Der Teufel will mehr - Wallace Stroby - E-Book

Der Teufel will mehr E-Book

Wallace Stroby

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Beschreibung

Seit einem Jahr hat Crissa Stone keinen Job mehr angenommen, sorgfältig darauf bedacht, kein Aufsehen zu erregen. Das geraubte Geld aus ihren Beute­zügen hat sie geschickt angelegt. Als ihr aber das flüssige Geld auszugehen droht, wird sie unruhig und lässt sich von einem reichen Kunstsammler als Diebin anheuern. Ziel des Überfalls ist ein LKW voll geraubter Kunstschätze aus dem Irak, die Crissa stehlen soll, bevor sie wieder in ihr Heimatland zurückgeführt werden müssen und der Kunstsammler sein Geld verliert. Der Job scheint einfach, nimmt jedoch eine überraschende Wendung, weil keiner die Beute teilen will.

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Wallace Stroby · Der Teufel will mehr

Wallace Stroby

Der Teufelwill mehr

Aus dem Amerikanischenübersetzt von Alf Mayer

„Furcht beginnt da, wo das Begehren endet.“

Baltasar Gracián

„Unser amerikanisches System, nenne es Amerikanismus, nenne es Kapitalismus, nenne es wie du willst, gibt jedem einzelnen von uns eine große Chance, wenn man sie nur mit beiden Händen packt und das meiste daraus macht.“

Al Capone, Chicago 1930

1

Die untergehende Sonne tauchte das Meer in Feuer. Crissa stand auf dem Balkon und sah über die Hügel, die Häuser dort beinahe ganz von den Bäumen verborgen. Durch all den Dunst konnte sie bis zum Strand, zum Vergnügungssteg und dem dunkler werdenden Wasser sehen. Hier oben war der Verkehrslärm vom Santa Monica Boulevard nur noch ein Summen.

Eine Brise strich durch die Bäume unter ihr, Jasminduft wehte hoch. Sie warf einen Blick über die verzierte Marmorbrüstung. Zehn Meter bis hinunter auf eine geflieste Terrasse, eingerahmt von einem üppigen Garten und von Weidenbäumen, in der Mitte ein Springbrunnen mit sanft plätscherndem Wasser.

„Allein die Aussicht ist eine Million wert“, sagte Hicks hinter ihr.

Sie drehte sich um, als er auf den Balkon kam. Die Flügeltüren standen offen, die Vorhänge wehten im Wind.

„Mehr als das“, sagte sie.

Er war Anfang 30, schlank und fit, das dunkle Haar kurz, Zweitagebart. Er hatte auf sie gewartet, als sie aus dem Terminal des LAX hinaus in die Nachmittagshitze getreten war. Als sie sein Auto sah, war sie wenig begeistert. Ein glänzender, viertüriger Jaguar. So ein Wagen fiel auf, danach drehte man sich um. Aber als er ihre Reisetasche im Kofferraum verstaute und ihr die Tür aufhielt, hatte sie den Mund gehalten.

Am Flughafen hatte er Krawatte und Anzug getragen, jetzt waren es ausgeblichene Jeans und ein enges schwarzes T-Shirt. An der Innenseite seines linken Unterarms hatte er ein Tattoo, eine grün-rote Schlange, die sich um einen Dolch wand.

„Er ist jetzt bereit, dich zu sehen“, sagte er. „Ich meine, falls du so weit bist.“

Noch einmal sah sie nach Westen. Die Sonne war jetzt ganz verschwunden, die Gärten unter ihr und die Bäume nun im Schatten, der Boulevard eine lange Kette roter Rücklichter.

Sie folgte ihm durch mehrere Türen in ein großes Zimmer. In der Mitte ein Arbeitstisch aus Eiche, an der Wand Bilder, die gewölbte Decke im Dunklen.

Vor einer Lithografie blieb sie stehen. Ein Wolf, den Kopf zurückgeworfen und in die Finsternis heulend.

„Du kennst dich aus mit Kunst?“, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf.

„Aber du weißt, was dir gefällt?“

„Manchmal.“

Sie gingen die Treppe hinunter zu einem Raum mit Marmorboden, ein Kamin auf der einen, ein Flügel auf der anderen Seite. Kunst an allen Wänden, dazu Skulpturen auf Podesten. Und wieder offene Flügeltüren, durch die ein Windhauch strich und den Geruch des Gartens hereintrug.

Der Mann, der vom Balkon hereinkam, war Ende 60, das lange Haar streng zurückgekämmt, der Bart gepflegt gestutzt. Er trug einen weißen Anzug und ein hellrosa Seidenhemd mit offenem Kragen. Als er näherkam, klackte sein Stock auf dem Boden. Dick und knorrig, in den richtigen Händen wäre er eine Waffe.

„Es tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen“, sagte er. „Geschäftsangelegenheiten, um die ich mich noch schnell kümmern musste.“ Er schenkte ihr ein kleines Lächeln und streckte die Hand aus. „Ich bin Emile Cota. Schön, dass Sie hier sind.“

Sie schüttelte ihm die Hand, sah die Leberflecke, fühlte die dünne Haut und die Knochen darunter. Er deutete mit dem Stock auf ein Trio von drei breiten, gepolsterten Sesseln vor dem Kamin. „Sollen wir uns setzen? Und reden? Randall, kannst du Katya finden, damit sie uns Drinks macht? Sie ist irgendwo in der Speisekammer. Einen Macallan für mich und …“ Er sah Crissa an.

„Nichts, danke“, sagte sie.

„Wie Sie wollen. Aber bitte setzen Sie sich.“ Er deutete auf die Sessel und den Couchtisch. Hicks verließ das Zimmer.

Sie sah sich um. Was sie sah, gefiel ihr nicht. Ein Haus wie dieses hier, mit so viel Kunst, hatte versteckte Kameras und Alarmanlagen. Und irgendwo einen Raum mit Überwachungsmonitoren, die jemand ständig kontrollierte.

„Ist etwas?“, fragte er.

