Der Tod der Königskinder - Birgit C. Wolgarten - E-Book

Der Tod der Königskinder E-Book

Birgit C. Wolgarten

4,6

  • Herausgeber: Prolibris
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Katja Sommers zweiter Fall auf Rügen! Die spätwinterliche Idylle am Schwarzen See trügt. Unter der dicken Eisschicht schwimmen die Leichen von Melanie und Darius. Haupt- kommissarin Katja Sommer und ihr smarter Kollege Sven Widahn finden keine heiße Spur. Das Eis ist getaut, die Touristen sind nach Rügen zurückgekehrt und nur eines ist klar: Die Eltern waren gegen die Beziehung, ihre Aussagen widersprechen sich. Was wollen sie verbergen? Eine mysteriöse Tonkassette bringt die Kripo einen großen Schritt weiter. Der Mörder hatte sich für die Liebenden etwas ganz Besonderes ausgedacht ...

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Seitenzahl: 298

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Birgit C. Wolgarten

Der Tod der Königskinder

Rügen Krimi

Prolibris Verlag

Handlung und Figuren entspringen der Phantasie. Darum sind eventuelle Übereinstimmungen mit lebenden oder verstorbenen Personen zufällig und nicht beabsichtigt.

Für Stephanie

Dass wir Mutter und Tochter sind, ist Schicksal,

dass wir innige Freundinnen sind, ist Liebe!

Es waren zwei Königskinder,

die hatten einander so lieb,

sie konnten zusammen nicht kommen,

das Wasser war viel zu tief.

Herzliebster, kannst du nicht schwimmen?

Herzlieb, schwimm herüber zu mir!

Zwei Kerzen will ich hier anzünden,

und die sollen leuchten dir.

Das hört eine falsche Nonne,

die tat, als ob sie schlief.

Sie tat die Lichter auslöschen,

der Jüngling ertrank so tief.

(...)

(Volksballade, 17. Jahrhundert)

1

Er betrachtete seine Hände. Sie zitterten nicht einmal. Erstaunlich, nach allem, was er gerade erlebt hatte.

Obwohl es bitterkalt war, saß er auf der kleinen Holzbank am Ufer des zugefrorenen Schwarzen Sees und schaute vor sich auf die Eisfläche. Er hatte sich genau so hingesetzt, dass er zwischen den noch kahlen Sträuchern auf das Loch im Eis blicken konnte. Er öffnete den Rucksack neben sich, entnahm ihm eine Thermoskanne und eine Papiertüte mit einem Leberwurstbrot. Den Deckel der Kanne nutzte er als Trinkbecher und goss den dampfenden Kaffee hinein.

Die Wolkendecke am Horizont riss auf und machte Platz für den Dreiviertelmond. Mit seinem kalten Licht beleuchtete er das Waldgebiet ringsum, und die Eisfläche schimmerte nun bläulich. Er lächelte, während er seine klammen Finger an dem heißen Kaffeebecher wärmte. Ein wohliges Schaudern durchströmte ihn. Nur er wusste, was gerade unter dem Eis geschah.

Das beleuchtete Display seiner Digitaluhr zeigte 23:24 Uhr an.

Er genoss die eingetretene Ruhe, er war nun ganz allein an dem See. Seit genau ... er schaute erneut auf die Uhr ... 93 Sekunden.

Er ließ die Wasserstelle nicht aus den Augen, während er einen Schluck von dem heißen, süßen Milchkaffee trank. Dank des Mondlichtes konnte er nun die Stelle besser sehen. Den besten Blick hatte er natürlich vom Steg aus. Ob es sich lohnte, sich dorthin zu stellen?Aber warum? Nichts geschah, alles blieb ruhig, und es war kaum anzunehmen, dass sich daran noch etwas ändern würde.

Es gab Dinge, die passierten eben, wenn man ihn herausforderte!

Sein Lächeln wurde breiter, und ohne hinzusehen packte er das Brot aus. Genüsslich biss er ein großes Stück davon ab, kaute es zu einem fettigen Brei, den er mit Kaffee hinunterspülte. Von seinem Zeigefinger leckte er die überquellende Leberwurst ab. Er stutzte und noch einmal fuhr er mit seiner heißen Zunge über den Finger, saugte an ihm. Er schmeckte nach Blut, nach ihrem süßen Blut.

