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Grillparzer arbeitete viele Jahre an diesem mitreißenden Trauerspiel, dessen Uraufführung erst nach seinem Tod stattfand.Die wunderschöne Jüdin Rahel trifft bei einem verbotenen Spaziergang durch die königlichen Gärten Kastiliens auf das Königspaar. König Alfonso VIII. ist unglücklich in seiner arrangierten Ehe mit Eleonore von England und die junge, lebenslustige Frau, die so ganz anders ist, fasziniert ihn augenblicklich. Während Alfonsos Zuneigung zu Rahel immer stärker wird und er alles andere um sich herum vergisst, wächst die Wut der eifersüchtigen Königin. Zusammen mit ihren Verbündeten schmiedet sie einen Plan, um Rahel loszuwerden.-
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Seitenzahl: 87
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Franz Grillparzer
Historisches Trauerspiel in fünf Aufzügen
Saga
Die Jüdin von Toledo
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1855, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726997408
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Im königlichen Garten zu Toledo.
Isaak, Rahel und Esther kommen.
Isaak.
Bleib zurück, geh nicht in Garten!
Weißt du nicht, es ist verboten?
Wenn der König hier lustwandelt,
Darf kein Jüd' – Gott wird sie richten! –
Darf kein Jüd' den Ort betreten.
Rahel(singt).
La, la, la, la.
Isaak.
Hörst du nicht denn?
Rahel.
Ei, wohl hör ich.
Isaak.
Nun, und weichst nicht?
Rahel.
Hör, und weiche doch nicht.
Isaak.
Je, je, je! Was sucht mich Gott?
Gab doch meinen Deut den Armen,
Hab gebetet und gefastet,
Weiß nicht, wie Verbotnes schmecket,
Je, und dennoch sucht mich Gott!
Rahel(zu Esther).
Ei, was zerrst du mich am Arme?
Und ich bleib und gehe doch nicht.
Ich will mal den König sehen;
Und den Hof und all ihr Wesen,
All ihr Gold und ihr Geschmeide.
Soll ein Herr sein, weiß und rot,
Jung und schön, ich will ihn sehn.
Isaak.
Und wenn dich die Knechte fangen?
Rahel.
Ei, ich bitte mich wohl los.
Isaak.
Ja, wie deine Mutter, gelt?
Die sah auch nach schmucken Christen,
War nach Misraims Töpfen lüstern.
Hielt ich sie nicht streng bewacht,
Glaubt' ich – nu, Gott wird verzeihen! –
Deine Torheit stamme dorther,
Sei ein Erbteil schnöder Christen.
Da lob ich mein erstes Weib,
(zu Esther) Deine Mutter, brav wie du,
Wenn auch arm. Was nützte mir
Auch der Reichtum jener zweiten?
Hat sie nicht damit geschaltet,
Schmaus und Gastgebot gehalten,
Schmuck gekauft und Edelstein?
Schau! sie ist wohl ihre Tochter!
Hat sie sich nicht rings behangen,
Prangt sie nicht in stolzen Kleidern,
Als ein Babel anzusehn?
Rahel(singend).
Bin ich nicht schön,
Bin ich nicht reich?
Und sie ärgern sich,
Und mich kümmert's nicht. La la la la.
Isaak.
So geht sie auf reichen Schuhen;
Nützt sie ab, frägt nichts danach,
Jeder Schritt gilt einen Dreier.
Hat im Ohr ihr reich Geschmeide,
Kommt ein Dieb und nimmt ihr's ab,
Fällt's in Busch, wer findet's wieder?
Rahel(ein Ohrgehänge abnehmend).
Sieh, so schraub ich's los und halt es.
Wie das blitzt und wie das flimmert!
Und doch acht ich's so geringe,
Wenn mir's einfällt, schenk ich's dir,
(zu Esther) Oder werf es von mir. Sieh!
(Sie macht mit der Hand eine fortschleudernde Bewegung.)
Isaak(nach der Richtung des Wurfes laufend).
Weh, o weh! Wo flog es hin?
Weh, o weh! Wie find ich's wieder?
(Er sucht im Gesträuche.)
Esther.
Ei, was kommt dich an? Das Kleinod –
Rahel.
Glaubst du denn, ich sei so töricht
Und verschleuderte das Gut?
Sieh! ich hab's, halt's in der Hand,
Häng es wieder in mein Ohr,
Weiß und klein, zum Schmuck der Wange.
