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Ein geheimnisvolles Manuskript ändert das Leben des Schriftstellers Jan Droom radikal. Beim Versuch, die alte Handschrift zu entziffern, vermischen sich zunehmend Realität und Fiktion, Wirklichkeit und Wahn – bis am Schluss nur noch Fragen bleiben, auf die es nur entsetzliche Antworten geben kann: Was hat die verführerische Susanne mit ihm vor? Und wer ist die rätselhafte Unbekannte in Schwarz, die immer wieder Jans Weg kreuzt? Mehr und mehr gleitet er in eine albtraumhafte Welt ab, aus der es kein Entrinnen gibt.
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Seitenzahl: 465
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Eine Veröffentlichung des
Atlantis-Verlages, Stolberg
Mai 2020
Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin
Titelbild, Innengrafiken und Umschlaggestaltung: Timo Kümmel
Satz: global:epropaganda Michael Haitel
ISBN der Printausgabe: 978-3-86402-680-5
ISBN der eBook-Ausgabe (ePub): 978-3-86402-736-9
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»Ah! Ich bin so verlassen, dass ich dem ersten besten Götterbilde meine Sehnsucht nach Vollkommenheit darbiete.«
Rimbaud
Die schwarzgekleidete Frau betrat das kleine Antiquariat, ging an dem Inhaber vorbei, der hinter seiner mit Büchern vollgestopften Theke nicht einmal aufschaute, und begab sich zu den Literaturregalen im hintersten Teil des schmalen, dunklen Ladens. Sie hielt ein kleines, schwarzes Leinenbändchen in der Hand, das sie mitgebracht hatte, und öffnete es ein letztes Mal. Ihr breitrandiger Hut neigte sich beinahe bis auf die Blätter. Dann klappte sie das Büchlein zu und zwängte es zwischen zwei dickleibige Romane. Sie drehte sich rasch um, senkte den Kopf, sodass ihr Gesicht unsichtbar blieb, und ging schnell an dem Antiquar vorbei und hinaus in die Glut des Sommers. Sie schien sich im Flimmern der Hitze aufzulösen.
Der Antiquar hatte nichts davon mitbekommen; er hatte nicht die schwarzgekleidete Frau bemerkt und auch nicht, dass sie ihm etwas geschenkt hatte. Nein, eigentlich hatte sie das Buch nicht ihm geschenkt, sondern demjenigen, der es entdecken und kaufen würde. Ein Ahnungsloser, ein Unschuldiger würde es sein, ein Mensch, dessen Schicksal sich an dem Tag entschied, an welchem er den kleinen, in schwarzes Leinen gebundenen Band mit zu sich nach Hause nahm. Er würde erst begreifen, dass etwas nicht stimmte, wenn es schon zu spät war.
Viel zu spät.
Das Spiel konnte beginnen …
Gestern war es einfach unerträglich. Es war ein entsetzlich heißer Tag; das Thermometer am Küchenfenster zeigte zweiundvierzig Grad in der Sonne an. Heute Morgen ist es auf vierunddreißig Grad gefallen, doch der wolkenlose, grausam blaue Himmel verspricht erneut, die Stadt in einen Höllenofen zu tauchen. Schon saugt sich mein Hemd wieder am Rücken fest; wenn ich mich leicht bewege, laufen kitzelnde Rinnsale die Haut entlang, fangen sich im Bund der Hose und hinterlassen, wenn sie getrocknet sind, ein Gefühl von unsauberer Klebrigkeit. Es ist keine Besserung in Sicht. Gestern vor genau zehn Jahren stürzte sich meine Mutter in einem Anfall von schizophrenem Wahn von dem Balkon dieser Wohnung drei Stockwerke tief in den Tod. Ich hatte gehört, wie sie die Balkontür öffnete, hatte das Klimpern ihrer langen Fingernägel auf dem Blech der Brüstung gehört, hatte den Schrei gehört, der so erschreckend schnell leiser wurde. Noch immer irritiert es mich, dass ich keinen Aufprall vernommen habe, sondern nur den beinahe endlosen Schrei. Sie war auf der Stelle tot. Zehn Jahre. Dreizehnter August. Jedes Jahr bricht es an diesem Tag durch die dünne Oberfläche meines kleinen Lebens. Ich trauere nicht mehr, dennoch bleibt ein seltsames Gefühl; es wird mich durch mein Leben begleiten wie ein lästiger Freund: Ein Gefühl der Leere genauso wie ein Gefühl für die Bedeutung des Augenblicks, denn nicht große Zeitabläufe, sondern Sekunden und Bruchteile von Sekunden entscheiden über unser Leben – eine Gegenwart, die es eigentlich gar nicht gibt. Wo hört die Vergangenheit auf und beginnt die Zukunft?
Ich weiß nicht, warum ich überhaupt noch etwas unternehme. Warum bewege ich meinen Körper und meine Gedanken in einer gefrorenen Welt? Auch unter der Hitze liegt eine gefrorene, eine erfrorene Welt.
Jan Droom stand von seinem kleinen Pressspanschreibtisch auf und ging an das Fenster des Zimmers, in dem er den weitaus größten Teil seiner Zeit verbrachte. Er schaute hinaus auf die schmale, unter Hitze und Dürre braun gewordene Wiese, die zwischen der Rückfront des großen Wohnblocks und einer etwa drei Meter hohen Backsteinmauer lag, hinter der sich ein staubiger Garagenhof erstreckte. An diesen schloss sich in einiger Entfernung ein Bahndamm an, der von alten Platanen gesäumt war, und dahinter ragten die Giebel eines Wohnsilos in den bleichblauen, hitzeflirrenden Himmel. Links neben dem Garagenhof standen quer zu Jans Blick weitere Wohnhäuser, die bis beinahe in die Bahnlinie hineinreichten. Kinder tobten auf der Sackgasse zwischen den zu schwitzen scheinenden Gebäuden und verhöhnten die sengende Hitze.
Frohe Kindheit! An seinen Vater konnte er sich kaum erinnern. Er war ein stiller, mürrischer Mann gewesen, den Jan nie hatte lachen sehen. Nicht einmal ein Lächeln hatte Platz in dem grausteinernen Gesicht gefunden. Er starb, als Jan noch ein Kind war – woran, hatte Jan nie erfahren.
Jan ging zurück zum Schreibtisch und setzte sich vorsichtig wieder auf das feucht gewordene Holz seines wackligen Stuhls. Jede Bewegung war eine Qual. Er schwitzte fürchterlich, nahm ein Papiertuch aus der Brusttasche seines Hemdes und fuhr sich damit über die Stirn. Es weichte sofort auf. Weiße Fasern klebten an seiner Haut.
Mit langsamen Augen las Jan die wenigen Zeilen in seinem Tagebuch. Er hatte sich vor vielen Jahren vorgenommen, über jeden Tag zu schreiben und so einen Roman über sein inneres und äußeres Leben zusammenzustellen, doch schon nach wenigen Wochen war ihm der Zwang, den die weißen Tagebuchseiten auf ihn ausübten, unerträglich erschienen. Er besaß nichts, was er hätte festhalten können. Er sagte sich, dass es eine gute Übung sei, eine Stilschule, doch er vermochte sich nicht zu überlisten. Lieber schrieb er über Dinge, deren Beziehung zu seinem eigenen Leben er verleugnen konnte.
Jan Droom war Schriftsteller.
Seit zwei Jahren mühte er sich mit dem geschriebenen Wort ab und hatte einen Roman verfasst, der bisher unveröffentlicht geblieben war. Jan schaute auf seine Armbanduhr. Der Postbote musste dieses Haus schon bedient haben. Jans Herz schlug einen Takt schneller. Vor einigen Wochen hatte er seinen Roman wieder einmal an zwei Verlage gesandt und bisher keine Antwort erhalten. Natürlich gab es keinen Grund zur Hoffnung. Wenn Post für ihn dabei gewesen wäre, hätte der Bote geschellt. Doch vielleicht … Es folgte das tägliche Ritual.
Jan stand langsam auf und ging in den schmalen, kahlen Flur. Er nahm den kleinen Bund vom schmiedeeisernen Schlüsselbrett und öffnete vorsichtig die Wohnungstür, nachdem er gehorcht hatte, ob alles ruhig war. Er wollte niemandem begegnen. Jan hasste die Fragen und den Spott in den Augen der anderen, und er vermied es, in diese Augen blicken zu müssen, denn er hatte Angst, dass sie nichts als Spiegel sein könnten. Die Türen seiner Nachbarn zur Rechten und zur Linken – Jan wohnte in einer Mittelwohnung, deren beide Zimmer zum Hof hin zeigten – blieben verschlossen, doch die Türspione starrten wie lidlose Augen hinaus auf den Treppenabsatz. Wer wusste schon, mit welchem Gehirn sie verbunden waren?
Zögerlich und ängstlich darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, tappte Jan in seinen weichen Pantoffeln nach unten. Je tiefer er kam, desto milder wurde die Hitze, dennoch war dieser Abstieg für ihn nicht angenehm. Er wusste nicht, wer hier wohnte, und er wollte es nicht wissen. Jede menschliche Zugegenheit störte ihn. Er schlich an den Türen vorbei, als wären es Fallen.
Endlich hatte er das Erdgeschoss erreicht. Mit einem schnellen Blick sah er, dass aus einigen Briefkästen schmutzig weiße Umschläge herauslugten. Sein eigener Kasten war natürlich wieder einmal leer. Dennoch schloss Jan ihn auf, um sich zu überzeugen. Nicht einmal Staub lag darin.