2

„Erst einmal möchte ich betonen, wie froh ich bin, dass wir auch in diesem Jahr wieder zusammensitzen und gut gestärkt die kommende Saison in Angriff nehmen können.“ Direktor Baumann im dunklen Anzug, Leiter des Hotel Pelikan, stand hinter seinem Stuhl und sah einmal lächelnd durch die Runde seiner vierundsiebzig Mitarbeiter, die an den Tischen des Speisesaales verteilt saßen und ihm gebannt zuzuhören schienen. „Das heißt, ich hoffe doch, dass Sie mit dem Büfett, das ich für Sie zusammenstellen ließ, zufrieden sein werden, auch wenn es diesmal nicht unser lieber Herr Heimann gezaubert hat. Aber auch Chefköche dürfen sich ja ab und zu an einen bereits gedeckten Tisch setzen ...“

Höfliches Gelächter folgte auf den lahmen Scherz. Direktor Baumann freute sich, die Marketingleiterin Regina Hofer rechts neben ihm verzog keine Miene. Der soeben angesprochene Chefkoch saß ebenfalls beim Management und nickte freundlich zustimmend. Regina Hofer spielte mit dem Stiel ihres Sektglases und bemühte sich vergebens, der Ansprache ihres Chefs zu folgen, während sie ihren Blick auf das Pflaster heftete, das unter seinem Hemdsärmel hervorlugte. Ihre Nerven lagen blank, sie wünschte sich sehnlichst, in Ruhe gelassen zu werden. Melanie war gestern Abend nicht nach Hause gekommen. Heute Morgen hatte sie die Polizei angerufen.

„... und so darf das Hotel Pelikan, und somit wir alle, in diesem Jahr ernsthaft auf den ersehnten fünften Stern hoffen.“

Alles applaudierte, aus einer etwas abgelegenen Ecke war ein lautes „Bravo!“ zu hören. Regina klatschte ebenfalls und hoffte, in ihrer Handtasche noch ein Aspirin zu finden.

Die Polizei hatte sie gefragt, seit wann sie ihre vierzehnjährige Tochter vermisse und sie hatte geantwortet: „Seit gestern Abend.“ So ganz stimmte das nicht, denn sie hatte von morgens bis abends an dem neuen Prospekt für das Hotel gearbeitet und war schließlich, zum Umfallen müde, um neun Uhr zu Bett gegangen. Erst heute morgen, als Melli nicht zum Frühstück erschienen war wie sonst immer, war sie in ihr Zimmer gegangen und hatte das Bett leer und unbenutzt vorgefunden.

„Rückblickend kann ich nur sagen, wir haben ein aufregendes, aber Gott sei Dank auch positives Jahr hinter uns.“ Direktor Baumanns Stimme wurde ein wenig dunkler und leiser. „Die Mitarbeiter, die schon länger hier sind, wissen, was ich meine. Noch vor drei Jahren mussten wir befürchten, von der Rheinland-Gruppe übernommen zu werden. Fusion und Stellenabbau bis hin zur kompletten Schließung des Hotels, alles war damals möglich, und so war Ihre Stimmung verständlicherweise auch arg gedrückt. Aber ...“, er hob seinen Zeigefinger und lächelte wieder, „wir haben uns nicht unterkriegen lassen. Wir alle haben gemeinsam gekämpft. Es war Ihr Einsatz, Ihre Leistung, die das Hotel Pelikan letztendlich zu dem gemacht haben, was es heute ist. Und das ist in der heutigen Wirtschaftslage eine stolze, ja, eine brillante Leistung.“

Erneuter Applaus unterbrach seine Ansprache. Regina massierte mit den Fingerspitzen ihre Schläfen. Den ganzen Tag hatte sie auf Melanie gewartet, hatte überall herumtelefoniert. Melli war weder in der Schule gewesen noch bei ihren Freundinnen. Vierundzwanzig Stunden, hatten die Beamten gesagt. Sie wollten vierundzwanzig Stunden warten und dann eine Suchmeldung herausgeben. Verstohlen schaute sie auf die schmale Armbanduhr an ihrem Handgelenk. 19:45 Uhr. Was konnte sie tun? Diese innere Unruhe machte sie noch wahnsinnig. Hielten die Beamten auch, was sie versprachen? Der Mann am Telefon hatte gemeint, sie sei wahrscheinlich fortgelaufen. Sie würde es gerne glauben, schien es doch noch die harmlosestete Erklärung für ihr Verschwinden, aber sie hatte Zweifel. In spätestens fünfzehn Minuten würde sie den Speisesaal verlassen und vom Foyer aus bei der Polizei anrufen. Sie mussten sie finden, sie mussten ganz einfach.

