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Johann Wolfgang von Goethe, Vorreiter und einer der wichtigsten Vertreter der Sturm-und-Drang-Zeit, gilt bis heute als bedeutendster deutscher Schriftsteller. Sein Werk wird zu den Höhepunkten der Weltliteratur gezählt. Lassen Sie sich mitreißen von Goethes Dramen, die Literatur-Geschichte geschrieben haben: Torquato Tasso (1789), Die Aufgeregten (1793), Die natürliche Tochter (1803), Pandora (1807/1808), Faust I (1808), Faust II (1833)
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Seitenzahl: 711
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Johann Wolfgang von
Goethes Dramen
II
Die Handlung und alle Personen in diesem Roman sind frei erfunden.
Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.
Schauspiel
Text der Erstausgabe von 1790
Personen:
Alphons, der zweyte, Herzog von Ferrara. Leonore von Este, Schwester des Herzogs. Leonore Sanvitale,Gräfinn von Scandiano. Torquato Tasso. Antonio Montecatino, Staatssecretär.
Der Schauplatz ist auf Belriguardo, einem Lustschlosse.
Erster Aufzug
Gartenplatz, mit Hermen der epischen Dichter geziert. Vorn an der Scene zur Rechten Virgil, zur Linken Ariost.
Prinzessinn. Leonore.
Prinzessinn. Du siehst mich lächlend an, Eleonore, Und siehst dich selber an und lächelst wieder. Was hast du? Laß es eine Freundinn wissen! Du scheinst bedenklich, doch du scheinst vergnügt.
Leonore. Ja, meine Fürstinn, mit Vergnügen seh' ich Uns beyde hier so ländlich ausgeschmückt. Wir scheinen recht beglückte Schäferinnen Und sind auch wie die Glücklichen beschäftigt. Wir winden Kränze. Dieser, bunt von Blumen, Schwillt immer mehr und mehr in meiner Hand, Du hast mit höherm Sinn und größerm Herzen Den zarten schlanken Lorber dir gewählt.
Prinzessinn. Die Zweige, die ich in Gedanken flocht, Sie haben gleich ein würdig Haupt gefunden, Ich setze sie Virgilen dankbar auf,
Sie kränzt die Herme Virgils.
Leonore. So drück' ich meinen vollen frohen Kranz Dem Meister Ludwig auf die hohe Stirne -
Sie kränzt Ariostens Herme.
Er, dessen Scherze nie verblühen, habe Gleich von dem neuen Frühling seinen Theil.
Prinzessinn. Mein Bruder ist gefällig daß er uns In diesen Tagen schon auf's Land gebracht, Wir können unser seyn und stundenlang Uns in die goldne Zeit der Dichter träumen. Ich liebe Belriguardo, denn ich habe Hier manchen Tag der Jugend froh durchlebt, Und dieses neue Grün und diese Sonne Bringt das Gefühl mir jener Zeit zurück.
Leonore. Ja es umgibt uns eine neue Welt! Der Schatten dieser immer grünen Bäume Wird schon erfreulich. Schon erquickt uns wieder Das Rauschen dieser Brunnen, schwankend wiegen Im Morgenwinde sich die jungen Zweige. Die Blumen von den Beeten schauen uns Mit ihren Kinderaugen freundlich an. Der Gärtner deckt getrost das Winterhaus Schon der Citronen und Orangen ab, Der blaue Himmel ruhet über uns Und an dem Horizonte lös't der Schnee Der fernen Berge sich in leisen Duft.
Prinzessinn. Es wäre mir der Frühling sehr willkommen, Wenn er nicht meine Freundinn mir entführte.
Leonore. Erinnre mich in diesen holden Stunden, O Fürstinn, nicht wie bald ich scheiden soll.
Prinzessinn. Was du verlassen magst, das findest du In jener großen Stadt gedoppelt wieder.
Leonore. Es ruft die Pflicht, es ruft die Liebe mich Zu dem Gemahl der mich so lang' entbehrt. Ich bring' ihm seinen Sohn, der dieses Jahr So schnell gewachsen, schnell sich ausgebildet, Und theile seine väterliche Freude. Groß ist Florenz und herrlich, doch der Werth Von allen seinen aufgehäuften Schätzen Reicht an Ferrara's Edelsteine nicht. Das Volk hat jene Stadt zur Stadt gemacht, Ferrara ward durch seine Fürsten groß.
Prinzessinn. Mehr durch die guten Menschen, die sich hier Durch Zufall trafen und zum Glück verbanden.
Leonore. Ein edler Mensch zieht edle Menschen an Und weiß sie fest zu halten, wie ihr thut. Um deinen Bruder und um dich verbinden Gemüther sich, die eurer würdig sind, Und ihr seyd eurer großen Väter werth. Hier zündete sich froh das schöne Licht Der Wissenschaft, des freyen Denkens an, Als noch die Barbarey mit schwerer Dämmrung Die Welt umher verbarg. Mir klang als Kind Der Name Hercules von Este schon, Schon Hyppolit von Este voll in's Ohr. Ferrara ward mit Rom und mit Florenz Von meinem Vater viel gepriesen! Oft Hab' ich mich hingesehnt; nun bin ich da. Hier ward Petrarch bewirthet, hier gepflegt, Und Ariost fand seine Muster hier. Italien nennt keinen großen Namen, Den dieses Haus nicht seinen Gast genannt. Und es ist vortheilhaft den Genius Bewirthen: gibst du ihm ein Gastgeschenk, So läßt er dir ein schöneres zurück. Die Stätte, die ein guter Mensch betrat, Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt Sein Wort und seine That dem Enkel wieder.
Prinzessinn.
Leonore. Das du, wie wenig andre, still und rein Genießest. Drängt mich doch das volle Herz Sogleich zu sagen was ich lebhaft fühle, Du fühlst es besser, fühlst es tief und – schweigst. Dich blendet nicht der Schein des Augenblicks, Der Witz besticht dich nicht, die Schmeicheley Schmiegt sich vergebens künstlich an dein Ohr: Fest bleibt dein Sinn und richtig dein Geschmack, Dein Urtheil g'rad, stets ist dein Antheil groß Am Großen, das du wie dich selbst erkennst.
Prinzessinn. Du solltest dieser höchsten Schmeicheley Nicht das Gewand vertrauter Freundschaft leihen.
Leonore. Die Freundschaft ist gerecht, sie kann allein Den ganzen Umfang deines Werths erkennen. Und laß mich der Gelegenheit, dem Glück Auch seinen Theil an deiner Bildung geben, Du hast sie doch, und bist's am Ende doch, Und dich mit deiner Schwester ehrt die Welt Vor allen großen Frauen eurer Zeit.
Prinzessinn. Mich kann das, Leonore, wenig rühren, Wenn ich bedenke wie man wenig ist, Und was man ist, das blieb man andern schuldig. Die Kenntniß alter Sprachen und des Besten, Was uns die Vorwelt ließ, dank' ich der Mutter; Doch war an Wissenschaft, an rechtem Sinn Ihr keine beyder Töchter jemals gleich; Und soll sich eine ja mit ihr vergleichen, So hat Lucretia gewiß das Recht. Auch kann ich dir versichern hab' ich nie Als Rang und als Besitz betrachtet, was Mir die Natur, was mir das Glück verlieh. Ich freue mich, wenn kluge Männer sprechen, Daß ich verstehen kann wie sie es meinen. Es sey ein Urtheil über einen Mann Der alten Zeit und seiner Thaten werth; Es sey von einer Wissenschaft die Rede, Die, durch Erfahrung weiter ausgebreitet, Dem Menschen nutzt indem sie ihn erhebt, Wohin sich das Gespräch der Edlen lenkt Ich folge gern, denn mir wird leicht zu folgen. Ich höre gern dem Streit der Klugen zu, Wenn um die Kräfte, die des Menschen Brust So freundlich und so fürchterlich bewegen, Mit Grazie die Rednerlippe spielt; Gern, wenn die fürstliche Begier des Ruhms, Des ausgebreiteten Besitzes Stoff Dem Denker wird, und wenn die feine Klugheit, Von einem klugen Manne zart entwickelt, Statt uns zu hintergehen uns belehrt.
Leonore. Und dann nach dieser ernsten Unterhaltung Ruht unser Ohr und unser innrer Sinn Gar freundlich auf des Dichters Reimen aus, Der uns die letzten lieblichsten Gefühle Mit holden Tönen in die Seele flößt. Dein hoher Geist umfaßt ein weites Reich, Ich halte mich am liebsten auf der Insel Der Poesie in Lorberhainen auf
Prinzessinn. In diesem schönen Lande, hat man mir Versichern wollen, wächst vor andern Bäumen Die Myrte gern. Und wenn der Musen gleich Gar viele sind, so sucht man unter ihnen Sich seltner eine Freundinn und Gespielinn, Als man dem Dichter gern begegnen mag, Der uns zu meiden, ja zu fliehen scheint, Etwas zu suchen scheint das wir nicht kennen, Und er vielleicht am Ende selbst nicht kennt. Da wär' es denn ganz artig, wenn er uns Zur guten Stunde träfe, schnell entzückt Uns für den Schatz erkennte, den er lang' Vergebens in der weiten Welt gesucht.
