Der Traum ein Leben - Franz Grillparzer - E-Book

Der Traum ein Leben E-Book

Franz Grillparzer

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Beschreibung

Grillparzer nimmt den Leser mit auf eine märchenhafte Reise, bei der man manchmal nicht mehr zwischen Traum- und Wirklichkeit unterscheiden kann.Der junge Rustan ist gelangweilt von seinem einfachen, bäuerlichen Leben. Zusammen mit seinem Sklaven Zanga begibt er sich in die weite Welt hinaus, um Ruhm und Reichtum zu erlangen. Durch eine List kann er sich als Retter des Königs von Samarkand ausgeben, der sich dankbar zeigt, indem er ihm seinen Dolch schenkt und ihm seine Tochter verspricht. Als jedoch der eigentliche Retter des Königs droht, Rustans Betrug auffliegen zu lassen, kommt alles ganz anders...-

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Franz Grillparzer

Der Traum ein Leben

Dramatisches Märchen in vier Aufzügen

Saga

Der Traum ein Leben

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1834, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726997361

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Personen:

Massud, ein reicher Landmann Mirza, seine Tochter Rustan, sein Neffe Zanga, Negersklave Der König von Samarkand Gülnare, seine Tochter Der alte Kaleb (stumm)Karkhan Der Mann vom Felsen Ein altes Weib Ein Königlicher Kämmerer Ein Hauptmann Erster und Zweiter Anführer Eine Dienerin Gülnarens Gefolge und Kämmerlinge des Königs Frauen und Dienerinnen Gülnarens Zwei Verwandte Karkhans Zwei Knaben. Diener. Krieger. Volk beiderlei Geschlechts

Erster Aufzug

Ländliche Gegend mit Felsen und Bäumen. Links im Vorgrunde eine Hütte. Neben der Tür eine Bank. Sommerabend.

Hörnertöne erschallen aus der Ferne.

Mirza(kommt aus der Hütte).

Horch! War das nicht Hörnerschall?

Ja, er ist's! Er kommt! Er naht!

Doch so spät erst! – Warte, Wilder,

Du sollst mir's fürwahr entgelten!

Unerbittlich will ich sein,

Schmollen will ich, zürnen, schelten,

Und nur spät – erst spät verzeihn.

Ja, verzeihn! Das ist es eben,

Darin liegt das Maß des Unglücks.

Oh, man sollte grollen können,

Grollen, so wie andre fehlen,

Lang und unabänderlich,

Daß Verzeihung Preis der Beßrung

Und nicht Lohn des Fehlers schiene.

Denn es ist fürwahr nicht billig,

Daß die Strafe der Beleid'gung

Nicht einmal so lange währe,

Ach, als der Beleid'gung Schmerz.

Könnt' ich trotzig sein, wie er,

Oh, ich weiß, er wäre milder.

Doch wo bleibt er? Dort herüber

Schien des Hornes Ton zu kommen.

(Zurücktretend und nach allen Seiten blickend.)

Dort vom Hügel steigt ein Mann

Mit des Weidwerks Raub beladen.

Ob er's ist? – Die Sonne blendet.

Scheidend an der Berge Saum,

Schüttet sie, in Glut versunken

Ihres Brandes letzte Funken

Durch die abendliche Flur

Auf des späten Wandrers Spur.

Jetzo wendet er das Antlitz!

Rustan!? – – Armes, oft getäuschtes Herz!

Wohl ein Jäger schreitet her,

Rasch beflügelnd seine Schritte,

In der lauten Doggen Mitte,

Wohl ein Jäger, doch nicht er.

Trage, wunder Busen, trage,

Bist des Tragens ja gewohnt! (Setzt sich.)

Abend ist's, die Schöpfung feiert,

Und die Vögel aus den Zweigen,

Wie beschwingte Silberglöckchen,

Läuten aus den Feier abend,

Schon bereit, ihr süß Gebot,

Ruhend, selber zu erfüllen.