Er hastete hoch und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Das Tagbuch klappte er zusammen und legte es fort. Warum fürchte ich mich so?, fragte er sich mit lauter, belegter Stimme.
Manchmal redete er mit sich selbst, nur um diese Stimme zu hören und ein Zeichen von Leben durch die kleinen Zimmer zu schicken.
Es ist nicht meine Schuld, dachte er, als er eine kleine Holzschale auf dem Schreibtisch öffnete, einen Bleistift daraus hervorholte und an ihm kaute. Es war die Schuld seiner Eltern. Sein Vater war kein Vater für ihn gewesen, und seine Mutter hatte lange Jahre an jener Krankheit gelitten, die ihr schließlich zum Verhängnis geworden war. Menschliche Kontakte waren verboten; Jan war wie auf einer Insel aufgewachsen, einer Insel des Schreckens inmitten eines Meeres der Dunkelheit und Fürchternisse. Wie oft hatte er sich nach dieser Dunkelheit gesehnt, in sie eintauchen wollen, nur fort, fort von der Insel.
Jan legte den Bleistift wieder fort, stand auf und ging erneut zum Fenster. Er blickte sich um und sah seinen grotesk dünnen Schatten auf dem fleckigen grauen Teppichboden. Er löste das klebende Hemd vom Rücken und starrte hinaus. Heute würde er nicht arbeiten können. Was sollte er auch schreiben? Die Ideen entzogen sich ihm hartnäckig. Er hatte das Gefühl, einen großen Roman beginnen zu müssen, in einer Verkleidung seine Träume und Gedanken auszubreiten, doch ihm fiel keine Handlung ein, durch die ihm das hätte gelingen können. Manchmal befürchtete er, dass sein erster Roman ihn ausgebrannt zurückgelassen hatte.
Die Minuten hafteten wie Klebstoff an ihm. Er hasste solche Tage mehr als alles andere. Sie verwehrten ihm den Rückzug in die Fantasie und ließen ihn auf die Leinwand der Realität schauen, zwangen ihn, die Augen offenzuhalten, obwohl er die Eintönigkeit kaum mehr ertragen konnte, und gaben ihm das Gefühl, in seinem leichten, mageren Körper, der kaum Schutz bot, auf ewig eingesperrt zu sein. Wie sehr wünschte er sich, eines Tages seinem Gefängnis zu entkommen.
Er stand am Fenster, vielleicht eine Stunde lang, und seine Gedanken glitten auf dem öligen Brackwasser seines Bewusstseins umher. Mit dem Strom leben – Anerkennung haben – Liebe erringen. Träume von Unmöglichkeiten. Träume, die Träume bleiben sollten. Es wäre unerträglich, wenn auch die Refugien der Träume verschlossen würden, nur weil sie wahr geworden waren, in welcher Art auch immer.
Endlich war es Zeit für das Mittagessen. Jan ging langsam in die Küche, holte aus dem alten, brummenden Kühlschrank eine Dose mit Linsensuppe und entleerte ihren Inhalt in einen kleinen Topf. Er ekelte sich vor dem Geräusch, vor der Konsistenz dessen, was da nun braun und halbfest im Topf lag.
Die Suppe wurde warm, verflüssigte sich ein wenig, und als sie erste Hitzeblasen warf, schüttete Jan sie in einen tiefen Teller, stellte ihn auf den kleinen Küchentisch mit der geblümten Wachsdecke, setzte sich davor und löffelte seine noch lauwarme Suppe. Er hatte es sich angewöhnt, jeden Mittag eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, auch wenn er sich bisweilen dazu zwingen musste. Es war neben einem kargen Frühstück das Einzige, was er am Tage aß, und das war gut so, denn die Preise für Nahrungsmittel waren schließlich hoch.
Fertig. Er beförderte den Teller unsanft in die Spüle, sodass der Löffel klapperte, und ging wieder in das Wohnzimmer.
Um sich abzulenken, zog er aus dem schmalen Bücherregal wahllos ein Taschenbuch heraus. Es gab fast nur Taschenbücher dort. Das Regal war die einzige Anschaffung, die Jan getätigt hatte, nachdem er allein in dieser Wohnung zurückgeblieben war. Seine Eltern hatten nichts für Bücher übrig gehabt. Er hatte das »Schloss« von Kafka erwischt. Nein, das war nichts für nun. Er schaute an den Rücken der anderen Taschenbücher entlang. Zumeist waren sie von kräftigen Bruchstreifen verunziert, schiefgelesen und besaßen verknickte Umschläge. Das war nicht Jans Werk, o nein, er behandelte das gedruckte Wort pfleglich, denn er wusste, welche unendlichen Mühen es kostete, überhaupt gedruckt zu werden. Die Bücher hatte er antiquarisch für eine oder zwei Mark erworben, denn neue Bücher konnte er sich nicht leisten.
Da kam ihm eine Idee. Das Herz hüpfte ihm bei dieser Vorstellung. Heute würde er ausgehen und ein neues Buch kaufen! Halt! Besaß er überhaupt noch genügend Geld? Jan stellte den Kafka zurück und flog zum kieferhellen Wohnzimmerschrank. Seine Hast wurde mit einem Schweißausbruch bestraft. Er wischte sich die Tropfen unwirsch von der hohen Stirn und riss eine der Schubladen auf, wo er seine Geldbörse verwahrte. Er warf einen beängstigt vorsichtigen Blick hinein und zählte die Scheine und Münzen. Es waren noch dreiundneunzig Mark. Reichtümer! Aber sie mussten bis zum Ende des Monats vorhalten. Wenn er bei seinem Lebensmitteleinkauf vorsichtig war, konnte er zehn Mark für Bücher einkalkulieren! Hastig verstaute Jan das Portemonnaie in der Gesäßtasche seiner Hose, zog die Schuhe an, nahm den Schlüsselbund und trat nach draußen.
Es gierte nach ihm.
Die Straße empfing ihn mit der erdrückenden Wärme eines Backofens und nahm ihm den Atem. Jan ging einige Meter nach rechts die Liebigstraße entlang, musste wieder stehen bleiben, um Luft zu holen, ging weiter. Er überquerte die Einmündung der Sackgasse, die zu den Häusern hinter seiner Wohnung führte und von wo noch immer das Kreischen der Kinder zu hören war. Vorbei an einer Getränkehandlung, einem Blumengeschäft, einem Zeitschriftenladen, einem Versicherungsbüro, nun von der Liebigstraße weg, rechts hinein in die Herkulesstraße, der Innenstadt entgegen. Je weiter er von seiner Wohnung fortkam, desto sicherer fühlte er sich. Bald brauchte er niemandem mehr aus dem Weg zu gehen, denn hier kannte ihn niemand mehr, hier war er wie alle anderen.
Zu seiner Linken war ein kleiner Park angepflanzt, eigentlich nicht mehr als ein Grünstreifen. Von darunter drangen dumpfe Geräusche herauf, ein Brummen und Grollen und Röhren. Unterwelt, dachte Jan. Es war bloß die Stadtautobahn, die nur wenige Hundert Meter weiter an die Erdoberfläche stieß und einen Strom von glänzenden Metallleibern ausspuckte. Der Park war nichts weiter als der bepflanzte Schalldeckel der Autobahn. Schalldeckel. Schädeldeckel. Rasende Gedanken darunter, in unsinnigen Bewegungen, ausgespuckt am Ende durch ein todbringendes Loch, gleichzeitig ein erlösender Ausgang. Jan schüttelte den Kopf. Zu verrückte Gedanken.
Nun lief er neben den Autos her, die der stickigen Dunkelheit entronnen waren; manche fuhren noch mit Licht, konnten sich von der Vorstellung der Finsternis offenbar nicht trennen, trauten der fremden Sonne nicht. Jan sah die roten Rücklichter vor sich verglühen. Sie brachten einen Luftzug mit, der das Gehen erträglicher machte.
Jan schlenderte an der Autobahnabfahrt entlang, sah rechts in einiger Entfernung hinter Bäumen das Rüger-Hochhaus, mit dreckigbunten Plastikplatten verkleidet, und sogar von hier aus konnte man die schmierigen Fenster und die grauen, oft zerrissenen Vorhänge und Gardinen erkennen. Schutt. Gedankenschutt. Dann überquerte er die Subbelrather Straße, kam an dem eingezäunten Platz vorbei, wo Obdachlose in alten Bauwagen lebten, der Stadt ein ständiger Dorn im Auge, und doch gehörten Jans Sympathien diesen Gestrandeten. Dass er sich nicht zu ihnen gesellen musste, hatte nur einen einzigen Grund.
Er war reich.
Seine Mutter hatte jede Mark, die sie in die Finger bekam, gespart. So war Jan an ein Leben gewöhnt worden, von dem wahrscheinlich selbst diese Obdachlosen gesagt hätten, es sei unerträglich karg. Auf diese Weise war ein kleines Vermögen zusammengekommen, und Jan brauchte nicht mehr zu arbeiten, doch er musste äußerst sparsam sein. Schließlich bestand die Gefahr, alt zu werden, lange von dem Geld zehren zu müssen.
