Der Weg des Psychonauten - Band 1 - Stanislav Grof - E-Book

Der Weg des Psychonauten - Band 1 E-Book

Stanislav Grof

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Beschreibung

Stanislav Grofs grosses Handbuch der psychonautischen Praxis, eine Enzyklopädie über die Vielfalt psychedelischer Erfahrungen, verdichtet das Wissen des Autors, eines erfahrenen Psychiaters, Psychotherapeuten, Psychonauten und Erfolgsautors, der seit vielen Jahrzehnten professionell erweiterte, veränderte, sprich holotrope Bewusstseinszustände erforscht. Der Weg des Psychonauten ist ein wertvolles Nachschlagewerk für alle Psychonauten, ob Privatforscher oder akademische Wissenschaftler, das vollständig auf den Erkenntnissen der gelebten psychedelischen Praxis basiert. Stanislav Grof schlüsselt die Geschichte der Psychonautik, die Genese der psychedelischen Revolution und der medizinischen Erforschung bewusstseinsverändernder Substanzen sowie deren Potenzial und Verwendung in Psychologie und Psychiatrie auf und vermittelt eine neue Kartografie der Psyche. Das Grundlagenbuch für die Praxis der Psychonautik in zwei Bänden.

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Stanislav Grof

Der Weg des Psychonauten

Enzyklopädie für Reisen in innere Welten

BAND 1

Impressum

Stanislav Grof

Der Weg des Psychonauten

Enzyklopädie für Reisen in innere Welten

Band 1

Nachtschatten Verlag AG

Kronengasse 11

CH-4500 Solothurn

Tel: 0041 32 621 89 49

Fax: 0041 32 621 89 47

[email protected]

www.nachtschatten.ch

© 2019 beim Autor

© 2019 Nachtschatten Verlag AG für die deutsche Ausgabe

Redaktion: Roger Liggenstorfer

Projektbetreuung: Markus Berger

Übersetzung: Chris Heidrich, Nina Seiler

Lektorat: Markus Berger, Agnes Halski

Korrektorat: Jutta Berger, Inga Streblow

Layout: Nina Seiler

Umschlaggestaltung: Sven Sannwald

Druckerei & Verlag Steinmeier & Co. KG, Deiningen

Printed in Germany

ISBN: 978-3-03788-577-2

eISBN: 978-3-03788-601-4

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische digitale Medien und auszugsweiser Nachdruck sind nur mit Genehmigung des Verlags erlaubt.

Alle Bilder in diesem Buch sind der amerikanischen Originalausgabe entnommen.

Zum Titelbild: «Shiva Nataraja erschien in meinen wichtigsten psychedelischen Sitzungen, und ich betrachte ihn als meinen ganz persönlichen Archetyp. Ich hatte auch viele außergewöhnliche auf Shiva bezogene Erfahrungen mit Swami Muktananda, beschrieben in When the Impossible Happens.» STANISLAV GROF

Widmung

Für Brigitte,die Liebe meines Lebens und meine andere Hälfte,die Licht, Shakti, Inspiration, Begeisterungund bedingungslose Liebe in meine Welt gebracht hat,wunderbare Ehefrau und ideale Gefährtinauf inneren und äußeren Reisen –in tiefer Dankbarkeit und Bewunderung für das,was Du bist und wofür Du stehst.

»Der Ausdruck Psychonaut ist gut gewählt, weil derInnenraum der Seele genauso unendlich und geheimnisvollist wie der äußere Weltraum und weil die Kosmonautendes äußeren wie des inneren Weltraums nicht dort verbleibenkönnen, sondern auf die Erde, ins Alltagsbewusstseinzurückkehren müssen. Auch verlangenbeide Fahrten eine gute Vorbereitung, damit sie mit einemMindestmaß an Gefahr durchgeführt werden könnenund zu wirklich bereichernden Unternehmen werden.«

ALBERT HOFMANN: Erinnerungen eines Psychonauten (2003)

Zum 75. Jahrestag von Albert HofmannsEntdeckung des LSD-25.

Inhalt

Eintauchen in die Geheimnisse des Seins Deepak Chopra

Vorwort Richard Tarnas

Einleitung Stanislav Grof

Dank

1. Die Geschichte der Psychonautik:Antike, indigene und moderne Technologien des Heiligen

Holotrope Bewusstseinszustände

Psychonauten der Altsteinzeit

Native Spiritualität und Übergangsriten

Die antiken Mysterien von Tod und Wiedergeburt

Spirituelle Praktiken der großen Religionen

Der rituelle Gebrauch psychedelischer Arzneimittel

Das wissenschaftliche Interesse an psychedelischen Pflanzen

Albert Hofmann und die goldene Ära der Psychonautik

Die ethnomykologische Forschung von Gordon und Valentina Pavlovna Wasson

Alberts »Wunderkind«

Die Vertreibung der Psychonautik in den Untergrund durch eine irrationale Gesetzgebung

Die Shulgins und die Ära der Entheogene

Die weltweite Renaissance des Interesses an der Psychedelika-Forschung

Die Suche nach dem mandschurischen Kandidaten

Psychonautik im Labor

Literatur

2. Revision und Wiederbezauberung der Psychologie:Das Erbe eines halben Jahrhunderts Bewusstseinsforschung

Holotrope Zustände entdecken: Reise in die Vergangenheit

Des Kaisers neue Kleider: Kampf mit dem vorherrschenden Paradigma

Holotrope Bewusstseinszustände und die Psychiatrie

Moderne Bewusstseinsforschung und ein neues Paradigma

Psychologie der Zukunft: Lehren aus der modernen Bewusstseinsforschung

Die Natur des Bewusstseins und seine Beziehung zur Materie

Neue Landkarte der menschlichen Psyche: Wie oben, so unten

Von Freud zum kosmischen Bewusstsein

Postnatale Biographie und das individuelle Unbewusste

Die perinatale Ebene des Unbewussten

Erste Perinatale Grundmatrix: PGM I Urvereinigung mit der Mutter

Zweite Perinatale Grundmatrix: PGM II Kosmische Verschmelzung, Ausweglosigkeit oder Hölle

Dritte Perinatale Grundmatrix: PGM III Der Kampf zwischen Tod und Wiedergeburt

Vierte perinatale Grundmatrix: PGM IV Die Erfahrung von Tod und Wiedergeburt

Der transpersonale Bereich der Psyche

Optische Holographie und das mystische Weltbild

Literatur

3. Landkarten der Psyche in der Tiefenpsychologie:Auf dem Weg zu einer Integration der Methoden

Sigmund Freud

Die berühmten Abtrünnigen

Alfred Adler

Wilhelm Reich

Otto Rank

Carl Gustav Jung

Sándor Ferenczi

Literatur

4. Die Struktur emotionaler und psychosomatischer Störungen

Freuds klassische Psychoneurosen

Angsthysterie (Phobien)

Konversionshysterie

Zwangsneurose

Depressionen, Manie und suizidales Verhalten

Alkoholismus und Drogenabhängigkeit

Sexuelle Störungen und Abweichungen

Psychosomatische Erscheinungsformen psychischer Störungen

Autistische und symbiotische kindliche Psychosen, narzisstische Persönlichkeitsstörungen und Borderline-Störungen

Die Psychodynamik psychotischer Zustände bei Erwachsenen

Literatur

5. Spirituelle Krisen:Verständnis und Behandlung von transformativen Krisen

Auslöser spiritueller Krisen

Die Diagnose spiritueller Krisen

Verschiedene Formen spiritueller Krisen

Die schamanische Initiationskrise

Das Erwachen der Kundalini

Erfahrungen von Einheitsbewusstsein (»Gipfelerfahrungen«)

Seelische Erneuerung durch die Rückkehr zum Zentrum

Die Krise der psychischen Öffnung

Erfahrungen aus vergangenen Leben

Kommunikation mit geistigen Führern und »Channeling«

Nahtoderfahrungen (NTE)

Begegnungen mit UFOs und Erfahrungen von Entführungen durch Außerirdische

Besessenheitszustände

Alkoholismus und Drogensucht als spirituelle Krise

Die Behandlung spiritueller Krisen

Literatur

6. Holotropes Atmen:Eine neue Methode der Selbsterforschung und Therapie

Wesentliche Komponenten des Holotropen Atmens

Die heilende Kraft des Atems

Das therapeutische Potenzial von Musik

Die Anwendung von lösender Körperarbeit

Unterstützender und nährender Körperkontakt

Das Malen von Mandalas: Die Ausdruckskraft der Kunst

Der Ablauf von holotropen Sitzungen

Das Mandala-Malen und die Nachbearbeitungsgruppen

Nachbereitung und Anwendung ergänzender Techniken

Das therapeutische Potenzial des Holotropen Atmens

Biologische Mechanismen beim Holotropen Atmen

Literatur

Über den Autor

Eintauchen in die Geheimnisse des Seins

Deepak Chopra

Die wissenschaftliche Revolution, die vor 500 Jahren begann und zu unserer heutigen Zivilisation und modernen Technologien geführt hat, hat in den letzten 100 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Die Erforschung des Weltraums, digitale Technologien, virtuelle Realität, künstliche Intelligenz und Kommunikation in Lichtgeschwindigkeit sind für uns heute selbstverständlich geworden. Doch trotz all dieser Fortschritte entzieht sich uns die Natur der grundlegenden Wirklichkeit. Recherchiert man im Internet zu den offenen Fragen der Wissenschaft, so ist festzustellen, dass die beiden wichtigsten Fragen zur Natur der Realität unbeantwortet bleiben: Woraus besteht das Universum? Was ist die biologische Grundlage des Bewusstseins? Es ist offensichtlich, dass diese beiden Fragen miteinander verknüpft sind. Um das Sein verstehen zu können, müssen wir uns dessen bewusst sein!

Mehr als jeder andere Mensch, der mir in den Sinn kommt, hat Stan Grof in den letzten 60 Jahren Pionierarbeit geleistet, um unser Verständnis der inneren Realität und ihrer Beziehung zum Erleben der so genannten äußeren Realität zu erweitern. Dieser Band ist eine systematische Entdeckungsreise, von den persönlichen bis hin zu den transpersonalen und den transzendenten Bereichen des Seins. Wer in die Geheimnisse des Seins eintauchen und sie erleben möchte, kommt um dieses monumentale Werk nicht herum.

