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mehrbuch-Weltliteratur! eBooks, die nie in Vergessenheit geraten sollten. Giacomo Casanova studierte Theologie und Jura. 1755 wurde er wegen Gottlosigkeit eingekerkert. Aus den Bleikammern gelang ihm 15 Monate später eine spektakuläre Flucht. Er reiste durch Europa, wo er willkommener Gast in den adeligen Salons war, und auch Rousseau und Voltaire kennenlernte. Er war Mitbegründer der Nationallotterie, Spieler, Theaterdirektor, Geheimagent, Bibliothekar, und bei alledem immer Verführer und Liebhaber. In dieser Erzählung geht es um die sanfte Verführung drei junger Schwestern.
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Seitenzahl: 53
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Der unglückliche Canonikus
Giacomo Casanova
Giacomo Girolamo Casanova war ein venezianischer Schriftsteller und Abenteurer des 18. Jahrhunderts, bekannt durch die Schilderungen zahlreicher Liebschaften. Er gilt bis heute als Inbegriff des Frauenhelden. Sein Pseudonym lautet Chevalier de Seingalt.
Madame Saxe war ganz dazu geschaffen, die Huldigungen eines verliebten Mannes zu gewinnen, und hätte sie nicht einen eifersüchtigen Offizier gehabt, der sie nie aus den Augen verlor und der ganz so aussah, als wollte er jeden durchbohren, der es wagen würde, ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, indem er ihr zu gefallen suchte, so würde es ihr wahrscheinlich nicht an Anbetern gefehlt haben. Dieser Offizier liebte das Piquetspiel, allein Madame Saxe mußte beständig dabei an seiner Seite sitzen, und sie schien dies mit großem Vergnügen zu tun.
Im Laufe des Nachmittags machten wir eine Partie und wir setzten dies fünf oder sechs Tage fort. Dann wurde ich der Sache überdrüssig, weil er aufstand, sobald er zehn oder zwölf Louisdor gewonnen hatte. Dieser Offizier hieß d'Entragues, war ein schöner Mann, obgleich sehr mager, und es fehlte ihm weder an Geist noch an dem Ton der guten Gesellschaft.
Wir hatten seit zwei Tagen nicht gespielt, als er mich nach dem Essen fragte, ob ich wünschte, daß er mir Revanche geben sollte.
»Daran liegt mir nichts,« erwiderte ich ihm, »denn wir spielen nicht auf gleiche Art.«
»Ich spiele zu meinem Vergnügen, weil das Spiel mich unterhält, Sie aber spielen nur, um zu gewinnen.«
»Wie das? Sie beleidigen mich.«
»Das ist nicht meine Absicht; allein so oft wir gespielt haben, hörten Sie schon nach einer Stunde auf.«
»Sie sollten mir das Dank wissen, denn da Sie mir nicht gewachsen sind, würden Sie notwendigerweise verlieren müssen.«
»Das ist möglich, aber ich glaube es nicht.«
»Ich kann es Ihnen beweisen.«
»Ich nehme es an; doch der Erste, der die Partie aufgibt, verliert fünfzig Louisdor.«
»Ich bin es zufrieden; aber bares Geld auf den Tisch.«
»Ich spiele nie anders.«
Ich befahl dein Kellner, Karten zu bringen, und holte fünf oder sechs Rollen mit hundert Louisdor. Wir begannen das Spiel um fünf Louisdor das Hundert, nachdem wir jeder fünfzig Louisdor für die Wette beiseite gelegt hatten.
Es war drei Uhr, als wir zu spielen begannen und um neun Uhr meinte d'Entragues, wir könnten zum Abendessen gehen.
»Ich habe keinen Hunger,« erwiderte ich ihm, »allein Sie können aufstehen, wenn Sie wollen, und ich stecke dann die hundert Louisdor in die Tasche.«
Er lachte und fuhr fort zu spielen; allein die schöne Dame schmollte mit mir, ohne daß ich es zu bemerken schien.
Alle Zuschauer gingen zum Abendessen und kehrten zurück, um uns bis Mitternacht Gesellschaft zu leisten. Von da ab blieben wir allein; d'Entragues, der erkannte, zu was er sich verpflichtet hatte, sagte kein Wort und ich öffnete die Lippen nur, um mein Spiel zu zählen. Wir spielten auf die ruhigste Weise von der Welt.