Leonore. Ich muß mir deinen Scherz gefallen lassen, Er trifft mich zwar, doch trifft er mich nicht tief Ich ehre jeden Mann und sein Verdienst Und ich bin gegen Tasso nur gerecht. Sein Auge weilt auf dieser Erde kaum; Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur; Was die Geschichte reicht, das Leben gibt, Sein Busen nimmt es gleich und willig auf Das weit zerstreute sammelt sein Gemüth, Und sein Gefühl belebt das Unbelebte. Oft adelt er was uns gemein erschien, Und das Geschätzte wird vor ihm zu nichts. In diesem eignen Zauberkreise wandelt Der wunderbare Mann und zieht uns an Mit ihm zu wandeln, Theil an ihm zu nehmen: Er scheint sich uns zu nahn, und bleibt uns fern; Er scheint uns anzusehn, und Geister mögen An unsrer Stelle seltsam ihm erscheinen.
Prinzessinn. Du hast den Dichter fein und zart geschildert, Der in den Reichen süßer Träume schwebt. Allein mir scheint auch ihn das Wirkliche Gewaltsam anzuziehn und fest zu halten. Die schönen Lieder, die an unsern Bäumen Wir hin und wieder angeheftet finden, Die, goldnen Äpfeln gleich, ein neu Hesperien Uns duftend bilden. Erkennst du sie nicht alle Für holde Früchte einer wahren Liebe?
Leonore. Mit mannigfalt'gem Geist verherrlicht er Ein einzig Bild in allen seinen Reimen. Bald hebt er es in lichter Glorie Zum Sternenhimmel auf, beugt sich verehrend Wie Engel über Wolken vor dem Bilde; Dann schleicht er ihm durch stille Fluren nach Und jede Blume windet er zum Kranz. Entfernt sich die Verehrte, heiligt er Den Pfad, den leis' ihr schöner Fuß betrat. Versteckt im Busche, gleich der Nachtigall, Füllt er aus einem liebekranken Busen Mit seiner Klagen Wohllaut Hain und Luft: Sein reitzend Leid, die sel'ge Schwermuth lockt Ein jedes Ohr und jedes Herz muß nach -
Prinzessinn. Und wenn er seinen Gegenstand benennt, So gibt er ihm den Namen Leonore.
Leonore. Mich freut es daß er sein Gefühl für dich In diesem Doppelsinn verbergen kann. Ich bin zufrieden daß er meiner auch Bey dieses Namens holdem Klang gedenkt. Hier ist die Frage nicht von einer Liebe, Die sich des Gegenstands bemeistern will, Ausschließend ihn besitzen, eifersüchtig Den Anblick jedem andern wehren möchte. Wenn er in seliger Betrachtung sich Mit deinem Werth beschäftigt, mag er auch An meinem leichtern Wesen sich erfreun. Uns liebt er nicht, – verzeih daß ich es sage! – Aus allen Sphären trägt er was er liebt Auf einen Namen nieder den wir führen, Und sein Gefühl theilt er uns mit; wir scheinen Den Mann zu lieben, und wir lieben nur Mit ihm das höchste was wir lieben können.
Prinzessinn. Du hast dich sehr in diese Wissenschaft Vertieft, Eleonore, sagst mir Dinge, Die mir beynahe nur das Ohr berühren Und in die Seele kaum noch übergehn.
Leonore. Du? Schülerinn des Plato! nicht begreifen? Was dir ein Neuling vorzuschwatzen wagt. Es müßte seyn daß ich zu sehr mich irrte, Doch irr' ich auch nicht ganz, ich weiß es wohl. Die Liebe zeigt in dieser holden Schule Sich nicht, wie sonst, als ein verwöhntes Kind: Es ist der Jüngling der mit Psychen sich Vermählte, der im Rath der Götter Sitz Und Stimme hat. Er tobt nicht frevelhaft Von einer Brust zur andern hin und her; Er heftet sich an Schönheit und Gestalt Nicht gleich mit süßem Irrthum fest, und büßet Nicht schnellen Rausch mit Ekel und Verdruß.
Prinzessinn. Da kommt mein Bruder, laß uns nicht verrathen Wohin sich wieder das Gespräch gelenkt, Wir würden seinen Scherz zu tragen haben, Wie unsre Kleidung seinen Spott erfuhr.
Die Vorigen. Alphons.
Alphons. Ich suche Tasso, den ich nirgends finde, Und treff' ihn – hier sogar bey euch nicht an. Könnt ihr von ihm mir keine Nachricht geben?
Prinzessinn.
Alphons. Es ist ein alter Fehler, daß er mehr Die Einsamkeit als die Gesellschaft sucht. Verzeih' ich ihm, wenn er den bunten Schwarm Der Menschen flieht, und lieber frey im Stillen Mit seinem Geist sich unterhalten mag, So kann ich doch nicht loben daß er selbst Den Kreis vermeidet den die Freunde schließen.
Leonore. Irr' ich mich nicht, so wirst du bald, o Fürst, Den Tadel in ein frohes Lob verwandeln. Ich sah' ihn heut' von fern; er hielt ein Buch Und eine Tafel, schrieb und ging und schrieb. Ein flüchtig Wort das er mir gestern sagte Schien mir sein Werk vollendet anzukünden. Er sorgt nur kleine Züge zu verbessern, Um deiner Huld, die ihm so viel gewährt, Ein würdig Opfer endlich darzubringen.
Alphons. Er soll willkommen seyn wenn er es bringt Und losgesprochen seyn auf lange Zeit. So sehr ich Theil an seiner Arbeit nehme, So sehr in manchem Sinn das große Werk Mich freut und freuen muß, so sehr vermehrt Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir. Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden, Er ändert stets, ruckt langsam weiter vor, Steht wieder still, er hintergeht die Hoffnung; Unwillig sieht man den Genuß entfernt In späte Zeit, den man so nah' geglaubt.
Prinzessinn. Ich lobe die Bescheidenheit, die Sorge, Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht. Nur durch die Gunst der Musen schließen sich So viele Reime fest in eins zusammen; Und seine Seele hegt nur diesen Trieb Es soll sich sein Gedicht zum Ganzen ründen. Er will nicht Mährchen über Mährchen häufen, Die reitzend unterhalten und zuletzt Wie lose Worte nur verklingend täuschen. Laß ihn, mein Bruder! denn es ist die Zeit Von einem guten Werke nicht das Maß; Und wenn die Nachwelt mit genießen soll, So muß des Künstlers Mitwelt sich vergessen.
Alphons. Laß uns zusammen, liebe Schwester, wirken, Wie wir zu beyder Vortheil oft gethan! Wenn ich zu eifrig bin, so lindre du: Und bist du zu gelind, so will ich treiben. Wir sehen dann auf einmal ihn vielleicht Am Ziel, wo wir ihn lang' gewünscht zu sehn. Dann soll das Vaterland, es soll die Welt Erstaunen, welch ein Werk vollendet worden. Ich nehme meinen Theil des Ruhms davon, Und er wird in das Leben eingeführt. Ein edler Mensch kann einem engen Kreise Nicht seine Bildung danken. Vaterland Und Welt muß auf ihn wirken. Ruhm und Tadel Muß er ertragen lernen. Sich und andre Wird er gezwungen recht zu kennen. Ihn Wiegt nicht die Einsamkeit mehr schmeichelnd ein. Es will der Feind – es darf der Freund nicht schonen: Dann übt der Jüngling streitend seine Kräfte, Fühlt was er ist und fühlt sich bald ein Mann.
Leonore. So wirst du, Herr, für ihn noch alles thun, Wie du bisher für ihn schon viel gethan. Es bildet ein Talent sich in der Stille, Sich ein Charakter in dem Strom der Welt. O daß er sein Gemüth wie seine Kunst An deinen Lehren bilde! Daß er nicht Die Menschen länger meide, daß sein Argwohn Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß verwandle!
Alphons. Die Menschen fürchtet nur wer sie nicht kennt, Und wer sie meidet wird sie bald verkennen. Das ist sein Fall, und so wird nach und nach Ein frey Gemüth verworren und gefesselt. So ist er oft um meine Gunst besorgt Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele Hegt er ein Mißtraun, die, ich weiß es sicher, Nicht seine Feinde sind. Begegnet ja Daß sich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter Aus seinem Dienst in einen andern geht, Daß ein Papier aus seinen Händen kommt, Gleich sieht er Absicht, sieht Verrätherey Und Tücke die sein Schicksal untergräbt.