Welche Bedeutung haben Leben und Tod? Wie beeinflusst das Geburtstrauma unsere Lebenserfahrung? Gibt es andere Erfahrungsbereiche, die über unseren »Traum« im Wachbewusstsein hinausgehen? Warum ist es zur Linderung unseres persönlichen und kollektiven Leidens notwendig, dass wir sie kennen? Wie heilt sich die Menschheit von dem Trauma, das sie sich selbst zugefügt hat? Wie überwinden wir unsere Angst vor dem Tod? Was ist unsere wahre Natur jenseits der Erfahrung von Körper, Geist und Universum?

Stan Grof ist ein Riese unter uns, und wir haben das Glück, auf seinen Schultern zu stehen. Ihn als Einstein des Bewusstseins zu bezeichnen, wäre (sogar noch) untertrieben. Ich persönlich bin ihm zutiefst dankbar, dass er den Weg gewiesen hat. Zukünftige Generationen werden ihn für immer dafür anerkennen, dass er uns hilft, aus unserer kollektiven Hypnose, die wir Alltagsrealität nennen, aufzuwachen.

Vorwort

Richard Tarnas

Wir alle spüren heute, dass die Menschheit und Erdengemeinschaft vor einem bedeutenden Scheideweg stehen, dessen Herausforderungen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können – ökologisch, spirituell, psychologisch, sozial und politisch. Unsere Zeit ist geprägt von einer Atmosphäre der Krise, des radikalen Wandels, und vielleicht ist sie reif für den »Austausch der Götter«, von dem C. G. Jung am Ende seines Lebens sprach. Die Grundprinzipien und Symbole, die unsere Zivilisation geprägt haben, durchlaufen eine tiefgreifende Veränderung.

Es scheint, dass die Menschheit in diesem Prozess die völlige Auflösung ihrer alten Identität und Weltanschauung durchlebt, eine Art symbolisches Sterben und Verwandeln, das vielleicht notwendig ist, um Sterben und Untergang im wörtlichen Sinn zu vermeiden. Welten werden durch Weltanschauungen erschaffen und sind von unserer individuellen und der kollektiven Psyche geprägt; deshalb hängt unsere kollektive Zukunft davon ab, dass es genug Individuen und Gemeinschaften gibt, die bereit sind, diesen tiefen Wandel und das Erwachen mitzumachen, um den Wiedereintritt unserer Zivilisation in die größere Lebensgemeinschaft zu unterstützen, von der sich der moderne Homo sapiens im Grunde getrennt vorstellt.

Wahrscheinlich gibt es heute kaum jemanden, der über ein so breites und tiefgreifendes praktisches Wissen über tiefe psychologische Transformationsprozesse und außergewöhnliche Bewusstseinszustände verfügt wie Stanislav Grof. Seit über sechzig Jahren arbeitet Grof mutig mit Tausenden von Menschen zusammen, die ihre inneren Tiefen im Dienste der Heilung, des spirituellen Erwachens, der Befreiung von Geist und Seele und der Öffnung ihrer Wahrnehmung erkundet haben. Die vorliegende Arbeit fasst diese außergewöhnliche Lebenszeit der Erfahrung und des angesammelten Wissens über einen Bereich zusammen, den die meisten Psychologen und Psychotherapeuten heute kaum kennen, geschweige denn erforschen und angemessen verstehen können.

Grofs erweiterte Kartographie der Psyche, basierend auf sechs Jahrzehnten klinischer Erfahrung und Tausenden von Sitzungsberichten, brachte ein neues und viel tieferes Verständnis der Ätiologie emotionaler und psychosomatischer Störungen hervor. Durch die Einführung von Konzepten wie den COEX-Systemen, den Perinatalen Grundmatrizen (PGM) und den Inhalten des transpersonalen Bereichs des Unbewussten, gelang es Grof, die Ideen von Sigmund Freud, C. G. Jung, Otto Rank, Wilhelm Reich sowie Karl Abraham, Sándor Ferenczi, Melanie Klein und anderen miteinander zu verbinden und in ein umfassendes Verständnis der menschlichen Psyche einzufügen.

Einerseits ermöglichte Grofs sorgfältige Analyse der verschiedenen Ebenen der Psyche und ihrer Rolle in der Ätiologie emotionaler Störungen die Erkenntnis, dass Freuds grundlegendes Gespür für den Einfluss unbewusster Erinnerungen an frühe Lebenserfahrungen und Traumata auf die wachsende Psyche richtig waren. Grofs Forschung hat jedoch auch aufgezeigt, dass Freuds Interpretationen durch sein oberflächliches Modell der Psyche, das sich auf die postnatale Biographie und das individuelle Unbewusste beschränkt, beeinträchtigt wurden. Durch die Anerkennung der psychotraumatischen Auswirkungen körperlicher Verletzungen, Krankheiten, der biologischen Geburt und einer Vielzahl transpersonaler Einflüsse (von den Ahnen überlieferte, kollektive, ethnische, karmische, phylogenetische und archetypische) konnte Grof etliche pathologische Symptome und Syndrome viel einleuchtender und klinisch fundiert erklären.

Viele von Freuds weniger überzeugenden und problematischen Erklärungen – für Phobien, Suizidversuche, den Todestrieb, die Vagina dentata, den Kastrationskomplex, verschiedene sexuelle Störungen, Mystik und die »ozeanische Entgrenzungserfahrung« – konnten korrigiert und in einen größeren Zusammenhang gestellt werden, nachdem man sich von seinen reduktionistischen konzeptionellen Einschränkungen befreit hatte. Diese tiefgreifende Erweiterung unseres Verständnisses der menschlichen Psyche und der komplizierten Matrix der daran beteiligten Faktoren ist an sich schon eine befreiende theoretische Klarstellung. Aber sie eröffnet auch neue Perspektiven für die Selbsterforschung und Psychotherapie, indem sie eine Reihe therapeutischer Methoden ermittelt, die für eine kompetente erfahrungsorientierte Therapie und Selbsterforschung genutzt werden können.

Während Grof zahlreiche Fachartikel und Bücher für die psychiatrische und akademische Welt geschrieben hat, wendet er sich mit der vorliegenden Arbeit direkt an die vielen Leser, die sich intensiv für die innere Selbsterforschung und die Vertiefung ihres gewöhnlichen Bewusstseins einsetzen – die »Psychonauten«, wie im Titel dieser Enzyklopädie. Dies sind Menschen, die erkennen, dass eine solche Erforschung und Vertiefung nicht nur ihrer eigenen Heilung und Bewusstseinserweiterung, sondern auch der Heilung und dem Wandel der größeren menschlichen und irdischen Gemeinschaft dienen kann, in die wir alle eingebettet sind.

Es ist Vielen klar geworden, dass ohne die in unserer Kultur weit verbreiteten wirksamen Einweihungsstrukturen zu wenige Menschen die Möglichkeit haben werden, mit diesen unbewussten Kräften und tieferen archetypischen Inhalten und Bestimmungen in Berührung zu kommen, die einen Zugang zu einem größeren, beseelten Kosmos ermöglichen und Vertrauen in die mächtigen Wandlungsenergien schenken, die bereits in die kollektive Psyche eindringen – egal, ob unsere regulären führenden Ich-Strukturen bereit sind, sie zu verarbeiten oder nicht.

Im Laufe seines langen Berufslebens ist es Grof maßgeblich gelungen, die großen Einweihungsmethoden alter und indigener Weisheitstraditionen in den zeitgenössischen modernen Kontext zu integrieren; vor allem aber wurden sie exakt mit präzisen psychiatrischen und psychoanalytischen Formulierungen verknüpft, die auf jahrzehntelanger, einzigartiger klinischer Erfahrung basieren. Darüber hinaus hat Grof diese Forschung und Erfahrung mit einer Vielzahl revolutionärer Fortschritte in anderen Bereichen verbunden – Quantenphysik, Systemtheorie, Religionswissenschaften, Anthropologie, Mythologie, Thanatologie, archetypische Astrologie, esoterische Studien, neues Paradigmendenken in etlichen Bereichen –, und er arbeitet eng mit vielen führenden Behörden in diesen Grenzgebieten zusammen. Das Ergebnis ist die Arbeit eines Meisterlehrers und -heilers, ein Buch, das uns allen viele Jahre lang als unschätzbare und dauerhafte Quelle der persönlichen Veränderung dienen kann.

Grof besaß zunächst keine Reiseführer oder Karten. Er betrat die Tiefen der Unterwelt und die Höhen der oberen Welten und hielt den Raum für unzählige andere bereit – Tag für Tag, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt. Diese Arbeit war mutig, mitfühlend, gewandt im buddhistischen Sinne – und brillant. Sie wurde schließlich auch für viele Bereiche außerhalb der Psychologie wichtig – für Geschichte, Kosmologie, Wissenschaftsphilosophie, Ökologie, Politik, Friedensbewegungen, Feminismus, Sexualität und Geburtspraktiken sowie die Evolution des Bewusstseins.

Doch alles begann mit Grofs stiller, heldenhafter Arbeit im privaten Schmelztiegel der Psychotherapie mit einzelnen, oft leidenden und tief gestörten Frauen und Männern. Zu dieser Aufgabe brachte er spirituelle Zentriertheit, Geduld und Weisheit mit, die durch seine eigenen Selbsterforschungsreisen geformt wurden. Mit der Zeit bestätigte Grofs Werk nicht nur die heiligen Tiefen der menschlichen Psyche, sondern auch die der Anima Mundi selbst, der Weltenseele, der Heiligkeit allen Seins. Er vertraute darauf, dass sich großer Verlust und Trauma in große Heilung und spirituelles Erwachen entfalten können, dass das Sterben zu neuem Leben führt. Und er übertrug dieses Vertrauen auf Tausende von anderen, die heute diese wichtige Arbeit auf der ganzen Welt verrichten.

Richard Tarnas, Juli 2018

Einleitung

Meine Entscheidung, diese Enzyklopädie zu schreiben, wurde durch mehrere Umstände ausgelöst. Der erste davon war die Erkenntnis, dass ich bereits weit in mein neuntes Lebensjahrzehnt vorgerückt bin, eine Zeit, in der Forscher eher zurückblicken und versuchen, das Entdeckte zu überprüfen und zusammenzufassen. Sechs meiner Lebensjahrzehnte habe ich der Erforschung der von mir so genannten holotropen Zustände gewidmet – einer großen und wichtigen Untergruppe außergewöhnlicher Bewusstseinszustände, die therapeutisches, transformatives, heuristisches und evolutionäres Potenzial haben. Da es sich um einen Vorstoß in neue Gebiete handelt, die von der etablierten Psychiatrie und Psychologie noch nicht entdeckt und erkannt wurden, ist es unrealistisch zu erwarten, dass ich alle seit Beginn dieser Suche angesammelten Informationen immer bereits in der endgültigen Form präsentieren kann.