Nun unterquerte er die Bahnstrecke; in der Unterführung roch es wie immer nach Urin und Erbrochenem; ein beinahe heimischer, untrennbar mit diesem Ort verbundener Geruch. Gerüche wecken Erinnerungen stärker als Gesichter oder Geräusche. Und dieser Gestank war ihm der Vorbote für ein interessantes, billiges Taschenbuch, für Leseerfahrungen und Traumreisen, für Fluchten aus seiner Welt. Darum ging er lieber zu Fuß in die Stadt, als mit der Bahn zu fahren. Es war wie der Spannungsbogen in einem gut geschriebenen Roman. Außerdem stellte der Kauf einer Fahrkarte einen Luxus dar, den er sich nicht leisten konnte. Und überdies wäre er in der Bahn zusammengepfercht mit unzähligen schwitzenden, ausdünstenden Leibern, mit unfreundlichen Gesichtern, mit spitzen Ellbogen und sprachlichen Auswürfen. Nein.
Keine Wolke erbarmte sich des weißlichblauen Himmels, er war eher eine Hölle, die ihre Glutströme über den Straßen der Stadt ausgoss. Jan spürte, wie sich große Schweißflecken unter seinen Armen ausbreiteten. Es war ein Fehler, heute nach draußen zu gehen. Steh es nun durch! Welten warten auf dich – vielleicht. Entscheide dich: welches Antiquariat? Heybutzki am Hahnentor vielleicht? Dort gab es immer viele Taschenbücher, aber sie waren nicht mehr so billig wie vor einigen Jahren noch. Oder Sasserath & Winges in der Hahnenstraße? Die beiden Läden lagen so nah zusammen, dass Jan sie beide aufsuchen wollte. Dann wäre es genug des Vergnügens.
Er ging an Sankt Gereon vorbei, bog in die Mohrenstraße ein, folgte ihr bis zum Neumarkt, dem brandenden Herz der Stadt, wo sich noch vor Kurzem die Fixer ihren goldenen Schuss in aller Öffentlichkeit gesetzt hatten, bis endlich die Polizei hart durchgegriffen hatte. Es hatte Aufregung gegeben, Vorwürfe an die Polizei, und in gewissem Sinne konnte Jan die Drogenabhängigen verstehen, und er konnte verstehen, warum es immer mehr wurden. Die Träume starben in dieser Welt, und kein Mensch kann ohne Träume leben. Die Junkies waren zu schwach, diese Träume in sich selbst zu erschaffen; sie holten sie von außen und erlagen ihrer Macht. Wehe dem, der fremde Träume über sich Herrschaft erlangen lässt! Doch nun waren sie fort, entrissen den Passanten nicht mehr die Handtaschen, starben nicht mehr in der Öffentlichkeit, sondern ertranken irgendwo in den Kloaken ihrer Visionen, um die Illusion einer sauberen Stadt nicht zu beschmutzen.
Rechts hinein in die breite Hahnenstraße. Dort war der erste Buchladen. Vor seinem Schaufenster standen mehrere Kartons mit billigen gebundenen Büchern. Niemand beugte sich gerade über sie; es war Jans Chance. Niemals hätte er darin herumgewühlt, wenn noch jemand gerade in den Büchern gestöbert hätte. Menschliche Nähe. Schweiß, Gestank, abgestandene Träume und vermoderte Hoffnungen. Nein, danke!
Jan fand nur Schmöker von Konsalik, Grisham und dergleichen. Also gab er es auf und betrat den Laden.
Die Tür stand offen. Jan räusperte sich, wünschte dem jungen Antiquar hinter dem Tresen links der Tür einen guten Tag und huschte an ihm vorbei. Jan spürte, wie sich sein Rücken krümmte, als er den erwiderten Gruß des Antiquars hörte, denn diese Worte waren der Beweis dafür, dass Jan gesehen und möglicherweise sogar beobachtet wurde. Er schlich links an dem breiten Mittelregal vorbei, vor dem eine verglaste Vitrine die Schätze des Ladens eifersüchtig hütete, und huschte zu den langen Reihen mit den Taschenbüchern. Er suchte die Rücken sorgfältig ab, fand das eine oder andere ihm interessant erscheinende Buch, doch ihre Preise waren geradezu unverschämt, sodass er sie flink wieder in das Regal stellte. Schließlich sah er sich noch bei den gebundenen Büchern um. Er entdeckte den zweibändigen fantastischen Roman »Eleagabal Kuperus« von Karl Hans Strobl in der Erstausgabe, doch er war viel zu teuer für Jan. Ihn faszinierte die Dickleibigkeit dieses Werkes, und er wünschte sich, in dessen Geheimnisse eintauchen zu dürfen, aber von dem Preis des Romans konnte er zwei oder drei Wochen leben. Wenn er erst einmal angefangen haben würde, sein Geld so bedenkenlos zu verschleudern, stünde er bald vor dem Nichts. Und wie sollte er in den Straßen Kölns überleben? Das Gespenst der elendesten Armut, der Obdachlosigkeit und der Bettelei stand übergroß vor ihm. Die Verführungskraft des Buches war gewaltig, doch er widerstand ihr.
Literatur des Rätselhaften und Unmöglichen, des Fantastischen: hier lag seine Welt, seine Vorliebe. Auch sein eigener Roman hatte fantastische Züge; es war ein Roman um das Hinabtauchen in die Nachtseite einer anonymen Stadt, um schreckliche Abenteuer eines schwachen Helden, in dem Jan sich selbst gezeichnet hatte – sich und alle seine Ängste und Befürchtungen. Er spürte, dass dieser Roman lebte, doch er befürchtete zugleich, dass er nichts anderes mehr schreiben konnte, nachdem er seinem Seelenleben einen für ihn gültigen Ausdruck gegeben hatte.
Mit hängenden Schultern verließ Jan das Antiquariat und war froh, den Blicken des Buchhändlers entronnen zu sein. Auf zum nächsten Laden!
Auch im heybutzkischen Geschäft wurde er kurz begrüßt, wie ein Unbekannter, obwohl er oft hierher ging, wahrscheinlich konnte sich niemand an ihn erinnern. Nie konnte sich jemand an ihn erinnern. Lag das an seinem ausdruckslosen Gesicht? Seine Züge waren zu ebenmäßig, um interessant zu sein, zu glatt, um der Erinnerung einen Halt zu geben, zu langweilig, um Blicke auf sich zu ziehen. Es war nicht verwunderlich, dass noch nie eine Frau Jan länger als eine verworrene Sekunde in die Augen geblickt hatte; länger brauchte keine, um sich zu vergewissern, dass sie sich geirrt hatte.
Auch hier durchstöberte Jan die Taschenbuchabteilung. Dabei überlegte er sich, wie es wohl wäre, wenn er einmal ein wirklich interessantes Buch fände, ein Buch, das sein Leben verändern würde. Was für ein Buch das sein könnte, wusste Jan nicht zu sagen, es war eine nebelhafte Vorstellung von einem Katapult in andere Regionen, aus denen er nicht mehr fliehen musste.
Er entdeckte kein Taschenbuch, das ihm zusagte oder ihn länger als einen kurzen Blick auf die Inhaltsangabe fesselte. So würde er kein Geld ausgeben und den Abend in Langeweile verbringen. Er besaß nicht einmal einen Fernseher, weil ihm die Gebühren zu teuer waren.
Ein wenig streunte er noch an den übrigen Regalen entlang, die träge in der stickigen Luft brüteten. Er warf einen Blick in die philosophische Ecke – alles Spinner!, dachte er erbost, ihr saßet im Speck und sinniertet über den Hunger –, in die theologische Ecke, die ihn beunruhigend anzog und gleichermaßen abstieß, und endlich kam er zur Belletristik. Hier hinten schien es noch wärmer zu sein. Schweiß strömte ihm über die Stirn; Schweiß rann ihm an den Händen herab. Er fühlte sich wie in einem Kokon.
Da stand eine Frau in einer schwarzen Bluse und einem schwarzen, bis beinahe zu den schmalen Schuhen reichenden Rock. Sie trug einen lächerlich breiten schwarzen Schlapphut und zog mit einer leuchtend weißen, feingliedrigen Hand ein Buch aus dem durchhängenden Regal. Wenn sie nicht da gewesen wäre, hätte Jan gern die Regale abgesucht, denn hier fand er manchmal ein erschwingliches gebundenes Buch, doch er traute sich nicht, allzu nahe an die Frau heranzugehen. Jan blieb bei den Reiseführern stehen, von wo aus er einen guten Blick auf die Schwarze hatte, und wartete darauf, dass sie sich endlich anderen Regalen zuwandte. Jan sah aus den Augenwinkeln heraus, wie die Schwarze das Buch zurück in das Regal schob und dann mit schnellen Schritten den Laden verließ. Jan atmete auf und durchstöberte die Romane.
Er kam zu dem Buch, das die Frau kurz zuvor zurückgestellt hatte. Es trug keine Rückenaufschrift und war in schwarzes Leinen gebunden, wie eine Kladde. Jan zog es neugierig heraus und schlug es auf.
Er hatte es gefunden.
Das Buch, das sein Leben verändern sollte.