Prinzessinn. Laß uns, geliebter Bruder, nicht vergessen Daß von sich selbst der Mensch nicht scheiden kann. Und wenn ein Freund, der mit uns wandeln sollte, Sich einen Fuß beschädigte, wir würden Doch lieber langsam gehn und unsre Hand Ihm gern und willig leihen?
Alphons.
Besser wär's, wenn wir ihn heilen könnten, lieber gleich Auf treuen Rath des Arztes eine Cur Versuchten, dann mit dem Geheilten froh Den neuen Weg des frischen Lebens gingen. Doch hoff' ich, meine Lieben, daß ich nie Die Schuld des rauhen Arztes auf mich lade. Ich thue was ich kann um Sicherheit Und Zutraun seinem Busen einzuprägen. Ich geb' ihm oft in Gegenwart von Vielen Entschiedne Zeichen meiner Gunst. Beklagt Er sich bey mir, so laß' ich's untersuchen; Wie ich es that, als er sein Zimmer neulich Erbrochen glaubte. Läßt sich nichts entdecken, So zeig' ich ihm gelassen, wie ich's sehe; Und da man alles üben muß, so üb' ich, Weil er's verdient, an Tasso die Geduld: Und ihr, ich weiß es, steht mir willig bey. Ich hab' euch nun auf's Land gebracht und gehe Heut' Abend nach der Stadt zurück. Ihr werdet Auf einen Augenblick Antonio sehen, Er kommt von Rom und hohlt mich ab. Wir haben Viel auszureden, abzuthun. Entschlüsse Sind nun zu fassen, Briefe viel zu schreiben, Das alles nöthigt mich zur Stadt zurück.
Prinzessinn. Erlaubst du uns daß wir dich hinbegleiten?
Alphons. Bleibt nur in Belriguardo, geht zusammen Hinüber nach Consandoli! Genießt Der schönen Tage ganz nach freyer Lust.
Prinzessinn. Du kannst nicht bey uns bleiben? die Geschäfte Nicht hier so gut als in der Stadt verrichten?
Leonore. Du führst uns gleich Antonio hinweg, Der uns von Rom so viel erzählen sollte?
Alphons. Es geht nicht an, ihr Kinder; doch ich komme Mit ihm so bald als möglich ist, zurück: Dann soll er euch erzählen und ihr sollt Mir ihn belohnen helfen, der so viel In meinem Dienst aufs neue sich bemüht. Und haben wir uns wieder ausgesprochen, So mag der Schwarm dann kommen, daß es lustig In unsern Gärten werde, daß auch mir, Wie billig, eine Schönheit in dem Kühlen Wenn ich sie suche gern begegnen mag.
Leonore.
Alphons.
Prinzessinn nach der Scene gekehrt. Schon lange seh' ich Tasso kommen. Langsam Bewegt er seine Schritte, steht bisweilen Auf einmal still, wie unentschlossen, geht Dann wieder schneller auf uns los, und weilt Schon wieder.
Alphons.
Stört ihn, wenn er denkt und dichtet, In seinen Träumen nicht, und laßt ihn wandeln.
Leonore.
Die Vorigen. Tasso.
Tassomit einem Buche in Pergament geheftet. Ich komme langsam dir ein Werk zu bringen, Und zaudre noch es dir zu überreichen. Ich weiß zu wohl, noch bleibt es unvollendet, Wenn es auch gleich geendigt scheinen möchte. Allein, war ich besorgt es unvollkommen Dir hinzugeben, so bezwingt mich nun Die neue Sorge: Mocht' ich doch nicht gern Zu ängstlich, möcht' ich nicht undankbar scheinen. Und wie der Mensch nur sagen kann: Hier bin ich! Daß Freunde seiner schonend sich erfreuen: So kann ich auch nur sagen: Nimm es hin!
Er übergibt den Band.
Alphons. Du überraschest mich mit deiner Gabe Und machst mir diesen schönen Tag zum Fest. So halt' ich's endlich denn in meinen Händen, Und nenn' es in gewissem Sinne mein! Lang' wünscht' ich schon, du möchtest dich entschließen Und endlich sagen: Hier! es ist genug.
Tasso. Wenn Ihr zufrieden seyd, so ist's vollkommen; Denn euch gehört es zu in jedem Sinn. Betrachtet' ich den Fleiß den ich verwendet, Sah' ich die Züge meiner Feder an; So konnt' ich sagen: dieses Werk ist mein. Doch seh' ich näher an, was dieser Dichtung Den innren Werth und ihre Würde gibt, Erkenn' ich wohl, ich hab' es nur von euch. Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe Aus reicher Willkür freundlich mir geschenkt, So hatte mich das eigensinn'ge Glück Mit grimmiger Gewalt von sich gestoßen: Und zog die schöne Welt den Blick des Knaben Mit ihrer ganzen Fülle herrlich an, So trübte bald den jugendlichen Sinn Der theuren Eltern unverdiente Noth. Eröffnete die Lippe sich zu singen, So floß ein traurig Lied von ihr herab, Und ich begleitete mit leisen Tönen Des Vaters Schmerzen und der Mutter Qual. Du warst allein der aus dem engen Leben Zu einer schönen Freyheit mich erhob; Der jede Sorge mir vom Haupte nahm, Mir Freyheit gab, daß meine Seele sich Zu muthigem Gesang entfalten konnte; Und welchen Preis nun auch mein Werk erhält, Euch dank' ich ihn, denn Euch gehört es zu.
Alphons. Zum zweytenmal verdienst du jedes Lob Und ehrst bescheiden dich und uns zugleich.
Tasso. O könnt' ich sagen wie ich lebhaft fühle Daß ich von Euch nur habe was ich bringe! Der thatenlose Jüngling – nahm er wohl Die Dichtung aus sich selbst? Die kluge Leitung Des raschen Krieges – hat er die ersonnen? Die Kunst der Waffen, die ein jeder Held An dem beschiednen Tage kräftig zeigt, Des Feldherrn Klugheit und der Ritter Muth Und wie sich List und Wachsamkeit bekämpft, Hast du mir nicht, o kluger tapfrer Fürst, Das alles eingeflößt als wärest du Mein Genius, der eine Freude fände Sein hohes, unerreichbar hohes Wesen Durch einen Sterblichen zu offenbaren?
Prinzessinn. Genieße nun des Werks das uns erfreut!
Alphons.
Leonore.
Tasso. An euch nur dacht' ich wenn ich sann und schrieb, Euch zu gefallen war mein höchster Wunsch, Euch zu ergetzen war mein letzter Zweck. Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht Verdient nicht daß die Welt von ihm erfahre. Hier ist mein Vaterland, hier ist der Kreis In dem sich meine Seele gern verweilt. Hier horch' ich auf, hier acht' ich jeden Wink. Hier spricht Erfahrung, Wissenschaft, Geschmack; Ja, Welt und Nachwelt seh' ich vor mir stehn. Die Menge macht den Künstler irr' und scheu: Nur wer Euch ähnlich ist, versteht und fühlt, Nur der allein soll richten und belohnen!
Alphons. Und stellen wir denn Welt und Nachwelt vor, So ziemt es nicht nur müßig zu empfangen. Das schöne Zeichen, das den Dichter ehrt, Das selbst der Held, der seiner stets bedarf, Ihm ohne Neid um's Haupt gewunden sieht, Erblick' ich hier auf deines Anherrn Stirne.
Auf die Herme Virgils deutend.
Hat es der Zufall, hat's ein Genius Geflochten und gebracht? Es zeigt sich hier Uns nicht umsonst. Virgilen hör' ich sagen: Was ehret ihr die Todten? Hatten die Doch ihren Lohn und Freude da sie lebten; Und wenn ihr uns bewundert und verehrt, So gebt auch den Lebendigen ihr Theil. Mein Marmorbild ist schon bekränzt genug, Der grüne Zweig gehört dem Leben an.
Alphons winkt seiner Schwester; sie nimmt den Kranz von der Büste Virgils und nähert sich Tasso. Er tritt zurück.
Leonore. Du weigerst dich? Sieh welche Hand den Kranz, Den schönen unverwelklichen, dir bietet!
Tasso. O laßt mich zögern, seh' ich doch nicht ein Wie ich nach dieser Stunde leben soll.
Alphons. In dem Genuß des herrlichen Besitzes, Der dich im ersten Augenblick erschreckt.
Prinzessinnindem sie den Kranz in die Höhe hält. Du gönnest mir die seltne Freude, Tasso, Dir ohne Wort zu sagen wie ich denke.
Tasso. Die schöne Last aus deinen theuren Händen Empfang' ich knieend auf mein schwaches Haupt.
Er kniet nieder, die Prinzessinn setzt ihm den Kranz auf.
Leonoreapplaudirend. Es lebe der zum erstenmal bekränzte! Wie zieret den bescheidnen Mann der Kranz!
Tassosteht auf.
Alphons. Es ist ein Vorbild nur von jener Krone, Die auf dem Capitol dich zieren soll.
