Impossilbe - Stanislav Grof - E-Book

Impossilbe E-Book

Stanislav Grof

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Beschreibung

Gefühle des Einsseins mit Anderen, der Natur und dem Universum; Begegnungen mit Außerirdischen, Göttern und Dämonen; außerkörperliche Erfahrungen und Erinnerungen an frühere Leben. Die Wissenschaft sieht das alles skeptisch. Aber Stanislav Grof, Mitbegründer der transpersonalen Psychologie, ist anderer Meinung. In diesem Buch schildert Grof unglaubliche Anekdoten, die er in seinen jahrzehntelangen Untersuchungen außergewöhnlicher Bewusstseinszustände entweder selbst erlebte oder von denen ihm andere berichteten – von seiner ersten LSD-Sitzung, die ihm einen Einblick in das kosmische Bewusstsein verschaffte, bis hin zu seiner Arbeit mit dem Holotropen Atmen. Impossible dokumentiert faszinierende Experimente zur Astralprojektion, Geschichten über Synchronizität, Erinnerungen an die Geburt und das vorgeburtliche Leben, das Überleben des Bewusstseins nach dem Tod und vieles mehr. Das Buch bietet die Gelegenheit zu einer Reise in die Räume jenseits des gewöhnlichen Bewusstseins, die die Grundfesten dessen erschüttert, was wir für die Realität halten, und ermöglicht damit eine neue Vision unseres menschlichen Potenzials. Unveränderte Neuausgabe des Bandes von 2006 (ehemals Kösel).

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Stanislav Grof

Impossible – Wenn Unglaubliches passiert

Das Abenteuer außergewöhnlicher Bewusstseinserfahrungen

Aus dem Amerikanischen von Karin Petersen, Berlin

E-Book-Ausgabe

Die Verbreitung dieses Produkts durch Funk, Fernsehen oder Internet, per fotomechanischer Wiedergabe, auf Tonträgern jeder Art, als elektronisches beziehungsweise digitales Medium sowie ein über das Zitier-Recht hinausgehender auszugsweiser Nachdruck sind untersagt. Jegliche öffentliche Nutzung bzw. Wiedergabe setzt die ausdrückliche, schriftliche Genehmigung der Nachtschatten Verlag AG voraus.

Diese Publikation enthält versteckte und personalisierte Informationen bezüglich Herstellung, Vertrieb, Verkauf und Käufer. Im Falle von unerlaubter Verbreitung des Inhalts behält sich der Rechteinhaber vor, Missbräuche juristisch zu belangen.

Herstellung:

Bookwire GmbH

Voltastraße 1

60468 Frankfurt am Main

Deutschland

Verlag:

Nachtschatten Verlag AG

Kronengasse 11

4500 Solothurn

Schweiz

Impressum

Nachtschatten Verlag AG

Kronengasse 11

CH-4500 Solothurn

www.nachtschatten.ch

[email protected]

© 2022 Stanislav Grof

© 2022 Nachtschatten Verlag für die deutsche Ausgabe

Neuausgabe mit einer aktualisierten Danksagung.

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel When the Impossible Happens. Adventures in Non-Ordinary Realities, Sounds True, Inc., Boulder.

Eine erste deutsche Ausgabe ist 2008 im Kösel-Verlag erschienen.

Der Nachtschatten Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2024 unterstützt.

Umschlaggestaltung: Nina Seiler, Zürich

Druck und Herstellung: CPI, Ulm

ISBN: 978-3-03788-618-2

eISBN: 978-3-03788-622-9

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische digitale Medien und auszugsweiser Nachdruck sind nur mit Genehmigung des Verlags erlaubt.

Inhalt

Vorwort

Prolog

Die Entdeckung kosmischen Bewusstseins: Meine erste LSD-Sitzung

Teil 1

Das Mysterium der Synchronizität: Im Zwielicht des Uhrwerk-Universums

Die Macht der Tierwelt: Eine Gottesanbeterin in Manhattan

Die sterbende Königin: Wenn Voraussagen im Traum sich bei Tag erfüllen

Die Regenbogenbrücke der Götter: Im Reich der nordischen Sagen

Das Spiel des Bewusstseins: Swami Muktananda und Siddha Yoga

Der Guru im Leben seiner Anhängerinnen und Anhänger: Ist der Siddha Yogi ein kosmischer Marionettenspieler?

