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Dieses mit viel Selbstironie verfasste Drama handelt von einem Königshof, auf welchem der humoristische König Andrason mit seiner Frau Mandandane und seiner Schwester sowie drei Hoffräulein und dem Prinzen lebt. Nach der Befragung eines Orakels gibt es Hinweise darauf, dass der Prinz in die Frau des Königs verliebt ist. Der sonst sehr humorvolle König findet das jedoch gar nicht komisch und versucht durch einen Täuschungsversuch hinter dem Rücken des Prinzens herauszufinden, ob die Anschuldigung der Wahrheit entspricht.-
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Seitenzahl: 64
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Johann Wolfgang von Goethe
Saga
Der Triumpf der Empfindsamkeit
Coverbild/Illustration: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Philippe_Mercier_(1689-1760)_-_The_Schutz_Family_and_their_Friends_on_a_Terrace_-_T03065_-_Tate.jpg
Copyright © 1777, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726957273
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
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Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Saal, im guten Geschmacke decorirt.
Mana und Sora (begegnen einander).
Mana. Wo willst du hin, Sora?
Sora. In den Garten, Mana.
Mana. Hast du so viel Zeit? Wir erwarten den König jeden Augenblick; verliere dich nicht vom Schlosse.
Sora. Ich kann es unmöglich aushalten; ich bin den ganzen Tag noch nicht an die freye Luft gekommen.
Mana. Wo ist die Prinzessinn?
Sora. In ihrem Zimmer. Sie probirt mit der kleinen Mela einen Tanz, und läuft jeden Augenblick an's Fenster, zu sehen, ob der Bruder kommt.
Mana. Es ist eine rechte Noth, seitdem die großen Herren auf das Incognito gefallen sind. Man weiß gar nicht mehr, woran man ist. Sonst wurden sie Monathe lang voraus angekündigt, und wenn sie sich näherten, war Alles in Bewegung; die Couriere sprengten herbey, man konnte sich schicken und richten. Jetzo, eh' man sich's versieht, sind sie einem auf dem Nacken. Wahrhaftig, das letzte Mahl hat er mich in der Nachtmütze überrascht.
Sora. Darum warst du heute so früh fertig?
Mana. Ich finde keine Lust daran. – Wenn mir ein Fremder auf der Treppe begegnet, wird mir's immer bang'; ich denke gleich es ist wieder einmahl ein König oder ein Kaiser, der seinen gnädigen Spaß mit uns zu treiben kommt.
Sora. Dieß Mahl ist er nun gar zu Fuße. Andre lassen sich doch in's Gebirge zum Orakel in Sänften tragen, er nicht so; allein, mit einem tüchtigen Stabe in der Hand, trat er seine Reise an.
Mana. Schade, daß er nicht zu Theseus Zeiten gelebt hat!
Feria (tritt auf), mit ihr Mela.
Feria. Seht ihr noch Niemand? Wenn ihm nur kein Unglück begegnet ist!
Sora. Seyd ruhig, meine Fürstinn. Die Gefahren und der üble Humor scheinen sich beyde vor ihm zu fürchten.
Feria. Er will mich nur einen Augenblick sprechen und dann gleich wieder fort.
Lato(tritt auf). Der König kommt.
Feria. Wohl! sehr wohl!
Lato. Ich sah hinüber in das Thal, und erblickte ihn eben als er über den Bach schritt.
Feria. Laßt uns ihm entgegen gehen.
Sora. Da ist er.
Andrason (kommt).
Feria. Sey uns willkommen! herzlich willkommen!
Alle. Willkommen!
Andrason. Ich umarme dich, meine Schwester! Ich grüße euch, meine Kinder! Eure Freude macht mich glücklich, eure Liebe tröstet mich.
Feria. Mein Bruder, bedarfst du noch Trostes? Hat das Orakel dir keinen gegeben? Möchtest du doch immer vergnügt seyn! Möchte dir doch immer wohl seyn! Wir waren, seit du uns ehegestern verließest, voller Hoffnung für dich und dein Anliegen.
Mana. Majestät! –
Andrason. Schönheit!
Sora. Herr!
Andrason. Gebietherinn!
Lato. Wie soll man euch denn nennen?
Andrason. Ihr wißt, daß ihr keine Umstände mit mir machen sollt.
Mana(für sich). Nur damit er auch keine mit uns zu machen braucht.
Lato. Wir möchten von dem Orakel hören.
Sora. Hat das Orakel nichts Gutes gesagt?
Mela. Habt ihr das Orakel nicht unsertwegen gefragt?
Andrason. Liebe Kinder, das Orakel ist eben ein Orakel.
Lato. Sonderbar!