„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee war.“

„Sie haben noch gar nicht gehört, was ich zu sagen habe.“

„Ich meinte, hierher zu kommen.“

„Aber Sie sind hier, oder nicht? Also lassen Sie uns damit anfangen.“

Sie nahm den Sessel, der am nächsten zur Tür war. Er wartete, bis sie saß, wählte den mittleren. Den Stock legte er sich über die Knie. „Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich unter solchen Umständen mit mir treffen.“

Dazu gab es nichts zu sagen. Und es gab auch nichts, das ihn schneller auf den Punkt bringen würde. Er brauchte seine Zeit.

„Sie sind mir wärmstens empfohlen worden“, sagte er. „Zumindest, was unseren Freund in Kansas City betrifft.“

Das war Sladden, der Kontaktmann, den sie manchmal als Vermittler benutzte. Sein Anruf hatte sie hierhergebracht. Die Details, die er ihr mitteilen konnte, waren minimal gewesen, aber genug, um ihr Interesse zu wecken. Es war jetzt mehr als ein Jahr her, dass sie zuletzt gearbeitet hatte, und sie war gelangweilt und ruhelos.

„Miss Wynn also, richtig? Oder wie möchten Sie angesprochen werden?“

Christine Wynn war der Name, unter dem sie hier war, und den Sladden ihm genannt hatte. Er stand auf ihrem Führerschein und den Kreditkarten.

„Christine ist in Ordnung“, sagte sie.

Hicks kam zurück, hielt ein viereckiges Glas mit einer braunen Flüssigkeit in der Hand, ein einzelner Eiswürfel darin. Er ließ ihn kreisen und nahm den Sessel links von Cota. In seinem Fahrwasser folgte eine blonde Frau in weißem Kittel mit einem Silbertablett. Sie war um die vierzig, auf eine strenge Weise attraktiv, das Haar zurückgebunden. Der Drink auf dem Tablett sah aus wie der von Hicks, dazu eine Flasche Scotch mit blauem Etikett, eine Schüssel mit Eiswürfeln und eine grüne Flasche Perrier.

Ohne ein Wort zu sagen, setzte sie das Tablett auf dem Couchtisch ab und schraubte die Wasserflasche auf.

„Das habe ich dir bringen lassen“, sagte Hicks. „Ich dachte, nach dem Flug wäre etwas Wasser gut.“

„Danke“, sagte Crissa. Sie griff nicht zu. Sie trug keine Handschuhe, wollte keine Fingerabdrücke hinterlassen.

„Danke, Katya“, sagte Cota. „Ich denke, wir brauchen Sie heute Abend nicht mehr.“

Mit einem Blick auf Crissa verließ sie den Raum. Crissa sah ihr nach.

„Miss Wynn hat mir gerade gesagt, dass sie sich nicht ganz wohl dabei fühlt, hierhergekommen zu sein. Ich hoffe, ich kann sie beruhigen“, sagte Cota.

Hicks nickte, nahm einen Schluck.

„Sie können hier frei reden“, sagte Cota zu ihr. „Randall ist sozusagen mein Faktotum. Ein Angestellter im besten Sinne. Ich vertraue ihm wie einem Sohn. Er kennt all meine Geschäfte.“

„Wer lebt hier alles?“, fragte sie.

„Nur ich. Von Zeit zu Zeit gibt es Besucher, aber niemand ist längere Zeit hier.“

„Und was ist mit Katya?“

„Diese Monstrosität hier hat mehr als genug Gästezimmer, sie ist drei oder vier Tage die Woche hier. Die andere Zeit brauche ich hier niemanden.“

„Sie hätten ihr freigeben sollen“, sagte Crissa.

„Ja“, sagte Cota. „Ich hatte daran gedacht. Aber Katya arbeitet schon viele Jahre für mich. Ich bin sicher, dass sie gelernt hat, zu vergessen, was sie hier sieht. Nicht, dass es je viel zu sehen gäbe.“ Er hob sein Glas, prostete ihr zu und trank.

„All die Kunst hier“, sagte Crissa. „Sie müssen eine Alarmanlage haben. Ich schätze, das Haus wird auf Geräusche überwacht, und Video gibt es auch.“

„Alarm, ja. Aber keine Überwachung. Ich würde doch keine Aufzeichnungen von dem haben wollen, was in diesem Haus geschieht, oder was denken Sie?“ Er lächelte.

„Ich würde das auch nicht wollen“, sagte Hicks.

„Darüber müssen Sie sich wirklich keine Sorgen machen, glauben Sie mir“, sagte Cota. „Und wir lernen uns ja auch gerade erst kennen.“

Er hatte einen schwachen Akzent, den sie nicht einordnen konnte. Etwas Europäisches, aber abgeschliffen von den Jahren in den Staaten.

„Wie war dein Flug?“, fragte Hicks und grinste.

„In Ordnung“, gab sie den unterschwelligen Sarkasmus in seiner Frage zurück. Sie wussten nicht, woher sie gekommen war, nur wann sie ankommen würde.

„Ich würde Ihnen etwas zum Abendessen anbieten“, sagte Cota. „Aber ich denke, Sie sind der Typ, der lieber über das Geschäft redet, als Geselligkeiten auszutauschen. Liege ich da richtig?“

„Deshalb bin ich hier.“

Er setzte sein Glas ab, gab mit der Zange einen neuen Eiswürfel hinein.

„30 Jahre alt“, sagte er. „Wenn Sie einen schönen Single Malt schätzen, kann ich ihn nur empfehlen.“

„Besten Dank.“ Sie trank wenig, meistens nur Wein, und nie, wenn sie bei der Arbeit war. Die hatte für sie in dem Moment begonnen, in dem sie das Terminal verlassen und Hicks warten gesehen hatte.