Als ich tiefer in die neuen Bereiche der Psyche vordrang und meine Ergebnisse in einer Reihe von Büchern festhielt, entwickelte sich auf gewisse Weise ein neues Verständnis in mir. Die Grundtatsachen blieben zwar gleich, aber meine verschiedenen Erkenntnisse gewannen eine etwas andere Bedeutung. In den ersten Jahren meiner psychedelischen Forschung stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass alle Phasen der biologischen Geburt in allen Einzelheiten in unserer unbewussten Psyche aufgezeichnet sind. Diese Entdeckung stellte alles infrage, was man mir im Medizinstudium beigebracht hatte. Sobald ich von der Echtheit dieser Erkenntnis überzeugt war, setzte ich meinen Forschungsschwerpunkt auf die Bedeutung des Geburtstraumas in verschiedenen Bereichen – eines neuen Verständnisses emotionaler und psychosomatischer Störungen, dem rituellen und spirituellen Leben der Menschheit, menschlicher Gewalt und Gier, Sexualität, Tod und Sterben sowie der Interpretation von Kunstwerken.

Rückblickend war es keine wirkliche intellektuelle Meisterleistung, die außergewöhnliche psychologische Bedeutung der biologischen Geburt anzuerkennen. Das Gehirn des Neugeborenen ist ein durchaus hinreichend entwickeltes Organ, um Erinnerungen an einige Stunden eventuell lebensbedrohlicher Erfahrungen abzuspeichern. Darüber hinaus gibt es Forschungen, die darauf hinweisen, dass der Fötus bereits in der Gebärmutter empfindungsfähig ist, und dass im evolutionären Stammbaum wesentlich weiter unten stehende Organismen als ein menschliches Kind Erinnerungen bilden können. Nachdem ich schließlich eindeutig die Geburt als großes Psychotrauma anerkannt hatte, fiel es mir schwerer zu verstehen, dass etablierte Ärzte und Akademiker dazu nicht in der Lage sind.

Im Verlauf meiner psychedelischen Forschung verlagerte sich mein Interesse auf Phänomene, die eine viel größere intellektuelle Herausforderung darstellten, weil sich keine materielle Trägersubstanz für sie finden ließ – von den Ahnen übernommene und stammesgeschichtliche Erinnerungen, Erinnerungen an vergangene Leben, auf Erfahrung beruhende Identifikation mit Tieren und Pflanzen, historische und archetypische Bereiche des kollektiven Unbewussten, Synchronizitäten, kosmisches Bewusstsein und «höhere Kreativität». In diesem neuen Verständnis verlor die Geburt ihre bestimmende Rolle und der Schwerpunkt verlagerte sich auf die archetypische Dynamik. Die Perinatalen Grundmatrizen (PGM), die für das Wiedererleben der biologischen Geburtsphasen bestimmenden Erfahrungsmuster, wurden selbst zu konkreten Ausdrucksformen und Begriffen im Kräftespiel der Archetypen.

Diese Gedankenverlagerung ermöglichte die Verbindung meines neuen konzeptionellen Rahmens mit der archetypischen Astrologie, wie sie von Richard Tarnas und seinen Kollegen entwickelt wurde. Die Verbindung dieser beiden Disziplinen brachte Klarheit und Präzisierung im Verständnis der psychedelischen und holotropen Atemerfahrungen und der spirituellen Krisenerlebnisse, die bisher nicht möglich gewesen waren. Als ich an dieser Enzyklopädie schrieb, war es mir wichtig, alle von mir untersuchten Phänomene so zu beschreiben, wie ich sie jetzt sehe.

Der zweite Auslöser war für mich der 75. Jahrestag von Albert Hofmanns epochaler Entdeckung des LSD, der immer näher rückte und ein guter Zeitpunkt war, um darüber nachzudenken, was LSD der Welt gebracht und wie es das Verständnis des Bewusstseins und der menschlichen Psyche verändert hat. Keine andere Substanz hat jemals in so vielen verschiedenen Disziplinen große Verheißungen mit sich gebracht. Durch die völlig unlogische Gesetzgebung wurde jedoch die als goldene Ära der Psychopharmakologie geltende Zeit beendet und Alberts «Wunderkind» in ein «Problemkind» verwandelt. Nachdem die rechtliche Erforschung von Psychedelika jahrzehntelang praktisch unmöglich war, erleben wir nun unerwartet eine weltweite Wiederbelebung des Interesses an diesen faszinierenden Substanzen. Es wird immer deutlicher, dass LSD ein Wunderkind war, das jedoch in eine gestörte Familie hineingeboren wurde.

In der Zwischenzeit wurde die übliche Praxis der Weitergabe von Erfahrung und Wissen von einer Generation zur nächsten für mehrere Jahrzehnte unterbrochen, und die frühen Pioniere der 1950er und 1960er Jahre verschwinden schnell von der Bildfläche, entweder aufgrund ihres Alters oder weil sie nicht mehr leben. Derzeit werden viele neue Forschungsprojekte mit Psychedelika und Entheogenen ins Leben gerufen und neue Generationen junger Therapeuten treten auf den Plan. Ich war der Meinung, dass sie von den gesammelten Informationen derjenigen von uns profitieren können, die an Forschungsprojekten arbeiten konnten, als diese noch legal waren, oder die eine Rechtslücke fanden, um ihre Forschung im Untergrund weiterführen zu können. Ich hoffe, dass wir auf dem Weg sind, Alberts Traum eines Neuen Eleusis zu erfüllen, einer Zukunft, in der die legale Verwendung von Psychedelika in das Gewebe der modernen Gesellschaft zum Wohle der Menschheit eingewoben sein wird.

Der dritte und unmittelbarste Impuls für mich, diese Enzyklopädie zu schreiben, war die Einladung von Stephen Dinan, dem Geschäftsführer von Shift Network, einen achtwöchigen Fernlehrgang zur Psychologie der Zukunft zu entwickeln. Der Fernlehrgang war gut besucht – über 600 Teilnehmer – was Stephen dazu veranlasste, mich um eine Fortsetzung zu bitten, einen 24-wöchigen Fortgeschrittenenkurs, den wir The Way of the Psychonaut nannten. Etwas zögerlich dachte ich über sein Angebot nach und nahm es schließlich an. Es war ein großer Auftrag, nach einem achtwöchigen Kurs weitere 24 Lehreinheiten, ohne viele Wiederholungen zu erstellen. Aber es war auch eine Gelegenheit, meine frühen Schriften anzuschauen und meine ursprünglichen Formulierungen gegebenenfalls zu ändern oder zu verfeinern. Ich musste auch einige Bereiche untersuchen, die ich in der Vergangenheit noch nicht angesprochen hatte oder denen ich nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Meine Frau Brigitte, die den Fernlehrgang verfolgte, ermutigte mich sehr, die darin enthaltenen Informationen als Buch zur Verfügung zu stellen. Sie schlug mir auch vor, diese Arbeit als Enzyklopädie aufzufassen, in der Interessierte alle wichtigen Informationen finden würden, ohne sie in verschiedenen Büchern oder im Internet suchen zu müssen.

Als ich mich entschieden hatte, die aktuelle Arbeit zu schreiben, hatte ich mehrere Ziele vor Augen. Ich wollte den neuen Therapeuten, die mit der Durchführung psychedelischer Sitzungen beginnen, ihren Klienten und Menschen, die mit ihren eigenen inneren Reisen beginnen, die notwendigen oder nützlichen Informationen in prägnanter und umfassender Form zur Verfügung stellen. Ich beschloss, in dieser Arbeit auch auf das Paradigma einzugehen – bahnbrechende Beobachtungen aus der Erforschung holotroper Bewusstseinszustände, die herkömmliche Konzepte des Bewusstseins und der menschlichen Psyche überflüssig machen und auf den dringenden Bedarf einer grundlegenden Überarbeitung hinweisen. Ich habe auch die notwendigen Veränderungen in der psychiatrischen Theorie und Praxis vorgeschlagen, um diese «anomalen Phänomene» zu einem Hauptbestandteil des psychologischen Wissens werden zu lassen. Dies würde den Psychiatern ermöglichen, emotionale und psychosomatische Störungen besser und tiefgreifender zu verstehen und effektivere Behandlungsmethoden zu entwickeln.

Der erste Abschnitt dieser Enzyklopädie beschreibt die Geschichte der Psychonautik, die definiert wird als «systematische Suche und Nutzung holotroper Bewusstseinszustände zur Heilung, Selbsterforschung, spirituellen, philosophischen und wissenschaftlichen Suche, für rituelle Handlungen und künstlerische Inspiration». Das Verlangen nach transzendentalen Erfahrungen ist die treibende Kraft der Psychonautik und der stärkste Antrieb in der menschlichen Psyche; das Streben danach lässt sich bis zum Beginn der Menschheitsgeschichte, bis hin zu Schamanen der Altsteinzeit zurückverfolgen. Es hat sich über Jahrhunderte hinweg in den Hochkulturen der Antike, in den alten Geheimnissen von Tod und Wiedergeburt, in den Übergangsriten und in Heilungszeremonien und anderen Stammesereignissen der einheimischen Kulturen fortgesetzt. Große Weltreligionen haben ihre eigenen «Technologien des Heiligen» entwickelt, Methoden zur Erzeugung spiritueller Erfahrungen, die in Klöstern und ihren mystischen Zweigen zur Anwendung kommen.

Die Neuzeit der Psychonautik begann zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Arthur Heffters Isolierung von Meskalin aus Peyote, gefolgt von der Isolierung von Ibogain aus dem afrikanischen Busch Tabernanthe iboga und Harmalin aus dem syrischen Kraut Peganum harmala. In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden klinische Experimente mit Meskalin durchgeführt. Die goldene Ära der Psychonautik begann 1943 mit der Entdeckung der psychedelischen Effekte von LSD-25 durch Albert Hofmann. Sein chemischer Kraftakt setzte sich dann mit der Isolierung von Psilocybin und Psilocin, der aktiven Alkaloide aus den «magischen Pilzen der Mazatek-Indianer» und von Monoamid der Lysergsäure (LAE-32) aus den Samen der Prunkwinde (Ololiuqui) fort. Diese neuen psychoaktiven Substanzen inspirierten eine Lawine von Labor- und klinischen Studien. Als sich eine große Bewusstseinsrevolution abzuzeichnen schien, wurde sie abrupt durch unkundige rechtliche und administrative Maßnahmen beendet.