Um sechs Uhr morgens fingen die Trinker und Trinkerinnen an, sich einzustellen, und alle wünschten uns Glück zu unserer Beständigkeit, zollten uns Beifall; wir aber schienen uns gegenseitig zu grollen.
Die Louisdor lagen in Haufen auf dem Tische; ich verlor etwa hundert, und gleichwohl war das Spiel mir günstig.
Um neun Uhr kam die schöne Saxe und wenige Augenblicke darauf Frau d'Urfé mit Herrn von Schaumburg.
Die Damen rieten uns, wie nach Verabredung, eine Tasse Schokolade zu trinken. d'Entragues willigte zuerst ein, und da er glaubte, ich sei mit meinen Kräften zu Ende, sagte er:
»Bestimmen wir, daß der Erste, der zu essen verlangt, sich auf länger als eine Viertelstunde entfernt oder auf seinem Stuhle einschläft, die Wette verloren hat.«
»Ich nehme Sie beim Wort,« rief ich aus, »und stimme jeder andern erschwerenden Bedingung zu, welche vorzuschlagen Ihnen gefällig sein wird.«
Die Schokolade kam, wir tranken sie und spielten dann weiter.
Zu Mittag rief man uns zum Diner, wir antworteten aber gemeinschaftlich, daß wir keinen Hunger hätten.
Um ein Uhr ließen wir uns überreden, eine Bouillon zu trinken. Als die Stunde zum Abendessen kam, fing alle Welt an, zu finden, daß die Sache ernst würde, und Madame Saxe machte uns den Vorschlag, die Wette zu teilen. d'Entragues, der hundert Louisdor gewonnen, würde in den Vorschlag gewilligt haben; ich aber wies ihn zurück, und der Baron von Schaumburg fand, daß ich nicht unrecht hätte.
Mein Gegner hätte die Wette aufgeben und das Spiel beendigen können; er wäre dann noch im Gewinn gewesen, aber der Geiz hielt ihn noch mehr zurück, als die Eigenliebe.
Ich war zwar empfindlich über den Verlust, aber vergleichsweise wenig gegen den Punkt der Ehre. Ich sah frisch aus, während er einer umgegrabenen Leiche glich: seine Magerkeit trug viel dazu bei.
Da Madame Saxe auf dem Vorschlag zu beharren schien, entgegnete ich ihr, ich wäre in Verzweiflung, mich den Bitten einer reizenden Frau, die alle Rücksichten und die größten Opfer verdiente, nicht fügen zu können, allein in dem vorliegenden Falle handelte es sich um eine Art von Eigensinn und ich wäre daher fest entschlossen, zu siegen oder meinem Gegner den Sieg nur in dem Augenblicke zu überlassen, in welchem ich tot niedersänke.
Dabei hatte ich zwei Ziele im Auge: d'Entragues durch meine Entschlossenheit einzuschüchtern und ihn zu gleicher Zeit zu erbittern, indem ich ihm Eifersucht einflößte.
Überzeugt, daß ein Eifersüchtiger alles doppelt sieht, hoffte ich, daß sein Spiel darunter leiden würde und daß ich dann, wenn ich die fünfzig Louisdor der Wette gewönne, nicht den Verdruß hätte, durch die Überlegenheit seines Spielens mehr als hundert Louisdor zu verlieren.
Die schöne Madame Saxe warf mir einen Blick der Geringschätzung zu und ging. Frau d'Urfé aber, die mich für unfehlbar hielt, rächte mich, indem sie zu Herrn d'Entragues mit dem Tone der Überzeugung sagte:
»Mein Gott, wie ich Sie beklage, mein Herr!«
Die Gesellschaft, welche zu Abend gespeist hatte, kehrte nicht zurück.
Man ließ uns unsere Angelegenheit zu Ende bringen.
Wir spielten die ganze Nacht hindurch und ich achtete ebenso auf das Gesicht meines Gegners, als auf mein Spiel. Nach dem Grade, wie ich ihn sich entstellen sah, richtete ich mein Spiel ein; er verwirrte sich, zählte schlecht und legte oft falsch weg.