„Ich bewundere Ihre Vorsicht“, sagte Cota. „Das spricht für Sie. Mir ist klar, dass es Sie beunruhigt hat, als ich vorgeschlagen habe, uns hier in meinem Haus zu treffen. Aber ich bin eine öffentliche Person. Wenn ich draußen bin, werde ich gelegentlich auf der Straße erkannt. Wir hätten uns nicht gut in einer Bar oder einem Hotel treffen können, oder wo immer Unterhaltungen dieser Art normalerweise geführt werden. Und ich wollte Sie selbst kennenlernen, nicht nur Randall schicken. Ich wollte, dass Sie mich von Angesicht zu Angesicht sehen, damit Sie genau wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Das bin ich Ihnen schuldig.“

„Ich weiß es zu schätzen.“

„Also war es sinnvoller, dass er Sie direkt am Flughafen aufsammelt und hierherbringt. Außerdem, nehme ich an, haben Sie gewiss ein wenig recherchiert, bevor Sie in den Flieger gestiegen sind.“

„Ein wenig.“

„Dann wissen Sie, wer und was ich bin. Einiges von dem, was Sie zweifellos gelesen haben, ist wahr. Vieles davon – das kann ich Ihnen versichern – ist es nicht, aber …“ Er zuckte die Schultern. „Was soll man machen?“

„Ich bin hier“, sagte sie. „Das spricht doch für sich.“

„Das tut es. Das tut es. Wollen wir einen kleinen Spaziergang im Garten machen? Würden Sie sich dann besser fühlen? Ich denke, das würden Sie, nicht?“

„Wie Sie wollen.“

Er trank seinen Scotch, setzte den Stock auf dem Boden auf, schob sich hoch. Die Anstrengung war ihm anzusehen. Hicks beobachtete ihn, machte aber keine Anstalten zu helfen.

„Randall“, sagte Cota, „wir gehen Luft schnappen. Vergnüg dich mal alleine.“ Das Glas immer noch in der Hand, wies er mit dem Stock auf eine andere Tür. „Nach Ihnen.“

Sie gingen nach unten, in einen noch größeren Raum mit noch mehr Kunst an den Wänden, und durch die Flügeltüren hinaus in den Garten. Bodenlichter erleuchteten einen Pfad, alle paar Meter konnte sie kleine Statuen sehen, das Grün um sie herum zurückgeschnitten. Flöte spielende Hirtengötter, Satyrn, Cherubim, trauernde Frauen. Im Brunnen war Licht und gab dem Wasser einen weichen blauen Schimmer. In der Brunnenmitte stand die Statue eines muskulösen nackten Mannes, einen Arm ausgestreckt, ein Bein angehoben, als wäre er auf der Flucht.

Der Duft des Jasmins war hier besonders stark. Ein leichter Wind fuhr durch die Weiden, die Enden ihrer Zweige streiften den Boden.

„Ich vermute, unser gemeinsamer Freund hat nicht viel erzählt“, sagte Cota. „Ich habe ihm ja auch wenig gesagt. War ganz schön anstrengend, ihn zu finden. Ein Name, da und dort. Leute, die Leute kennen. Ich war ziemlich stolz, als ich endlich Kontakt mit ihm hatte. Aber Geld öffnet viele Türen, besonders wenn man sich nicht scheut, es auszugeben. Wollen Sie sich setzen?“ Mit dem Stock deutete er auf eine Marmorbank. Sie schüttelte den Kopf.

„Darf ich?“

„Nur zu.“

Er sank auf die Bank, verzog das Gesicht und stellte das Glas neben sich ab. Dann stützte er einen Ellbogen auf den Stock und sah zu ihr hoch. Auf seinem Gesicht glänzten ein paar Schweißtropfen.

„Wie Sie sicher wissen, bin ich Sammler. Einiges von dem, was ich habe, haben Sie gesehen. In meinen anderen Häusern ist noch mehr. In New York, in Grenada und in Brüssel. Und zwei Lagerhäuser, in Nevada und Arizona. Es ist eine Sünde, wie viel ich gesammelt habe. Aber das ist es, was mich antreibt. Dinge zu wollen. Denken Sie nicht auch, dass es unsere Leidenschaften sind, die uns jung halten?“

„Kann sein.“

Er trank wieder von seinem Scotch, die Eiswürfel waren geschmolzen.

„Vor etwa vier Jahren habe ich einige Sachen erworben, die, wie soll ich sagen, sehr begehrenswert waren. Antiquitäten. Sie stammten aus einem Land, das damals im Chaos war. Es gab dort kein Gesetz und niemanden, der hätte entscheiden können, wem was gehört. Aber ich denke, im weitesten Sinne des Wortes hätte man sagen können, diese Sachen waren gestohlen.“

„Und weiter?“

„Wie auch immer, ich habe sie als eine Art Anlagemöglichkeit betrachtet. Hätte ich nicht zugegriffen, hätte es ein anderer getan. Es gab nur ein kleines Zeitfenster, sich ihrer zu bedienen. Also habe ich zugepackt. Und irgendwann habe ich sie, verbunden mit großen Unkosten, in die USA schaffen lassen.“

Sie hörte einen klagenden Ton aus den Hügeln hinter dem Haus, drehte sich um.

„Kojoten“, sagte er. „Sie kommen manchmal bis hier herunter, wenn es eine Dürre gibt oder ein Buschfeuer. Oder wenn sie hungrig sind. Manchmal macht sich ein Hund aus der Nachbarschaft los, wenn er das Heulen hört, und folgt ihnen in die Hügel. Er denkt, es sei ein lange vermisster Bruder oder vielleicht eine mögliche Partnerin, aber stattdessen wird er umgebracht und aufgefressen. Ich bin mir sicher, darin steckt eine Lektion.“

Sie sagte nichts. Wartete, bis er weiterredete.

„Wie gesagt, ich habe diese Antiquitäten hier eingelagert und begonnen, nach einem Käufer zu suchen. Ohne viel Aufsehen, natürlich, weil man in diesem Geschäft kaum jemandem trauen kann. Aber es hat so viel Wirbel um diese Sachen und ihre Herkunft gegeben, dass ich monatelang vergeblich gesucht habe. Unglücklicherweise gab es auch einige Leute, die nicht so vorsichtig waren wie ich. Vielleicht hatten sie noch eine Rechnung offen, vielleicht haben sie sich mal von mir übervorteilt gefühlt. Sie haben sich für ihre Informationen von den Behörden bezahlen lassen, da bin ich mir sicher. Wie auch immer, das Resultat war, dass einige Organisationen auf meine Besitzrechte – so fragwürdig sie sind – aufmerksam geworden sind. Und sie hätten eben lieber, dass die Sachen in ihre Heimat zurückgeführt werden, wo es jetzt etwas ruhiger und sicherer geworden ist.“

„Irak“, sagte Crissa.