Alles folgt dem leisen Rufe,

Alle Augen fallen zu;

Zu den Hürden zieht die Herde,

Und die Blume senkt in Ruh'

Schlummerschwer das Haupt zur Erde.

Ferneher vom düstern Osten

Steigt empor die stille Nacht;

Ausgelöscht des Tages Kerzen,

Breitet sie den dunkeln Vorhang

Um die Häupter ihrer Lieben

Und summt säuselnd sie in Schlaf.

Alles ruht, nur er allein

Streift noch durch den stillen Hain,

Um in Berges dunkeln Schlünden,

Was er hier vermißt zu finden.

Und mich martert hier die Sorge,

Und mich tötet hier die Angst.

Jener Jäger, Kaleb ist's,

Sieh, sein Weib eilt ihm entgegen

Mit dem Kleinen an der Brust.

Wie er eilt sie zu erreichen!

Und der Knabe streckt die Hände

Jauchzend nach dem Vater aus.

Ihr seid glücklich! – Ja, ihr seid's!

(Sie versinkt in Nachdenken.)

(Massud kommt aus der Hütte.)

Massud.

Mirza!

Mirza.

        Rustan!

Massud.

                Ich bin's, Mirza!

Mädchen, lässest du den Vater

In der Dämmrung so allein?

Mirza.

Ach, verzeiht, ich wollte sehen –

Massud.

Ob er komme?

Mirza.

        Ach, ja wohl.

Massud.

Nun, und –?

Mirza.

        Keine Spur.

Massud.

                's ist spät.

Mirza.

Nacht beinahe. Alle Jäger

Ringsum aus der ganzen Gegend

Sind zurück schon von den Bergen.

Glaubt mir, denn ich kenne alle,

Die in jenen Bergen jagen,

Muß ich sie nicht täglich zählen,

Wenn den letzten ich erwarte?

Alle Jäger sind zurück,

Er allein streift noch im Dunkeln.

Massud.

Ja, fürwahr, ein wilder Geist

Wohnt in seinem düstern Busen,

Herrscht in seinem ganzen Tun

Und läßt nimmerdar ihn ruhn.

Nur von Kämpfen und von Schlachten,

Nur von Kronen und Triumphen,

Von des Kriegs, der Herrschaft Zeichen

Hört man sein Gespräch ertönen;

Ja, des Nachts, entschlummert kaum,

Spricht von Kämpfen selbst sein Traum.

Während wir des Feldes Mühn

Und des Hauses Sorge teilen,

Sieht man ihn bei Morgens Glühn

Schon nach jenen Bergen eilen.

Dort, nur dort im düstern Wald

Ist des Rauhen Aufenthalt,

Du bist, alles ist vergessen,

Und es scheint ihm hohe Lust,

Mal die Wildheit seiner Brust

An des Waldes Wild zu messen.

Das ist ein unselig Treiben!

Ich beklage dich, mein Kind.

Mirza.

Scheltet drum ihn nicht, mein Vater!

War er doch nicht immer so.

Oh, ich weiß wohl eine Zeit,

Wo er sanft war, fromm und mild,

Wo er stundenlange saß

Auf dem Grund zu meinen Füßen,

Bald des Hauses Arbeit teilend,

Bald ein Märchen mir erzählend,

Bald – o glaubt mir, lieber Vater,

Er war damals sanft und gut.

Hat er seither sich verändert,

Ei, er kann sich wieder ändern

Und er wird's, gewiß, er wird's.

Massud.

Wähnst du mich zu überzeugen,

Und kannst es dich selber nicht?

Mirza.

Glaubt, mein Vater, dieser Sklave,

Zanga, er trägt alle Schuld.

Seit er trat in unsre Hütte,

Seit erklang sein Schmeichelwort,

Floh die Ruh' aus unsrer Mitte

Und aus Rustans Busen fort.

Rustan, wahr ist's, schon als Knabe

Horcht' er gerne großen Taten,

Übt' er gerne Ungewohntes,

Wollt' er gerne was er kann,

Wär' das schlimm? Er ist ein Mann.