Prinzessinn. Dort werden lautere Stimmen dich begrüßen, Mit leiser Lippe lohnt die Freundschaft hier.
Tasso. O nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder, Nehmt ihn hinweg! Er sengt mir meine Locken! Und wie ein Strahl der Sonne, der zu heiß Das Haupt mir träfe, brennt er mir die Kraft Des Denkens aus der Stirne. Fieberhitze Bewegt mein Blut. Verzeiht! Es ist zu viel!
Leonore. Es schützet dieser Zweig vielmehr das Haupt Des Manns, der in den heißen Regionen Des Ruhms zu wandeln hat, und kühlt die Stirne.
Tasso. Ich bin nicht werth die Kühlung zu empfinden, Die nur um Heldenstirnen wehen soll. O hebt ihn auf, ihr Götter, und verklärt Ihn zwischen Wolken, daß er hoch und höher Und unerreichbar schwebe! Daß mein Leben Nach diesem Ziel ein ewig Wandeln sey!
Alphons. Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Werth Der holden Güter dieses Lebens schätzen; Wer früh genießt, entbehrt in seinem Leben Mit Willen nicht was er einmal besaß; Und wer besitzt, der, muß gerüstet seyn.
Tasso. Und wer sich rüsten will, muß eine Kraft Im Busen fühlen die ihm nie versagt. Ach! sie versagt mir eben jetzt! Im Glück Verläßt sie mich, die angeborne Kraft, Die standhaft mich dem Unglück, stolz dem Unrecht Begegnen lehrte. Hat die Freude mir, Hat das Entzücken dieses Augenblicks Das Mark in meinen Gliedern aufgelös't? Es sinken meine Kniee! Noch einmal Siehst du, o Fürstinn, mich gebeugt vor dir! Erhöre meine Bitte; nimm ihn weg! Daß wie aus einem schönen Traum erwacht Ich ein erquicktes neues Leben fühle.
Prinzessinn. Wenn du bescheiden ruhig das Talent, Das dir die Götter gaben, tragen kannst, So lern' auch diese Zweige tragen, die Das schönste sind was wir dir geben können. Wem einmal, würdig, sie das Haupt berührt, Dem schweben sie auf ewig um die Stirne.
Tasso. So laßt mich denn beschämt von hinnen gehn! Laßt mich mein Glück im tiefen Hain verbergen, Wie ich sonst meine Schmerzen dort verbarg. Dort will ich einsam wandeln, dort erinnert Kein Auge mich an's unverdiente Glück. Und zeigt mir ungefähr ein klarer Brunnen In seinem reinen Spiegel einen Mann, Der wunderbar bekränzt im Wiederschein Des Himmels zwischen Bäumen, zwischen Felsen Nachdenkend ruht: so scheint es mir, ich sehe Elysium auf dieser Zauberfläche Gebildet. Still bedenk' ich mich und frage, Wer mag der Abgeschiedne seyn? Der Jüngling Aus der vergangnen Zeit? So schön bekränzt? Wer sagt mir seinen Nahmen? Sein Verdienst? Ich warte lang' und denke: käme doch Ein andrer und noch einer, sich zu ihm In freundlichem Gespräche zu gesellen! O säh' ich die Heroen, die Poeten Der alten Zeit um diesen Quell versammelt! O säh' ich hier sie immer unzertrennlich, Wie sie im Leben fest verbunden waren! So bindet der Magnet durch seine Kraft Das Eisen mit dem Eisen fest zusammen, Wie gleiches Streben Held und Dichter bindet. Homer vergaß sich selbst, sein ganzes Leben War der Betrachtung zweyer Männer heilig, Und Alexander in Elysium Eilt den Achill und den Homer zu suchen. O daß ich gegenwärtig wäre, sie Die größten Seelen nun vereint zu sehen!
Leonore. Erwach! Erwache! Laß uns nicht empfinden Daß du das Gegenwärtge ganz verkennst.
Tasso. Es ist die Gegenwart die mich erhöht, Abwesend schein' ich nur, ich bin entzückt.
Prinzessinn. Ich freue mich, wenn du mit Geistern redest, Daß du so menschlich sprichst und hör' es gern.
Ein Page tritt zu dem Fürsten und richtet leise etwas aus.
Alphons. Antonio! – Bring ihn her – Da kommt er schon!
Die Vorigen. Antonio.
Alphons. Willkommen! der du uns zugleich dich selbst Und gute Bothschaft bringst.
Prinzessinn. Sey uns gegrüßt!
Antonio. Kaum wag' ich es zu sagen welch Vergnügen In eurer Gegenwart mich neu belebt. Vor euren Augen find' ich alles wieder Was ich so lang' entbehrt. Ihr scheint zufrieden Mit dem was ich gethan, was ich vollbracht, Und so bin ich belohnt für jede Sorge, Für manchen bald mit Ungeduld durchharrten, Bald absichtsvoll verlornen Tag. Wir haben Nun was wir wünschen, und kein Streit ist mehr.
Leonore.
Antonio. Damit mein Glück nicht ganz vollkommen werde, Nimmst du mir gleich den schönen Theil hinweg.
Tasso. Auch meinen Gruß! Ich hoffe mich der Nähe Des vielerfahrnen Mannes auch zu freun.
Antonio. Du wirst mich wahrhaft finden, wenn du je Aus deiner Welt in meine schauen magst.
Alphons. Wenn du mir gleich in Briefen schon gemeldet Was du gethan und wie es dir ergangen; So hab' ich doch noch manches auszufragen Durch welche Mittel das Geschäft gelang? Auf jenem wunderbaren Boden will der Schritt Wohl abgemessen seyn, wenn er zuletzt An deinen eignen Zweck dich führen soll. Wer seines Herren Vortheil rein bedenkt, Der hat in Rom gar einen schweren Stand: Denn Rom will Alles nehmen, geben Nichts; Und kommt man hin um etwas zu erhalten, Erhält man nichts, man bringe denn was hin, Und glücklich, wenn man da noch 'was erhält.
Antonio. Es ist nicht mein Betragen, meine Kunst, Durch die ich deinen Willen, Herr, vollbracht. Denn welcher Kluge fänd' im Vatican Nicht seinen Meister? Vieles traf zusammen Das ich zu unserm Vortheil nutzen konnte. Dich ehrt Gregor und grüßt und segnet dich. Der Greis, der würdigste dem eine Krone Das Haupt belastet, denkt der Zeit mit Freuden, Da er in seinen Arm dich schloß. Der Mann Der Männer unterscheidet, kennt und rühmt Dich hoch! Um deinetwillen that er viel.
Alphons. Ich freue seiner guten Meinung mich, So fern sie redlich ist. Doch weißt du wohl, Vom Vatican herab sieht man die Reiche Schon klein genug zu seinen Füßen liegen, Geschweige denn die Fürsten und die Menschen. Gestehe nur was dir am meisten half!
Antonio. Damit er einer Welt gebiete, gibt Er seinen Nachbarn gern und freundlich nach. Das Streifchen Land, das er dir überläßt, Weiß er, wie deine Freundschaft, wohl zu schätzen. Italien soll ruhig seyn, er will In seiner Nähe Freunde sehen, Friede Bey seinen Gränzen halten, daß die Macht Der Christenheit, die er gewaltig lenkt, Die Türken da, die Ketzer dort vertilge.
Prinzessinn. Weiß man die Männer, die er mehr als andre Begünstigt, die sich ihm vertraulich nahn?
Antonio. Nur der erfahrne Mann besitzt sein Ohr, Der thätige sein Zutraun, seine Gunst. Er, der von Jugend auf dem Staat gedient, Beherrscht ihn jetzt und wirkt auf jene Höfe, Die er vor Jahren als Gesandter schon Gesehen und gekannt und oft gelenkt. Es liegt die Welt so klar vor seinem Blick Als wie der Vortheil seines eignen Staats. Wenn man ihn handeln sieht, so lobt man ihn Und freut sich, wenn die Zeit entdeckt was er Im Stillen lang bereitet und vollbracht. Es ist kein schönrer Anblick in der Welt Als einen Fürsten sehn der klug regiert; Das Reich zu sehn, wo jeder stolz gehorcht, Wo jeder sich nur selbst zu dienen glaubt Weil ihm das Rechte nur befohlen wird.
Leonore. Wie sehnlich wünscht' ich jene Welt einmal Recht nah zu sehn!
Alphons.
Doch wohl um mit zu wirken Denn bloß beschaun wird Leonore nie. Es wäre doch recht artig, meine Freundinn, Wenn in das große Spiel wir auch zuweilen Die zarten Hände mischen könnten – Nicht?
Leonore zu Alphons.
Alphons.
Leonore. Nun gut, so bleib' ich heut in deiner Schuld! Verzeih' und störe meine Fragen nicht.
Zu Antonio.
Hat er für die Nipoten viel gethan?