„Wo, spielt keine Rolle. Ich war in der Klemme. Diese Autoritäten und ich sind zu einer Vereinbarung gekommen, die mich verpflichtet, die Sachen zurückzugeben – auf meine Kosten. Ich habe zugestimmt, ihren Transport an einen Ort sicherzustellen, an dem sie an die Abgesandten jener Regierung übergeben werden können, die jetzt die Eigentumsrechte beansprucht – obwohl dieser Anspruch so anfechtbar ist wie jeder andere. Meiner Ansicht nach hätte ich in Anbetracht meiner Kosten und Risiken genauso viel Anspruch auf diese Kunstschätze wie alle anderen.“

„Wie meinen Sie das?“

„Schauen Sie sich jedes große Museum auf der Welt an. Womit sind sie gefüllt? Mit Plünderungen. So lernen wir etwas über die Vergangenheit, wie wir sie lebendig halten. Diese Dinge gehören in die Hände von Leuten, die sie verstehen, die sie wertschätzen, und die Ressourcen und den Willen haben, sie zu beschützen. Und sie eben nicht der Gewalt irgendeines blutrünstigen Übergangsregimes überlassen, das gerade zufällig an der Macht ist. Wissen Sie, was die Taliban in Afghanistan mit einigen der ältesten Statuen der Welt gemacht haben, mit unschätzbaren Kunstwerken, die älter sind als 2 000 Jahre? Sie haben von den Buddhas von Bamiyan gehört?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Die größten stehenden Buddha-Figuren der Welt, eine von ihnen über 50 Meter hoch, aus dem dortigen Sandstein gemeißelt. Sie sind zerstört worden, in die Luft gesprengt, weil die neuen Machthaber entschieden haben, dass sie Beispiele antimuslimischer Götzenanbetung seien. In der ganzen Region gab es noch mehr solcher barbarischen Akte. Was wäre falsch daran, wenn jemand diese Kulturgüter in Sicherheit gebracht hätte?“

„Aber die Wertgüter, die Sie weggebracht haben, die müssen Sie jetzt zurückgeben.“

Er nickte, holte ein Einstecktuch aus seiner Hemdtasche und wischte sich die Stirn.

„Ja, und das, wie gesagt, auf meine Kosten. Mit der Zusage, dass keine Fragen gestellt werden, dass es keine lächerlichen internationalen Ermittlungen oder fadenscheinige Anschuldigungen gibt, die nur Zeit stehlen. Ich habe keine Wahl gehabt. Sie wussten meinen Namen und auch von der Anwesenheit dieser Güter in meinem Lagerhaus.“

„Die sind damit einverstanden, dass Sie es einfach zurückgeben und das Ganze keine Folgen für Sie hat? Das klingt seltsam.“

„Nun, es gibt da einige mildernde Umstände. Einen gewissen ambitionierten Regierungsbeamten bei uns würde es in kein gutes Licht rücken, wenn die ganze Geschichte bekannt würde. Er würde ohne Zweifel den ganzen stolzen Status verlieren, den er sich erworben hat. Auf diese Art bleibt das alles schön ruhig. Sie bekommen ihre Sachen zurück und ich trage die Verluste – stillschweigend.“

„Ich verstehe immer noch nicht, weshalb ich hier bin.“

„Nun, wollen Sie den letzten Streich wissen, den das Schicksal mir in dieser Sache gespielt hat? Der beweist, dass die Dummen immer Glück haben? Mitten in diesen entsetzlichen – und teuren – Verhandlungen ist das Unvorhergesehene geschehen.“

„Sie haben einen Käufer gefunden.“

Er nickte, stützte sich auf seinen Stock. „Jemand, mit dem ich schon vorher Geschäfte gemacht hatte. Jemand, den ich im Hinterkopf gehabt habe, als ich die Sachen erwarb, der sich aber damals nicht herangetraut hat, wegen der Kontroversen.“

„Jetzt denkt er, Sie sind ein motivierter Verkäufer, der einen guten Preis macht? Und der ist niedriger, als sie es ursprünglich wollten“, sagte Crissa.

„Exakt. Und wie Sie sich vorstellen können, schafft das ein Dilemma.“

„Weil Sie die Sachen jetzt zurückgeben müssen und den Deal nicht machen können.“

„Den Transport habe ich schon arrangiert, auf meine Kosten, von meinem Lagerhaus außerhalb von Las Vegas zu einem Hafen in Südkalifornien. Dort werden sie übergeben, um den ersten Teil ihrer Reise in ihr Heimatland anzutreten.“

„Und Ihnen wäre es lieber, wenn sie dort erst gar nicht ankämen“, sagte sie. „Weil Sie lieber verkaufen als zurückgeben.“

Er faltete sein Taschentuch zusammen, steckte es weg. „Bis zu der Übergabe, bis die Sachen in diesem Hafen von meinem Truck entladen sind, stehen sie unter meiner Aufsicht. Ich bin sicher, Sie sind mit dem Ausdruck vertraut, dass man einige Verbrechen – besonders die meisten Raubüberfälle – auch ‚Übergaben‘ nennt?“

Sie nickte. Sie wusste, wohin das führte, was er wollte und warum sie hier war.

„Ich würde mir sehr wünschen“, sagte er, „auf dieser langen und gefährlichen Reise durch die Wüste von jemandem ausgeraubt zu werden.“

2

„Nicht sehr unauffällig, oder?“, sagte sie, als sie wieder im Jaguar saßen und die kurvige Straße hinunterfuhren.

„Was?“, fragte Hicks. „Das Auto? Glaub mir, bei uns in Kalifornien nimmt davon niemand Notiz.“

„Was tust du für ihn, wenn du nicht Auto fährst?“

„Von allem etwas. Aber wenn du denkst, das sei eine dieser Sugar-Daddy-Sachen, dann irrst du dich. Ich muss mir meinen Lebensunterhalt verdienen. Ich habe ein Zimmer dort, das ich manchmal nutze, aber das ist auch alles.“

„Hast du einen Titel?“

„Ich denke, du könntest mich seinen Sicherheitschef nennen.“

„Braucht er einen?“

„Braucht das nicht jeder?“

Die Straße wurde steil, er schaltete herunter, nahm mühelos die nächste Kurve. Die Straße war von Bäumen und hohen Zäunen gesäumt.

