollte V schreien. Sie ist verdammt noch mal weg, und mir ist scheißegal, was du oder sonst wer …

Lassiter streckte die Hand nach ihm aus und berührte ihn am Unterarm. Ganz ruhig. Alles ist gut.

Gar nichts ist gut!

V blickte zur Küche und fragte sich, warum Butch und Rhage nicht auf diesen unwillkommenen Gast reagierten. Aber die beiden hatten genauso wenig für Lassiter übrig wie er, also …

Auf einmal begann sich die Welt um ihn herum zu drehen, als wäre er ein Trichter, in den alles hineingesogen wurde.

Im nächsten Moment lag er flach auf dem Rücken im grünen Gras unter einem milchig weißen Himmel im Heiligtum. Und völlig zusammenhangslos fragte er sich, warum er seit Neuestem immer auf dem Rasen landete statt in der Eremitage seiner Mutter. Früher war er jedes Mal in ihrem Innenhof angekommen.

Vielleicht, weil sie nicht mehr da war? Egal.

»Lassiter«, stöhnte er. »Was willst du?«

Er setzte sich auf, rieb sich die Augen und erkannte, dass er vor der Schatzkammer saß … und der gefallene Engel war nirgends zu sehen.

Die Tür zur Schatzkammer stand offen – was merkwürdig war. Sonst war sie immer verschlossen.

V stand auf und ging darauf zu, denn in seinem Schmerz fiel ihm nichts Besseres ein, außerdem wollte er wissen, ob ihn seine Beine trugen. Okay, sie funktionierten.

Eigentlich gab es keinen Grund, durch die Tür zu sehen, doch irgendetwas veranlasste ihn, den Blick dorthin zu wenden …

In der Schatzkammer stand jemand vor einer Vitrine, den Rücken zu ihm, den Kopf gesenkt …

Kurzes blondes Haar. Zierlich. Weiblich. Sehr weiblich …

»Jane«, krächzte er und hielt sie für eine Erscheinung, die ihn quälen sollte.

Doch die Gestalt wirbelte herum.

Der Schrecken stand in diesem vertrauten, wunderschönen Gesicht, und wieder geriet die Welt ins Trudeln.

»Jane!«

Obwohl es der fieseste Scherz sein musste, den Lassiter sich je geleistet hatte, ließ V sich darauf ein. Er stürzte in die Schatzkammer und packte die zarte Figur, die so sehr nach seiner Shellan aussah.

»Vishous?«, fragte sie, als wäre sie gleichermaßen verwirrt.

Er umfasste ihren Hinterkopf, schloss die Augen und küsste sie. Und dabei betete er, dass sie nicht nur Einbildung war, ein Produkt seiner Trauer in Verbindung mit den Medikamenten, die man ihm verabreicht hatte.

»Ich dachte, ich hätte dich verloren«, presste er heiser hervor.

Und das nicht erst, seit sie die Kugel eines Lessers getroffen hatte, fiel ihm jetzt auf, sondern schon davor durch die Distanz, die zwischen ihnen entstanden war.

Jane drückte ihn, als wüsste sie, dass er sie jetzt fühlen musste. »Niemals«, erwiderte sie unter Tränen. »Du wirst mich nie verlieren …«

»Was machst du hier?«

»Ich weiß es nicht, aber es ist mir egal – küss mich einfach weiter!«

Jane umklammerte ihren Hellren mit der Kraft der Verzweiflung. Sie wusste, dass sie ihm vermutlich die Luft abschnürte, aber sie musste sich vergewissern, dass sie am Leben war – und er auch.

Sauerstoff war vorübergehend zweitrangig.

»Oh Jane, ich dachte, du wärst fort«, stammelte er mit zitternder Stimme. »Ich kann nicht glauben, dass du hier bist. Was ist passiert? Warum bist du … Scheiße, ich … ich hab keine Ahnung, was ich hier rede.«

Sie lehnte sich zurück und sah zu ihm auf. Dann musste sie sein Gesicht berühren. Sie zeichnete die Tätowierungen an seiner Schläfe mit den Fingerspitzen nach, fuhr entlang der Wangenknochen, über das Ziegenbärtchen. Aus seinen diamantenen Augen strahlte ihr eine Liebe entgegen, die sie mit Demut und Reue erfüllte.

Wie hatten sie je die Zeit verschwenden können, die ihnen gegeben war? Warum hatten sie den Bezug zueinander verloren? Wie hatten sie das zulassen können?