Antiquariate sind Zweithand-Traumhandlungen. Für fünf Mark habe ich vorgestern ein Buch gekauft. Es war ein Risiko, denn ich weiß nicht, was in diesem Buch steht. Es ist eine Handschrift, in Sütterlin verfasst, wahrscheinlich aus dem 19. Jahrhundert. Die Buchstaben sind spitz, greifen nach oben und unten jeweils in die nächsten Zeilen über wie kleine Krallen und Klauen, und sie sind gestochen scharf. Doch ich kann sie nicht lesen. Den ganzen gestrigen Tag habe ich damit verbracht, einen Sinn in einzelne Worte zu bringen. Meine Kenntnisse reichen leider nicht aus; es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als in der Stadtbibliothek nach einem Lehrbuch für Sütterlin oder zumindest nach einem beispielhaften Alphabet zu suchen. Vielleicht gibt es so etwas auch in den großen Lexika. Es ist ein Jammer, dass ich keines besitze. Ich vermute, dass sich die Arbeit lohnen wird, denn der Titel ist in lateinischen Buchstaben geschrieben und lautet: »Der Teufelspakt«. Vielleicht ist es der Wink eines wohlmeinenden Schicksals, vielleicht sollte ich diesen Titel zum Anlass nehmen, einen neuen, historischen Roman, möglicherweise aus der Zeit der Hexenverfolgung, zu konzipieren. Historische Romane haben augenblicklich großen Erfolg, wahrscheinlich aufgrund der auf das Vergangene ausgerichteten Zeit, in der wir stecken. Wir schauen nur noch zurück, weil das, was da vor uns liegt, alles andere als angenehm zu werden verspricht. Und das, was um uns herum liegt, sind bereits Trümmer. Warum soll nicht auch ich mich auf diese Flucht begeben – und damit sogar Geld verdienen? Es gibt nur ein Problem: Mir fehlen die Detailkenntnisse über vergangene Epochen. Vielleicht aber kann ich sie aus dieser Handschrift ziehen? Wenn die schwarze Dame nicht gewesen wäre, die so eifrig in diesem Buch geblättert hatte, wäre es mir vermutlich entgangen.
Jan war der Gedanke, seine Wohnung verlassen zu müssen, unangenehm. Ein Lebensmitteleinkauf wäre erst morgen notwendig, und er betrat die Außenwelt so selten wie möglich. Doch das Buch vor ihm auf dem kleinen Schreibtisch reizte ihn. Es lag da wie ein ungeheurer schwarzer Kakerlak, und manchmal schien es Jan, als bewege es sich tatsächlich. Er rieb sich die Augen. Der Schweiß von den Handflächen brannte in ihnen und überzog sie mit einem feuchten Film, der die Dinge verschwimmen ließ.
Er stellte sich den Glutofen der Straße vor; hatte er nicht vorgestern genug davon bekommen? Der vergangene Tag war ein Tag des Ausruhens gewesen, ein Tag der Kontemplation. Eigentlich hatte er nur wenige Anstrengungen unternommen, das Buch zu lesen. Er hatte darin herumgeblättert, hier und da einen Buchstaben identifizieren können, und das reichte ihm bereits, denn es gab seiner Fantasie genügend Nahrung. Nein, sein Wunsch, das Buch zu entziffern, war halbherzig. Die Bemühungen, den Text aufzudecken, gaben seinem Leben kurzfristig wieder eine Richtung; nun hatte er ein Ziel und eine Aufgabe, und diese wollte er so schnell nicht lösen. Er würde es nicht zulassen, dass sein Streben, das gerade eine schmale Rinne gefunden hatte, in der es entlanglaufen konnte, schon nach kurzer Zeit wieder in die Unbegrenztheit der Sinnlosigkeit einmündete. Also musste er ökonomisch vorgehen, und dies bedeutete, dass er heute auf gar keinen Fall die Stadtbibliothek aufsuchen würde; ebenso wenig morgen, denn dann musste er sich um sein leibliches Wohl sorgen. Eine ekelhafte Aufgabe. Er schüttelte sich, als er daran dachte. Er musste untertauchen zwischen stinkende Leiber, miasmatische Ausdünstungen, grauenhafte Rüpeleien und dolchartig stechende Blicke. Er fragte sich, warum es nur immer ihn ereilte.
Jan stand auf, öffnete die Glastür zum Balkon, der zwischen dem Wohn- und dem Schlafzimmer eingeklemmt lag, machte einen vorsichtigen Schritt hinaus und lehnte sich auf die rot gestrichene, heiße Brüstung. Die stickige Hitze nahm ihm beinahe die Atemluft. Doch er hielt es aus. Seine Blicke huschten über den Garagenhof, auf dem gerade ein kleines, blaues Auto eine schwache Staubwolke hinter sich zog, dann hin zu den Häusern ihm gegenüber, zu den nimmermüden Kindern auf der Straße, die ihre Ferien feierten, jemand goss vertrocknende Blumen vor einem Fenster, eine Frau mit einem großen Hut schob einen Kinderwagen heran.
Sie erinnerte Jan an die Dame aus dem Antiquariat, und für einen Augenblick glaubte er, sie sei es. Aber die Frau hinter dem Kinderwagen war viel kleiner, und selbst von hier oben aus konnte Jan erkennen, dass ihre Hände und bloßen Arme stark gebräunt waren. Sie verschwand in einem der Häuser.
Es wäre ein sehr merkwürdiger Zufall gewesen.
Warum erinnerte sich Jan überhaupt an die schwarze Fremde? Er hatte ihr Gesicht nicht sehen können, und das Gesicht war ihm das wichtigste. Er würde nie für eine Frau Gefühle hegen können, bevor er nicht ihr Gesicht gesehen hatte. Eine merkwürdige Vorstellung: Einen Schemen zu lieben. Vielleicht aber machte es alles viel einfacher? Was suchte man denn anderes im Partner als eine Projektionsfläche des eigenen Selbst? Jede Liebe war letztlich Selbstliebe, fortgeworfene Selbstliebe. Wer konnte einer solchen Liebe besser entsprechen als ein Schemen, ein Phantom?
Jan schüttelte den Kopf. Einige Schweißperlen fielen glitzernd von seiner Stirn. Hatte er sich nicht geschworen, allein zu bleiben, um allen Problemen aus dem Weg zu gehen? Er sollte nicht mehr an die geheimnisvolle Schwarze denken. Im Grunde war sie überhaupt nicht geheimnisvoll, aber er wollte es so.
Er ging zurück in das Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Selbst von hier aus konnte er den schwarzen Rücken des seltsamen Tieres sehen, das auf seinem Schreibtisch lag, ein Überbleibsel aus einer anderen Welt. Eine Zauberei? Der Titel deutete es an. Worum es wohl gehen mochte? War es ein Roman? Jan hatte keine An- und Abführungsstriche gefunden, die wörtliche Rede signalisiert hätten, dafür aber eine Menge Gedankenstriche zum Beginn kurzer Zeilen. Ein Roman oder eine Abhandlung. Geheimnisse? Sie mussten Geheimnisse bleiben – vorerst. Sie würden in ihm einen Roman bilden, ein grandioses Werk, an dem die Verlage nicht mehr vorbeischauen konnten! Er fühlte eine unglaubliche Kraft in sich aufsteigen, fühlte, wie er angefüllt wurde mit Bildern, mit Geschichten, Situationen, doch sie waren zu vage, um sie festhalten zu können. Außerdem war es zu heiß. Niemand arbeitete in dieser unmenschlichen Hitze. Wenn es kühler wurde, im Herbst, wollte er mit der Konzeption beginnen. Er sah sich, sah seinen Erfolg – und erinnerte sich daran, dass die Post heute wieder nicht geschellt hatte. Vielleicht war aber doch – … Er sprang wie elektrisiert auf und huschte den Hausflur hinab. Die Türen glotzten ihn wie starre und stumme Tiere an. Nur ihre Augen lebten.
In seinem Briefkasten befand sich nichts, wieder einmal. Er rannte hoch, badete in seinem Schweiß, als er die Wohnungstür zugeworfen hatte und sich wieder in Sicherheit befand. Er hasste diese Klebrigkeit; sie fraß sich bis in seine Gedanken hinein. Jan ließ sich auf das gestreifte Sofa fallen und spürte, wie die Tropfen durch den Stoff seiner Hose in das Polster drangen. Nein, heute würde er sich nicht mehr bewegen als unbedingt nötig.
Starr wie die Türen hockte er da, badete in seinen zähen Gedanken, aus denen immer wieder hartnäckig die Dame in Schwarz hervortauchte.
Noch immer keine Lösung. Es ist zum Verrücktwerden! Als Ausgleich sollte ich mir wenigstens wieder angewöhnen, täglich mein Diarium zu führen, denn schließlich wird es einmal ein großes Interesse beanspruchen, wenn meine Arbeit gebührend gewürdigt werden wird. Gestern wollte ich unbedingt zur Stadtbücherei gehen, um mich auf die Suche nach einem Sütterlinalphabet zu machen, doch irgendwie gelang es mir nicht, dorthin zu kommen. Immer kam etwas dazwischen. Ich musste zur Post, musste Einfälle notieren, die Hitze ließ mich schläfrig werden, und ich wachte erst auf, als es schon Abend wurde. Auch heute werde ich wahrscheinlich keine Zeit haben, denn ich muss einkaufen gehen, und mehr kann man mir in dieser Hitze nicht zumuten. Ich hoffe, dass bald ein Wetterumschwung kommen wird, doch noch ist jede Hoffnung darauf vergebens. Das Buch nagt an mir, ich werde noch wahnsinnig, wenn ich ihm sein Geheimnis nicht entreißen kann. Es scheint mich auszulachen ob meiner Unfähigkeit, es zu verstehen. Was braucht ein Schriftsteller? Eine Dose Bohnen, eine Dose Linseneintopf, ein Knäckebrot, einige geräucherte Würstchen, einige Frankfurter Würstchen, auch mein Senf ist aufgebraucht, vielleicht ein paar Äpfel und etwas Wasser, natürlich alles möglichst billig. Summa summarum 40 bis 50 Mark. Eigentlich zu viel für meine Verhältnisse. Es geht zu Ende mit meinen Ersparnissen. Ich weiß nicht, was werden soll. Deutschland lässt seine Dichter verhungern. Man erinnere sich an Hebbel, an Krzyzanowski. Wenn ich mich im Spiegel sehe, schreit mich das Elend an. Bald wird die Sonne durch mich hindurchscheinen. Mein Hemd flattert mir um den Oberkörper, und wenn ich es ausziehe, kann ich meine Rippen zählen. Mein Gesicht ist eingefallen und sieht eher wie das eines Vierzigjährigen als das eines Dreißigjährigen aus. Aber warum soll ich jammern? Ich habe dieses Los gewählt, opfere mich auf für die Kunst, gebe ihr alles, meine Gesundheit, mein Leben, und sie gibt mir Befriedigung. Es ist göttlich, am Schreibtisch Welten zu erschaffen.
