Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Grillparzer - Gesammelte Werke. Die Auswahl umfasst u. a. Das goldene Vließ, Der Gastfreund, Die Argonauten, Medea, Das Kloster bei Sendomir, Der arme Spielmann, Der Traum ein Leben, Des Meeres und der Liebe Wellen, Die Ahnfrau, Die Jüdin von Toledo, Ein Bruderzwist, in Habsburg, Ein Erlebnis, Aus dem Tagebuche, Ein treuer Diener seines Herrn, Erinnerungen an Beethoven, Rede am Grabe Beethovens, Rede am Grabe Beethovens bei der Enthüllung des Denksteines, König Ottokars Glück und Ende, Libussa, Reisetagebücher, Tagebuch auf der Reise nach Deutschland, Tagebuch auf der Reise nach Frankreich und England, Tagebuch auf der Reise nach Griechenland, Novelle, Sappho, Selbstbiographie, Studien zur Philosophie und Religion, Historische und politische Studien, Aesthetische Studien, Sprachliche Studien, Aphorismen, Zur Dramaturgie, Theaterkritiken.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 2493
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
ISBN 9783960555971
2016 idb
Aesthetische Studien.
Zur Kunstlehre.
Grundsatz.
(1819.)
Ich nehme mir bei diesen Anmerkungen vor, ohne Rücksicht auf ein System, über jeden Gegenstand dasjenige niederzuschreiben, was mir aus seinem eigenen Wesen zu fließen scheint. Die dadurch entstehenden Widersprüche werden sich am Ende entweder von selbst heben, oder, indem sie nicht wegzuschaffen sind, mir die Unmöglichkeit eines Systems beweisen.
Als die Natur lebende, selbstthätige Wesen erschuf, die vom mütterlichen Boden getrennt, und daher von der absolut zwingenden Naturnotwendigkeit emanzipiert fortleben und bestehen sollten, sicherte sie die Fortdauer ihres Werkes auf die zweckmäßigste Art dadurch, daß sie jeder auf diese Art freigegebenen Kraft, nebst dem Vermögen zu wirken, auch noch ein Streben nach Wirksamkeit und einen unwillkürlichen Drang nach allem gab, was diese Wirksamkeit erhalten und vermehren kann.
Diese Einrichtung, die man im allgemeinen mit dem Namen Trieb bezeichnet, äußert sich schon bei den Tieren auf eine höchst merkwürdige Art, Unter dem Namen des Instinkts bringt er, besonders in einzelnen Fällen und bei einzelnen Gattungen Wirkungen hervor, die durch ihre Vernunftähnlichkeit in Erstaunen setzen. Immer aber sichert er die Erhaltung und Fortpflanzung auf die unfehlbarste Weise.
Auch dem Menschen fehlen diese Triebe nicht. Er hat sie als Körperwesen, nicht in gleicher Stärke, aber ebenso unverkennbar als das Tier; er hat sie als Empfindungswesen, und Lieb' und Haß, Wohlgefallen und Abscheu bezeugen nur allzulaut ihre Gewalt; er hat sie als Vernunftwesen, als erkennendes, wollendes, ahnend-urteilendes Geschöpf, sich äußernd in seinem Streben nach dem Wahren, nach dem Guten, nach dem Schönen.
Unter hundert Menschen ist kaum einer, der einen tüchtigen, selbständigen Verstand hat; unter tausend kaum einer, der eine tüchtige lebhafte Phantasie hat; und unter zehntausend mit Verstand und Phantasie begabten Menschen kaum einer, bei dem beide Hand in Hand gehen können, wie sie es müssen, wenn ein Kunstwerk hervorgebracht werden soll.
Wozu also eine Aesthetik, wenn sie weder lehren kann, wie das Schöne hervorzubringen, noch, wie es mit Geschmack zu genießen ist? Dazu, weil es die Sache eines vernünftigen Menschen ist, sich von allen seinen Handlungen und Urteilen einen Grund angeben zu können. Wenn die Aesthetik auch keine Rechenkunst des Schönen ist, so ist sie doch die Probe der Rechnung.
Ich hätte fast Lust, jene Einteilung der Aesthetiker geradehin zu leugnen, nach welcher das Erhabene als ein eigenes Genus dem Schönen an die Seite gesetzt wird. Das Erhabene ist nichts als ein Modus des Schönen und als solcher dem Lieblichen entgegengesetzt, beide als letzte Grenzpunkte des Schönen, über die hinaus das Reich der Schönheit aufhört, in den Bezirken des Kleinlichen und Gigantesken. Das Gefühl des Erhebens über sich selbst, das den Menschen beim Ansehen des Erhabenen ergreifen soll und als charakteristisches Zeichen desselben angegeben wird, muß die Betrachtung jedes Schönen begleiten und ist eben das Merkzeichen, an dem sich das Schöne von dem bloß Wohlgefälligen ausscheidet.
Zweck des Schönen.