Sie sah auf das Tattoo auf seinem Unterarm. „Nette Arbeit. Wo hast du es machen lassen?“

„Danke. Das hier“ – er drehte seinen Arm, spielte mit seinen Muskeln – „das war hier in den Staaten. Unten in San Pedro, draußen auf dem Pier. Deins gefällt mir auch.“

Er deutete auf ihre linke Hand, auf das chinesische Schriftzeichen innen auf ihrem Handgelenk. Eine verblasste helle Brandnarbe lag darüber.

„Es ist Chinesisch“, sagte sie. „Es bedeutet …“

„Ausdauer. Ich weiß. Passt zu dir.“

„Du kennst mich doch nicht.“

„Nur eine Vermutung. Wo hast du es machen lassen?“

„Texas.“

„Ich wette, dazu gibt es eine Geschichte.“

„Die gibt es“, sagte sie.

Als sie stumm blieb, lächelte er, schüttelte den Kopf. Sie sah geradeaus, den Scheinwerfern nach, die durch die Dunkelheit stachen.

„Was ist das, wovon du Sicherheitschef bist?“

„Du wärst überrascht. Das Haus natürlich, besonders wenn er eine Veranstaltung gibt. Ausstellungen seiner Sammlung oder was auch immer. Das gleiche mache ich auch in seinen anderen Objekten. Gelegentlich muss ich dort hinfliegen und ein Event in einem seiner Lagerhäuser oder Büros betreuen. Hält mich auf Trab.“

„Du machst das alles allein?“

„Ich habe Leute, die ich einsetze, wenn ich sie brauche. Ein Team. Jungs, mit denen ich gedient habe.“

„Das dachte ich mir. Welche Waffengattung?“

Er sah sie an. „Marines. Erstes Bataillon, Fünftes Marineregiment. Die ersten über der Böschung, 20. März 2003.“

„Der was?“

„Der Böschung. So haben wir die Südgrenze zwischen Irak und Kuweit genannt. Wir haben tagelang gewartet, die Hitze hat uns verrückt gemacht. Es war eine Erlösung, in Bewegung zu sein.“

„Wie lange bist du drüben gewesen?“

„Zwei Einsätze. Bin 2006 herausrotiert, hatte dann hier einen Job, eine private Sicherheitsfirma. So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie ich als freier Dienstleister wieder drüben war. Nur dass die Kohle um ein Vielfaches besser war.“

Die Straße wurde gerade. Durch die Bäume konnte sie die Lichter des Boulevards weiter unten sehen und den stockenden Verkehr.

„Das muss gefährlich gewesen sein“, sagte sie.

„Je mehr du weißt, desto ungefährlicher wird es. Manche Sachen lernt man nicht im Training oder aus dem Handbuch.“

„Zum Beispiel?“

Sie kamen an eine rote Ampel. Er brachte den Wagen zum Stehen, legte seine Handgelenke auf das Lenkrad.

„Vieles. Wir hatten da zum Beispiel ein Sprichwort: ‚Mit dem Splint draußen, ist Mr. Granate nicht mehr dein Freund.‘“

„Guter Ratschlag.“

„Wenn die Jungs aus dem fahrenden Fahrzeug eine Granate werfen, etwa um einen Hinterhalt aufzubrechen, ziehen sie den Sicherungsstift und lassen ihn manchmal einfach in ihren Schoß fallen. Aber wenn du das Ding scharf machst, musst du beide Hände aus dem Fenster halten. Sonst fällt dir das Baby bei einem Schlagloch in den Schoß, und dann Gute Nacht.“

Die Ampel wurde grün. Sie bogen nach links ab und waren auf einer Straße, die zum Boulevard führte. Sie hatte ihm den Namen eines Hotels dort gegeben. An der Kreuzung bog Hicks noch einmal links ab, fädelte sich in den Verkehr.

„Hör zu“, sagte er, „ich weiß, du bist gerade angekommen und wahrscheinlich müde, hast einen Jetlag. Aber da wir ohnehin zusammenarbeiten …“

„Wer hat das gesagt?“

„Ok, weil die Möglichkeit besteht, dass wir zusammenarbeiten, kann ich dir noch einen Drink ausgeben? Irgendwo, wo es gemütlich ist?“

„Danke. Vielleicht ein anderes Mal.“

„Kein Problem. Es ist hier rechts?“

„Ja“, sagte sie.

Er blinkte und fuhr in die Hoteleinfahrt. Die Glastür ging auf und ein Hausdiener kam heraus, ein Junge Anfang 20, im blonden Surfer-Look.

Hicks hielt an, ließ den Motor laufen. Als sie ausstieg, nickte sie in Richtung des Jungen. Hicks holte ihre Reisetasche aus dem Kofferraum.

„Ich denke, wir hören voneinander“, sagte er. „Ruf mich an, wenn du etwas brauchst.“

Sie hatte ein Wegwerf-Handy gekauft, bevor sie New Jersey verlassen hatte, hatte Telefonnummern mit ihm ausgetauscht. Auch seine Nummer war eine auf Zeit, das war ihr klar. Eine weitere Vorsichtsmaßnahme.

„Werde ich“, sagte sie und griff die Tasche.

„Nenne ich dich Chris, Christine oder was?“

„Ist egal. Passt alles.“

„Nun. War schön, dich zu treffen.“ Er streckte seine Hand aus.

Für einen Moment sah sie hin, aber er zog sie nicht zurück. Sie schlug ein. Sein Händedruck war warm und trocken.

„Du drückst gut zu“, sagte er. „Du hast Kraft. Das mag ich.“

Sie sah ihn an, konnte aber keinen Sarkasmus erkennen.

„Ruh dich ein wenig aus“, sagte er und stieg wieder hinter das Lenkrad.

Sie sah ihm nach wie er wegfuhr. Der Hausdiener wartete ein paar Meter weiter. Als der Wagen außer Sicht war, wandte sie sich ihm zu.