„Einige Mitarbeiter möchte ich nun gesondert aufrufen. Fangen wir einmal mit unseren jüngeren Kollegen an, die ihre Abschlussprüfungen bestanden haben: Kevin ...“

Gott, wann hörte er endlich auf zu schwafeln? Man hatte ihr versprochen, nach vierundzwanzig Stunden zu handeln, und die waren in ... – wieder schaute sie flüchtig auf die Uhr – genau sieben Minuten um. Mehr Zeit würde sie ihnen nicht geben. Wenn dann keiner handelte, würde sie ... würde sie ..., sie wusste es nicht. Melanie und fortlaufen, so ein Unsinn! Sie hatte doch alles, was sie wollte. Und in der Schule war sie erfolgreich, hatte Freunde, ein gutes Elternhaus, keine finanziellen Sorgen. Also warum hätte sie fortlaufen sollen? Und wenn doch, wohin? Wieder wurde applaudiert, und Reginas Hände bewegten sich wie von selbst aufeinander zu.

„Aber auch heute, liebe Mitarbeiter, habe nicht ich das letzte Wort – und nun fühle ich mich schon fast wie zu hause ...“ Direktor Baumann sah lächelnd nach links auf seine Frau, die ihn zum ersten Mal nach ihrem Herzinfarkt ins Hotel begleitet hatte und gespielt empört abwinkte. Schallendes Gelächter machte die Runde.

Regina biss sich auf die Unterlippe. Hatte sie vielleicht ihre Aufsichtspflicht verletzt? Melli sollte um acht gestern Abend zurück sein. Gut, wenn es einmal ein bisschen später wurde, war das auch nicht die Welt. Mal kam sie um halb acht, mal um halb neun. Mein Gott, man hörte ja so viel, überall wurden Kinder ... Nein, nein, nicht daran denken! Wäre sie doch nur aufgeblieben! Aber sie hatte sich wirklich keine Gedanken gemacht, und den Kopf mit dem neuen Prospekt voll gehabt.

„Dieses Jahr kommen die letzten Worte von einem Mann aus unserer Mitte, den ich persönlich als unseren guten Hotelgeist bezeichne.“ Er schaute erneut in die Runde. Stimmengemurmel wurde laut, Köpfe wurden einander zugeneigt. An einigen Tischen setzten sich die Herren gerade und zupften an ihren Krawatten.

„Wen meint er damit?“, hörte Regina Chefkoch Heimann in ihre Richtung murmeln. Sie zuckte mit den Schultern, wollte nicht zugeben, dass sie noch nicht einmal wusste, was ihr Chef gerade gesagt hatte. Ihre Finger umrundeten das zierliche Zifferblatt ihrer Uhr. Noch drei Minuten, nur noch drei Minuten, dann würde nichts und niemand sie mehr auf dem Stuhl halten können. Dann waren die vierundzwanzig Stunden um. Dann konnte man sie nicht mehr abweisen, dann mussten sie etwas unternehmen. Ihre Finger krallten sich in ihre Handtasche.

„Ich meine unseren allzeit fleißigen Hausmeister Theo Winkler. Theo, kommen Sie nach vorne.“ Der angesprochene Mann saß am letzten Tisch vor dem Büfett, neben ihm der Elektriker und einer der beiden Gärtner. Seine Augen weiteten sich, und er schüttelte lächelnd den Kopf. Vom Fenster rief eine Männerstimme: „Nun komm schon, Theo, stell dich nicht so an. Einmal trifft es jeden!“

Alles grölte, der Mann lachte gezwungen mit. Auf seinem Gesicht zeichneten sich hektische Flecken ab. Er erhob sich unbeholfen und drehte sich kurz um. Hinter ihm, direkt neben dem Ausgang des Speisesaals standen diverse Desserts und Sahnetorten.