Isaak(suchend).
Weh! Verloren!
Rahel.
Vater, kommt nur!
Seht, das Kleinod ist gefunden,
's war ja Spaß nur.
Isaak
Daß dich Gott –!
So zu spaßen! Und nun komm!
Rahel.
Vater, jedes, nur nicht dies.
Ich muß mal den König sehen,
Und er mich, ja, ja, er mich.
Wenn er kommt und wenn er fragt:
Wer ist dort die schöne Jüdin?
Sag, wie heißt du? – Rahel, Herr!
Isaaks Rahel! sprech ich dann,
Und er kneipt mich in die Backen.
Heiße dann die schöne Rahel.
Mag der Neid darob zerplatzen,
Wenn sie's ärgert, kümmert's mich?
Esther.
Vater!
Isaak.
Wie?
Esther.
Dort naht der Haufen.
Isaak.
Herr des Lebens! Was geschieht mir?
's ist Rehabeam und sein Volk.
Wirst du gehen?
Rahel.
Vater, hört doch!
Isaak.
Nun, so bleibe! Esther komm!
Lassen wir allein die Törin.
Mag der Unrein-Händ'ge kommen,
Sie berühren, mag sie töten!
Hat sie's selber doch gewollt.
Esther komm!
Rahel.
Je, Vater, bleibt!
Isaak.
Immer zu ! Komm, Esther, komm! (Er geht.)
Rahel.
Ich will nicht allein sein! Hört ihr?
Bleibt! – Sie gehn – O weh mir, weh!
Ich will nicht allein sein! Hört ihr?
Ach, sie kommen. – Schwester! Vater!
(Eilt ihnen nach.)
(Der König, die Königin, Manrique de Lara und Gefolge kommen.)
König(im Auftreten).
Laßt näher nur das Volk! Es stört mich nicht;
Denn wer mich einen König nennt, bezeichnet
Als Höchsten unter vielen mich, und Menschen
Sind so ein Teil von meinem eignen Selbst.
(Zur Königin gewendet.)
Und du, kein mindrer Teil von meinem Wesen,
Willkommen mir in dieser treuen Stadt,
Willkommen in Toledos alten Mauern.
Sieh rings um dich, und höher poch dein Herz,
Denk nur, du stehst an meines Geistes Wiege:
Hier ist kein Platz, kein Haus, kein Stein, kein Baum,
Der Denkmal nicht von meiner Kindheit Lose.
Als ich vor meines bösen Oheims Wüten,
Des Königs von Leon, ein vaterloser,
Der Mutter früher schon beraubten Knabe,
Durch Feindes Land, es war mein eignes, floh,
Und mich von Stadt zu Stadt Kastiliens Bürger
Wie Hehler eines Diebstahls heimlich führten
Weil Tod bedräute Wirt zugleich und Gast,
Und übrall nun umstellt war meine Spur,
Da brachten mich die Männer, Don Estevan
Illan, den längst der Rasen birgt des kühlen Grabs,
Und dieser Mann, Manrique Graf von Lara,
Hierher, den Hauptsitz von der Feinde Macht
Und bargen mich im Turm von Sankt Roman,
Den du dort siehst hoch ob den Häusern ragen.
Dort lag ich still, sie aber streuten aus
Den Samen des Gerüchts ins Ohr der Bürger.
Und als am Tage Himmelfahrt die Menge
Versammelt war vor jenes Tempels Pforte
Da führten sie mich auf des Turmes Erker
Und zeigten mich dem Volk und schrien hinab:
Hier mitten unter euch, hier euer König,
Der Erbe alter Fürsten, ihres Rechts
Und eurer Rechte williger Beschirmer.
Ich war ein Kind und weinte, sagten sie.
Noch aber hör ich ihn, den gellen Aufschrei,
Ein einzig Wort aus tausend bärt'gen Kehlen,
Und tausend Schwerter wie in einer Hand,
Der Hand des Volks. Gott aber gab den Sieg,
Die Leoneser flohn; und fort und fort.
Ich selber Fahne mehr als Krieger noch
Inmitten eines Heers, durchzog das Land
Erfechtend mit des Mundes Lächeln Siege;
Sie aber lehrten mich und pflegten mein,
Und Muttermilch floß mir aus ihren Wunden.