Die vier Jahrzehnte, in denen praktisch keine legale Forschung mit Psychedelika möglich war, wurden tatsächlich zu einem wichtigen Kapitel in der Psychonautik – dank halblegaler und illegaler Forschung und Experimenten, die zur Herstellung und Erforschung einer ganzen Bandbreite von Entheogenen, Derivaten von Phenethylamin und Tryptamin führten. Im Umfeld des gegenwärtigen Auflebens der psychedelischen Forschung könnten die durch diese informellen Studien gewonnenen Informationen Anregungen für gesetzlich kontrollierte Studien liefern, wie es bereits mit MDMA geschehen ist. Es ist zu hoffen, dass wir den Beginn einer weiteren aufregenden Ära der Psychonautik erleben.

Der zweite Abschnitt dieser Enzyklopädie konzentriert sich auf die Beobachtungen und Erfahrungen aus der Erforschung holotroper Zustände, die darauf hinweisen, dass einige Grundannahmen der etablierten Psychiatrie und Psychologie dringend grundlegend überarbeitet werden müssen. Darin wird auch vorgeschlagen, in welchen Bereichen und welcher Art diese Veränderungen notwendig sind. Die Beweise, dass Bewusstsein kein Produkt des menschlichen Gehirns ist, sondern ein Grundaspekt des Seins, sind überwältigend; das Gehirn vermittelt Bewusstsein, erzeugt es aber nicht. Die menschliche Psyche ist nicht auf die postnatale Biographie und das freudsche individuelle Unbewusste beschränkt. Sie enthält zwei weitere Bereiche von entscheidender Bedeutung – den perinatalen, der eng mit dem Trauma der biologischen Geburt verbunden ist, und den transpersonalen, dem Ursprung von Erfahrungen, die über die Begrenzungen von Raum, Zeit und die Reichweite unserer physischen Sinne hinausgehen.

Der nächste Bereich, der wesentlich überarbeitet werden muss, umfasst den Ursprung und die Art der emotionalen und psychosomatischen Störungen, die von psychogener Natur sind (ohne biologische Grundlage). Sie stammen nicht aus der Säuglingszeit und der Kindheit; sie haben noch andere, tiefere Wurzeln, die bis zur perinatalen und transpersonalen Ebene reichen. Als positiv ist zu nennen, dass therapeutische Eingriffe auf der Ebene der postnatalen Biographie nicht die einzige Möglichkeit sind, um den klinischen Zustand zu verbessern. Die Rückführung auf die perinatale und transpersonale Ebene in holotropen Zuständen macht hochwirksame Methoden zur Heilung und positiven Persönlichkeitsveränderung verfügbar.

Ein weiterer Vorschlag für einen fundamentalen Perspektivenwechsel in der Psychiatrie betrifft die Einstellung zur Spiritualität. Angesichts der Beobachtungen aus holotropen Zuständen ist Spiritualität kein Hinweis auf Aberglaube, primitives magisches Denken, mangelndes wissenschaftliches Wissen oder psychische Erkrankungen, wie von der materialistischen Wissenschaft angenommen. Sie ist eine berechtigte Dimension der menschlichen Psyche und der Weltordnung. Wenn die Rückführung in holotropen Zuständen bis in perinatale und transpersonale Ebenen zurückreicht, nehmen die Erfahrungen eine neue Qualität an, die C. G. Jung Numinosität nannte. Es ist eine direkte Wahrnehmung der außergewöhnlichen, jenseitigen Natur des Erlebten.

Die interessantesten Erkenntnisse aus holotropen Zuständen betreffen die Herangehensweise an die Therapie. Es gibt eine große Anzahl von Psychotherapieschulen, die sich über einige grundlegende Aspekte der Theorie und Therapie nicht einig sind. Infolgedessen stimmen Vertreter der verschiedenen Schulen über die Bedeutung etlicher Themen nicht überein und interpretieren die gleiche Situation unterschiedlich. Die Arbeit mit holotropen Zuständen löst dieses Dilemma, indem sie eine tiefgreifende Alternative bietet. Der Eintritt in diese Zustände aktiviert die innere Selbstheilungsintelligenz, die automatisch auf unbewusstes Material zusteuert, das eine starke emotionale Ladung hat und kurz davor ist, ins Bewusstsein zu treten. Anschließend wird dieses Material spontan zur Bearbeitung an die Oberfläche gebracht.

Der dritte Teil dieses Bandes vermittelt eine völlig neue Auffassung emotionaler und psychosomatischer Störungen, die verfügbar wird, sobald wir unser Verständnis der Psyche um die perinatalen und transpersonalen Dimensionen erweitern. Es wird deutlich, dass Freud und seine Anhänger auf dem richtigen Weg waren, als sie versuchten, die Wurzeln emotionaler Störungen bis zu ihrem Ursprung in der frühen Kindheit zurückzuverfolgen, aber sie haben nicht tief genug geschaut und die perinatalen und transpersonalen Wurzeln der Psychoneurosen, sexuellen Probleme, Depressionen, des Suizids und vor allem der Psychosen nicht erkannt. Die Erfahrungsmuster, die mit dem Wiedererleben der aufeinanderfolgenden Phasen der Geburt verbunden sind (Perinatale Grundmatrizen oder PGM), bieten sehr logische und natürliche Mustervorlagen für Symptome und für die Art und Weise der Verdichtung von Symptomen zu Syndromen.

Aus der Tatsache, dass das Geburtstrauma ein Vorgang ist, der über Leben und Tod entscheidet und im Mittelpunkt emotionaler Störungen steht, erklärt sich seine Intensität und Tiefe, die man sonst nicht verstehen kann. Extreme menschliche Verhaltensweisen – zügellose Gewalt, die zu brutalem Mord und Suizid führt – müssen einen Ursprung von vergleichbarer Intensität und Bedeutung haben. Der freudsche Ansatz der Psychopathologie war, obwohl er in die richtige Richtung ging, nicht überzeugend, manchmal sogar absurd und lächerlich. Etablierte Psychiater, die auf diese Situation reagierten, warfen das Kind in den Brunnen. Sie gaben schließlich die Suche nach glaubwürdigen Ursachen für emotionale Störungen in der Frühgeschichte auf und ersetzten sie durch den «neokraepelinischen Ansatz», einer reinen Symptombeschreibung ohne ätiologische Überlegungen.

Mit der Einführung in die Kartographie der Psyche löst der perinatale Bereich auch den Konflikt zwischen Psychiatern, die biologische Erklärungen für emotionale Probleme bevorzugen, und solchen, die psychologische Einflüsse hervorheben. Die Geburt ist ein einflussreicher und vielschichtiger Prozess, in dem äußerst intensive Emotionen und körperliche Empfindungen miteinander verschmolzen sind. Postnatale Erfahrungen können dann den einen oder anderen Aspekt dieser Mischung hervorheben, doch auf einer tieferen Ebene stellen sie zwei Seiten derselben Medaille dar. Aus der Beteiligung der transpersonalen Dimension an der Psychopathologie und ihrer Wechselwirkung mit der perinatalen Ebene lassen sich dann Phänomene erklären, die Spiritualität und Gewalt miteinander verbinden, wie z.B. Flagellantentum oder eine Kombination von Mord und Suizid mit religiösem Ziel.

Der Abschnitt über die Architektur emotionaler und psychosomatischer Störungen liefert einen Überblick über ein breites Spektrum emotionaler Störungen – Freuds klassische Psychoneurosen (Phobien, Konversionshysterie und Zwangsneurose), Depressionen, Suizidverhalten, sexuelle Fehlfunktionen und Abweichungen, psychosomatische Erkrankungen und funktionelle Psychosen. Ich versuche aufzuzeigen, wie man viele Aspekte aus dieser charakteristischen Symptomatik als Kombination biographischer, perinataler und transpersonaler Elemente erklären kann. Dieses neue Verständnis hat auch wichtige Auswirkungen auf die Therapie dieser Erkrankungen.

Der vierte Abschnitt dieser Enzyklopädie behandelt die wohl wichtigste Auswirkung der Arbeit mit holotropen Bewusstseinszuständen und mit der erweiterten Kartographie der Psyche – das Konzept der transpersonalen Krise oder «spirituellen Notlage». Basierend auf unseren Erfahrungen mit der psychedelischen Therapie und dem holotropen Atmen, interessierten sich meine verstorbene Frau Christina und ich für eine große und wichtige Gruppe spontaner holotroper Erfahrungen, die in der Psychiatrie als Ausdruck schwerer psychischer Erkrankungen, als Psychosen, diagnostiziert und behandelt werden.

Wir stellten fest, dass diese Zustände, wenn sie richtig verstanden und unterstützt werden, ein außergewöhnliches therapeutisches, transformatives, heuristisches und sogar evolutionäres Potenzial haben. In diesem Abschnitt beschreibe ich die Phänomenologie, die Auslöser, die unterschiedliche Diagnose und die Therapie dieser Erkrankungen. Ich gehe auch kurz auf die verschiedenen Formen der spirituellen Notlage ein, wie z.B. auf die schamanische Initiationskrise, die Aktivierung der Kundalinienergie, Abraham Maslows «Gipfelerfahrung», John Perrys Erneuerungsprozess durch den Abstieg zum zentralen Archetyp, Probleme mit Erinnerungen an vergangene Leben, den Wendepunkt der psychischen Öffnung, Besessenheitszustände und andere.

Der fünfte Abschnitt dieses Bandes liefert einen Überblick über die wichtigsten Landkarten der Psyche, die von den Gründern verschiedener Tiefenpsychologieschulen – ihrem Vater Sigmund Freud, den berühmten Abtrünnigen Alfred Adler, Otto Rank, Wilhelm Reich und Carl Gustav Jung – und Sándor Ferenczi entwickelt wurden. Die Lehren dieser Schulen werden aus dem Blickwinkel der erforschten holotropen Bewusstseinszustände und den daraus resultierenden Beobachtungen überprüft; es wird beurteilt, welche dieser Pionierideen dieser Untersuchung standhalten und welche bestätigt, verändert, ergänzt oder verworfen werden müssen. Die Überprüfung hat gezeigt, dass jeder dieser Vorreiter sich auf eine ganz bestimmte Bandbreite im umfangreichen Erfahrungsspektrum der menschlichen Psyche konzentriert hat und sie in seiner Begrifflichkeit und seiner Dynamik beschrieben hat.