»V«, sagte sie flehentlich, »es tut mir so leid, dass ich die ganze Zeit mit meiner Arbeit beschäftigt war …«

»Wie? Was sagst du … nein, mir tut es leid. Ich war so ein bescheuerter Idiot.« Sie wollte widersprechen, doch er schüttelte den Kopf. »Kann ich dich noch einmal küssen? Bitte, ich will einfach nur …«

Ohne zu zögern schlang sie die Arme um seinen Hals und zog sich zu ihm hoch, wozu sie auf die Zehenspitzen gehen musste. Erneut verschmolzen ihre Münder, und das Aufeinandertreffen ihrer weichen Lippen durchdrang sie bis ins Mark.

»Bitte«, stöhnte er. »Bitte, ich brauche dich.«

Sie wusste genau, was er damit meinte, und zögerte nicht. Sie trat ein paar Schritte zurück, bis sie gegen die Wand stieß, dann löste sie die Schleife am Bund ihrer Hose und ließ sie zu Boden gleiten. Ihre Stiefel waren etwas widerspenstiger, aber schließlich hatte sie sich vom linken befreit und schleuderte ihn durch die Schatzkammer. Mehr war nicht nötig, um sich zur Hälfte ihrer Hose zu entledigen.

V fingerte an seiner eigenen Hose herum, wobei er beinahe die Knöpfe aufriss, dann hing Jane an seinem Hals, und er legte ihre Beine um seine Hüften …

Er drang so schnell und tief in sie ein, dass sie schrie. Was sie danach tat, wusste sie nicht … und es kümmerte sie auch nicht.

Vishous war von Natur aus dominant, eine Gewalt, der man sich nicht entziehen konnte, und dementsprechend war der Sex mit ihm, wild und ungezügelt. Ihre Körper klatschten aneinander, und das Einzige, was sie hielt, war die Mauer in Janes Rücken.

Doch selbst die bot keine Garantie: Mit seiner Zügellosigkeit würde er Jane am Ende durch die Marmorwand und auf den Rasen hinaus ficken … und sie genoss es. Sie genoss den fast gewaltsamen Akt, den messerscharfen Schmerz, das Gefühl, im Wald auf ein knurrendes Biest zu stoßen und sich ihm darzubieten, indem man sich auf den Boden legte.

Er war das Unkontrollierbare, das sie in keinem anderen Bereich ihres Lebens zuließ. Es hatte ihr gefehlt. Er hatte ihr so gefehlt.

Als sie zum Höhepunkt kam, rannen Tränen über ihr Gesicht. Dass sie diese Verbindung losgelassen hatte, versetzte sie in Panik – denn was wäre gewesen, wenn sie ihn für immer verloren hätte? Was, wenn die Kugel, die sie auf der Straße getroffen hatte, ihre Existenz beendet hätte? Oder schlimmer noch: Wenn sie einfach so weitergemacht hätte. Wenn die Arbeit ihr Leben bestimmt hätte und alles andere langsam verblasst wäre.

Und nicht nur sie, auch Vishous musste an sich arbeiten. Dinge ändern.

Aber wahre Liebe bestand eben nicht nur darin, dass es zwischen zwei Leuten funkte. Der Part mit der körperlichen Anziehung war der leichteste Teil. Das Leben hielt sich nicht höflich zurück, während zwei verwandte Seelen miteinander kommunizierten. Das Leben war keine feine Dame mit leiser Stimme, die ihre Dienerschaft anwies, Kanapees für die Hungrigen zu reichen. Nein, es glich eher den Gästen einer Cocktail-Party, die man zum Teil gern in die innige Zweisamkeit aufnahm … unter denen es aber auch Suffköpfe gab, die sich nicht mehr auf den Beinen halten konnten und allen über die Füße kotzten.

Vishous verlangsamte seinen Rhythmus. »Du weinst. Scheiße, ich habe dir wehgetan …«

»Nein, ich bin nur so froh, dass wir zusammen sind.« Jane schniefte, als er ihre Tränen mit den Daumen wegwischte. »Ich will einfach nur mehr davon.«

»Ich auch.« Er küsste sie.

Der Schmerz in seinen diamantenen Augen war ein Fenster in die Tiefen unter der kalten, berechnenden Intelligenz der Oberfläche. Jane wusste, dass er diese Verwundbarkeit nicht einmal seinen Brüdern gegenüber zeigte. Sie war ein Geschenk für sie, eine Bestätigung dessen, was er für sie empfand, die Grundlage ihrer Beziehung, die glücklicherweise nicht zerbrochen, sondern nur vorübergehend verschüttgegangen war.