„Willst du uns jetzt mit Kuchen bewerfen oder abhauen? Beides gilt nicht!“ Der Mann am Fenstertisch hatte wieder die Lacher auf seiner Seite.

Noch 90 Sekunden! Bis sie im Foyer war, dauerte es noch einmal zwei Minuten. Nein, Schluss, aus und vorbei. Sie rückte den Stuhl beiseite. Direktor Baumann sah stirnrunzelnd zu ihr herüber. Ihre Lippen formten eine Entschuldigung, während ihre Füße schon auf dem Weg nach draußen waren. Nur noch weg hier. Warum eigentlich erst anrufen? Sie würde direkt nach Bergen zur Polizei fahren. Suchtrupps, Hubschrauber, Hundestaffeln, sie mussten reagieren. Vor sich, an der Ecke des Büfetttisches sah sie Theo Winkler, der sie schüchtern anlächelte.

„Ich bekomme Unterstützung, oh wie schön.“ Er breitete seine Arme aus und versperrte ihr dadurch den Weg.

Ja, sie würde direkt nach Bergen fahren. „Lass mich in Ruhe, Theo.“ Sie schob ihn beiseite. Das fröhliche Gelächter der Gesellschaft verfolgte sie bis in das Foyer. Melli! Wo bist du?

3

Auf dem Horizont lag ein frühmorgendliches, tiefrotes Band, das durch die kahlen Äste des dichten Waldes im Naturschutzgebiet Granitz schimmerte. Das Rauschen der Ostsee war entfernt zu hören. Keine Wolke im himmlischen Blau, und obwohl es noch sehr früh am Morgen war, begann der Tag in den Dörfern, Städten sowie an den Stränden und Ufern von Rügen bereits angenehm warm. Hier im Wald in dem Biosphärenreservat, das sich von Sellin bis nach Binz hinzog, spürte man davon jedoch nichts. Peter Beck atmete tief den frühen und würzigen Morgenduft des Waldes ein, während er mit seinem Hund auf dem Waldweg bis hin zum Schwarzen See lief. Jeden Sonntagmorgen wiederholte sich ein gleich bleibendes Ritual: Er packte für seinen Hund ein Spielzeug, für sich die Nordic Walking Stöcke in den Kofferraum und fuhr die knapp vier Kilometer von Moritzdorf nach Sellin, parkte seinen Wagen auf dem kostenpflichtigen Parkplatz bei der Mutter-Kind-Klinik – jedoch ohne jemals auch nur einen Cent bezahlt zu haben –, lief im strammen Schritt und einen weiten Bogen schlagend bis zum Schwarzen See mitten in der Granitz. Er verweilte ein wenig an dem dunklen tiefen Gewässer, ließ Heinrich, seinen Border Collie, den morastigen Boden, die Erlen und Buchen beschnuppern und erkunden, warf ein paar Mal Heinrichs Spielzeug, seinen geliebten Kong, durch die Lüfte, damit der Hund sich austoben konnte, dann ging er den ganzen Weg im selben strammen Schritt wieder zurück.

Aber dieser Sonntag sollte anders enden, auch wenn zunächst nichts darauf hindeutete. Heinrich lief, den Kong wie immer in seiner Schnauze tragend, ein Stück weit voraus, sprang über abgebrochene Äste, und seine flinken Pfoten fanden geschickt ihren Platz auf dem laubbedeckten Waldboden rund um die noch winterlich kahlen Bäume. Und er marschierte, unterstützt von den stabilen schlanken Stöcken und seinen Gedanken nachhängend, den Waldweg entlang. Irgendwann hatte er angefangen, die vergangenen Tage Revue passieren zu lassen. Hier in dem ruhigen Waldstück fand er Frieden und oftmals auch Lösungen für Probleme, die er die ganze Woche mit sich herumgetragen hatte. Der letzte Winter war hart gewesen, und erst seit Freitag hatte der wärmende Frühling begonnen, Rügen langsam in seinen Besitz zu nehmen. Es schien, als atme die Insel regelrecht auf. Die Straßencafés öffneten ihre Pforten, die großen, eleganten Hotels in den Seebädern entlang der Südostküste und auf Mönchgut reinigten ihre Strände nach dem Winterschlaf. Aber hier im Wald hatte der raue Winter der Insel noch nicht endgültig den Rücken gekehrt. Der Boden war zum Teil noch gefroren, und an vereinzelten Stellen rund um die Wurzeln der Sträucher und Baumstämme lagen kleine Schneeinseln, deren matschiges Grau darauf hindeutete, dass der Frühling auch ihnen in Kürze den Garaus machen würde. Der Schwarze See allerdings trug immer noch sein vereistes Kleid und ließ keinen Blick auf das dunkle Gewässer zu. Zu hart und streng war der Winter gewesen, der noch nicht einmal vor dem großen Selliner See Halt gemacht hatte, und es würden wohl noch ein paar weitere warme Tage vergehen, bis auch der Schwarze See hier mitten im Wald auftaute.