Das Problem war, dass sie alle für die Bandbreiten des von den anderen untersuchten und in den Vordergrund gestellten Spektrums blind zu sein schienen und dass sie diese auf ihr eigenes Modell und ihre eigene Denkweise reduziert haben. So spezialisierte sich Freud auf die postnatale Biographie, während er den perinatalen Bereich fast gänzlich ignorierte und die Mythologie sowie psychische Phänomene auf die Biologie reduzierte. Rank erkannte die überragende Bedeutung des Geburtstraumas, reduzierte aber die archetypischen Phänomene auf Auswirkungen der Geburt. Jung, der den ausgedehnten Bereich des kollektiven Unbewussten erkannte und richtig beschrieb, stritt nachdrücklich die psychologische Bedeutung der biologischen Geburt ab. Aus dieser Auswertung der Geschichte geht deutlich hervor, dass für eine sichere Navigation durch wechselnde Realitäten eine erweiterte Kartographie der Psyche notwendig ist – ein Modell, das die biographische, perinatale und transpersonale Ebene einschließt und einbezieht.

Der sechste und letzte Abschnitt dieses Bands konzentriert sich auf das holotrope Atmen, eine neuartige erfahrungsorientierte Form der Psychotherapie, die meine verstorbene Frau Christina und ich entwickelten, als wir am Esalen Institute in Big Sur, Kalifornien, lebten. Diese Methode ruft mit sehr einfachen Mitteln wirkmächtige holotrope Bewusstseinszustände hervor und ist eine Kombination aus beschleunigter Atmung, evokativer Musik und der Anwendung von Körperarbeit in einem speziellen Rahmen und einer inneren Vorbereitung. Die Teilnehmer arbeiten paarweise, abwechselnd in der Rolle des Atmers und des Sitzenden. Nach den Sitzungen malen sie Mandalas, die das Erlebte widerspiegeln, und sitzen in Kleingruppen zusammen, um ihre Erlebnisse miteinander zu teilen und zu verarbeiten.

Das Holotrope Atmen verbindet die Grundprinzipien der Tiefenpsychologie mit Elementen aus dem Schamanismus, aus Übergangsriten, aus den großen spirituellen Philosophien des Ostens und den mystischen Traditionen der Welt. Die Theorie verwendet moderne psychologische Begriffe und basiert auf der transpersonalen Psychologie und der neuen Paradigmenwissenschaft. In diesem Abschnitt werden die heilende Kraft des Atems, das therapeutische Potenzial der Musik und der Einsatz lösender und unterstützender körperlicher Hilfestellungen beschrieben, gefolgt von der Vorbereitung auf die Sitzungen und einem geeigneten Umfeld, den Rollen des Atmers und des Sitzenden, der Begriffsklärung der Erfahrung, des Mandalamalens und der Verarbeitung in den Kleingruppen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Besprechung der therapeutischen Ergebnisse und der Zeit nach den Sitzungen.

Ich habe diesen ersten sowie den zweiten folgenden Band dieser Enzyklopädie in der Hoffnung geschrieben, dass er Psychonauten als Leitfaden dienen möge, indem sie rückblickend einige nützliche Einblicke in ihre Erfahrungen aus vergangenen Reisen erhalten, oder indem Menschen, die sich auf die spannenden Abenteuer der Erforschung und Selbstfindung einlassen möchten, die notwendigen Grundinformationen für sichere und erfolgreiche Reisen in wechselnde Realitäten darin finden. Bon voyage!

Mill Valley, Kalifornien, März 2018Stanislav Grof

Dank

Der Weg des Psychonauten ist ein Versuch, die Ergebnisse von mehr als sechzig Jahren Bewusstseinsforschung, die ich am Psychiatrischen Forschungsinstitut in Prag, am Maryland Psychiatric Research Institute in Baltimore, Maryland, am Esalen Institute in Big Sur, Kalifornien, und in den Workshops und Ausbildungsprogrammen im Holotropen Atmen auf der ganzen Welt durchgeführt habe, prägnant und umfassend darzustellen. In diesen Jahren wurde ich von vielen Einzelpersonen, Institutionen und Organisationen großzügig intellektuell, emotional und materiell unterstützt. Es ist mir nicht möglich, alle namentlich zu nennen, sodass ich mich auf die wichtigsten beschränken muss und mich bei all denen entschuldige, die ich ausgelassen habe.

Meine eigene Einweihung in den Weg des Psychonauten begann im November 1956 durch meine erste LSD-Sitzung in der Psychiatrischen Klinik in Prag, unter der Leitung meines Lehrers George Roubíček und unter persönlicher Aufsicht meines jüngeren Bruders Paul, der damals Medizin studierte. Ich bin beiden sehr dankbar für ihre Rolle in dieser unglaublichen lebensverändernden Erfahrung. Meine eigene psychedelische Forschung begann in der Forschungsabteilung in Prag-Krč unter der Leitung und in Zusammenarbeit mit Miloš Vojtěchovský. Obwohl ich nach zwei Jahren dieser überwiegend labortechnischen Tätigkeit in die klinische Forschung wechselte, sind meine dort gesammelten Erfahrungen von sehr großem Wert für mich.

Im Januar 1960 wurde ich Gründungsmitglied des neu ins Leben gerufenen Psychiatrischen Forschungsinstituts in Prag-Bohnice. Dort hatte ich das außerordentliche Glück, dass Lubomír Hanzlíček, der sehr liberale Direktor des Instituts, an die intellektuelle Freiheit glaubte und mir die Erforschung des diagnostischen und therapeutischen Potenzials von LSD-25 und Psilocybin erlaubte. Ohne seine Unterstützung hätte ich meine Grundlagenforschung in diesem faszinierenden, aber umstrittenen Bereich nicht durchführen können. Im Jahr 1967 gelangte ich dank eines großzügigen Stipendiums des Foundations Fund for Psychiatric Research in New Haven, Connecticut, und einer persönlichen Einladung von Joel Elkes, dem Vorsitzenden der Henry Phipps Clinic der John Hopkins University in Baltimore, Maryland, als klinischer und wissenschaftlicher Mitarbeiter in die Vereinigten Staaten. Nach der sowjetischen Invasion der Tschechoslowakei beschloss ich, nicht zurückzukehren. Ich werde ewig dankbar sein für die Möglichkeiten, die sich mir in meiner neuen Heimat eröffnet haben.

Sehr dankbar bin ich auch für den herzlichen Empfang, die Unterstützung und die Freundschaft, die ich von Albert Kurland, Direktor des Maryland Psychiatric Research Centers in Spring Grove, und seinen Mitarbeitern erhielt, die ihre Herzen und Häuser für mich öffneten und meine neuen Kollegen und meine Familie wurden. Wir haben gemeinsam das letzte erhalten gebliebene psychedelische Forschungsprojekt in den Vereinigten Staaten durchgeführt und mit Alkoholikern, Drogenabhängigen, Neurotikern, tödlich an Krebs erkrankten Patienten und psychologischen Fachkräften gearbeitet. In diesem Zusammenhang kann ich die Namen der Mitarbeiter von Spring Grove nur kurz erwähnen und ihnen von ganzem Herzen für all die schönen Erinnerungen danken, die ich 1973 mitnahm, als ich von der Ostküste nach Kalifornien zog. Die Teilnehmer der verschiedenen Phasen des Spring Grove-Projekts waren: Sandy Unger, Walter Pahnke, Charles Savage, Sid Wolf, John Rhead, Bill und Ilse Richards, Bob und Karen Leihy, Franco di Leo, Richard Yensen, John Lobell, Helen Bonny, Robert Soskin, Mark Schiffman, Lock Rush, Thomas Cimonetti und Nancy Jewell.

Ich möchte meinem verstorbenen Freund Abraham Maslow meinen tiefen Dank aussprechen, dass er mich zusammen mit Tony Sutich, Miles Vich, Sonja Margulies und Jim Fadiman in einen kleinen Kreis von Kollegen in Palo Alto einlud, um an der Geburtsstätte der transpersonalen Psychologie dabei zu sein. Dies gab mir die Möglichkeit, meine Forschungsergebnisse in diese noch junge Disziplin einzubringen und später als Gründungspräsident der International Transpersonal Association (ITA) ihre Botschaft in die Welt zu tragen. Die Erwähnung des ITA erinnert mich an das Esalen Institute in Big Sur, Kalifornien, wo das ITA geboren wurde. Mein herzlicher Dank gilt Michael Murphy, dem Eigentümer und Mitbegründer von Esalen, der mich 1973 zu meinem Auszeitjahr als Scholar-in-Residence nach Esalen einlud. Verzaubert von der Schönheit der Natur in Big Sur und der intellektuell anregenden Atmosphäre von Esalen blieb ich dort vierzehn Jahre lang, eine Zeit, die zu den fachlich lohnendsten Jahren meines Lebens gehört.

Mit der enthusiastischen Unterstützung von Dick Price, dem Mitbegründer von Esalen, leiteten meine verstorbene Frau Christina und ich in Esalen dreißig Monate lang Workshops unter der hervorragenden Besetzung mit Gastdozenten wie Joseph Campbell, Jack Kornfield, Huston Smith, Fritjof Capra, Rupert Sheldrake, Karl Pribram, Michael und Sandra Harner, Frances Vaughan, Roger Walsh, John Lilly, Tim Leary, Ram Dass, Ralph Metzner, Richard Tarnas, Angeles Arrien, Humphrey Osmond, Gordon Wasson, Psychologen, Parapsychologen, tibetischen Lehrern, indischen Yogis, amerikanischen und mexikanischen Schamanen und vielen anderen. In der bezaubernden, ungezwungenen und persönlichen Umgebung von Esalen entwickelten wir tiefe Freundschaften mit diesen Menschen, die mehrheitlich zu eifrigen und treuen Referenten an unseren ITA-Konferenzen wurden. Michael Murphy und Dick Price gründeten gemeinsam mit mir das ITA.

Ich möchte mich bei mehreren meiner Freunde und Kollegen bedanken, die mich intellektuell sehr inspiriert haben, zur kreativen Ergänzung und Erweiterung meiner Arbeit beitrugen und mich in neue Bereiche eingeführt haben. Fritjof Capras Kritik am monistischen Materialismus und am Kartesisch-Newtonschen Paradigma in seinem Buch Das Tao der Physik lieferte mir Anregungen zur Verbindung der transpersonalen Psychologie mit den Naturwissenschaften. Wie sich herausstellte, war diese Verbindung eher mit der Quantenphysik und dem modernen Fortschritt in der Wissenschaft als mit der materialistischen Philosophie des siebzehnten Jahrhunderts und einem veralteten Paradigma herzustellen. Wichtige Unterstützung erhielten die transpersonale Psychologie und die Ergebnisse aus der modernen Bewusstseinsforschung auch durch Karl Pribrams holographisches Modell des Gehirns und David Bohms Theorie des Holo-Movements.