„Soll ich das auf Ihr Zimmer bringen?“

„Nein“, sagte sie. „Rufen Sie mir ein Taxi.“

Sie gab dem Fahrer den Namen eines Motels in Culver City, wo sie eine Reservierung hatte. Es war in einem Wohngebiet, Bungalows und kleine Häuser, das Motel von der Straße weg. Sie checkte ein, trug ihre Tasche aufs Zimmer. Dann rief sie bei der Rezeption an, ließ sich eine lokale Autovermietung nennen und bestellte sich für den Morgen einen Mietwagen. Sie öffnete ihre Tasche auf der Kommode, aber packte nicht aus. Wenn ihr nicht gefallen würde, was sie morgen früh hörte, wäre sie sofort weg und auf dem nächsten Flug Richtung Osten.

Sie duschte und zog sich um, fühlte jetzt die Müdigkeit, die Desorientierung nach einem Langstreckenflug. Sie war zu müde, um noch nach einem Lokal zu suchen. Auf dem Tisch lag eine Mappe mit den Speisekarten der umliegenden Restaurants. Sie würde sich etwas bringen lassen, würde sich ausruhen und dann schlafen. Morgen würde sie sich anhören, was noch zu sagen war. Und anschließend würde sie eine Entscheidung treffen.

Hicks breitete die Fotos vor ihr aus. Es waren Farbbilder von einer großen Statue, ein geflügelter Stier mit Männerkopf und breitem Bart. Er schien aus einer Wand zu wachsen, war halb frei im Stein. Oben war ein Stück glatt abgebrochen, andere Stellen waren rissig und angestoßen.

„Assyrisch“, sagte Cota von der anderen Seite des Tisches. „721 vor Christus.“

Sie waren in dem großen Raum im dritten Stock, die Flügeltüren jetzt zugezogen. An der Decke, im Schatten, drehten sich einige Ventilatoren. Hicks saß links von ihr.

„Wie viel wiegt das?“, fragte sie.

„Ungefähr 230 Kilo“, sagte Cota. „Es ist ein Lamassu, eine mythische Kreatur. Die assyrische Version der Sphinx. Sie entstand, um den Thronraum von Sargon II. zu beschützen, in Dur Scharrukin.“

„Wo ist das?“, fragte sie.

„Nord-Irak“, antwortete Hicks. „Nahe Mossul.“

„Das hier zeigt die Größenverhältnisse“, sagte Cota.

Auf dem nächsten Foto lag die Statue auf einer großen Holzpalette, halb von Segeltuch bedeckt. Daneben stand ein dunkelhäutiger Mann in Uniform. Die Statue reichte ihm zu den Schultern.

„Es gibt noch eine andere, viel größere. Die Universität von Chicago hat sie“, sagte Cota. „In ihrem Orientalischen Institut. Und eine dritte befindet sich im Britischen Museum in London. Diese hier ist die kleinste von allen und wie Sie sehen können, hat sie die meisten Schäden erlitten. Wer weiß, was mit ihr passiert wäre, wenn ich sie nicht zu uns gebracht hätte.“

Hicks holte mehr Fotos aus dem braunen Ordner und breitete sie aus. Es waren Bilder der Statue aus verschiedenen Winkeln, alle im gleichen Lagerhaus aufgenommen.

„Die haben Sie für potentielle Käufer gemacht?“, fragte Crissa.

„Für die ernsthaften. Wenn es zu diesem Punkt kam, ja.“

Das siebte Foto zeigte ein anderes Kunstwerk. Ein Wandstück mit zwei bekleideten Figuren, mit Kopfschmuck und denselben eckigen Bärten.

„Von der gleichen Ausgrabung“, sagte Cota.

Die letzten drei Fotos zeigten eine Büste, einen Männerkopf. Offene, starrende Augen, ein gewellter Bart, der Hals endete in einer unebenen Kante, war von einer größeren Statue abgebrochen. Ein hölzernes Lineal daneben diente als Größenvergleich. Die Höhe betrug knapp 18 Zentimeter.

„Lassen Sie sich nicht von der Größe täuschen“, sagte Cota. „Dies ist eines der wertvollsten Stücke, das mir je in die Hände gekommen ist. Es stammt aus der Dritten Dynastie von Ur. 2 000 vor Christus.“

Sie sah sich die Fotos noch einmal an. „Über solche Sachen weiß ich überhaupt nichts.“

„Das müssen Sie nicht. Ich wollte Ihnen nur einen Eindruck von dem verschaffen, worüber wir reden.“

„Nur diese drei?“

„Das ist alles“, sagte Hicks.

„Die andern beiden können leicht transportiert werden, aber das hier …“ Sie deutete auf das Foto mit dem geflügelten Stier.

„Er besteht tatsächlich aus drei Teilen“, sagte Cota. „So haben wir ihn per Schiff hierher transportiert. Für die Fotos haben wir ihn wieder zusammengefügt. Aber er muss in drei verschiedenen Einheiten verpackt und transportiert werden.“

„Wer ist der Mann auf dem Foto?“

„Sein Name ist Hashemi Rafsan. Er war mein Experte in diesen Dingen.“

„Militär?“

„War er“, sagte Hicks. „Irakische Armee, Republikanische Garde, er hat uns über die Wüste herandonnern gesehen.“

„Ein Pragmatiker durch und durch“, sagte Cota. „Er war mir sehr nützlich.“

„Er war mein Mann vor Ort, um zu entscheiden, was das Risiko wert war und was nicht“, ergänzte Hicks. „Vor dem Krieg hat er im Nationalmuseum von Bagdad gearbeitet.“

„Er weiß von all diesen Stücken? Was Sie herübergebracht haben?“, fragte Crissa.

„Wusste er“, sagte Hicks. „Wo ist er jetzt?“

„Bedauerlicherweise ist er nicht mehr unter uns“, sagte Cota.

„Wie das?“

„Es ist gefährlich dort drüben“, sagte Hicks. „Auch jetzt noch.“

Sie legte die Fotos in zwei Reihen. Hicks lehnte sich zurück, verschränkte seine Arme, sah ihr zu.

„Wann soll das alles passieren?“, fragte sie.

