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Der geneigte Leser findet im Werk "Der Steineiche goldene Zweige" einen Diskurs zwischen Vater und Sohn, gehalten im klassischen Versmaß. Vater Johann, der nicht mehr auf Erden weilt, besucht seinen Sohn in dessen Träumen und führt ihn auf den Weg der Weisheitslehren. Hier vermischen sich Philosophie und Religionen. Der Vater stellt seinem Sohn Lehrer vor, wie Konfuzius oder Seneca. Der Sohn begegnet König Salomon, Cato, dem Römer, Krishna, dem indischen Wagenlenker, und anderen Helden der Antike. Die Alten errichteten den Göttern Tempel, nach menschlichem Maß. Endlich möchte auch der Sohn einen Tempel errichten, der ihm festen Halt gibt und der ihn mit der Antike verbindet. Um einen Schritt weiter zu gehen: Was ist das für ein Tempel, den wir in unseren Tagen errichten?
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Seitenzahl: 80
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Praefatio
Pars prima / de initio docendi
Gesang
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Pars secunda / de studio disciplinae
Gesang
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Pars tertia / de amore sapientiae
Gesang
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Gesang
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Gesang
Gesang
Gesang
Mein Vater schaut gar tief in meine Augen
- wohl wissend, diese sind der Königsspiegel
der Seele mein -, die nass wie Seifenlaugen
den Blick erwidern, wie mit meinem Siegel
will ich mit Johann stets verbunden sein.
Sein Geist verleiht den Worten Adlerflügel,
die Lehren dringen in die Wunden ein
in meinem Herzen, das nach Wissen sucht.
Er sitzt vor einem Tuch, darunter Wein,
Kristallglas mit der herben Traubenfrucht,
der er in Maßen freundlich zugeneigt,
der Vater, der dem öden Nichtstun flucht!
Er kennt die Welt, die er mir stets bezeugt
mit seinem Wissen, das er nicht verhehlt
vor seinem Sohn, der sich davor verbeugt.
Wohl ist nicht jedermann auch auserwählt,
den Weg ins Jenseits glücklich zu beschreiten.
Und doch ist jeder Einzelne beseelt:
Zeus selbst wird ihn für alle Zeit geleiten.
Zeus selbst wird ihn für alle Zeit geleiten,
den Sterblichen, der nach der Einsicht sucht.
Der Weltraum öffnet ungeahnte Weiten.
Nur Dummheit ist von Himmlischen verflucht.
Der Mensch jedoch in seinem ernsten Streben
gelangt ans Ziel, ist er auch nicht betucht.
Zu kurz die Zeit in einem Erdenleben
für Vater Johann, der mit neunzig Jahren
verstarb in einem lauten Wetterbeben.
Doch steht er nicht im Kreise meiner Laren.
So weilt er bei mir, seinem Sohn, zuzeiten
und spricht vom Schicksal, das ihm widerfahren.
Auch ich will einstmals diesen Weg beschreiten,
den Kindern noch vom Firmament zu winken.
Er will mich mahnen und am Weg begleiten.
Noch muss ich nicht der Lethe Wasser trinken,
noch steht der Weg ins Jenseits mir nicht offen.
Doch will ich im Gedenken nicht versinken.
Mein Vater, den ich nachts oft angetroffen,
der seelisch sich aus seines Körpers Ketten
befreit, er lässt mich auf ein Wunder hoffen.
Im Traum erscheint er, um mich sanft zu betten,
erzählt von seiner düstren Odyssee,
was er erlebt, um mich davor zu retten.
Im Garten fällt der erste Winterschnee,
da fasst mich liebevoll ein heller Traum.
Ich fühle mich beschenkt von einer Fee,
den Vater vor den Augen, aber kaum
ist er bei mir, erzählt er mir vom Sterben.
Er ruht im Wald, auf ihm ein Tannenbaum.
"Du weißt, mein Sohn, es gibt kein Gut zu erben.
Ich hielt das Weißweinglas in meiner Hand,
als ich sie hob, da sprangen tausend Scherben.
Gar plötzlich, da ich keinen Halt mehr fand,
begann ich, in ein helles Licht zu fallen.
Tot war mein Körper, sinnend mein Verstand.