Jack Kornfield half uns als lieber Freund und außergewöhnlicher buddhistischer Lehrer, eine spirituelle Grundlage für unsere Arbeit zu finden. Gemeinsam führten wir in den Vereinigten Staaten und in Europa mehr als dreißig sehr beliebte Retreats mit dem Titel Insight and Opening durch, in denen wir die Gemeinsamkeiten zwischen dem Vipassana-Buddhismus, der transpersonalen Psychologie und dem holotropen Atmen erforschten. Rupert Sheldrake äußerte in seinem revolutionären Buch Das schöpferische Universum. Die Theorie des morphogenetischen Feldes sehr starke Kritik an der monistischen materialistischen Philosophie der Naturwissenschaften. Sein Konzept der morphischen Resonanz und der morphogenetischen Felder war ein willkommener Beitrag, um transpersonale Erlebnisse zu verstehen, da er die Notwendigkeit einer materiellen Trägersubstanz für die Erinnerung durch immaterielle Felder als Erinnerungsträger ersetzte.

Die Forschung meines engen Freundes, brillanten Historikers, Philosophen und Astrologen Rick Tarnas hat zu Verbindungen meiner Erkenntnisse mit der archetypischen Astrologie geführt. Diese umstrittene Allianz ungleicher Gebiete führte zu einem überraschenden Durchbruch. Nach vierzig Jahren faszinierender Zusammenarbeit mit Rick, in denen wir ungewöhnliche Zusammenhänge zwischen planetarischen Transiten und Zeitpunkten sowie archetypischen Inhalten außergewöhnlicher Bewusstseinszustände untersucht haben, ist die archetypische Astrologie für mich der »Rosetta-Stein der Bewusstseinsforschung«. Ich glaube, dass eine kombinierte Arbeit mit außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen und archetypischer Astrologie als Leitfaden die vielversprechendste Strategie für die Psychiatrie der Zukunft darstellt.

Der weltweit führende Systemtheoretiker Ervin Laszlo lieferte in seiner Konnektivitätshypothese und in seinem Konzept des Akasha-Holofelds eine plausible Erklärung für eine Vielzahl anomaler Phänomene, Beobachtungen und paradigmatischer Aufgaben, die sich in der psychedelischen Therapie, in holotropen Atemsitzungen und in spontan auftretenden außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen (»spirituellen Notfällen«) zeigen. Mit seiner genialen Landkarte der Realität, die auf Theorien und Erkenntnissen über die neuesten Entwicklungen der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen basiert, bietet Ervin Laszlo eine elegante Lösung für diese Zwickmühlen und Widersprüche. Durch sie werden die scheinbar absurden Ergebnisse glaubwürdig und wissenschaftlich akzeptabel.

Wenn ich über Menschen spreche, die mir geholfen haben, meine Arbeit in neue Bereiche zu tragen, möchte ich an dieser Stelle auch meiner verstorbenen Frau Christina danken. Ihre Motivation für diese Vorstöße war ihre eigene Suche nach Abhilfe für Probleme, unter denen sie selbst litt: spirituelle Krise, Alkoholabhängigkeit, posttraumatisches Syndrom und Spuren sexuellen Missbrauchs. Wie Roger Walsh anlässlich ihres 50. Geburtstags über Christina sagte, gelang es ihr wie niemand anderem, »ihre persönlichen Probleme in Projekte umzusetzen, die der ganzen Gesellschaft helfen«. Ihr Alkoholproblem lieferte den Impuls zu einem einmonatigen Workshop in Esalen und zwei großen internationalen Transpersonalkonferenzen mit dem Titel Mystical Quest, Attachment and Addiction, in der die Zwölf-Schritte-Programme mit der transpersonalen Psychologie verknüpft wurden. 1980 gründete sie das Spiritual Emergency Network (SEN), das zu einer weltweiten Bewegung wurde, die nach neuen alternativen Behandlungsmöglichkeiten für diese Krankheiten suchte, und ihr Buch The Eggshell Landing hat vielen Menschen, die einen sexuellen Missbrauch überstanden haben, Trost und Inspiration verschafft.

Ich bedanke mich ganz besonders beim Kreis meiner engen persönlichen Freunde, den Vorreitern der transpersonalen Bewegung, die regelmäßig als Gastdozenten zu unseren einmonatigen Seminaren, ITA-Konferenzen und Kursen im holotropen Atmen kamen, sowie bei den Teilnehmern an unseren verschiedenen gesellschaftlichen Veranstaltungen – Michael und Sandy Harner, Jack Kornfield, Wes Nisker, Frances Vaughan, Roger Walsh, Rick Tarnas, Ram Dass, Jack und Ricci Coddington, Ralph Metzner und Angeles Arrien. In unseren Büchern, Schriften und Vorträgen zu den verschiedenen Aspekten unserer gemeinsamen Vision haben wir uns gegenseitig unterstützt und die Entwicklung des transpersonalen Bereichs zu einem spannenden Gemeinschaftsprojekt gemacht. Den lieben Mitgliedern unseres Kreises, Betsy Gordon, J. B. Merlin und Bo Legendre sei für die Veranstaltung unserer vielen Partys im Laufe der Jahre gedankt, die köstliches Essen mit großartiger Gesellschaft und spannendem intellektuellem Austausch miteinander verbanden.

Meine tiefe Bewunderung gilt dem California Institute of Integral Studies (CIIS) in San Francisco, einer ungewöhnlich fortschrittlichen und aufgeschlossenen Schule, die qualitativ hochwertige Programme und akademische Abschlüsse in transpersonaler Psychologie für Schüler aus aller Welt anbietet. Ich möchte den Präsidenten Robert McDermott und Joe Subbiondo für die Erlaubnis danken, dass Rick Tarnas und ich das gefragte, aber umstrittene Seminar Psyche und Kosmos abhalten durften, in dem wir die Erforschung holotroper Bewusstseinszustände mit der archetypischen Astrologie kombiniert haben.

Ich fühle mich sehr geehrt durch die moralische Unterstützung, die ich vom tschechischen Präsidenten Václav Havel und seiner Frau Dagmar erhalten habe, die mir 2007 den hoch angesehenen »Vision 97«-Award für meine Rolle bei der Gründung der transpersonalen Psychologie und der Entwicklung des holotropen Atmens verliehen haben. Mein Dank gilt auch meinen Freunden, die meine Arbeit zum Teil seit vielen Jahren, zum Teil in jüngster Zeit finanziell unterstützt haben: John Buchanan, Betsy Gordon, Bokara Legendre, Oleg und Lena Gorelik, Bo Shao, Bill Melton, Meihong Xu, George Sarlo, Konrad Fischer und Friederike Meckel Fischer. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Susan Logeais, der aus Portland stammenden Filmemacherin und vielfach talentierten Frau, für eine andere Art der Unterstützung zu danken – für all die Zeit, Energie und Liebe, die sie während der Arbeit an einem Dokumentarfilm über mein Leben und Werk und über das Heilpotenzial psychedelischer Substanzen geleistet hat. Sehr dankbar bin ich auch für die große Hilfe unseres Assistenten Jean Friendly, der unsere Reisen und unser Leben in Kalifornien organisiert.

Ich fühle mich gesegnet durch die Unterstützung, die ich von den Mitgliedern meiner unmittelbaren Familie erhalten habe. Brigitte, mit der ich seit drei Jahren glücklich verheiratet bin, brachte Licht, Freude, Humor und bedingungslose Liebe in mein Leben. Sie war es, die mich davon überzeugt hat, dieses Material in Form einer Enzyklopädie einem größeren Publikum zur Verfügung zu stellen, nachdem wir meine für Shift Network gemachten Fernlehrgänge angehört hatten. Sie ermöglichte mir auch einen idealen Rahmen zum Schreiben, indem sie den Großteil der praktischen Aufgaben übernahm. Brigitte ist Psychologin und Psychotherapeutin. Wir kennen uns seit mehr als dreißig Jahren; in all diesen Jahren hat sie das Holotrope Atmen praktiziert und unterrichtet und kennt mich und meine Arbeit besser als alle anderen. So kann ich in unserer Freizeit mit ihr die Themen, über die ich schreibe, besprechen und erhalte sehr hilfreiche Rückmeldungen.

Ein ähnliches Glück habe ich mit meinem wunderbaren Bruder Paul. Er ist viereinhalb Jahre jünger als ich und ebenfalls Psychiater. Sein Interessensgebiet ist ein anderes als meines; in der akademischen Welt ist er als Experte auf dem Gebiet der affektiven Störungen hoch angesehen und erhielt dafür den renommierten NARSAD-Award. Sein Interesse gilt aber auch der transpersonalen Psychologie, und er hat eigene Erfahrungen mit Psychedelika und Meditation gemacht. Ich kann mich auf sein ehrliches Urteil verlassen, sei es ein positiver ermutigender Kommentar oder eine rigorose konstruktive Kritik.

Ich bewundere und schätze die mutigen Menschen, die das Wissen und die Entschlossenheit mitbringen – und damit geschafft haben, was unmöglich erschien –, sich der unwissenden und unlogischen Gesetzgebung zur psychedelischen Forschung entgegenzustellen und damit die gegenwärtige psychedelische Renaissance in der ganzen Welt und die Wiederbelebung des Interesses an der Erforschung dieser bemerkenswerten Substanzen zu bewirken.

In Kalifornien haben Rick Doblin und sein enthusiastisches und engagiertes Team der Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) Samen für weltweite psychedelische Forschungsprojekte gepflanzt. Ich danke ihnen, dass sie die amerikanische Ausgabe der beiden Bände von The Way of the Psychonaut veröffentlicht haben. Ich möchte insbesondere Sarah Jordan und Brad Burge für ihr Fachwissen, ihre Zeit und ihre Liebe danken, die sie dem Weg des Psychonauten gewidmet haben.

In der Schweiz war es Roger Liggenstorfer, Gründer und heutiger Geschäftsführer des Nachtschatten Verlages, der das Wissen über Psychedelika und andere psychoaktive Substanzen durch die dunklen Jahre der Unwissenheit und Verfolgung rettete – und vor allem kultivierte.

Der Nachtschatten Verlag entstand im Jahr 1984 im Grunde genommen als Folge des Verhaltens von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz gegenüber Roger. Er sollte für den Verkauf von Büchern über Cannabis verurteilt werden, wehrte sich aber dagegen und gründete als Antwort auf die Schikane den Nachtschatten Verlag. Die Autoren des Verlages hatten von da an die einmalige Gelegenheit, psychoaktive Bücher zu veröffentlichen. Und die Leser erhielten zuverlässige Informationen und Bildungsinhalte, die nicht durch Propaganda verfälscht waren. Dank dieser wichtigen Initiative konnten neue Generationen von Forschern viele Ideen für zukünftige Projekte entwickeln.