Der Weltenerschaffer erhob sich von seinem Schöpfungstisch, nahm einen Plastikbeutel, der an dem lockeren Garderobenhaken hing, steckte seine magere Geldbörse und den Schlüssel ein und machte sich auf den gefährlichen Weg hinab in die Unterwelt des Lebens.
Er nahm seinen Weg zum nächsten Supermarkt, schaute nicht nach rechts und nicht nach links. Als er endlich keuchend und verschwitzt vor dem Laden stand, nestelte er sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche, steckte umständlich eine Mark als Pfand in einen der Einkaufswagen, die unter einem kleinen Dach auf dem weiträumigen, aber kaum benutzten Parkplatz standen, riss den Wagen unmutig heraus und steuerte ihn wie einen Rammbock zum Eingang, der automatisch aufschwang, als Jan nahe genug herangekommen war. Er schritt durch eine kurze Schleuse, an deren Ende sich eine zweite Tür wie von Geisterhand öffnete.
Der Laden empfing ihn mit angenehm kühler Luft. Hier ließ sich der Sommer aushalten. Für einen Augenblick beneidete Jan das Personal dieses Geschäftes. Sie hatten es gut, hatten zumindest tagsüber ihr eigenes Klima, das ihnen vorgaukelte, sie seien von der Welt abgenabelt. Doch ihre Arbeit hätte er nicht machen wollen. Er konnte nichts Schweres heben, und als Kassierer eignete er sich wahrscheinlich auch nicht, denn er war zu unaufmerksam und fahrig.
Jan streunte an den Regalen entlang, und nachdem er alles gefunden hatte, was er suchte, bewegte er sich langsam auf die Kasse zu. Er wollte den Laden noch nicht verlassen. Und er wollte noch nicht einem anderen Menschen Aug’ in Auge gegenüberstehen. Er hasste es, wenn die Kassiererin ihn fordernd und manchmal belustigt anblickte und das Geld von ihm verlangte. Aber es ließ sich nicht vermeiden. Also stellte er sich schließlich in der Schlange an. Bald war die Reihe an ihm.
Das Leben des Jan Droom kannte viele Schlaglöcher. Er legte seinen Einkauf auf das schwarze Förderband, wobei er beinahe die Dose mit dem Linseneintopf hinabgestoßen hätte, lief neben den Sachen her, warf sie in den Wagen, nachdem die Kassiererin sie eingegeben hatte, und als er das Geld hervorholen wollte, fiel ihm die Börse zu Boden. Die Dame an der Kasse, ein junges Ding mit greller Schminke und Dauerwellen, seufzte laut auf. Jan bückte sich und ergriff die Börse. Durch diese ungewohnte Bewegung wurde ihm schwindlig, das Blut schoss ihm in den Kopf, und als er sich wieder erhob, taumelte er. Er versuchte sich an dem Einkaufswagen festzuhalten, doch dieser rollte heimtückisch nach vorn und begann zu kippen, da Jan sein ganzes Gewicht auf den Griff geworfen hatte. Wie ein aufbäumendes Pferd hob der Wagen die Vorderräder, es fehlte nur noch das Wiehern und Schnauben, und er warf sowohl seinen Inhalt als auch Jan ab. Jan schlug mit dem Kinn hart auf dem gefliesten Boden auf, und die Dosen und Packungen ergossen sich über ihn. Für eine Sekunde blieb er regungslos am Boden liegen. Er hörte Kichern hinter sich, lautes und freches Kichern. Vorsichtig erhob er sich, ohne sich umzudrehen, und mit hochrotem Kopf und teuflisch schmerzendem Unterkiefer zahlte er seinen Katastropheneinkauf, räumte die Waren in den Wagen, nachdem er ihn wieder auf die Räder gestellt hatte, und verließ fluchtartig den Laden. Nur einmal blickte er sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass ihm keine Blicke folgten.
Da blieb ihm beinahe das Herz stehen.
Von der Kasse zu den kleinen Packtischen schob eine große, schlanke Frau ihren voll beladenen Wagen. Sie trug ein schwarzes Kleid. Jan konnte ihr Gesicht nicht sehen. Ihr schwarzer Hut war zu breit. War sie es gewesen, die gelacht hatte?
Jan stürmte durch die Klimaschleuse, riss die Dosen und Pakete aus dem Wagen, stopfte sie in seinen Beutel, rammte den Wagen in die anderen, holte seine Mark heraus und lief mit weit ausholenden Schritten quer über den Parkplatz, wobei ihn ein Autofahrer wütend anhupte. Noch einmal drehte sich Jan um, doch er konnte die schwarze Frau nirgendwo mehr sehen. Er musste sich getäuscht haben. Außerdem hatte sie heute ein Kleid getragen und nicht eine Bluse und einen Rock wie vor drei Tagen, da war er vollkommen sicher. Wechseln Phantome ihre Kleidung?
Er lief nach rechts in die Liebigstraße, auf der Flucht, nur fort, nur nichts mehr von dieser Welt sehen, kam am Schlachthof vorbei, es muss eine schöne Arbeit sein, Tiere zu töten, ob sie auch Menschen töten könnten? Was macht es schließlich für einen Unterschied? Vielleicht sollte er dorthin gehen, sich einen Job suchen? Er konnte sich ja vorstellen, dass es keine Tiere waren, die er da schlachtete, sondern seine Mitmenschen. Warum ihnen nicht das zurückzahlen, was er dauernd empfing? Aber er wusste genau, dass er den Gestank nicht auszuhalten vermochte.
Über die Herkulesstraße, über den Autobahndeckel, und da vorn links grüßte schon sein Zuhause. Liebigstraße 62. Refugium des ätherischen Genies. Er musste endlich wieder etwas tun, um seinem selbst gewählten Ruf gerecht zu werden.
Als er die Haustür aufschloss, sah er es auf den Treppenstufen liegen. Sein Briefkasten war zu klein. Es war ein braunes Paket. Jan ließ seinen Beutel fallen, vergaß alle Vorsicht, grapschte nach dem Paket und riss es auf. Er hatte mit einem kurzen Blick den Absender als einen Verlag identifiziert, an den er seinen Roman geschickt hatte, der noch nicht geantwortet hatte.
Eigentlich hätte er es wissen müssen, denn schließlich war es kein kleiner Brief. Es war sein eigenes Manuskript, und dabei lag ein nicht einmal unterschriebener Standardbrief. Er hob den Beutel wieder auf, klemmte sich das zerrissene Paket unter den Arm, nahm auch seine zerrissene Hoffnung mit nach oben, warf alles auf das Sofa und starrte zum Fenster hinaus.
Er erstickte beinahe an seiner eigenen Wut. Er könnte diesen Lektor, wer immer es auch sei, umbringen, schön langsam und qualvoll. Dieser Feigling (oder war es eine Feiglingin?, dachte er höhnisch) hatte nicht einmal seinen Namen mitgeteilt. Jan wandte sich von dem Fenster ab, diesem Loch zur Welt, und las den Brief noch einmal. Es war eine Impertinenz! So durfte niemand mit ihm umgehen! Und dabei hatte er große Hoffnungen auf den X-Verlag gesetzt, denn dessen Programm enthielt etliche anspruchsvolle fantastische Texte. Nun, sie würden schon sehen, was sie davon hatten! Die eigene Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit nahm Jan fast den Atem. Es war aussichtslos, war wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Er kannte niemanden, der ihm hätte helfen können, und ohne Protektionismus schien keine Aussicht auf Erfolg zu bestehen.
Jan warf den Brief weg und legte das Manuskript wie ein vergöttertes, totes Kind in eine Schublade des Schreibtisches. Dabei fiel sein Blick auf die schwarze Kladde. Er nahm sie in die Hand. Sie fühlte sich angenehm kühl an. Noch einmal blätterte er die Seiten durch. Recht lang für eine Abhandlung, dachte Jan, zumal die Schrift ziemlich klein war. Doch was ging ihn dieses fremde Buch an? Nur seine eigenen waren wichtig. Er stöhnte auf, ließ sich in eine tiefe Verzweiflung fallen, aus der ihn am Nachmittag erst der Hunger weckte. Widerwillig machte er sich etwas zu essen, spülte danach und schlich zurück in das Wohnzimmer. Wenn er doch nur mit jemandem über sein Elend sprechen könnte! Heute war einer der Tage, die ihm die Sinnlosigkeit jeglicher Bemühungen nur zu deutlich machten. Was kann denn ich für mein Pech?, sagte er zu den Wänden. Habe ich etwa nicht alles versucht? Ich kann nur scheitern, denn ich habe niemanden, der sich für mich einsetzt. Ich bin allein, ganz allein. Gibt es einen einsameren Menschen als mich? Keine Familie, keine Freunde, keine Kollegen, niemand, mit dem man einmal ein Wort wechseln könnte.