„Binnen eines Monats“, sagte Cota. „Das ist der vereinbarte Zeitraum. Wenn es länger dauert, muss ich sie das wissen lassen. Sie werden eh nicht glücklich sein, und ich würde gerne jeden Anschein von Unwilligkeit vermeiden. Wären vier Wochen ausreichend?“

„Könnte sein“, sagte sie. „Lassen Sie es mal so stehen. Sagen Sie denen nichts anderes.“ Sie besah sich wieder das erste Bild. „230 Kilo.“

„Es musste per Boot den Tigris hinunter transportiert werden“, sagte Cota. „Dann mit dem Zug zum Hafen von Umm Qasr. Wie gesagt, hat das alles etwas gekostet.“

„Und ich denke noch einmal beträchtlich mehr, wenn Sie die Fracht für den ganzen Weg zurück bezahlen müssen.“

„Eine der Bedingungen“, sagte Cota. Er legte sich seinen Stock auf den Schoß. „Ein Dilemma, wie gesagt. Und ein teures dazu.“

„Ihr neuer Käufer, wie bringen Sie die Teile zu ihm?“

Cota sah zu Hicks. „Randall?“

„Wir haben noch nicht alle Details ausgearbeitet“, sagte Hicks. „Aber ich denke, eine kleine Umleitung wäre das Beste. Der Lastwagen mit den Sachen soll eigentlich nach Long Beach gehen, wo ihn ein Repräsentant der irakischen Regierung in Empfang nehmen, den Inhalt bestätigen und das Einschiffen überwachen soll. Unser wirklicher Käufer wird aber in einem anderen Hafen warten, 100 Meilen weg.“

„Wo?“

„San Diego.“

„Das ist eine lange Strecke.“

„Aber da wird der schwierige Teil schon vorbei sein. Mein Plan ist, den Truck abzufangen, wenn er das Lagerhaus verlassen hat. Irgendwo draußen in der Wüste. Dann fesseln wir das Personal und machen uns mit den Sachen davon. Nachdem sie dem Käufer übergeben sind, ist das alles sein Problem. Das Schiff hat dann hoffentlich schon abgelegt, bevor jemand etwas merkt.“

„Ein gekaperter Truck, während gestohlene Güter unter Zwang zurückgegeben werden“, sagte sie. „Ein etwas seltsamer Zufall, nicht?“

„Wir müssen es riskieren“, erwiderte Cota. „Meine Möglichkeiten sind begrenzt.“

„Sie könnten es trotzdem machen“, sagte sie.

„Was meinen Sie?“

„Die Sachen zurückgeben.“

„Ich denke nicht“, sagte Cota. Er sah zu Hicks, der nickte, dann aufstand und den Raum verließ. „Wie viele Leute reisen mit diesem Zirkus?“, fragte sie.

„Fünf Männer. Aber wie gesagt, sie sind alle meine Angestellten oder von mir angeheuert.“

„Ist einer von ihnen eingeweiht?“ Wenn die Antwort ja wäre, würde sie am Abend im Flieger zurück sitzen.

„Das müssen sie nicht“, sagte er. „Sie haben immer die strikte Anweisung, keinen Widerstand zu leisten, wenn etwas ist. Und so wenig, wie ich ihnen zahle, werden sie nicht auf die Idee kommen, sich gegen bewaffnete Banditen zu wehren. Das wäre es nicht wert.“

„Lassen Sie uns hoffen, dass sie sich daran erinnern.“

„Ich würde mir nicht zu sehr den Kopf zerbrechen. Es wird für uns von Vorteil sein, wenn sie danach ihre Geschichten erzählen, die ja wahr sind. Der Konvoi wurde angehalten. Der Truck wurde entführt. Das war’s.“

Sie sah wieder auf die Fotos.

„Kann ich davon ausgehen, dass Ihr Interesse geweckt ist?“, fragte er.

„Viel Logistik.“

„Das würde ich Ihnen überlassen. Hicks wird Ihnen zur Verfügung stehen. Andere auch, wenn Sie es brauchen. Seine Mitarbeiter.“

„Wie sieht der Konvoi mannschaftsmäßig aus?“

„Ein einzelner Lastwagen, zwei Autos. Eins vorne, eines hinten, je ein Fahrer und ein Beifahrer als Wachen in beiden. Im Truck aber nur der Fahrer.“

„Bewaffnet?“

„Die Wachen ja.“

„Haben sie Funkgeräte?“

„Um zwischen den Fahrzeugen zu kommunizieren? Nein.“

„Aber Handys. Sicher alle von ihnen.“

„Das würde ich annehmen.“

„Das ist ein Problem.“

„Wieder verbeuge ich mich vor Ihrer Expertise in solchen Sachen.“

Hicks kam mit einem braunen Umschlag zurück, legte ihn auf den Tisch und setzte sich. Auf einem unteren Stockwerk begann eine Kuckucksuhr zu schlagen. Neun Uhr abends.

„Mindestens fünf Leute, mit denen man fertig werden muss“, sagte sie. „Also brauchen Sie ein Drei-Mann-Team. Vier wären besser. Das wäre einfacher, um für alle Fälle gerüstet zu sein.“

„Wenn Sie das vorschlagen“, sagte Cota.

„Wie wird der Truck beladen sein?“, fragte sie. „Viel Polstermaterial, nehme ich an. Lattenkisten?“

„Große“, sagte Hicks. „Mit Schaumstoff und Sandsäcken gepolstert, damit die Ladung nicht verrutscht.“

„Schlösser?“

„Nichts Besonderes“, sagte er. „Übergroße Vorhangschlösser an der Ladetür, Standard bei dieser Art von Truck. Vorschlaghammer und Brecheisen reichen da aus.“

„Oder wir könnten einen Extraschlüssel haben“, sagte Cota. „Macht weniger Aufwand.“

„Nein“, sagte sie. „Es muss nach dem aussehen, was es auch ist. Ein Raubüberfall. Ein Schlüssel sagt Insider.“

„Ah“, machte Cota.

„Trotzdem“, sagte sie, „ich bin ein wenig überrascht. Sollte es bei solchen Objekten nicht mehr Sicherheitsmaßnahmen geben? Einen gepanzerten Truck zum Beispiel? Mehr Fahrzeuge wenigstens? Das klingt sehr abgespeckt.“

„Randall, kann ich um eine Erklärung bitten?“

Sie wandte sich Hicks zu.

„In der Antiquitätenwelt ist es ein wenig anders“, sagte er. „So etwas machen wir hier andauernd. Solche Transporte, meine ich. Das Ziel ist, möglichst unauffällig zu bleiben. Je mehr Bewachung es gibt, desto mehr fällt auf, dass man etwas Wertvolles bewegt. Stattdessen macht man es schnell und einfach und erregt so wenig Aufsehen wie nur möglich.“

„Ich schätze, diese Sachen sind versichert?“

„Natürlich“, sagte Cota.