Heinrich ließ den Kong zu Boden fallen, hob den Kopf, und schwanzwedelnd sah er sein Herrchen aufmerksam an.

Beck lachte und tätschelte den großen Hundekopf. „Na, dann man los, mein Freund.“

Er hob das Spielzeug auf, das Ähnlichkeit mit einer ausgehöhlten Muschel aus Vollgummi hatte, und warf es, so weit er konnte. Es landete auf einem der Hügel neben dem See, seine rote Farbe hob sich von dem braunen Laub ab. Der Border Collie jagte dem Kong hinterher, nahm ihn vorsichtig in sein Maul und brachte ihn seinem Herrn zurück.

„Leg ihn ab!“ Der Hund gehorchte und Peter Beck gab ihm zur Belohnung einen Hundekuchen. Ja, der Einsatz in der Hundeschule machte sich bemerkbar. Er blickte sich um. Von dem Spieleifer seines tierischen Gefährten angesteckt, holte er mit Schwung aus und warf das Spielzeug erneut, diesmal in Richtung See. Sofort merkte er, dass er wohl ein wenig zu viel Kraft in den Wurf gelegt hatte, der Kong flog über das Schwinggras hinweg auf die Eisplatte des Sees. Heinrich wollte hinterher, aber Beck rief ihn zurück. Winselnd stand der Hund am Uferrand. Beck trat zu ihm, mit den Augen suchte er die weiße Eisfläche nach dem roten Spielzeug ab. Missmutig entschied er sich, es selbst zu suchen. Das fehlte noch, dass Heinrich auf die Eisfläche lief, am Ende brach er sich noch eine Pfote. „Sitz!“ Der Hund setzte sich folgsam, der buschige Schwanz fegte langsam über den belaubten Boden. Unwillig kniff Beck die Augen zusammen und blickte auf das vereiste Gewässer. Wo war das verdammte Teil? Er konnte es nicht entdecken. Der Kong war teuer gewesen und er war nicht gewillt, ihn einfach zurückzulassen. Er betrat das morastige Ufer, legte den Ast einer Erle beiseite. Ein Vogel ließ seinen morgendlichen Gruß in dem ansonsten ruhigen Wald verhallen. Er ging bis an den Holzsteg, der auf den See führte, ließ seinen Blick wandern, dann entdeckte er etwas Ungewöhnliches. Etwa zehn Schritte schräg rechts vom Holzsteg, in Richtung Seemitte, war ein Loch ins Eis geschlagen worden. Was war das denn? Hatte sich hier einer im Eisangeln versucht? Das war verboten, das wusste doch jeder! Wie ein dunkler und finsterer Fleck wirkte das freigelegte Wasser in der weißen Eisdecke. Und genau in der Mitte schwamm der Kong!

Beck trat zurück an das Ufer und holte sich einen der Nordic Walking Stöcke. Vorsichtig setzte er einen Fuß auf das Eis und hielt sich erst mal an dem Steg fest. Am liebsten wäre er auf der Stelle umgekehrt, aber er wollte den Kong nicht verlieren. Er ließ sich nämlich mit Futter füllen. Das herauszuholen, beschäftigte Heinrich eine ganze Weile. So würde er ihn heute Nachmittag beruhigt allein lassen können, wenn er seine Freunde besuchen ginge. Nein, der Kong musste her, unbedingt. Sein Blick ging zurück zum Ufer, wo Heinrich mit heraushängender Zunge auf seinen Herrn wartete. Unter seinen Füßen knackte es, doch das Eis hielt. Er fing an zu schwitzen, sein jetzt laut bellender Hund machte ihn nervös.