Antonio. Ein Mächtiger, der für die Seinen nicht Zu sorgen weiß, wird von dem Volke selbst Getadelt. Still und mäßig weiß Gregor Den Seinigen zu nutzen, die dem Staat Als wackre Männer dienen, und erfüllt Mit Einer Sorge zwey verwandte Pflichten.
Tasso. Erfreut die Wissenschaft, erfreut die Kunst Sich seines Schutzes auch? und eifert er Den großen Fürsten alter Zeiten nach?
Antonio. Er ehrt die Wissenschaft, so fern sie nutzt, Den Staat regieren, Völker kennen lehrt; Er schätzt die Kunst, so fern sie ziert, sein Rom Verherrlicht, und Pallast und Tempel Zu Wunderwerken dieser Erde macht. In seiner Nähe darf nichts müßig seyn! Was gelten soll, muß wirken und muß dienen.
Alphons. Und glaubst du, daß wir das Geschäfte bald Vollenden können? daß sie nicht zuletzt Noch hie und da uns Hindernisse streuen?
Antonio. Ich müßte sehr mich irren, wenn nicht gleich Durch deinen Nahmenszug, durch wenig Briefe Auf immer dieser Zwist gehoben wäre.
Alphons. So lob' ich diese Tage meines Lebens Als eine Zeit des Glückes und Gewinns. Erweitert seh' ich meine Gränze, weiß Sie für die Zukunft sicher. Ohne Schwertschlag Hast du's geleistet, eine Bürgerkrone Dir wohl verdient. Es sollen unsre Frauen Vom ersten Eichenlaub am schönsten Morgen Geflochten dir sie um die Stirne legen. Indessen hat mich Tasso auch bereichert; Er hat Jerusalem für uns erobert, Und so die neue Christenheit beschämt; Ein weit entferntes, hoch gestecktes Ziel Mit frohem Muth und strengem Fleiß erreicht. Für seine Mühe siehst du ihn gekrönt.
Antonio. Du lösest mir ein Räthsel. Zwey Bekränzte Erblickt' ich mit Verwundrung da ich kam.
Tasso. Wenn du mein Glück vor deinen Augen siehst; So wünscht' ich, daß du mein beschämt Gemüth Mit eben diesem Blicke schauen könntest.
Antonio. Mir war es lang' bekannt, daß im Belohnen Alphons unmäßig ist, und du erfährst Was jeder von den Seinen schon erfuhr.
Prinzessinn. Wenn du erst siehst was er geleistet hat, So wirst du uns gerecht und mäßig finden. Wir sind nur hier die ersten stillen Zeugen Des Beyfalls, den die Welt ihm nicht versagt, Und den ihm zehnfach künft'ge Jahre gönnen.
Antonio. Wer dürfte zweifeln, wo Ihr preisen könnt? Doch sage mir, wer druckte diesen Kranz Auf Ariostens Stirne?
Leonore.
Diese Hand.
Antonio. Und sie hat wohl gethan! Er ziert ihn schön, Als ihn der Lorber selbst nicht zieren würde. Wie die Natur die innig reiche Brust Mit einem grünen, bunten Kleide deckt, So hüllt er alles was den Menschen nur Ehrwürdig, liebenswürdig machen kann, In's blühende Gewand der Fabel ein. Zufriedenheit, Erfahrung und Verstand Und Geisteskraft, Geschmack und reiner Sinn Für's wahre Gute, geistig scheinen sie In seinen Liedern und persönlich doch Wie unter Blüthen-Bäumen auszuruhn, Bedeckt vom Schnee der leicht getragnen Blüthen, Umkränzt von Rosen, wunderlich umgaukelt Vom losen Zauberspiel der Amoretten. Der Quell des Ueberflusses rauscht darneben, Und läßt uns bunte Wunderfische sehn. Von seltenem Geflügel ist die Luft, Von fremden Herden Wies' und Busch erfüllt, Die Schalkheit lauscht im Grünen halb versteckt, Die Weisheit läßt von einer goldnen Wolke Von Zeit zu Zeit erhabne Sprüche tönen, Indeß auf wohl gestimmter Laute wild Der Wahnsinn hin und her zu wühlen scheint Und doch im schönsten Tact sich mäßig hält. Wer neben diesem Mann sich wagen darf, Verdient für seine Kühnheit schon den Kranz. Vergebt, wenn ich mich selbst begeistert fühle, Wie ein Verzückter weder Zeit noch Ort, Noch was ich sage wohl bedenken kann; Denn alle diese Dichter, diese Kränze, Das seltne festliche Gewand der Schönen Versetzt mich aus mir selbst in fremdes Land.
Prinzessinn. Wer Ein Verdienst so wohl zu schätzen weiß, Der wird das andre nicht verkennen. Du Sollst uns dereinst in Tasso's Liedern zeigen Was wir gefühlt und was nur du erkennst.
Alphons. Komm mit, Antonio! manches hab' ich noch, Worauf ich sehr begierig bin, zu fragen. Dann sollst du bis zum Untergang der Sonne Den Frauen angehören. Komm! Lebt wohl.
Dem Fürsten folgt Antonio, den Damen Tasso.
Saal.
Prinzessinn. Tasso.
Tasso. Unsicher folgen meine Schritte dir, O Fürstinn, und Gedanken ohne Maß Und Ordnung regen sich in meiner Seele. Mir scheint die Einsamkeit zu winken, mich Gefällig anzulispeln: komm, ich löse Die neu erregten Zweifel deiner Brust. Doch werf' ich einen Blick auf dich, vernimmt Mein horchend Ohr ein Wort von deiner Lippe, So wird ein neuer Tag um mich herum Und alle Bande fallen von mir los. Ich will dir gern gestehn, es hat der Mann, Der unerwartet zu uns trat, nicht sanft Aus einem schönen Traum mich aufgeweckt; Sein Wesen, seine Worte haben mich So wunderbar getroffen, daß ich mehr Als je mich doppelt fühle, mit mir selbst Auf's neu' in streitender Verwirrung bin.
Prinzessinn. Es ist unmöglich, daß ein alter Freund, Der lang' entfernt ein fremdes Leben führte, Im Augenblick da er uns wiedersieht Sich wieder gleich wie ehmals finden soll. Er ist in seinem Innern nicht verändert; Laß uns mit ihm nur wenig Tage leben, So stimmen sich die Saiten hin und wieder, Bis glücklich eine schöne Harmonie Auf's neue sie verbindet. Wird er dann Auch näher kennen was du diese Zeit Geleistet hast: so stellt er dich gewiß Dem Dichter an die Seite, den er jetzt Als einen Riesen dir entgegen stellt.
Tasso. Ach meine Fürstinn, Ariostens Lob Aus seinem Munde hat mich mehr ergetzt Als daß es mich beleidigt hätte. Tröstlich Ist es für uns den Mann gerühmt zu wissen, Der als ein großes Muster vor uns steht. Wir können uns im stillen Herzen sagen: Erreichst du einen Theil von seinem Werth, Bleibt dir ein Theil auch seines Ruhms gewiß. Nein, was das Herz im tiefsten mir bewegte, Was mir noch jetzt die ganze Seele füllt, Es waren die Gestalten jener Welt, Die sich lebendig, rastlos, ungeheuer Um Einen großen, einzig klugen Mann Gemessen dreht und ihren Lauf vollendet, Den ihr der Halbgott vorzuschreiben wagt. Begierig horcht' ich auf, vernahm mit Lust Die sichern Worte des erfahrnen Mannes; Doch ach! je mehr ich horchte, mehr und mehr Versank ich vor mir selbst, ich fürchtete Wie Echo an den Felsen zu verschwinden, Ein Wiederhall, ein Nichts mich zu verlieren.
Prinzessinn. Und schienst noch kurz vorher so rein zu fühlen, Wie Held und Dichter für einander leben, Wie Held und Dichter sich einander suchen, Und keiner je den andern neiden soll? Zwar herrlich ist die liedeswerthe That, Doch schön ist's auch, der Thaten stärkste Fülle Durch würd'ge Lieder auf die Nachwelt bringen. Begnüge dich aus einem kleinen Staate, Der dich beschützt, dem wilden Lauf der Welt, Wie von dem Ufer, ruhig zuzusehn.
Tasso. Und sah' ich hier mit Staunen nicht zuerst, Wie herrlich man den tapfern Mann belohnt? Als unerfahrner Knabe kam ich her, In einem Augenblick, da Fest auf Fest Ferrara zu dem Mittelpunct der Ehre Zu machen schien. O! welcher Anblick war's! Den weiten Platz, auf dem in ihrem Glanze Gewandte Tapferkeit sich zeigen sollte, Umschloß ein Kreis, wie ihn die Sonne nicht So bald zum zweytenmal bescheinen wird. Es saßen hier gedrängt die schönsten Frauen, Gedrängt die ersten Männer unsrer Zeit. Erstaunt durchlief der Blick die edle Menge; Man rief: Sie alle hat das Vaterland, Das Eine, schmale, meerumgebne Land, Hierher geschickt. Zusammen bilden sie Das herrlichste Gericht, das über Ehre, Verdienst und Tugend je entschieden hat. Gehst du sie einzeln durch, du findest keinen, Der seines Nachbarn sich zu schämen brauche! – Und dann eröffneten die Schranken sich. Da stampften Pferde, glänzten Helm und Schilde, Da drängten sich die Knappen, da erklang Trompetenschall, und Lanzen krachten splitternd, Getroffen tönten Helm und Schilde, Staub, Auf einen Augenblick, umhüllte wirbelnd Des Siegers Ehre, des Besiegten Schmach. O laß mich einen Vorhang vor das ganze, Mir allzu helle Schauspiel ziehen, daß In diesem schönen Augenblicke mir Mein Unwerth nicht zu heftig fühlbar werde.