Jan war kurz davor, sich in Tränen des Selbstmitleides zu verlieren. Wieder schaute ihn die schwarze Kladde an. War sie nicht in gewisser Weise ein Trost? Auch sie war nicht gedruckt, war in der Handschrift stecken geblieben, teilte ihr Schicksal mit dem Jans. Aber woher wollte er dies wissen? Vielleicht hatte er ja nur das Manuskript eines erfolgreichen Buches gekauft, vielleicht gab es bloß vor, ihn zu verstehen und eines Sinnes mit ihm zu sein. Vielleicht war es nur ungeheuer anmaßend! Verhöhnte es ihn nicht ganz deutlich? Du weißt gar nicht, wie erfolgreich ich war, flüsterte es ihm zu. Du aber bist ein Nichts, und das völlig zu Recht. Zornentbrannt sprang Jan auf, ergriff das Buch, öffnete das Fenster und schleuderte es hinaus. Es beschrieb einen weiten Bogen, fast als sei es froh, wieder in Freiheit zu sein. Er wartete nicht darauf, es unten ankommen zu hören, warf das Fenster zu und flegelte sich befriedigt auf das Sofa. Wer war er, dass tote Dinge ihn bereits zu verhöhnen begannen? Dem Buch hatte er es gezeigt!
Doch es verschwand nicht aus seinen Gedanken. Nun würde er dessen Rätsel nie lösen können. Aber wahrscheinlich gab es gar kein Rätsel, und das Buch war wie Oscar Wildes Lady Alroy, die Sphinx ohne Geheimnis. Mit einer wegwerfenden Handbewegung tat Jan alles ab. Ja, nun fühlte er sich wirklich besser. Möglicherweise hatte seine Pechsträhne ja mit dem Buch zu tun. Alter Junge, du wirst hysterisch, sagte er zu sich und freute sich, dass seine Stimme wieder fester geworden war.
Er verbrachte den Abend mit einem guten, ihn schon lange begleitenden Buch und ging früh zu Bett. In dieser Nacht kühlte es ein wenig ab, und er schlief prächtig.
Er hatte die Kladde vergessen.
Sie ihn aber nicht.
Hurra, es ist wirklich etwas kühler geworden. Zum ersten Mal seit Wochen habe ich gut geschlafen, tief, traumlos. Eigentlich gibt es nichts, was des Notierens wert wäre. Habe meine Einkäufe getätigt und mich darüber gefreut, dass mein Auftreten sicherer wird, habe leider wieder eine Ablehnung von einem unbedeutenden Verlag erhalten, die mich jedoch nicht aus dem Gleichgewicht bringen kann, und habe die Kladde verloren. Ob ich sie verlegt habe? Es ist egal; sie war nicht wichtig. Ich hätte sie ja doch nicht lesen können, und was nützt schon ein Buch, das man nicht lesen kann? Der durchschnittliche Bildungsbürger mag sich ja Bücher ins Regal stellen, von denen ihm ein Literaturpapst gesagt hat, sie seien gut, doch gelesen werden sie in der Regel auch nicht. Nichts als Altpapier, Ramsch, vielleicht dazu gut, die Wände zu isolieren und die Gäste daran vorbeizuschleusen, um sich den Anschein von Intellektualität zu geben. Schlechte Bücher werden gedruckt und gelobt und sogar gekauft, wenn auch nicht gelesen, und gute Bücher erhalten nicht einmal die leiseste Chance. Nun, ich werde nicht aufgeben, schreibe einen neuen Roman, der so gut sein wird, dass die Lektoren nicht mehr daran vorbeientscheiden können. Heute werde ich es mir gut gehen lassen. Ich brauche die Stadtbibliothek nicht mehr aufzusuchen, denn schließlich ist der Grund dieser Reise weggefallen, hat sich zu weit aus dem Fenster gelehnt, wie man sagen könnte, sicherlich ist es gut so. Ich weiß nicht, wo ich es verloren habe.
Es schellte. Jan warf einen schnellen Blick auf die messingfarbene Uhr, die auf seinem Schreibtisch stand. Es konnte nur die Post sein! Er schnellte hoch, doch sogleich besann er sich eines Besseren. Es war mit Sicherheit nur wieder eine Ablehnung, die letzte, die er erwartete, und wenn er sofort nach unten rannte, war die Gefahr, jemandem zu begegnen, einfach zu groß. Er musste warten.
Jan lief im Wohnzimmer umher, ging ins Bad, starrte die aufgeraute, unebene Glasfläche des Fensters an, hinter der die Helligkeit des Balkons lag, ging in die Küche, durchmaß sein kleines Schlafzimmer mit dem ungemachten Bett, und er ertappte sich dabei, dass er mit dem Gedanken spielte, hinauszuschauen und zu überprüfen, ob die Kladde dort unten irgendwo lag. Er bezwang sich.
Der Wunsch, zum Briefkasten zu eilen, wurde übermächtig. Jan ging leise zur Wohnungstür und horchte an ihr. Er hörte, wie unter ihm im Hausflur sich zwei weibliche Stimmen miteinander unterhielten. Das Gebiet war also noch verseucht. Er seufzte auf und ging durch das Wohnzimmer auf den Balkon. Seine Blicke schweiften über den Garagenhof, hin zum Bahndamm und seinen fernen, wundervollen Platanen, nach links zu den schwarzen Domtürmen, fern und auf ewig warnend, und als werde er unausgesetzt gezwungen, in die Tiefe vor sich zu blicken, schaute Jan nach langem Kampf auf die Rasenfläche hinter dem Haus. Eine Wäschespinne stand dort, auf der noch zwei oder drei Kleider hingen, ein bunter Klammerbeutel wartete daneben. Sonst war nichts zu sehen.
Nichts Schwarzes. Kein Buch. Keine Kladde.
Jan war verwirrt. Sollte er sich freuen? Oder sollte er beunruhigt sein? Er konnte den Wurf nicht mit so großem Schwung ausgeführt haben, dass das Buch über die Garagendächer geflogen war. Es musste einfach auf dem Rasen liegen. Aber es lag nicht dort. So sehr Jan auch die Augen zusammenkniff und die braungrüne Fläche absuchte, entdeckte er doch nichts, was im entferntesten die Form eines Buches hatte. Vielleicht hatte es jemand gefunden und hereingeholt. Dieser Gedanke gefiel Jan nicht.
Er lief zurück zur Tür und lauschte erneut. Nun war alles still; er konnte den Abstieg wagen. Arglos öffnete er die Tür.
Da lag etwas auf seiner struppigen Fußmatte. Es war ein schwarzer, beinahe glänzender Gegenstand. Es war das Buch.
Jan zuckte wie von einem elektrischen Schlag getroffen zusammen. Er glaubte seinen Augen nicht. Mit einem großen Satz sprang er über das Buch, als sei es eine Tretmine, und hastete hinunter. Da wartete wieder ein dicker, brauner Umschlag, was hätte es auch sonst sein sollen? Jan nahm den Umschlag auf, drückte ihn wie einen toten Freund an seine Brust und eilte nach oben. Vielleicht war das Buch nun verschwunden; vielleicht war es kein Buch, sondern nur ein Fleck gewesen.
Natürlich war es die Kladde. Wer mochte sie ihm vor die Tür gelegt haben? Niemand wusste, dass sie ihm gehörte. Jan schlug die Tür zu und warf den Umschlag und das Buch auf den Schreibtisch. Der Umschlag enthielt sein Manuskript und einen kurzen Standardbrief des Y-Verlages. Jan schnaubte verächtlich. Sie alle wussten wahre Qualität nicht zu schätzen. Oder besaß sein Buch gar keine wahre Qualität?
Jan versuchte, die Wirklichkeit aus seinem Denken auszuschließen. Er hockte wieder einmal auf dem Sofa und döste vor sich hin. Wie mochte die Kladde vor seine Tür gekommen sein? Seine Gedanken wurden träge. Er stellte sich vor, wie es die Treppe hochgekrochen war, wie ein schwer verwundetes und beleidigtes Tier, und wie es sich sein verdutztes Gesicht vorstellte, wenn er es sähe. Hatte es nicht wirklich gegrinst? Womit sollte es gegrinst haben? Jan schüttelte langsam den Kopf. Alles war so verwirrend. Und wieder tauchte die schwarze Frau aus dem Nebel seiner Gedanken auf. Er sah sie, wie sie über die Mauer schritt, das Buch aufhob und die Treppe hochstieg, nachdem sie mühelos durch die geschlossene Hoftür gegangen war. Sie hatte das Buch abgelegt und war danach verschwunden. Vielleicht aber stand sie noch auf der Treppe. Treppe hinunter. Laufen. In. Nie …
Er musste eingeschlafen sein, denn er zuckte benommen hoch, als es an seiner Tür klingelte. Verwirrt schaute er auf die Uhr; es war schon Nachmittag. Wer mochte das sein? Er empfing nie Besuch. Wen auch? Jan ging auf Zehenspitzen zur Tür und lugte durch den Spion. Ein Mann stand dort, seine spitze Nase schien geradewegs in die Tür hineinzuwachsen, und auch das gespaltene Kinn und die Froschaugen klebten beinahe am Holz. Natürlich sah es nur so aus, weil die Linse im Spion die Wirklichkeit verzerrte. Jan erkannte den Mann. Es war sein Nachbar. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt und schaute fragend hinaus.