„Wird die Versicherungsgesellschaft jemanden mitschicken wollen, der ein Auge darauf hat?“

„Das haben sie bisher nie“, antwortete Cota. „Es gibt keinen Grund, dass sie es diesmal tun sollten. Falls doch, hätten sie mich längst verständigt.“

Sie nickte Richtung Umschlag. „Was ist das?“

„Ich dachte, das Mindeste, was ich tun kann, ist eine Aufwandsentschädigung, nachdem Sie auf Ihre eigenen Kosten hierher angereist sind“, sagte Cota. „Egal ob wir weitermachen oder ob Sie heute Abend weggehen und wir uns nie wieder sehen. Es gehört Ihnen auf jeden Fall.“

Er schob ihr den Umschlag näher zu.

„Wie viel ist da drin?“, fragte sie.

„5 000“, sagte Cota. „Cash natürlich. Nur eine Geste.“

„Nein danke“, sagte sie und schob es zu ihm zurück. „Wir reden dann über Geld, wenn ich entscheide, Ihnen zu helfen. Und es werden deutlich mehr als 5 000 sein.“

„Natürlich“, sagte Cota. „Aber bis dahin bestehe ich darauf, dass Sie es als Vertrauensbeweis nehmen.“

„Sie will keine Verpflichtungen“, sagte Hicks. „Sie will in der Lage sein, ohne Bedingungen und Schulden gehen zu können.“ Er sah sie an. „Habe ich Recht?“

„So etwas in der Richtung.“

Cota lehnte sich zurück. „Wie Sie wollen.“

„Wenn wir schon über Geld reden“, sagte Crissa, „was sind diese Sachen wert?“

„Auf dem freien Markt, keine Ahnung“, sagte Cota. „In gewisser Hinsicht sind sie unbezahlbar. Lassen Sie mich nur so viel sagen, dass das, was ich dafür nehme, deutlich weniger ist als ihr wahrer Wert. Und der ist beträchtlich.“

„Das ist das Risiko auch.“

„Das stimmt. Wenn Sie ein Vier-Mann-Team für nötig halten, rechnen Sie sich da mit?“

„Ja.“

„Dann wäre das hier mein Vorschlag: 200 000 in bar für Sie, 100 000 für jeden, den Sie mitbringen. Die Hälfte, wenn sie einschlagen, die andere nach getaner Arbeit. Wäre das angemessen?“

„Es kann sein, dass vier nicht reichen“, sagte sie. „Das kann ich erst sagen, wenn es läuft. Könnten fünf werden.“

„Dann bekommt der fünfte Mann – oder die fünfte Frau – von dem gleichen Kuchen. 200 für Sie, 75 für jeden Ihrer Leute, oder wie immer Sie es aufteilen wollen. 500 000 insgesamt. Und vergessen Sie nicht, Hicks wird zur Unterstützung bereitstehen. Ausrüstung, Logistik, Taktik, was auch immer. Tatsächlich ist das die einzige Bedingung, auf die ich bestehe. Dass er bei dieser ‚Mission‘ dabei ist.“

„Wenn es soweit kommt.“

„Ja, wenn. Sein Anteil gehört nicht zu den 500. Ich bezahle ihn selbst. Der Rest ist Ihre Sache. Und wie gesagt, die Hälfte vorab, den Rest hinterher.“

Sie schob die Fotos in den Umschlag zurück. „Die nehme ich mit.“

„Wenn Sie denken, dass das klug ist“, sagte Cota. „Ich muss mir außerdem Landkarten ansehen, die technischen Details für den Truck, das Lagerhaus, das Personal. Alles, was Sie mir geben können.“

„Das kann ich alles besorgen“, sagte Hicks.

„Gut.“ Sie klappte die Mappe zu und stand auf.

„Ich bringe dich raus“, sagte Hicks. „Ich fahre zu meiner Wohnung.“

„Wo ist das?“

„Venice. Ich habe eine Eigentumswohnung am Strand.“

„Gut“, sagte sie. Und dann zu Cota: „Ich schaue mir das alles an, und auch, was Hicks mir gibt.“

„Wie werde ich erfahren, wie Sie sich entscheiden?“, fragte Cota.

„Wenn ich mitmache“, sagte sie, „klingelt Ihr Telefon.“

„Und wenn nicht, sind Sie weg“, sagte er. „Weil Sie Los Angeles dann schon verlassen haben.“

„Das ist richtig.“

„Und ich kann mir Sorgen machen, was Sie mit dem Wissen tun, das Sie jetzt haben.“

„So arbeite ich nicht“, sagte sie.

Er sah auf den Umschlag mit dem Geld, dann wieder zu ihr.

„Nein“, sagte er. „Ich glaube, so arbeiten Sie nicht.“

3

Das Hotel am Sunset Boulevard hatte eine Outdoor-Bar im ersten Stock, direkt neben einem Swimmingpool. Tiki-Fackeln warfen Schatten auf die Terrasse, Lichtschimmer brach sich im Wasser. Der Blick ging auf die vom Licht der Häuser gesprenkelten Hügel. Sie fragte sich, welches das von Cota war.

Sie saßen an einem Tisch nahe am Geländer, Crissa mit einem Glas Rotwein, Hicks mit seinem zweiten Scotch. Zwischen ihnen flackerte eine Citronella-Kerze. Er hatte seine Einladung wiederholt, als sie das Haus verließen, und dieses Mal hatte sie akzeptiert, hatte diesen Ort vorgeschlagen. Sie waren jeder im eigenen Wagen gekommen und hatten sich an der Bar getroffen.

„Also“, sagte er, „was denkst du über das, was du bisher gehört hast?“

Sie sah sich um. Die Tische neben ihnen waren leer. Die meisten Gäste waren drinnen um einen Großbildschirm versammelt, auf dem ein Baseballspiel lief.

„Ich sehe mir an, was du mir besorgst“, sagte sie. „Vielleicht finden wir dann einen Weg, wie man es machen könnte. Oder auch nicht. Wie lange arbeitest du schon für ihn?“