„Ruhig Heinrich!“, rief er in Richtung Ufer. Langsam trat er an das Eisloch heran. Aus der Nähe betrachtet schätzte er dessen Durchmesser auf etwas mehr als einen Meter. Der Kong wippte wie ein kleines Spielzeugboot auf und ab. Das Knacken wurde lauter, er gab ein Stoßgebet von sich, dass die Eisdecke ihn weiterhin tragen möge. Beck schwitzte vor lauter Angst noch ein bisschen mehr. Er war jetzt schon etwa zehn Meter von dem sicheren Ufer entfernt. Vorsichtig ließ er den Stock in das Wasser gleiten, der Kong tauchte unter.

„Mist!“

Aber so schnell wollte er nicht aufgeben. Entweder holte er das wertvolle Spielzeug wieder hervor oder er würde am Abendnach seiner Rückkehr feststellen, dass während seiner Abwesenheit irgendetwas anderes Heinrichs Interesse geweckt hatte. Er trat noch etwas näher an das Eisloch heran und betrachtete die Eisränder, ihre Dicke ließ ihn aufatmen. Er umklammerte den Stock ganz fest – am Ende verlor er auch noch das teure Sportgerät – ließ ihn noch tiefer in das schwarze Wasser gleiten, zog ihn wieder hoch ... irgendeine Wasserpflanze hatte sich mitsamt der Wurzel an dem Stock verfangen. Er schüttelte den Kopf, die Hoffnung, den Kong wiederzubekommen, schwand ... Aber da war doch etwas ... Etwas auffällig Helles, auf der anderen Seite des Loches und daneben ... der Kong! Er verschwand erneut.

Beck leckte sich über die trockenen Lippen. Jetzt war sein Ehrgeiz angestachelt. Wäre doch gelacht! Er hielt den Stock schräg und berührte mit ihm das helle Etwas. Er wollte es beiseite schieben, stieß es aber hinunter. Was auch immer es war, jedenfalls war es groß und schwer. Beck schluckte. Dann stocherte er mit dem Nordic Walking Stock wie wild in dem Gewässer herum. Irgendwann musste doch das blöde Teil wieder auftauchen. Sein Stock ging ins Leere. Das Wasser schwappte über den Rand des Eises, und seine Füße wurden nass. Da! Er stieß den Stock erneut in das Loch, wollte ihn wieder herausziehen. Aber er hatte sich irgendwie in diesem hellen Objekt verfangen. Ein kräftiger Ruck und als erstes sah er voller Freude den roten Kong hochkommen, dann ... blickte er in ein weißes aufgedunsenes Gesicht. Zwei tote Augen starrten ihn direkt unter der Wasseroberfläche an.

4

Hauptkommissar Sven Widahn stand am Ufer des Schwarzen Sees. Neben ihm kämpfte Katja Sommer missmutig mit einem Papiertaschentuch, weil ein neuerlicher Niesanfall drohte. Michael Heinrichsen, ihr junger Kollege, bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Wasserleichen kannte er nur von Lehrfilmen, selbst die Ostsee hatte ihn bisher damit verschont.

Der Rechtsmediziner Dr. Ulrich Majonika hockte über den Leichnam gebeugt und fluchte leise vor sich hin. Er versuchte, einen von diesen modernen Fitness-Stöcken freizubekommen, der sich in dem weißen Strickpullover des Opfers verfangen hatte. Majonika war klein und untersetzt. In seinen hohen Gummistiefeln und in dem goldfarbenen Anorak, dessen Kapuze mit Pelz besetzt war, wirkte er auf Katja eher wie ein Eskimo, der auf Fischfang war, als wie ein Arzt, der gerade eine Wasserleiche untersuchte. Ob er gar nicht bemerkt hatte, dass sich die Wetterverhältnisse deutlich gebessert hatten? Allerdings musste sie zugeben, dass es hier mitten im Wald im Naturschutzgebiet Granitz deutlich kühler war als in Sellin. Sie spürte erneut ein Kribbeln in der Nase und griff nach einem frischen Taschentuch.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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