Prinzessinn. Wenn jener edle Kreis, wenn jene Thaten Zu Müh und Streben damals dich entflammten, So konnt' ich, junger Freund, zu gleicher Zeit Der Duldung stille Lehre dir bewähren. Die Feste, die du rühmst, die hundert Zungen Mir damals priesen und mir manches Jahr Nachher gepriesen haben, sah' ich nicht. Am stillen Ort wohin kaum unterbrochen Der letzte Wiederhall der Freude sich Verlieren konnte, mußt' ich manche Schmerzen Und manchen traurigen Gedanken leiden. Mit breiten Flügeln schwebte mir das Bild Des Todes vor den Augen, deckte mir Die Aussicht in die immer neue Welt. Nur nach und nach entfernt' es sich, und ließ Mich, wie durch einen Flor, die bunten Farben Des Lebens, blaß doch angenehm, erblicken. Ich sah' lebend'ge Formen wieder sanft sich regen. Zum erstenmal trat ich, noch unterstützt Von meinen Frauen, aus dem Krankenzimmer, Da kam Lukretia voll frohen Lebens Herbey und führte dich an ihrer Hand. Du warst der erste, der im neuen Leben Mir neu und unbekannt entgegen trat. Da hofft' ich viel für dich und mich, auch hat Uns bis hierher die Hoffnung nicht betrogen.
Tasso. Und ich, der ich betäubt von dem Gewimmel Des drängenden Gewühls, von so viel Glanz Geblendet, und von mancher Leidenschaft Bewegt, durch stille Gänge des Pallasts An deiner Schwester Seite schweigend ging, Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald Auf deine Frau'n gelehnt erschienest – Mir Welch ein Moment war dieser! O! Vergib! Wie den Bezauberten von Rausch und Wahn Der Gottheit Nähe leicht und willig heilt; So war auch ich von aller Phantasie, Von jeder Sucht, von jedem falschen Triebe Mit Einem Blick in deinen Blick geheilt. Wenn unerfahren die Begierde sich Nach tausend Gegenständen sonst verlor, Trat ich beschämt zuerst in mich zurück, Und lernte nun das Wünschenswerthe kennen. So sucht man in dem weiten Sand des Meers Vergebens eine Perle, die verborgen In stillen Schalen eingeschlossen ruht.
Prinzessinn. Es fingen schöne Zeiten damals an, Und hätt' uns nicht der Herzog von Urbino Die Schwester weggeführt, uns wären Jahre Im schönen ungetrübten Glück verschwunden. Doch leider jetzt vermissen wir zu sehr Den frohen Geist, die Brust voll Muth und Leben, Den reichen Witz der liebenswürd'gen Frau.
Tasso. Ich weiß es nur zu wohl, seit jenem Tage Da sie von hinnen schied, vermochte dir Die reine Freude niemand zu ersetzen. Wie oft zerriß es meine Brust! Wie oft Klagt' ich dem stillen Hain mein Leid um dich! Ach! rief ich aus, hat denn die Schwester nur Das Glück, das Recht, der Theuern viel zu seyn? Ist denn kein Herz mehr werth, daß sie sich ihm Vertrauen dürfte, kein Gemüth dem ihren Mehr gleich gestimmt? Ist Geist und Witz verloschen? Und war die Eine Frau, so trefflich sie Auch war, denn alles? Fürstinn! o verzeih'! Da dacht' ich manchmal an mich selbst und wünschte Dir etwas seyn zu können. Wenig nur, Doch etwas, nicht mit Worten, mit der That Wünscht' ich's zu seyn, im Leben dir zu zeigen, Wie sich mein Herz im Stillen dir geweiht. Doch es gelang mir nicht, und nur zu oft That ich im Irrthum was dich schmerzen mußte, Beleidigte den Mann, den du beschütztest, Verwirrte unklug was du lösen wolltest, Und fühlte so mich stets im Augenblick, Wenn ich mich nahen wollte, fern und ferner.
Prinzessinn. Ich habe, Tasso, deinen Willen nie Verkannt, und weiß wie du dir selbst zu schaden Geschäftig bist. Anstatt daß meine Schwester Mit jeden, wie er sey, zu leben weiß, So kannst du selbst nach vielen Jahren kaum In einen Freund dich finden.
Tasso.
Tadle mich! Doch sage mir hernach, wo ist der Mann? Die Frau? mit der ich wie mit dir Aus freyem Busen wagen darf zu reden.
Prinzessinn.
Tasso. Er ist mein Fürst! – Doch glaube nicht, daß mir Der Freyheit wilder Trieb den Busen blähe. Der Mensch ist nicht geboren frey zu seyn, Und für den Edeln ist kein schöner Glück, Als einen Fürsten, den er ehrt, zu dienen. Und so ist er mein Herr, und ich empfinde Den ganzen Umfang dieses großen Worts. Nun muß ich schweigen lernen wenn er spricht, Und thun wenn er gebiethet, mögen auch Verstand und Herz ihm lebhaft widersprechen.
Prinzessinn. Und nun, da wir Antonio wieder haben, Ist dir ein neuer kluger Freund gewiß.
Tasso. Wie lehrreich wäre mir sein Umgang, nützlich Sein Rath in tausend Fällen! Er besitzt, Ich mag wohl sagen, alles was mir fehlt. Doch – haben alle Götter sich versammelt Geschenke seiner Wiege darzubringen? Die Grazien sind leider ausgeblieben, Und wem die Gaben dieser Holden fehlen, Der kann zwar viel besitzen, vieles geben, Doch läßt sich nie an seinem Busen ruhn.
Prinzessinn. Du mußt von Einem Mann nicht alles fordern, Und dieser leistet was er dir verspricht. Hat er sich erst für deinen Freund erklärt, So sorgt er selbst für dich wo du dir fehlst. Ihr müßt verbunden seyn! Ich schmeichle mir Dieß schöne Werk in kurzem zu vollbringen. Nur widerstehe nicht wie du es pflegst! So haben wir Lenoren lang' besessen, Die fein und zierlich ist, mit der es leicht Sich leben läßt; auch dieser hast du nie, Wie sie es wünschte, näher treten wollen.
Tasso. Ich habe dir gehorcht, sonst hätt' ich mich Von ihr entfernt anstatt mich ihr zu nahen. So liebenswürdig sie erscheinen kann, Ich weiß nicht wie es ist, konnt' ich nur selten Mit ihr ganz offen seyn, und wenn sie auch Die Absicht hat, den Freunden wohlzuthun, So fühlt man Absicht und man ist verstimmt.
Prinzessinn. Auf diesem Wege werden wir wohl nie Gesellschaft finden, Tasso! Dieser Pfad Verleitet uns durch einsames Gebüsch, Durch stille Thäler fortzuwandern; mehr Und mehr verwöhnt sich das Gemüth, und strebt Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt, In seinem Innern wieder herzustellen, So wenig der Versuch gelingen will.
Tasso. O welches Wort spricht meine Fürstinn aus! Die goldne Zeit wohin ist sie geflohn? Nach der sich jedes Herz vergebens sehnt! Da auf der freyen Erde Menschen sich Wie frohe Herden im Genuß verbreiteten; Da ein uralter Baum auf bunter Wiese Dem Hirten und der Hirtinn Schatten gab, Ein jüngeres Gebüsch die zarten Zweige Um sehnsuchtsvolle Liebe traulich schlang; Wo klar und still auf immer reinem Sande Der weiche Fluß die Nymphe sanft umfing; Wo in dem Grase die gescheuchte Schlange Unschädlich sich verlor, der kühne Faun Vom tapfern Jüngling bald bestraft entfloh; Wo jeder Vogel in der freyen Luft Und jedes Thier durch Berg und Thäler schweifend Zum Menschen sprach: erlaubt ist was gefällt.
Prinzessinn. Mein Freund, die goldne Zeit ist wohl vorbey: Allein die Guten bringen sie zurück; Und soll ich dir gestehen wie ich denke, Die goldne Zeit, womit der Dichter uns Zu schmeicheln pflegt, die schöne Zeit, sie war, So scheint es mir, so wenig als sie ist, Und war sie je, so war sie nur gewiß, Wie sie uns immer wieder werden kann. Noch treffen sich verwandte Herzen an Und theilen den Genuß der schönen Welt; Nur in dem Wahlspruch ändert sich, mein Freund, Ein einzig Wort: erlaubt ist was sich ziemt.