Am Friedhof sah ich Tote in den Hallen,
und als sie mich zur letzten Ruhe setzten,
da hörte ich die Abschiedslieder schallen."
Mein Vater, den so viele Menschen schätzten
für seine Klugheit, seine guten Gaben,
die einen andern keinesfalls verletzten!
Er ist bei mir, vor süßen Honigwaben
erscheint die magere Gestalt und meint,
ich könne mich beruhigt daran laben.
Doch als ich schaue, sehe ich, er weint.
Was ist denn Schreckliches mit ihm geschehen?
Ich frage ihn, warum er traurig scheint.
"Mein Kind, ich habe soviel Leid gesehen
in Tiefen, die kein Sterblicher geschaut.
Du wirst dies einstmals wohl sehr gut verstehen!
Das Géhinnóm, vor dem dem Manne graut,
ist voll von lauter düsteren Gestalten,
die sich aus Stein Altäre aufgebaut.
Sie dienen nicht den göttlichen Gewalten
in jenem Kreis, in dem sie sich verdünnen,
ihr Herz ist schwarz, die Geister sind gespalten.
Sie sind so hässlich wie die Vogelspinnen.
Kein Sterblicher wagt sich in jene Sphären
der Toten, wo die Lavaflüsse rinnen."
Der Vater will mich wiederum belehren,
in jenem Reich, da stinkt es wie die Pest.
"Mit solchen Leuten darfst du nicht verkehren!"
Mich schreckt das Bild, der kurze Schlaf entlässt
mich aus dem Traum, der Vater ist verschwunden.
Bei ihm bin ich ja wie ein Spatz im Nest.
So hat er mich im Tode noch gefunden
und weilt bei mir, wenn sich die schwarze Nacht
herabsenkt auf des Erdballs weiche Runden.
Ich spüre, wie mich eine Schicksalsmacht
behutsam hoch zu meinem Vater hebt
und meiner Liebe Feuer neu entfacht.
So weiß ich denn, dass er woanders lebt
als weiße Seele, die heruntersteigt,
wenn er des Nachts in meiner Stube schwebt
und mir die nächste Welt ganz offen zeigt.
Des Nachts vernehme ich die klare Stimme
des Vaters, der mich ruft mit meinem Namen,
als ich den Berg des Sisyphus erklimme.
"Die Monster, die aus ihren Tiefen kamen,
wie die Medusa, brauchst du nicht zu scheuen!
Gott selbst beschützt dich, darum glaube. Amen.
So mancher wird sein Handeln nun bereuen
(ein Sterblicher erstarrt vor ihr zu Stein),
der Tote will sein Lebenswerk erneuen.
Medusa sitzt verschlagen und gemein
in diesen angsteinflößenden Gemäuern
am Tor des Hades; sie lässt keinen ein,
als erstes von den wilden Ungeheuern,
der vor dem Richter nicht sein Fehl gestand
und suchte, seine Unschuld zu beteuern.
Wenn einer nun vor dieser Einlass fand,
trifft er auf Skylla, die ihn fressen mag.
Sie schnappt nach seinem Fuß und seiner Hand.
Dort gibt es keinen hellen Sommertag,
die Ungeheuer malen sich wie Schatten
an eine Wand, die einstmals außen lag.
Persephone jedoch mit ihrem Gatten
herrscht dort im Jenseits über alle Toten
und Ungeheuer, Mäuse und auch Ratten.
Sie schickt aus ihrem dunklen Reich die Boten
hinauf zur Sonne, dass sie euch belehren,
ganz leise warnend, wie auf Katzenpfoten.
Der Hades, dem sie stets die Treue schwören,
entsendet sie, der Sterblichen Gesinnung
zu wandeln und sie rechtens zu bekehren.
Der Wein, gemischt mit Wasser zur Verdünnung,
ist nicht so stark, dass alle Sinne schwinden;
ganz anders bei der Kirschenschnapsgewinnung:
Hier sollst du stets die rechte Dosis finden!
Genauso soll sich auch dein Tun und Denken
mit klarem Kopf an Genien entzünden.
Der Glaube kann dir Halt und Ruhe schenken
in einer Welt, die sich in einem dreht.
Der Sonnengott soll seinen Wagen lenken,
der alles sieht und jedes Wort versteht.