»Ich sehe, Sie haben es gefunden«, sagte der Mann laut.
»Was soll ich gefunden haben?«, fragte Jan. Er war noch von seinem Nickerchen gefangen.
»Na, das Buch natürlich. Es ist doch Ihres, oder?«
»Woher wissen Sie das?«
»Meine Frau hat gestern Abend die Fenster geputzt. So was kann man ja nur machen, wenn es etwas abgekühlt hat, nicht wahr? Und da hat sie das Buch im hohen Bogen aus Ihrer Wohnung fliegen gesehen. Sie hat gedacht, es wäre Ihnen aus der Hand gefallen oder so. Aber sie hatte es wieder vergessen. Heute Morgen, als sie die Wäsche aufgehangen hat, hat sie es im Gras liegen sehen. Da hat sie es mit hochgebracht und Ihnen vor die Tür gelegt.«
Die Wolken stoben davon. Jans Kopf wurde klarer. Er sah gleichsam von außen zu, wie sich die Schwärze verflüchtigte. Es gab eine völlig natürliche Erklärung. Hatte er auch nur für eine Sekunde an etwas anderes gedacht?
Der Mann fuhr fort: »Ich wollte mich bloß vergewissern, dass Sie es auch bekommen haben, denn man weiß ja nie.«
»Ja, ja, man weiß nie.« Was meinte er eigentlich damit? Der Mann ging zu seiner Wohnungstür und zog sie sacht hinter sich zu. Auch Jan zog sich wieder in sich selbst zurück. Er stellte sich vor den Schreibtisch und schaute das Buch feindselig an. Du willst dich wohl nicht von mir trennen? Habe keine Angst; ich werde dich nicht mehr aus dem Fenster werfen. Warum will ich dich eigentlich loswerden, wo du mir doch so viel bedeutest? Ich verstehe dich nicht, und ich verstehe mich nicht.
Sollte er nicht lieber endlich versuchen, das Buch zu lesen? Die Umstände, die er in es hineingeheimnisste, waren einfach lächerlich. Nimm es und gehe mit ihm zur Stadtbibliothek.
Er aß zuvor eine Kleinigkeit, und als er fertig war, war es schon fünf, also zu spät, um heute noch aufzubrechen; er würde vor verschlossene Türen kommen. Morgen früh, ja, morgen früh wollte er es wagen.
Merkwürdig; ich habe das Buch wiedergefunden. Und eine weitere Ablehnung erhalten. Es macht mir nichts. Ich werde mich durchsetzen. Gleich werde ich mich auf den Weg zur Stadtbibliothek machen, doch ist es wirklich wichtig, das Buch zu lesen? Welches Buch ist überhaupt wichtig? Alles nur Gedankenschrott. Ich werde den neuen Roman bald beginnen, arbeite schon mit Hochdruck an seiner Konzeption. Und, bei Gott, es wird ein Renner werden, wenn es je einen gegeben hat. Das schwöre ich mir. Habe mich gestern Nachmittag lange und angeregt mit meinem Nachbarn unterhalten. Netter Kerl. Man sollte mehr unter Menschen gehen, doch sie machen es einem so unendlich schwer.
Und er ging unter Menschen. Jan steckte das Buch vorsichtig in eine alte, abgeschabte Aktentasche, die schon seinem Vater gehört hatte, verließ seine Wohnung und nahm den gewohnten Weg an der Autobahn entlang, über die Christophstraße, bog in die Mohrenstraße ein und überquerte schließlich den Neumarkt. Dort hinten konnte er durch die Platanen schon das hässliche Betonhochhaus der Stadtbibliothek erkennen.
Da rempelte ihn jemand von hinten an. Jan spürte ein Zerren an seinem rechten Handgelenk, jemand hatte seine Tasche ergriffen und riss sie ihm aus den Fingern. Eine langhaarige Gestalt schoss von hinten an ihm vorbei, presste die Tasche gegen die Brust und rannte mit weit ausholenden Schritten fort.
Eine Sekunde lang stand Jan wie paralysiert da. Dann überschlugen sich seine Gedanken, und gleichzeitig setzte er sich in Bewegung. Das Buch war ihm in dieser Situation gleichgültig, aber in der Tasche befanden sich auch Geldbörse, Personalausweis und Wohnungsschlüssel! Er musste sie wiederbekommen! Er rannte dem Dieb hinterher, der mit wehenden Haaren durch die Menschenmassen schwamm. Jan folgte ihm hechelnd und drückte die Leute einfach zur Seite, was ihm etliche Knüffe und böse Zurufe einbrachte. Nicht mich müsst ihr beschimpfen, sondern den Verbrecher da vorn! Er brachte vor Luftmangel kein Wort über die Lippen. Noch immer hatte er den Dieb nicht aus den Augen verloren. Dieser raste nun über die dreispurige Straße, die den Neumarkt umschloss. Autos bremsten kreischend und hupend. Jan setzte ihm nach, koste es, was es wolle. Und er holte auf! Nun machte es sich bezahlt, dass er so dünn und leicht war. Doch das Laufen war eine ungewohnte Anstrengung. Er begann zu hecheln, und das Atemholen fiel ihm immer schwerer. Er wurde etwas langsamer. Stiche schienen ihm die Lunge zerreißen zu wollen, und Stiche fuhren ihm in die Seite. Er blieb zurück, immer weiter. Und niemand stellte sich dem Dieb in den Weg! Alle schauten weg oder wichen aus! Mit offenem Mund hastete Jan hinter ihm her. Der Dieb blickte sich schnell um und Jan erkannte blitzende, fanatische Augen in einem von schwarzem Bart beinahe zugewucherten Gesicht. Jan bekam kaum mehr Luft. Rote Kreise drehten sich vor seinen Augen. Der Abstand wurde größer und größer. Wenn ich dich erwische, mache ich dich kalt, schrie Jan stumm. Doch die Chance wurde immer geringer. Jetzt lief der Dieb die Cäcilienstraße hinunter in Richtung Heumarkt und Rhein. Hier waren nicht mehr viele Passanten auf der Straße. Jan stolperte und verlor weitere Meter. Es war aussichtslos. Die Schmerzen wurden immer stärker. Es hatte keinen Sinn mehr. Er musste stehen bleiben.
Der Dieb überquerte gerade die Hohe Straße. Da sah Jan, wie sich hinter einem unbeteiligt daherschlendernden Mann etwas Schwarzes löste, als ob sein Schatten ihn verlassen hätte, er bemerkte beiläufig, wie ein Kleid in einer schnellen Bewegung flatterte, und da sah er auch bereits den Dieb stürzen. Das gab ihm neuen Mut. Jan nahm alle Kräfte zusammen und lief weiter. Zwei Männer standen neben dem am Boden liegenden Dieb und schauten ihn mit großen Augen an.
Jetzt hatte Jan die Gruppe erreicht. Er sah die Angst im Blick des Bärtigen. Dieser hob abwehrend die Hände, als erwarte er, getreten zu werden. Und für einen Augenblick wollte Jan tatsächlich zutreten und ihn unter seinen Schuhen zerquetschen, doch er bezwang seine Wut. Sollte er die Polizei rufen? Fragen, Verhöre, Protokolle, lärmende Büros, nein, all das war es nicht wert. Die Tasche indes war nirgendwo zu sehen.
»Wo ist meine Tasche?«, keuchte Jan.
»Mann, ich hab deine verdammte Tasche nicht! Hab sie nie gehabt! Weiß auch nicht, warum der Kerl hinter mir herläuft. Dachte, er will mir was klauen«, stieß der am Boden Liegende keuchend und mit angstverzerrter Stimme aus.
Am liebsten hätte Jan diesem Lügner nun doch einen Schuh in den Mund gerammt. Lass es! Du handelst dir nur Ärger ein! Du siehst doch, dass die Tasche fort ist. Es hat keinen Sinn. »Hau ab!«, zischte er den Bärtigen an, der sich keuchend erhob und schnell forthumpelte. Etwas schien ihn am Bein getroffen zu haben.
Nachdem sie ihm verständnislose und giftige Blicke zugeworfen hatten, verzogen sich auch die beiden Männer. Jan blieb verwirrt zurück. Seine Tasche würde er nie wiedersehen. Bestimmt hatte der Gangster sie schnell einem Komplizen zugeworfen, und dieser war längst über alle Berge. Wie sollte Jan bloß in seine Wohnung kommen? Und sein Ausweis war auch fort. Sicher, irgendwie wäre es möglich, für Ersatz zu sorgen, doch die Probleme, die sich jetzt stellten, schienen Jan berghoch zu sein. Er musste einen Schlüsseldienst anrufen – aber wie? Der Rest seines Bargeldes lag in seiner Wohnung. Ratlos schlurfte er zum Neumarkt zurück.
Es war typisch für ihn, dass er nicht auf die Idee kam, bei seinen Nachbarn zu schellen und diese zu bitten, für ihn einen Schlüsseldienst kommen zu lassen. Lieber kam er sich von aller Welt verlassen vor – und er glaubte es auch. Also streunte er still verzweifelt durch die an den Neumarkt grenzenden Straßen.