Tasso. O wenn aus guten, edlen Menschen nur Ein allgemein Gericht bestellt entschiede, Was sich denn ziemt! Anstatt daß jeder glaubt, Es sey auch schicklich was ihm nützlich ist. Wir sehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen Steht alles wohl, und er erlaubt sich alles.
Prinzessinn. Willst du genau erfahren was sich ziemt; So frage nur bey edlen Frauen an. Denn ihnen ist am meisten dran gelegen, Daß alles wohl sich zieme was geschieht. Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer Das zarte leicht verletzliche Geschlecht. Wo Sittlichkeit regiert, regieren sie, Und wo die Frechheit herrscht, da sind sie nichts. Und wirst du die Geschlechter beyde fragen: Nach Freyheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte.
Tasso. Du nennest uns unbändig, roh, gefühllos?
Prinzessinn. Nicht das! Allein ihr strebt nach fernen Gütern, Und euer Streben muß gewaltsam seyn. Ihr wagt es, für die Ewigkeit zu handeln, Wenn wir ein einzig nah beschränktes Gut Auf dieser Erde nur besitzen möchten, Und wünschen, daß es uns beständig bliebe. Wir sind von keinem Männerherzen sicher, Das noch so warm sich einmal uns ergab. Die Schönheit ist vergänglich, die ihr doch Allein zu ehren scheint. Was übrig bleibt, Das reitzt nicht mehr, und was nicht reitzt, ist todt. Wenn's Männer gäbe, die ein weiblich Herz Zu schätzen wüßten, die erkennen möchten, Welch einen holden Schatz von Treu' und Liebe Der Busen einer Frau bewahren kann, Wenn das Gedächtniß einzig schöner Stunden In euren Seelen lebhaft bleiben wollte, Wenn euer Blick, der sonst durchdringend ist, Auch durch den Schleyer dringen könnte, den Uns Alter oder Krankheit überwirft, Wenn der Besitz, der ruhig machen soll, Nach fremden Gütern euch nicht lüstern machte: Dann wär' uns wohl ein schöner Tag erschienen, Wir feierten dann unsre goldne Zeit.
Tasso. Du sagst mir Worte, die in meiner Brust Halb schon entschlafne Sorgen mächtig regen.
Prinzessinn.
Tasso. Oft hört' ich schon, und diese Tage wieder Hab' ich's gehört, ja hätt' ich's nicht vernommen, So müßt' ich's denken: edle Fürsten streben Nach deiner Hand! Was wir erwarten müssen, Das fürchten wir und möchten schier verzweifeln, Verlassen wirst du uns, es ist natürlich; Doch wie wir's tragen wollen, weiß ich nicht.
Prinzessinn. Für diesen Augenblick seyd unbesorgt! Fast möcht' ich sagen: unbesorgt für immer. Hier bin ich gern und gerne mag ich bleiben; Noch weiß ich kein Verhältniß, das mich lockte; Und wenn ihr mich denn ja behalten wollt, So laßt es mir durch Eintracht sehn, und schafft Euch selbst ein glücklich Leben, mir durch euch.
Tasso. O lehre mich das Mögliche zu thun! Gewidmet sind dir alle meine Tage. Wenn dich zu preisen, dir zu danken sich Mein Herz entfaltet, dann empfind' ich erst Das reinste Glück, das Menschen fühlen können. Das göttlichste erfuhr ich nur in dir. So unterscheiden sich die Erdengötter Vor andern Menschen, wie das hohe Schicksal Vom Rath und Willen selbst der klügsten Männer Sich unterscheidet. Vieles lassen sie, Wenn wir gewaltsam Wog' auf Woge sehn, Wie leichte Wellen, unbemerkt vorüber Vor ihren Füßen rauschen, hören nicht Den Sturm, der uns umsaus't und niederwirft, Vernehmen unser Flehen kaum, und lassen, Wie wir beschränkten armen Kindern thun, Mit Seufzern und Geschrey die Luft uns füllen. Du hast mich oft, o Göttliche, geduldet, Und wie die Sonne, trocknete dein Blick Den Thau von meinen Augenliedern ab.
Prinzessinn. Es ist sehr billig, daß die Frauen dir Auf's freundlichste begegnen, es verherrlicht Dein Lied auf manche Weise das Geschlecht. Zart oder tapfer, hast du stets gewußt Sie liebenswerth und edel vorzustellen: Und wenn Armide hassenswerth erscheint, Versöhnt ihr Reitz und ihre Liebe bald.
Tasso. Was auch in meinem Liede wiederklingt, Ich bin nur Einer, Einer alles schuldig! Es schwebt kein geistig unbestimmtes Bild Vor meiner Stirne, das der Seele bald Sich überglänzend nahte, bald entzöge. Mit meinen Augen hab' ich es gesehn, Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne; Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben: Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden, Erminiens stille nicht bemerkte Treue, Sophroniens Großheit und Olindens Noth. Es sind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte, Ich weiß es, sie sind ewig, denn sie sind. Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte Zu bleiben und im Stillen fortzuwirken, Als das Geheimniß einer edlen Liebe, Dem holden Lied bescheiden anvertraut?
Prinzessinn. Und soll ich dir noch einen Vorzug sagen, Den unvermerkt sich dieses Lied erschleicht? Es lockt uns nach und nach, wir hören zu, Wir hören und wir glauben zu verstehn, Was wir verstehn, das können wir nicht tadeln, Und so gewinnt uns dieses Lied zuletzt.
Tasso. Welch einen Himmel öffnest du vor mir, O Fürstinn! Macht mich dieser Glanz nicht blind, So seh' ich unverhofft ein ewig Glück Auf goldnen Strahlen herrlich niedersteigen.
Prinzessinn. Nicht weiter, Tasso! Viele Dinge sind's, Die wir mit Heftigkeit ergreifen sollen: Doch andre können nur durch Mäßigung Und durch Entbehren unser eigen werden. So sagt man, sey die Tugend, sey die Liebe, Die ihr verwandt ist. Das bedenke wohl!
Tasso. Ist dir's erlaubt die Augen aufzuschlagen? Wagst du's umherzusehn? Du bist allein! Vernahmen diese Säulen was sie sprach? Und hast du Zeugen, diese stumme Zeugen Des höchsten Glücks zu fürchten? Es erhebt Die Sonne sich des neuen Lebenstages, Der mit den vorigen sich nicht vergleicht. Hernieder steigend hebt die Göttinn schnell Den Sterblichen hinauf. Welch neuer Kreis Entdeckt sich meinem Auge, welches Reich! Wie köstlich wird der heiße Wunsch belohnt! Ich träumte mich dem höchsten Glücke nah, Und dieses Glück ist über alle Träume. Der Blindgeborne denke sich das Licht, Die Farben wie er will, erscheinet ihm Der neue Tag, ist's ihm ein neuer Sinn. Voll Muth und Ahndung, freudetrunken, schwankend Betret' ich diese Bahn. Du gibst mir viel, Du gibst, wie Erd' und Himmel uns Geschenke Mit vollen Händen übermäßig reichen, Und forderst wieder, was von mir zu fordern Nur eine solche Gabe dich berechtigt. Ich soll entbehren, soll mich mäßig zeigen, Und so verdienen, daß du mir vertraust. Was that ich je, daß sie mich wählen konnte? Was soll ich thun, um ihrer werth zu seyn? Sie konnte dir vertraun und dadurch bist du's. Ja, Fürstinn, deinen Worten, deinen Blicken Sey ewig meine Seele ganz geweiht! Ja, fordre was du willst, denn ich bin dein! Sie sende mich, Müh' und Gefahr und Ruhm In fernen Landen aufzusuchen, reiche Im stillen Hain die goldne Leyer mir, Sie weihe mich der Ruh' und ihrem Preis: Ihr bin ich, bildend soll sie mich besitzen; Mein Herz bewahrte jeden Schatz für Sie. O hätt' ein tausendfaches Werkzeug mir Ein Gott gegönnt, kaum drückt' ich dann genug Die unaussprechliche Verehrung aus. Des Mahlers Pinsel und des Dichters Lippe, Die süßeste, die je von frühem Honig Genährt war, wünscht' ich mir. Nein, künftig soll Nicht Tasso zwischen Bäumen, zwischen Mensch Sich einsam, schwach und trübgesinnt verlieren! Er ist nicht mehr allein, er ist mit Dir. O daß die edelste der Thaten sich Hier sichtbar vor mich stellte, rings umgeben Von gräßlicher Gefahr! Ich dränge zu Und wagte gern das Leben, das ich nun Von ihren Händen habe – forderte Die besten Menschen mir zu Freunden auf, Unmögliches mit einer edeln Schaar Nach Ihrem Wink und Willen zu vollbringen. Voreiliger, warum verbarg dein Mund Nicht das was du empfandst, bis du dich werth Und werther ihr zu Füßen legen konntest? Das war dein Vorsatz, war dein kluger Wunsch. Doch sey es auch! Viel schöner ist es, rein Und unverdient ein solch Geschenk empfangen, Als halb und halb zu wähnen, daß man wohl Es habe fordern dürfen. Blicke freudig, Es ist so groß, so weit, was vor dir liegt! Und hoffnungsvolle Jugend lockt dich wieder In unbekannte, lichte Zukunft hin. - Schwelle Brust! – O Witterung des Glücks Begünst'ge diese Pflanze doch einmal! Sie strebt gen Himmel, tausend Zweige dringen Aus ihr hervor, entfalten sich zu Blüthen. O daß sie Furcht, o daß sie Freuden bringe! Daß eine liebe Hand den goldnen Schmuck Aus ihren frischen reichen Ästen breche!