Vielen Dank an Roger, seine Lebenspartnerin Chris Heidrich und seinen bemerkenswerten Kollegen Markus Berger – für ihre Freundschaft und mit tiefer Wertschätzung für ihre Arbeit. Ebenso danke ich Nina Seiler, Agnes Halski, Inga Streblow, Jutta Berger und Sven Sannwald, dem Team des Nachtschatten Verlags, das an diesem Buch mitgearbeitet hat.

Zusammen mit vielen seiner Freunde, die ihn lieben und schätzen, bewundere ich Rogers Mut, für uns alle für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Brigitte und ich danken ihm zutiefst für die Jahrzehnte, in denen er durch die vielen Bücher, die er veröffentlicht hat, Licht in die Welt gebracht hat – Bücher, die für alle Psychonauten, die sie lieben, so wichtig sind. Ohne seine liebevolle Art und seine Mühen hätten wir dieses Werk so nie veröffentlichen können. Wir wünschen ihm noch viele Jahrzehnte Gesundheit, Liebe und Erfolg und viel Kreativität – mit seiner schönen, liebevollen und erstaunlichen Partnerin Chris an seiner Seite.

Leider müssen die vielen Menschen, die wesentliche Beiträge zu diesem Buch geliefert haben, ungenannt bleiben. Ich spreche von den Tausenden von Teilnehmern an unseren Workshops, Ausbildungskursen und Therapieprojekten, die den Mut hatten, Reisen in verborgene Winkel ihrer Psyche zu unternehmen und ihre Erfahrungen mit mir zu teilen. Ihre mündlichen Berichte über ihre Begegnungen und ihre künstlerischen Darstellungen ihrer Abenteuer in alternativen Realitäten sind wichtige Informationsquellen für mich. Ich stehe tief in ihrer Schuld, und meine Dankbarkeit gegenüber diesen Menschen aus vielen Ländern der Welt lässt sich kaum angemessen in Worte fassen. Ohne sie hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können.

Stanislav Grof

1.

Die Geschichte der Psychonautik:

Antike, indigene und moderne Technologien des Heiligen

Bevor wir beginnen, möchte ich einige Begriffe klarstellen, die ich in dieser Arbeit verwenden werde. Ich werde auf 60 Jahre meiner Beobachtungen und Erfahrungen in der Erforschung einer großen und wichtigen Untergruppe von nicht alltäglichen Bewusstseinszuständen zurückgreifen, die ein bemerkenswertes heilendes, transformatives, evolutionäres und heuristisches Potenzial haben. Die moderne Psychiatrie hat keinen spezifischen Namen für diese Zustände und betrachtet sie alle als pathologische Verzerrungen (»veränderte Zustände«).

Holotrope Bewusstseinszustände

Der von Mainstream-Klinikern und -Theoretikern häufig verwendete Begriff »veränderte Bewusstseinszustände« ist wegen seiner einseitigen Betonung der Verzerrung oder Beeinträchtigung des »richtigen Weges« des Erlebens von sich selbst und der Welt nicht angemessen (im umgangssprachlichen Englisch und im Veterinärjargon wird der Begriff to alter verwendet, um die Kastration von Familienhunden und -katzen zu bezeichnen). Der etwas bessere Begriff »nicht alltägliche Bewusstseinszustände« ist zu weit gefasst und zu allgemein gehalten, da er ein breites Spektrum von Zuständen umfasst, die nicht die vorteilhaften Eigenschaften holotroper Zustände besitzen. Dazu gehören triviale Delirien, die durch Infektionskrankheiten, Alkoholmissbrauch oder Kreislauf- und Degenerationskrankheiten des Gehirns hervorgerufen werden. Diese Veränderungen des Bewusstseins sind mit Desorientierung, Beeinträchtigung der intellektuellen Funktionen und nachfolgender Amnesie verbunden; sie sind klinisch bedeutsam, aber ohne therapeutisches und heuristisches Potenzial.

Im Vergleich dazu haben die Zustände, die ich holotrop nenne, eine große theoretische und praktische Bedeutung. Das sind die Zustände, die Schamanen-Adepten während ihrer Initiationskrisen erleben und später bei ihren Klienten zu therapeutischen Zwecken induzieren. Alte und indigene Kulturen haben diese Zustände in Übergangsriten und in ihren Heilungszeremonien verwendet. Die Erfahrungen der Eingeweihten in den alten Mysterien von Tod und Wiedergeburt und jene, die von Mystikern aller Altersstufen und vieler Länder beschrieben werden, sind weitere Beispiele holotroper Erfahrungen.

Methoden, die diese Zustände induzieren (»Technologien des Heiligen«), wurden auch im Kontext der großen Weltreligionen – Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, Taoismus, Islam, Judentum und Christentum – entwickelt und angewendet. Sie umfassen Meditation, Bewegungsmeditation, Atemübungen, Gebete, Fasten, Schlafentzug und sogar körperliche Schmerzen. Die wirkungsvollsten Mittel, um holotrope Erfahrungen zu erzeugen, sind psychedelische Pflanzen, reine aktive Alkaloide, die aus ihnen extrahiert werden, und synthetische Entheogene. Es gibt auch mächtige Formen der erlebnisorientierten Psychotherapie, wie Rebirthing, Holotropes Atmen und andere, die diese Zustände ohne den Gebrauch von psychedelischen Medikamenten induzieren können.

Der Begriff Holotropie deutet auf etwas hin, was für einen durchschnittlichen Westler überraschend sein könnte – dass wir in unserem alltäglichen Bewusstseinszustand nur einen kleinen Teil unseres Wahrnehmungs- und Erfahrungspotenzials nutzen und uns des vollen Spektrums unseres Seins nicht bewusst sind. Holotrope Bewusstseinszustände haben das Potenzial, uns zu helfen – um die Formulierung des britisch-amerikanischen Philosophen und Schriftstellers Alan Watts zu verwenden –, das »Tabu zu durchbrechen, zu wissen, wer wir sind« und zu erkennen, dass wir keine »in Haut eingekapselten Egos« sind und dass wir in letzter Instanz mit dem kosmischen Schöpfungsprinzip selbst im Einklang stehen (WATTS 1980). Pierre Teilhard de Chardin, ein französischer Paläontologe, Jesuit und Philosoph, drückte sich anders aus: »Wir sind keine Menschen, die spirituelle Erfahrungen machen, wir sind spirituelle Wesen, die die Erfahrungen des Menschseins machen« (TEILHARD DE CHARDIN 1976).

Diese erstaunliche Idee ist nicht neu. In der alten indischen Chandogya-Upanishade lautet die Antwort auf die Frage: »Wer bin ich?« »Tat tvam asi«. Dieser prägnante Sanskrit-Satz bedeutet wörtlich: »Du bist das«, oder »Du bist Gottheit«. Er deutet darauf hin, dass wir nicht »namarupa« sind – Name und Form (Körper/Ego), sondern dass unsere tiefste Identität ein göttlicher Funke kosmischer schöpferischer Energie ist, den wir in unserem innersten Wesen (Atman) tragen, das letztlich identisch ist mit dem höchsten universellen Prinzip, welches das Universum erschafft (Brahman). Für die Hindus ist dies kein Glaube – eine unbegründete Überzeugung –, sondern etwas, das durch die Erfahrung bestätigt werden kann, wenn wir bestimmte konsequente spirituelle Praktiken und verschiedene Formen des Yoga befolgen.

Der Hinduismus ist nicht die einzige Religion, die diese Entdeckung gemacht hat. Die Offenbarung über die Identität des Einzelnen mit dem Göttlichen ist das höchste Geheimnis, das im mystischen Kern aller großen spirituellen Traditionen ruht. Namen für dieses Prinzip könnten also Tao, Buddha, Shiva (im Kaschmir-Shivaismus), Kosmischer Christus, Pleroma, Allah und viele andere sein. Dies kann durch Zitate aus verschiedenen spirituellen Traditionen verdeutlicht werden.

Wir haben bereits gesehen, dass die Hindus an die essentielle Identität von Atman mit Brahman glauben und dass die Upanishaden unsere göttliche Natur durch ihr »Tat tvam asi« offenbaren. Swami Muktananda, der Leiter der Siddha-Yoga-Tradition, pflegte zu sagen: »Gott wohnt in dir als Du«. In den buddhistischen Schriften können wir lesen: »Schau nach innen, du bist der Buddha«. Die Absicht während der buddhistischen Praxis ist nicht, etwas zu erreichen oder etwas anderes zu werden als das, was wir sind, sondern zu erkennen, wer wir bereits sind.

Im mystischen Christentum sagt Jesus zu seinen Jüngern: »Der Vater, du und ich sind eins« und »Das Himmelreich kommt nicht durch Erwartung; das Himmelreich ist hier und die Menschen sehen es nicht«. Nach dem heiligen Gregorius Palamas: »Das Himmelreich, nein, der König des Himmels ist in uns«. Der Kabbalist Avraham ben Shemu'el Abulafia verkündete: »Er und wir sind eins«. In den konfuzianischen Texten lesen wir: »Himmel, Erde und Menschen sind gleich«. Laut Mohammed: »Wer sich selbst kennt, kennt seinen Herrn«. Und der persische Dichter Sufi Mansur Al-Hallaj, der seine eigene Göttlichkeit erkannt hatte und den Mut hatte, sie öffentlich zu verkünden: »Ana'l Haqq – Ich bin Gott, die absolute Wahrheit«, musste dafür einen hohen Preis zahlen – er wurde getötet und sein Körper wurde verbrannt.

Holotrope Erfahrungen haben das Potenzial, uns dabei zu helfen, unsere wahre Identität und unseren kosmischen Status zu entdecken; sie bieten auch tiefe Einblicke in die Natur der Realität, weit über das hinaus, was im alltäglichen Bewusstseinszustand verfügbar ist (GROF 1998). Manchmal geschieht dies in kleinen Schritten, manchmal in Form von großen Durchbrüchen. Psychonautik kann definiert werden als systematische Erforschung und Nutzung holotroper Bewusstseinszustände für Heilung, Selbsterforschung, spirituelle, philosophische und wissenschaftliche Suche, rituelle Aktivität und künstlerische Inspiration. Es ist eine Antwort auf ein tiefes Verlangen nach transzendentalen Erfahrungen, das Andrew Weil in seinem Buch The Natural Mind als den tiefsten Antrieb in der menschlichen Psyche beschrieben hat, mächtiger als Sex (WEIL 1972).