Stets doch hielt er die Gedanken

In des Hauses frommen Schranken

Und gebot dem raschen Mut.

Zanga kam. Sein Hauch, verstohlen,

Blies die Asche von den Kohlen

Und entflammte hoch die Glut.

Oh, ich habe sie belauscht!

Oft, wenn Rustan mir versprochen,

Nicht zu gehen nach den Bergen,

Und er still und ruhig saß;

Da trat Zanga vor ihn hin,

Und von Schlachten hört' ich's tönen,

Und von Kämpfen und von Siegen.

Hoch empor und immer höher

Stieg die Glut in Rustans Wangen,

Jede seiner Fibern zuckte,

Und die Hände ballten sich;

Aus den tiefgezognen Brauen,

Schossen Blitze wilden Feuers,

Und zuletzt –

        da sprang er auf,

Langte von der Wand den Bogen,

Warf den Köcher um den Nacken,

Und hinaus – hinaus zum Walde!

Massud.

Armes Kind! und achtet nicht,

Hart und sorglos, der Verkehrte!

Deines Kummers, deiner Angst.

Mirza.

Angst? Warum denn Angst, mein Vater?

Oh, ich weiß, der starke Rustan

Kennt nicht Furcht und nicht Gefahr.

Dann ist Zanga ja mit ihm.

Massud.

Doch nur zwei.

Mirza.

        Er zählt für viele.

Massud.

In der Nacht –

Mirza.

        Er kennt den Pfad.

Massud.

Wie so leicht ein wildes Tier –

Mirza.

Oh, es flieht das Wild den Jäger!

Massud.

Oder gar –

Mirza.

        Was, Vater, was?

Sprecht es aus und tötet mich!

Massud.

Armes Kind, das ist dein Los,

Wenn dich, wie ich sonst wohl dachte,

Einst an ihn ein festres Band –

Mirza.

Vater, es wird kühl, wir wollen

In die Hütte doch zurück.

Eh' wir's denken, kommt auch er.

Massud.

Nun, so sei's denn, wie es ist!

Die dort oben mögen walten.

Was ihn heut zurückehält,

Denk ich wohl beinah zu wissen.

Mirza.

Wie? Ihr wißt? O sprecht!

Massud.

        Dein Derwisch,

Der besorgte fromme Mann,

Der dort haust in jenem Walde,

Sandte kaum nur schnelle Botschaft,

Mir zu melden, daß man sage,

Rustan habe Streit erhoben

Auf der Jagd mit einem Weidmann.

Mirza.

Streit? Mit wem?

Massud.

        Mit Osmin, heißt es,

Unsers Emirs ältstem Sohn,

Der am Hof zu Samarkand

In des Königs Kammer dienet,

Und, mit Urlaub bei dem Vater,

Sich den Jägern beigesellt.

Rustan schlug nach ihm und –

Mirza.

        Mehr noch?

Massud.

Und sie griffen zu den Waffen.

Mirza.

Waffen?

Massud.

        Doch man schied sie schnell,

Und der Streit ward ausgetragen.

Mirza.

Doch vielleicht –

Massud.

        Sei ruhig, Kind!

Osmin ist schon heimgekehrt

Und nichts weiter zu besorgen.

Aber Rustan ahnet wohl,

Daß mir Kunde seiner Raschheit,

Und er scheut, mir zu begegnen.

Kaum wird's vollends Nacht, so schleicht er,

Seines Oheims Blick vermeidend,

Leise wohl in sein Gemach.

Darum, Mirza, laß uns gehn;

Unsre Gegenwart, bedünkt mich,

Hielt ihn wohl so lange fern.

Mirza.

Und Ihr zürnt ihm?

Massud.

        Sollt' ich nicht?

Siehst du mich schon flehend an?

Oh, ich weiß wohl, jedes Wort,

Tadelnd, rauh zu ihm gesprochen,

Wie ein Pfeil aus schwachen Händen,

Prallt von seinem starren Busen

Und dringt in dein weiches Herz.