Jedoch in Wahrheit ist das Diesseits Leere
und unbeständig, weil es schnell vergeht.
Drum zieh aus meinen Worten deine Lehre:
Die Silberschnur, die herrliche, zerreißt
zur letzten Stunde durch des Todes Schwere."
- "Mein Vater, wie du noch von früher weißt,
bin ich gehorsam und dir stets verbunden,
und mir ist klar, was diese Weisheit heißt.
Doch da ich dich im Tode noch gefunden,
erbitte ich von dir Geduld und Nachsicht
mit mir und meines Schicksals tiefen Wunden."
Da merke ich, ich träume und bin wach nicht
so aufgeschlossen für des Vaters Reden.
Und plötzlich sehe ich auf meinem Dach Licht,
es ziehen sich aus Sternen leuchtend Fäden
herab bis zu den Bäumen, den verschneiten,
dazu erhebender Gesang der Veden.
Da sehe ich den Vater vor mir schreiten
und sich erheben in die Winterluft.
Dort oben lassen sich die Sterne deuten,
auf einmal rieche ich den Weihrauchduft,
der strömt aus einer Kirche, die wir sehen,
darunter aber liegt die Totengruft.
Auch ich will dieses Schauspiel nun verstehen
und wende mich an ihn, der mich begleitet
in Träumen zwar, die morgens stets vergehen,
der dennoch mich zum rechten Weg geleitet
in seiner geistbeflissen strengen Weise
und meinen Horizont gar mächtig weitet.
Mein Vater spricht, nach Art der Toten, leise
zu mir: "Mein Sohn, du sollst dich allzeit üben
zu schreiten in der Philosophen Kreise
und ihre Lehren ganz vollendet lieben."
Wie lange noch vernehme ich die Worte?
Schon schlägt die Turmuhr aus der Kirche sieben.
Mein Vater schließt die schwere Gnadenpforte
und nimmt mich an der Hand, wie oft als Knaben.
Dann weilen wir nicht mehr an diesem Orte,
an dem sich häufen alle guten Gaben.
"So sprich, was ist denn nun des Daseins Sinn?"
- "Du sollst dich ruhig an Brot und Rotwein laben,
denn flüchtig wie ein Traum ist es dahin!"
Bei Zeus, wie kann ich denn die Wahrheit finden
in meiner Stube, wo ich nächtens bin?
Die Gottheit lässt sich allzu schwer ergründen!
ΣΟΦΙΑ ΣΑΛΩΜΩΝ
Im Schlafe greife ich zum Buch der Weisheit
des Salomon, der mir stets lieb und teuer,
und friere wie in einer jungen Eiszeit;
denn aus dem Buche brennt gar hell das Feuer,
als Drachen kommen für ein Strafgericht,
der Atem Rauch und fallende Gemäuer.
Mein Vater kommt zu mir als Traumgesicht,
mit leiser Stimme, doch ganz ohne Wanken,
trägt er mir vor ein bebendes Gedicht.
"Und richten sich der Sterblichen Gedanken
auf Gott, der alles Treiben sieht und lenkt,
so reift die Klugheit fest und ohne Schwanken."
Das Buch der Weisheit, das mir Einsicht schenkt,
noch fest umklammert, höre ich Gesang
des Vaters, der die Königslöwen tränkt.
Mein eignes Zittern ist nicht von Belang
bei Menschenopfern auf den Baalsaltären,
die Kälte und der Stimme tiefer Klang,
ich kann mich eines Schauderns nicht erwehren.
Darauf erschallen tosend die Posaunen
und hebt das Singen an von Engelschören.
Schon gräbt ein alter Hexer nach Alraunen,
weil deren Gift fast jede Krankheit heilt.
Da höre ich den guten Vater raunen:
"Der Menschen Schmerz ist oftmals ungeteilt,
der kranke Körper wird die Psyche schwächen,
die bis zur letzten Reise drin verweilt.
Doch möchte ich, mein Sohn, vom Guten sprechen,
das die Natur den Wesen schenken will.
Du musst nur suchen, eine Pflanze brechen,
wie Salbei, Kalmus, Schafgarb, Petersil.
Ein Kundiger wird Medizin erfinden,