Deshalb, wenn andre Fürsten Väter heißen
Des eignen Volks, nenn ich mich seinen Sohn,
Denn was ich bin, verdank ich ihrer Treue.
Manrique.
Wenn alles, was Ihr seid, vieledler Herr,
Nur unsres Beispiels, unsrer Worte Frucht,
Dann nehmen wir den Dank und sind des froh,
Wenn unsre Lehren, unsre Pflege sich
In so viel Ruhm, in so viel Taten spiegeln,
Dann ist der Dank so ein' als andre Pflicht.
(Zur Königin.)
Seht ihn nur an mit Eurem holden Blick;
Denn so viel Kön'ge noch in Spanien waren,
Vergleicht sich keiner ihm an hohem Sinn.
Das Alter ist wohl tadelsüchtig sonst,
Auch ich bin alt und tadle gern und viel,
Und oft hab ich, im Rat mit meiner Meinung
Besiegt von seinem fürstlich hohen Wort,
Geheim erbost – heißt das, auf kurze Zeit –
Bös Zeugnis aufgesucht gen meinen Herrn,
Ihn eines Fehls, weiß Gott wie gerne, zeihend,
Doch immer kehrt' ich tief beschämt zurück,
Mir blieb der Neid, und er war fleckenlos.
König.
Ei, ei! Der Lehrer auch ein Schmeichler, Lara?
Doch wollen wir nicht dies und das bestreiten.
Bin ich nicht schlimm, so besser denn für Euch,
Obgleich der Mensch, der wirklich ohne Fehler,
Auch ohne Vorzug wäre, fürcht ich fast;
Denn wie der Baum mit lichtentfernten Wurzeln
Die etwa trübe Nahrung saugt tief aus dem Boden,
So scheint der Stamm, der Weisheit wird genannt
Und der dem Himmel eignet mit den Ästen,
Kraft und Bestehn aus trübem Irdischen,
Dem Fehler nah Verwandten aufzusaugen.
War einer je gerecht, der niemals hart?
Und der da mild, ist selten ohne Schwäche.
Der Tapfre wird zum Waghals in der Schlacht
Besiegter Fehl ist all des Menschen Tugend,
Und wo kein Kampf, da ist auch keine Macht.
Mir selber ließ man nicht zu fehlen Zeit:
Als Knabe schon den Helm auf schwachem Haupt,
Als Jüngling mit der Lanze hoch zu Roß,
Das Aug' gekehrt auf eines Gegners Dräun,
Blieb mir kein Blick für dieses Lebens Güter,
Und was da reizt und lockt, lag fern und fremd.
Daß Weiber es auch gibt, erfuhr ich erst,
Als man mein Weib mir in der Kirche traute,
Die wirklich ohne Fehl, wenn irgend jemand,
Und die ich, grad heraus, noch wärmer liebte,
Wär' manchmal, statt des Lobs, auch etwas zu verzeihn.
(Zur Königin.)
Nu, nu, erschrick nur nicht, war's doch nur Scherz!
Doch soll den Tag man nicht vor Abend loben
Und malen nicht den Teufel an die Wand.
Nun aber, statt zu rechten, laß die Zeit,
Die kurzgegönnte, uns der Ruh' genießen.
Die Fehden inner Landes sind gedämpft,
Doch rüstet sich, sagt man, der Maure neu
Und hofft aus Afrika verwandte Hilfe,
Ben Jussuf und sein streitgewohntes Heer.
Da gibt's denn neuen Krieg und neue Plage.
Bis dahin öffnen wir die Brust dem Frieden
Und atmen ein die ungewohnte Lust.
Ist keine Nachricht da? – Allein vergaß ich's?
Du siehst ja nicht um dich her, Leonore
Und schaust, was wir geschaffen, dir zur Lust?
Königin.
Was soll ich sehn?
König.
O weh doch, Almirante!
Wir haben's nicht getroffen, ob bemüht.
Da graben wir nun Tag' und Wochen lang
Und hofften, diesen Garten umzustalten,
Der nur Orangen trägt und Schatten gibt,
In einen, wie sie England hegt und liebt,
Das strenge Vaterland hier meiner Strengen.
Allein sie lächelt, schüttelt still das Haupt. –
So sind sie nun, Britanniens Kinder, alle;
Trifft man aufs Haar nicht den gewohnten Brauch,
So weisen sie's zurück und lächeln vornehm.