Da blieb seine Aufmerksamkeit an der Schlagzeile einer rot und schwarz schreienden Zeitung in einem Automaten hängen. »Bestie: Neues Opfer!«, stand da blutrot, und darunter in kleineren schwarzen Buchstaben: »Der unmenschliche Mörder hat wieder zugeschlagen: Frau (78) in Park geschlachtet.« Was war das eigentlich für eine Welt, in der er da leben musste? Von überallher schrien ihn Wahnsinnstaten an. Jan wünschte sich, wieder in seiner sicheren Wohnung zu sitzen, doch der Rückzug war ihm verwehrt. Er lag auf der Straße! Dieser Gedanke verschlug ihm den Atem. Aber – das konnte doch nicht sein! Er musste fort von hier – fort aus der Innenstadt, wo er bei jedem Passanten, der ihm zu nahe kam, befürchtete, er werde ihn niederschlagen oder gar töten. Ich hasse euch alle!, schrie es in Jan. Wenn es nach meinem Willen ginge, wärt ihr alle nicht mehr da. Ich würde schon für Ordnung sorgen! Die Menschen um ihn herum schienen in einem seltsamen Tanz gefangen zu sein, einem Hexentanz, der sich immer enger um Jan schloss, der ihn erdrücken würde, und da vorn war kein Durchkommen mehr, auch hinten nicht, und an der Seite rasten die Autos. Jan stemmte die Hände in die Hüften, machte die Ellbogen spitz und rempelte gegen die ihm Entgegenkommenden. Er hörte Flüche, spürte Püffe, doch schließlich war er ihnen entwischt. Es war scheußlich gewesen; der Kontakt zu fremden Leibern weckte einen Brechreiz in ihm. Er verfiel in einen leichten Trab und flüchtete in Straßen, in denen er atmen konnte. Hier blieb er stehen, holte Luft und schaute sich vorsichtig um. Nur wenige Passanten waren zu sehen, niemand bedrohte ihn. Er wanderte weiter, kam zu Sankt Gereon und ging die Christophstraße stadtauswärts entlang. Der alte Weg.
Unter der Bahnüberführung begrüßte ihn der scharfe Gestank, doch nun war er nicht mehr vertraut, nun hatte sich alles verändert. Jan lief an dem Bauwagenplatz vorbei, vor dem er plötzlich Angst hatte. Hier saß das Unheil, und er musste alles daransetzen, nicht von ihm gefressen zu werden. Er hatte seine Sicherheit eingebüßt. Weiter, weiter. Entlang der Autobahnabfahrt, weiter, weiter.
Endlich stand er in der Liebigstraße, vor der Nummer 62. Was wollte er hier? Hier wohnte er nicht länger. Irgendwo da oben saß vielleicht ein einsamer Schriftsteller und dachte sich eine ganz ähnliche Situation aus. Er lehnte sich müde gegen die Haustür.
Sie schwang ächzend und schwergängig nach innen.
Verdutzt strauchelte Jan, fing sich wieder und sah sich im so vertrauten Hausflur stehen. Sollte er nach oben gehen?
Mechanisch, ohne den leisesten Gedanken, stieg er die Treppe hinauf, bis er vor seiner Wohnungstür stand. Zuerst begriff er nicht, was er da sah. Doch schließlich fand der Anblick einen Weg in seinen Kopf.
Am Knauf der Tür hing seine Aktentasche.
Morgen muss ich endlich zur Stadtbibliothek gehen und das Buch zu lesen versuchen. Doch ich werde es nicht mitnehmen, denn gestern wurde es mir in der Stadt gestohlen. Es ist immer noch wie ein Wunder, dass ich es zurückerhalten habe. Meine Aktentasche, in die ich es gelegt hatte und die mir entrissen worden war, hing an meiner Wohnungstür. Es war kein Zettel daran befestigt, keine Nachricht, sodass ich mich bei dem unbekannten Finder nicht bedanken kann. Alles war noch darin; auch von dem Geld fehlte nichts. Nun, ich nehme an, dass der Finder auf den Ausweis geschaut hat und daher die Adresse kannte. Also ist nichts Rätselhaftes dabei. Ich bin noch nie zuvor überfallen worden. Ich habe immer gedacht, so etwas kann mir nicht passieren. Alle sind Verbrecher. Ich hasse sie.
Jan schloss die Augen. Er wollte nie wieder so etwas wie gestern erleben. Er wollte am liebsten für immer in seiner Wohnung bleiben, nie mehr hinausgehen. Der Wunsch, das Buch, das jetzt wieder wartend auf dem Schreibtisch lag, lesen zu können, war nichts weiter als ein Selbstbetrug. Natürlich dachte er nicht im Traum daran, morgen erneut zu dem Schauplatz seines schrecklichen Erlebnisses zu pilgern. Er musste sich für sein Tagebuch etwas einfallen lassen, eine Ausrede, die glaubhaft war. Seine Vorräte reichten noch beinahe eine Woche lang. Und solange würde er zu Hause bleiben.
Eine schwere Erkältung hatte mich befallen, doch nun geht es mir langsam besser. Leider war es mir daher unmöglich, mein Vorhaben, in der Stadtbibliothek nach einem Sütterlinalphabet zu suchen, in die Tat umzusetzen. Doch nun bin ich schon soweit wiederhergestellt, dass ich den Stift halten und diese Eintragung machen kann. Ich werde noch einige Zeit das Haus hüten müssen; leider gehen meine Vorräte zur Neige. Selbstverständlich ist mein Hunger nicht groß in diesen Zeiten der Krankheit, doch Essen ist die beste Medizin. Ich habe keinen Arzt aufgesucht, denn ich kann mir keinen leisten. Schließlich bin ich nicht krankenversichert; die monatlichen Beiträge sind zu hoch für mich, da mein Gespartes zugrunde gelegt wird, wie ich annehme. Aber gegen eine Sommergrippe hilft sowieso nur Bettruhe. Jetzt bin ich erschöpft, ich werde mich wieder hinlegen.
Jan lachte in sich hinein. Als er vorhin die wenigen Zeilen geschrieben hatte, waren ihm tatsächlich kalte Schauer den Rücken heruntergelaufen, er hatte sich in die richtige Stimmung versetzt, um die Eintragung zu machen. Er las sie noch einmal durch; sie klang echt.
Die letzten Tage hatte er in relativer Behaglichkeit in seiner Wohnung verbracht; es war, als wolle er etwas unrechtmäßig Wiedererlangtes nicht mehr loslassen. Die Temperatur war auf angenehme Grade gefallen, und Jan war so glücklich wie lange nicht mehr. Er spürte Kraft in sich. Er würde wieder mit seiner Arbeit beginnen müssen, und vielleicht war die seltsame Kladde hilfreich. Ein historischer Roman, ja, das wäre fein. Doch sofort begann diese Idee zu verschwimmen, als Jan an die Massen von Informationen dachte, die ein solches Projekt nötig machten. Er musste Kulturgeschichten studieren, Einzelabhandlungen, musste sich täglich in das Gewühl stürzen, die Gefahren vervielfachen, die ihm drohten, sich selbst verleugnen, ihm wurde übel. Aber ein neuer Roman musste her! Woher? Sein eigenes Leben taugte nicht mehr für ein Buch, und ein fremdes konnte er nicht erfinden, denn er kannte keines, nicht einmal aus der Ferne. Wenn ihn nur jemand aus diesem Teufelskreis herausholte! Er brauchte Hilfe, Hilfe von einem Menschen, der ihn unterstützte und verstand. Und liebte.
Er dachte an die Dame in Schwarz. Ihm gefiel die Vorstellung, dass er damals in dem Antiquariat ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Die Szene im Supermarkt ließ er beiseite. Bestimmt war sie es nicht gewesen. Ob sie es war, die ihm die Tasche zurückgebracht hatte? Ein vorzüglicher Gedanke. Möglicherweise war sie eine anonym bleiben wollende Verehrerin. Aber er war völlig unbekannt, hatte noch nicht eine einzige Zeile veröffentlicht. Egal. Sie kannte ihn, woher auch immer. Sie war seine Muse, sie war seine Unterstützerin, seine Helferin, seine Geliebte.
Fort mit diesen Gedanken! Jan ließ die Blicke im Zimmer umherschweifen. Der Schreibtisch, die Sessel, das Sofa, selbst die weißen Wände schienen ihn auszulachen. Fantasier’ dir nur eine Geliebte, du wirst schon sehen, was du davon hast, mein Traumtänzer, sagte Jan.
Um sich abzulenken, blätterte er abermals die Kladde durch. Und da fiel ihm etwas Seltsames auf.
Auf den letzten beiden Blättern entdeckte er Zeichen, von denen er hätte schwören mögen, dass sie nicht dort gestanden hatten, als er das Buch zum ersten Mal einer genaueren Überprüfung unterzogen hatte.
Es standen alle Sütterlinbuchstaben sauber und penibel untereinander, und neben ihnen die lateinischen Übertragungen. Die Handschrift dieser Buchstaben wich erheblich von der des Textes ab; sie war kalt, glatt, beinahe wie gedruckt, ohne Charakter. Also hatte Jan die ganze Zeit über den Schlüssel zum Verständnis des Textes besessen. Er riss die Schreibtischschublade auf, kramte hektisch ein Blatt Papier hervor und übertrug die Zeichen und ihre Entsprechungen, damit er bei der Lektüre nicht unentwegt vor- und zurückblättern musste.