Tasso. Antonio.
Tasso. Sey mir willkommen, den ich gleichsam jetzt Zum erstenmal erblicke! Schöner ward Kein Mann mir angekündigt. Sey willkommen! Dich kenn' ich nun und deinen ganzen Werth, Dir biet' ich ohne Zögern Herz und Hand, Und hoffe, daß auch du mich nicht verschmähst.
Antonio. Freygebig bietest du mir schöne Gaben, Und ihren Werth erkenn' ich wie ich soll, Drum laß mich zögern eh' ich sie ergreife. Weiß ich doch nicht, ob ich dir auch dagegen Ein gleiches geben kann. Ich möchte gern Nicht übereilt und nicht undankbar scheinen: Laß mich für beyde klug und sorgsam seyn.
Tasso. Wer wird die Klugheit tadeln? Jeder Schritt Des Lebens zeigt wie sehr sie nöthig sey; Doch schöner ist's, wenn uns die Seele sagt Wo wir der feinen Vorsicht nicht bedürfen.
Antonio. Darüber frage jeder sein Gemüth, Weil er den Fehler selbst zu büßen hat.
Tasso. So sey's! Ich habe meine Pflicht gethan, Der Fürstinn Wort, die uns zu Freunden wünscht, Hab' ich verehrt und mich dir vorgestellt. Rückhalten durft' ich nicht, Antonio; doch gewiß, Zudringen will ich nicht. Es mag denn seyn. Zeit und Bekanntschaft heißen dich vielleicht Die Gabe wärmer fodern, die du jetzt So kalt bey Seite lehnst und fast verschmähst.
Antonio. Der Mäßige wird öfters kalt genannt Von Menschen, die sich warm vor andern glauben, Weil sie die Hitze fliegend überfällt.
Tasso. Auch ich verstehe wohl, so jung ich bin, Der Heftigkeit die Dauer vorzuziehn.
Antonio.
Tasso. Du bist berechtigt mir zu rathen, mich Zu warnen, denn es steht Erfahrung dir Als lang' erprobte Freundinn an der Seite. Doch glaube nur, es horcht ein stilles Herz Auf jedes Tages, jeder Stunde Warnung, Und übt sich ingeheim an jedem Guten, Das deine Strenge neu zu lehren glaubt.
Antonio. Es ist wohl angenehm, sich mit sich selbst Beschäft'gen, wenn es nur so nützlich wäre. Inwendig lernt kein Mensch sein Innerstes Erkennen. Denn er mißt nach eignem Maß Sich bald zu klein und leider oft zu groß. Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur Das Leben lehret jedem was er sey.
Tasso.
Antonio. Und dennoch denkst du wohl bey diesen Worten Ganz etwas anders, als ich sagen will.
Tasso. Es ist nicht klug, es ist nicht wohl gethan, Vorsetzlich einen Menschen zu verkennen, Er sey auch wer er sey. Der Fürstinn Wort Bedurft' es kaum, leicht hab' ich dich erkannt: Ich weiß, daß du das Gute willst und schaffst. Dein eigen Schicksal läßt dich unbesorgt, An Andre denkst du, Andern stehst du bey, Und auf des Lebens leicht bewegter Woge Bleibt dir ein stetes Herz. So seh' ich dich. Und was wär' ich, ging ich dir nicht entgegen? Sucht' ich begierig nicht auch einen Theil An dem verschloßnen Schatz, den du bewahrst? Ich weiß, es reut dich nicht, wenn du dich öffnest; Ich weiß, du bist mein Freund, wenn du mich kennst: Und eines solchen Freunds bedurft' ich lange. Ich schäme mich der Unerfahrenheit Und meiner Jugend nicht. Still ruhet noch Der Zukunft goldne Wolke mir um's Haupt. O nimm mich, edler Mann, an deine Brust, Und weihe mich, den Raschen, Unerfahrnen, Zum mäßigen Gebrauch des Lebens ein.
Antonio. In Einem Augenblicke forderst du, Was wohlbedächtig nur die Zeit gewährt.
Tasso. In Einem Augenblick gewährt die Liebe, Was Mühe kaum in langer Zeit erreicht. Ich bitt' es nicht von dir, ich darf es fodern. Dich ruf ich in der Tugend Namen auf, Die gute Menschen zu verbinden eifert. Und soll ich dir noch einen Namen nennen? Die Fürstinn hofft's, Sie will's – Eleonore, Sie will mich zu dir führen, dich zu mir. O laß uns ihrem Wunsch entgegen gehn! Laß uns verbunden vor die Göttinn treten, Ihr unsern Dienst, die ganze Seele biethen, Vereint für sie das Würdigste zu thun. Noch einmal! – Hier ist meine Hand! Schlag' ein! Tritt nicht zurück und weigre dich nicht länger, O edler Mann, und gönne mir die Wollust, Die schönste guter Menschen, sich dem Bessern Vertrauend ohne Rückhalt hinzugeben!
Antonio. Du gehst mit vollen Segeln! Scheint es doch, Du bist gewohnt zu siegen, überall Die Wege breit, die Pforten weit zu finden. Ich gönne jeden Werth und jedes Glück Dir gern, allein ich sehe nur zu sehr, Wir stehn zu weit noch von einander ab.
Tasso. Es sey an Jahren, an geprüftem Werth: An frohem Muth und Willen weich' ich keinem.
Antonio. Der Wille lockt die Thaten nicht herbey; Der Muth stellt sich die Wege kürzer vor. Wer angelangt am Ziel ist, wird gekrönt, Und oft entbehrt ein Würd'ger eine Krone. Doch gibt es leichte Kränze, Kränze gibt es Von sehr verschiedner Art, sie lassen sich Oft im Spazierengehn bequem erreichen.
Tasso. Was eine Gottheit diesem frey gewährt Und jenem streng versagt, ein solches Gut Erreicht nicht jeder wie er will und mag.
Antonio. Schreib' es dem Glück vor andern Göttern zu, So hör' ich's gern, denn seine Wahl ist blind.
Tasso. Auch die Gerechtigkeit trägt eine Binde Und schließt die Augen jedem Blendwerk zu.
Antonio. Das Glück erhebe billig der Beglückte! Er dicht' ihm hundert Augen für's Verdienst Und kluge Wahl und strenge Sorgfalt an, Nenn' es Minerva, nenn' es wie er will, Er halte gnädiges Geschenk für Lohn, Zufälligen Putz für wohlverdienten Schmuck.
Tasso. Du brauchst nicht deutlicher zu seyn. Es ist genug! Ich blicke tief dir in das Herz und kenne Für's ganze Leben dich. O kennte so Dich meine Fürstinn auch! Verschwende nicht Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge! Du richtest sie vergebens nach dem Kranze, Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt. Sey erst so groß, mir ihn nicht zu beneiden! Dann darfst du mir vielleicht ihn streitig machen. Ich acht' ihn heilig und das höchste Gut: Doch zeige mir den Mann, der das erreicht, Wornach ich strebe, zeige mir den Helden, Von dem mir die Geschichten nur erzählten; Den Dichter stell' mir vor, der sich Homeren, Virgilen sich vergleichen darf, ja, was Noch mehr gesagt ist, zeige mir den Mann, Der dreyfach diesen Lohn verdiente, den Die schöne Krone dreyfach mehr als mich Beschämte: dann sollst du mich knieend sehn Vor jener Gottheit, die mich so begabte; Nicht eher stünd' ich auf, bis sie die Zierde Von meinem Haupt auf seins hinüber drückte.
Antonio.
Tasso. Man wäge mich, das will ich nicht vermeiden, Allein Verachtung hab' ich nicht verdient. Die Krone, der mein Fürst mich würdig achtete, Die meiner Fürstinn Hand für mich gewunden, Soll keiner mir bezweifeln noch begrinsen!
Antonio. Es ziemt der hohe Ton, die rasche Glut Nicht dir zu mir, noch dir an diesem Orte.
Tasso