Psychonauten der Altsteinzeit

Die Praxis, holotrope Bewusstseinszustände zu induzieren, lässt sich bis zum Beginn der Menschheitsgeschichte zurückverfolgen. Es ist das wichtigste Merkmal des Schamanismus, das älteste spirituelle System und die Heilkunst der Menschheit. Der Schamanismus ist sehr alt, wahrscheinlich mindestens 30 000 bis 40 000 Jahre; seine Wurzeln liegen weit zurück in der Altsteinzeit. Die Wände der berühmten Höhlen in Südfrankreich und Nordspanien, wie Lascaux, Font-de-Gaume, Les Trois Frères, Altamira und andere, sind mit wunderschönen Tierbildern geschmückt. Die meisten von ihnen repräsentieren Arten, die tatsächlich die steinzeitliche Landschaft durchstreiften – Bisons, Auerochsen, Wildpferde, Hirsche, Steinböcke, Mammuts, Wölfe, Nashörner und Rentiere. Andere sind aber auch Fabelwesen, die eindeutig magische und rituelle Bedeutung haben, wie das »Mythische Tier« aus der Höhle von Lascaux mit langen parallelen Hörnern (»Doppeleinhorn«), die aus seiner Stirn ragen und an Masken der australischen Aborigines erinnern. Und in einigen dieser Höhlen befinden sich Gemälde und Schnitzereien von seltsamen Figuren, die menschliche und tierische Züge vereinen, die zweifellos urtümliche Schamanen darstellen.

Das bekannteste dieser Bilder ist der »Zauberer von Les Trois Frères«, eine geheimnisvolle zusammengesetzte Figur, die verschiedene männliche Symbole kombiniert. Er hat das Geweih eines Hirsches, die Augen einer Eule, den Schwanz eines wilden Pferdes oder Wolfes, einen menschlichen Bart und die Pfoten eines Löwen. Eine weitere berühmte Schnitzerei eines Schamanen im selben Höhlenkomplex ist der »Beast Master«, der über die ewigen Jagdgründe herrscht, in denen es von wunderschönen Tieren nur so wimmelt. Bekannt ist auch die Jagdszene an der Wand in Lascaux. Sie zeigt einen verwundeten, ausgeweideten Bison, der mit einem Speer durchbohrt wurde, und eine auf dem Boden liegende Figur. Ursprünglich wurde sie als Jagdunfall interpretiert, bis man feststellte, dass die Figur einen erigierten Penis hat, ein unwahrscheinliches Ereignis bei einer verwundeten oder sterbenden Person, aber ein sehr häufiges Zeichen schamanischer Trance.

Das »Mythische Tier« aus der Höhle von Lascaux mit langen parallelen Hörnern (»Doppeleinhorn«), die aus seiner Stirn ragen und an Masken der australischen Aborigines erinnern.

In der Grotte La Gabillou befindet sich die Schnitzerei einer schamanischen Figur in dynamischer Bewegung, die von den Archäologen »The Dancer« genannt wird. Auf dem Lehmfußboden einer dieser Höhlen, Tuc d’Audoubert, fanden die Entdecker Fußabdrücke in kreisförmiger Anordnung um zwei Bison-Figuren aus Ton, die darauf hindeuten, dass ihre Bewohner Tänze aufführten, ähnlich denen, die noch heute von vielen indigenen Kulturen zur Erzeugung von Trancezuständen praktiziert werden. Die Ursprünge des Schamanismus gehen auf einen noch älteren Höhlenbären-Kult der Neandertaler zurück, wie die Tierschreine aus der Zwischeneiszeit in den Grotten des Schweizer Engadins und Süddeutschlands zeigen (CAMPBELL 1984).

Ritual der australischen Aborigines mit Masken und zwei parallelen Hörnern.

Es muss äußerst schwierig gewesen sein, diese Bilder in den unzugänglichen Tiefen dieser Höhlen zu schnitzen und zu malen, nur mit primitiven Fackeln, und in einigen Fällen auf kleinen Erhebungen hoch an den Wänden stehend. Es wäre viel einfacher gewesen, Tiere abzubilden, Jagdszenen darzustellen oder Bilder für die Jagd auf der Erdoberfläche zu verwenden. Es musste natürlich einen besonderen Grund geben, sich solchen Herausforderungen zu stellen. Der Felsenkunstforscher David Lewis-Williams vermutete in seinem Buch The Mind in the Cave, dass die Künstler in diesen Höhlen alte Schamanen gewesen seien, die Trancezustände erlebten und ihre Visionen darstellten (LEWIS-WILLIAMS 2002). Der Mythologe Joseph Campbell meinte, dass diese Höhlen mit langen schmalen Gängen, die in sie hineinführen, Orte für Rituale zur Feier der Großen Muttergöttin gewesen sein könnten und dass sie ihre Genitalien und ihren Bauch darstellten. Er nahm auch an, dass die alten Venusfiguren, die die weibliche Fruchtbarkeit feiern, wie die Venus von Willendorf, die Venus von Dolní Věstonice oder die Venus von Laussel, mit demselben Kult der Großen Muttergöttin in Verbindung stünden.

»The Dancer«. Eine anthropomorphe Figur, möglicherweise ein tanzender Schamane, aus der Gabillou-Höhle (Felszeichnung und lineare Darstellung).

Höhlenmalerei eines geheimnisvollen Mischwesens, das verschiedene männliche Symbole kombiniert – das Geweih eines Hirsches, die Augen einer Eule, den Schwanz eines Wildpferdes oder Wolfes, den Bart eines Menschen und die Pfoten eines Löwen.

Der Schamanismus ist nicht nur uralt, sondern auch universell; er findet sich in Nord-, Mittel- und Südamerika, in Europa, Afrika, Asien, Australien, Mikronesien und Polynesien. Die Tatsache, dass so viele verschiedene Kulturen in der gesamten Menschheitsgeschichte schamanische Techniken als nützlich und relevant empfunden haben, legt nahe, dass sich holotrope Zustände auf das beziehen, was die Anthropologen den »Urgeist« nennen, einen grundlegenden und ursprünglichen Aspekt der menschlichen Psyche, der Ethnie, Geschlecht, Kultur und historische Zeit transzendiert. In Kulturen, die dem störenden Einfluss der westlichen Industriekultur entgangen sind, haben schamanische Techniken und Verfahren bis heute überlebt.

Die Laufbahn vieler Schamanen beginnt mit einer spontanen psychospirituellen Krise (»schamanische Krankheit«). Es ist ein machtvoller visionärer Zustand, in dem der zukünftige Schamane eine Reise in die Unterwelt, das Totenreich erlebt, wo er von bösen Geistern angegriffen, verschiedenen Prüfungen ausgesetzt, getötet und zerstückelt wird. Es folgt eine Erfahrung der Wiedergeburt und des Aufstiegs in die himmlischen Reiche. Der Schamanismus ist noch auf eine andere Weise mit holotropen Zuständen verbunden. Geschulte und erfahrene Schamanen sind in der Lage, nach Belieben und kontrolliert in einen Trancezustand zu gelangen. Sie verwenden ihn für die Diagnose und Heilung, wenn sich der Klient, der Heiler oder beide gleichzeitig in einem holotropen Zustand befinden. Die Schamanen spielen die Rolle des »Psychopomps« für holotrope Zustände anderer Mitglieder ihrer Stämme; sie bieten die notwendige Unterstützung und Anleitung für die Reise durch die komplexen Territorien des Jenseits.

Native Spiritualität und Übergangsriten

Die Ureinwohner vieler verschiedener Länder und Zeitalter haben viel Mühe und Zeit darauf verwendet, »Technologien des Heiligen« zu entwickeln, Methoden, um holotrope Erfahrungen herbeizuführen – Kombinationen von Trommeln, Rasseln und anderen Formen der Perkussion, Musik, Gesang, rhythmischer Tanz, Veränderungen der Atmung und soziale und sensorische Isolation – Aufenthalt in einer Höhle, Wüste, in arktischem Eis oder im Hochgebirge. Die Eingeborenen wenden auch sehr oft extreme physiologische Interventionen an – Fasten, Schlafentzug, Dehydrierung, Beschneidung, Subinzision, Verwendung von hochwirksamen Abführmitteln und Purgativa bis hin zu massiven Aderlässen und starken Schmerzen.

»The Beastmaster«, das Detail einer großen Wandmalerei in der Höhle Les Trois Frères, zeigt eine anthropomorphe Figur, vermutlich einen Schamanen aus dem Paläolithikum, umgeben von Tieren.

Bienen-Schamane mit Pilzen. Petroglyph in den Höhlen von Tassili in der Sahara. Neolithikum, 9000 bis 6000 v. Chr.

Native Kulturen nutzen holotrope Zustände für vielfältige Zwecke: direkter erfahrungsmäßiger Kontakt mit den archetypischen Dimensionen der Realität – Gottheiten, mythologischen Reichen und numinosen Naturgewalten; Heilung von Individuen und Gruppen oder sogar eines ganzen Stammes, wie die Buschmänner in der afrikanischen Kalahari-Wüste zeigen; künstlerische Inspiration – Ideen für Rituale, Gemälde, Skulpturen und Lieder; Kultivierung von Intuition und außersinnlicher Wahrnehmung –, Auffinden von verlorenen Personen und Gegenständen, Einholen von Informationen über Menschen an entlegenen Orten und Verfolgung der Bewegung des Wildes, das sie jagen.

Ein weiterer wichtiger Grund für die Erzeugung holotroper Zustände ist die Erweiterung des Bewusstseins der Teilnehmer an rituellen Ereignissen indigener Kulturen, die der niederländische Anthropologe Arnold van Gennep als Übergangsriten bezeichnete (VAN GENNEP 1960). Solche Zeremonien gab es in allen bekannten indigenen Kulturen, und sie werden auch heute noch in vielen vorindustriellen Kulturkreisen praktiziert. Ihr Hauptzweck ist es, Individuen, Gruppen und sogar ganze Kulturen neu zu gestalten, zu transformieren und zu weihen. Übergangsriten werden zu Zeiten wichtiger biologischer oder sozialer Übergänge wie Geburt, Beschneidung, Pubertät, Heirat, Wechseljahre und Tod durchgeführt. Ähnliche Rituale sind auch mit der Initiation in den Kriegerstatus, der Aufnahme in Geheimgesellschaften, kalendarischen Festen der Erneuerung, Heilungszeremonien und Ortsveränderungen von Menschengruppen verbunden.