Komm nur, komm! Ich will nicht schelten.

(Beide in die Hütte ab.)

(Pause. Dann schleicht Zanga, nach allen Seiten umherspähend, herein.)

Zanga.

Kommt nur, Herr! die Luft ist rein!

(Rustan tritt auf mit Bogen und Köcher.)

Zanga.

Munter, Herr! was soll das heißen?

Warum düster und beklommen?

Was ist Arges denn geschehn?

Daß Ihr einem platten Jungen,

Der recht unverständig prahlte,

Euch zu höhnen sich erfrechte,

Etwas unsanft mitgespielt,

Das ist alles. Und was weiter?

Euer Oheim wird wohl schelten;

Sei es drum! Gönnt ihm die Lust.

Rustan.

Glaubst du, daß ich seine Worte,

Seines Tadels Ausbruch scheue?

Nimmer brauch ich zu erröten,

Was ich tat, kann ich vertreten;

Könnt' ich's nicht, ich wär' nicht hier.

Nicht der Schmerz, den mir sein Zürnen,

Der, den es ihm selber kostet,

Macht mich seinen Anblick fliehn.

Könnt' er all doch seine Sorge,

Seine Angst um mich, mit einem,

Einem Feuergusse strömen

Auf dies unverwahrte Herz,

Und dann kalt und ruhig bleiben

Bei des Wilden Tun und Treiben,

Hier! er kühle seinen Schmerz.

Aber, daß ich sehen muß,

Wie der Nahverwandten Wünsche,

Gleich entzügelt wilden Pferden,

Nord- und südenwärts gespannt,

An dem Leichnam unsers Friedens,

Raschgespornt, zerfleischend reißen;

Daß ich sehe, wie wir beide,

Bürgern gleich aus fremden Zonen,

Bang uns gegenüberstehn,

Sprechen und uns nicht begreifen,

Einer mit dem andern zürnend,

Ob gleich Lieb' in beider Herzen,

Weil, was Brot in einer Sprache,

Gift heißt in des andern Zunge,

Und der Gruß der frommen Lippe

Fluch scheint in dem fremden Ohr:

Das ruft diesen Schmerz empor.

Zanga.

Nun, so lernt denn seine Sprache,

Er wird Eure nimmer lernen!

Und wer weiß? An Lektionen

Läßt's der alte Herr nicht fehlen.

Bleibt im Land und nährt Euch redlich!

Auch die Ruhe hat ihr Schönes.

Rustan.

Spotte nicht! Denk an Osmin!

Gleicher Lohn harrt gleicher Frechheit.

Ha, bei Gott! Es soll kein Prahler

Trotzig vor mich hin sich stellen

Und mich mit den Augen messen,

Den verschämten, keuschen Degen

Wiegend auf den glatten Schenkeln.

Er soll's nicht, wenn nicht sein Kopf

Härter ist als Osmins Schädel,

Tücht'ger ist als diese Faust.

Bin ich nichts, ich kann noch werden,

Rasch und hoch ist Heldenbrauch;

Was ein andrer kann auf Erden,

Ei, bei Gott! das kann ich auch.

Zanga.

Herr, Ihr sprecht nach meinem Herzen.

Rustan.

Wie so schal dünkt mich dies Leben,

Wie so schal und jämmerlich!

Stets das Heute nur des Gestern

Und des Morgen flaches Bild.

Freude, die mich nicht erfreuet,

Leiden, das mich nicht betrübt,

Und der Tag, der stets erneuet,

Nichts doch als sich selber gibt.

Oh, wie anders dacht' ich's mir

In entschwundnen, schönern Tagen!

Zanga.

's ist auch anders, muß ich sagen.

Nur Geduld! es wird schon kommen.

Zeit tut alles, Zeit und Mut.

Jener Fürst von Samarkand,

Den Osmin als Herrn genannt,

War, wie Ihr, des Dorfes Sohn,

Jetzt von Macht und Glanz umgüldet;

Ihr seid aus demselben Ton,

Aus dem Glück die Männer bildet