Andrason. Daß ein zartes Herz, voller Gefühle, Hoffnungen und Ahnungen, das einer ungewissen Zukunft sehnsuchtsvoll entgegen lebt, nach Würfeln hascht, den Becher schüttelt, Wurf über Wurf versucht, und in dem Glückstäfelchen sorgfältig forscht, was ihm die Würfe bedeuten, und dann fröhlich oder traurig einen halben Tag verlebt, das mag hingehn, mag recht gut seyn.
Lato(für sich). Woher er Alles weiß? Damit habe ich mich erst heute beschäftigt..
Andrason. Daß ein schönes Kind Puncte über Puncte tüpfelt, nachschlägt und sucht, was ihr für ein Gatte werden möchte? ob der Liebhaber treu ist? und so weiter, das find' ich wohlgethan.
Mela(für sich). Er ist ein Hexenmeister! Wenn wir allein sind, wissen wir uns nichts Bessers.
Andrason. Aber wer ein positives Übel, Zahnweh oder Unfrieden im Hause hat, der frage keinen Arzt und kein Orakel! Ihr Wissen und ihre Kunst fällt zu kurz: dieß und jenes Mittelchen, und vorzüglich Geduld, ist was sie euch empfehlen.
Feria. Kannst du, darfst du uns sagen? Hat's dir eine Antwort gegeben? Darfst du sie entdecken?
Andrason. Ich will sie in vier Sprachen übersetzen und an allen Landstraßen aufhängen lassen, es weiß doch kein Mensch was es soll.
Feria. Wie?
Andrason. Da ich ankomme und eingeführt werde –
Sora. Wie sieht's im Tempel aus?
Mana. Ist der recht prächtig?
Feria. Ruhe, ihr Mädchen!
Andrason. Wie mich die Priester zur heiligen Höhle bringen –
Mela. Die ist wohl schwarz und dunkel?
Andrason. Wie deine Augen. – Ich trete vor die Tiefe, und sage klar und vernehmlich: Geheimnißvolle Weisheit! hier tritt ein Mann auf, der sich bisher für den glücklichsten hielt; denn es geht ihm nichts ab; alles was die Götter einem Menschen Gutes zueignen können, schenkten sie mir, selbst das köstlichste aller Besitzthümer versagten sie mir nicht: ein treffliches Weib. Aber – ach! daß Aber und Aber sich immer zu dem Danke gesellen, den wir den Göttern zu bringen haben! – Diese Frau, dieses Muster der Liebe und Treue, nimmt seit kurzem unglücklicher Weise an einem Menschen Theil, der sich ihr aufdringt und der mir verhaßt ist. Dir, hohe Weisheit, der Alles bekannt ist, sag' ich nichts weiter, und bitte: enthülle mir mein Schicksal! gib mir Rath, und was mehr ist, Hülfe! – Ich dächte, das hieße sich deutlich erklären?
Lato. Wir verstehn es wohl.
Feria. Und die Antwort?
Andrason. Wer sagen könnte: ich verstehe sie!
Sora. Ich bin höchst neugierig – Haben wir doch manches Räthsel errathen!
Mela Geschwinde!
Andrason. Ich steh' und horche, und es fängt von unten auf an – erst leise – dann vernehmlich – dann vernehmlicher:
Wenn wird ein greiflich Gespenst von schönen Händen entgeistert –
Alle. Oh!
Andrason. Gebt mir ein Licht. Das greifliche Gespenst soll entgeistert werden.
Lato. Von schönen Händen.
Andrason. Die fänden sich allenfalls. Ein greiflich Gespenst, das ist etwas aus der neuen Poesie, die mir immer unbegreiflich gewesen ist.
Feria. Es ist arg.
Andrason. Wartet nur und merkt; es kommt noch besser:
Wenn wird ein greiflich Gespenst von schönen Händen entgeistert,
Und der leinene Sack sein Eingeweide gibt her –
Alle. O! oh! Ey! O! ah! ha! ha!
Andrason. Seht ein leinen Gespenst, und ein greiflicher Sack, und Eingeweide von schönen Händen! Nein, was zu viel ist bleibt zu viel! Was so ein Orakel nicht Alles sagen darf!
Mana. Wiederhohlt es uns!
Andrason. Nicht wahr, ihr hört gar zu gerne was erhaben klingt, wenn ihr's gleich nicht versteht?
Wenn wird ein greiflich Gespenst von schönen Händen entgeistert,
Und der leinene Sack sein Eingeweide gibt her –
Seyd ihr nun klüger, meine Lieben? Nun aber merkt auf:
Wird die geflickte Braut mit dem Verliebten vereinet:
Dann kommt Ruhe und Glück, Fragender, über dein Haus.
Sora. Nein das ist nicht möglich!
Andrason. O ja; die Götter haben sich dieß Mahl sehr ihrer poetischen Freyheit bedient.
Lato