Man sagt: der Zweck des Schönen ist Vergnügen! Erstens: was heißt denn das: Zweck des Schönen? Der Zweck des Wahren ist das Wahre und der Zweck des Schönen das Schöne, denn, wenn man je auf die praktischen Wirkungen des Schönen achten will, wer wird da bloß das Vergnügen nennen, das auch das Angenehme hervorbringt und das Schöne nur insofern, als es auch angenehm ist, was nicht immer der Fall ist. (NB. Das ist nur wahr vom Vergnügen im gewöhnlichen Verstande; im höhern wird es vom Schönen immer hervorgebracht.) Rechnet man für nichts die Erhebung des Geistes, die Erhöhung des ganzen Daseins, das Thätigwerden von Gefühlen, die oft im ganzen wirklichen Leben eines Menschen nicht in Anregung kommen? Den Ueberblick über das Ganze des Lebens, die Einsicht in die eigene Brust, in das Getrieb eigener und fremder Leidenschaften? Das Wacherhalten des Enthusiasmus jeder Art, den die engen Verhältnisse der Bürgerwelt so leicht einschläfern? Ist das alles nichts, daß man nötig hat: durch das Unterschieben des bloßen Vergnügens als Zweck der Kunst den Künstler mit dem Taschenspieler in eine Klasse zu setzen?
Es gibt eine zweifache Art, die Welt zu betrachten: die wissenschaftliche und die beschauliche oder kontemplative. Die erste geschieht – freilich in ihrem Ursprunge durch die Sinnlichkeit vermittelt – fast ausschließlich durch das Erkenntnisvermögen. Von Wahrnehmungen zu Begriffen und von diesen zu Urteilen und Schlüssen emporsteigend, gewinnen wir eine Ansicht, die auf die Natur unsers Geistes gegründet, und bei gehöriger Deduktion, ebenso unerschütterlich als seine Gesetze, die Grundlage von allen dem ausmacht, was als Wissen die Welt erleuchtet und als Wahres sie beglückt. Diese Ansicht des All hat ihre Vorteile, aber auch ihre Nachteile. Das Vorteilhafte besteht – insofern sie sich innerhalb ihrer Grenzen hält – in der Beweisbarkeit ihrer Ansprüche; der Nachteil eben in diesen Grenzen. Gerade über das, was die Forschbegierde von jeher am meisten erregt, gerade über die großen Angelegenheiten der Menschheit, über den letzten Zusammenhang der Dinge, die unsichtbare Kette, die die Sinnenwelt und das darüber Befestigte mit einem Band verknüpft, gerade hierüber fühlt sie ihre Kraft versiegen, und – gewohnt in strenger Stufenfolge vorzugehen, sieht sie am Rande ihres Kreises wohl noch die Stangen der großen Leiter ins All hinaufreichen, aber ohne Sprossen, und sie sinkt zurück. Hier kann man nun allerdings die übrigen Vermögen der Seele den Platz der Zurückweichenden einnehmen lassen und mit ihnen den höhern Raum versuchen zu durchdringen, aber – für jeden Fall hört nun das Wissen mit seiner strengen Beweisbarkeit auf, und das erneuerte Beginnen fällt mit dem zusammen, was oben als der zweite Teil unseres Forschungsvermögens, mit dem Namen des Beschaulichen bezeichnet worden ist. –
Unter Beschauung verstehe ich jene Richtung des menschlichen Wesens, durch welche alle seine Kräfte und Vermögen, innere und äußere, ohne Sonderung, ohne daß eines oder das andere vorherrsche, wie in einem Brennpunkte auf einen Gegenstand geheftet werden, der dadurch umleuchtet, erhellt und mit einer Lebendigkeit ins Bewußtsein aufgenommen wird, die beinahe keinen Unterschied zwischen dem Gegenstande und seiner Vorstellung erkennen läßt. Diese Vorstellungsart schließt den Verstand und die Vernunft keineswegs aus, begreift sie vielmehr notwendig in sich, aber nur als Teil des Ganzen, ohne vorherrschende Gewalt.
Wie gefährlich die Wirkung dieses Beschauungsvermögens in seiner Anwendung auf Gegenstände des Wissens und als Supplement des Erkenntnisvermögens ist, haben die Erfahrungen aller Jahrhunderte nur zu deutlich gezeigt. Gar leicht mit der Vernunft vermischt, und seine Ausbeute unter dem Bilde derselben als Ideen ausprägend, veranlaßte sie um so leichter Irrtümer aller Art, als sie hier beinahe ohne Kontrolle ist und vor dem Vorwurfe des Nichtbegreifens gesichert, die Schuld des Nichtverstehens leicht von sich auf die Beschränktheit der Gegner wälzen konnte.
Allerdings aber gibt es eine Anwendung dieses Beschauungsvermögens, wo dasselbe der Kontrolle nicht entbehrt, insofern es nämlich sich bestrebt, das, was es geschaut, in einem Bilde darzustellen – insofern es wird. Denn da es das Eigentümliche eines Kunstwerkes ist, daß es die Idee, die Anschauung des Künstlers, nicht bloß für ihn selbst erkennbar ausdrückt, sondern auch zur Leiter diene, an der andere des Genusses Fähige zu der ihnen früher unbekannten Idee des Künstlers emporklimmen, so liegt eben in dieser Zugänglichkeit für andere die sicherste Bürgschaft ihrer Realität, ihrer Uebereinstimmung nämlich mit den innern und äußern Gesetzen der Natur.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!