Der Tanz des weißen Schwans: Mit dem Geisterkanu der Salish in die Unterwelt reisen

Die Entstehung des Films Brainstorm: Unser Hollywood-Abenteuer

Der Lauf des Wassers: Begegnungen mit Präsident Václav Havel

Der Segen der Götter: Don José und die Regenzeremonie der Huichol

Eine Lektion in Verzeihen: Peyote-Zeremonie mit Potawatomi-Indianern

Teil 2

Geburt und pränatales Leben erinnern: »Nach uns ziehend Wolkenglanz und Glorienschein«

Eine schwierige Entbindung in der Mittagspause: Lenis Geschichte

Der Geruch von frischem Leder: Kurts Geschichte

Der Anblick der alten Eiche: Anne-Maries Geschichte

Pränataler Besuch des Jahrmarkts im Dorf: Richards Geschichte

Das Spermarennen gewinnen: Erfahrungen mit der zellulären Ebene des Bewusstseins

Teil 3

Wiederholungsbesuche in der Geschichte: Die Reichweite des menschlichen Gedächtnisses

Ein Erlebnis aus dem russisch-finnischen Krieg: Ingas Geschichte

Das kleine Mädchen mit der weißen Schürze: Nadjas Geschichte

Erinnerungen der geraubten Generationen zurückbringen: Mariannes Geschichte

Erinnerung an das Erlebnis eines Vorfahren oder Erfahrung aus einem eigenen früheren Leben? Renatas Geschichte

Teil 4

Haben wir schon einmal gelebt? Reinkarnation und die Akasha-Chronik

Die Belagerung von Dún an Òir: Karls Geschichte

Das karmische Dreiecksverhältnis: Eine Zeitreise in das alte Ägypten

In den Katakomben der Pecherskaya Lavra: Ein früheres Leben im zaristischen Russland

Wenn spirituelle Erfahrungen gefährlich werden: Wiederholungsbesuch bei der Hexenverfolgung in Salem

Teil 5

Außersinnliche Wahrnehmungen und Jenseits: Die Welt des Paranormalen erforschen

Ohne Augen sehen (Innere Sicht): Teds Geschichte

Botschaften aus dem Astralreich: Richards Geschichte

Ein Beweis für die Existenz des Jenseits? Walters Geschichte

Rosenschnitt in Tante Annes Garten: Kurts Geschichte

Luiz Gasparetto: Maler und Gemälde aus dem Jenseits

Eine Party für Exu: Interview mit den Orixás

Das Tabu unserer eigenen Hellsichtigkeit: Sitzungen mit Anne Armstrong

Ameisen der Großen Muttergöttin: Ein Besuch in Palenque

Uluru und Alcheringa: Ein Abenteuer in der Traumzeit

Versuchungen eines nicht lokalen Universums: Ein fehlgeschlagenes Experiment mit astraler Projektion

Kanal sein für den Avatar: Meine Mutter, Sai Baba und das Holotrope Atmen

Wenn alles eins ist, gibt es kein Problem: Meisterstücke des koreanischen Schwertkünstlers

Ein seltsames Vermächtnis der alten Mayas: Das Mysterium des Kristallschädels

Materie und Bewusstsein: Ketamin und die Wiederverzauberung der Welt

Auf dem Inka-Pfad: Das Geheimnis der Trepanation entdecken

Teil 6

Unorthodoxe Psychiatrie: Überraschende Alternativen zu traditionellen Behandlungsmethoden

Der Schmerz, der drei Jahrhunderte überlebte: Norberts Geschichte

Die Schweinegöttin von Malekula: Ottos Geschichte

Interview mit dem Teufel: Floras Geschichte

Den Archetyp der Daphne verkörpern: Marthas Geschichte

Heilung von Depressionen durch ein sephardisches Gebet: Gladys’ Geschichte

Fruchtbare psychiatrische Ketzerei: Miladas Geschichte

Magisches Sandspiel: Ein Kätzchen als Therapeut

Teil 7

Transpersonale Psychologie und Mainstream-Wissenschaft

Wenn Wissenschaft zu Pseudo-Wissenschaft wird: Carl Sagan und seine von Dämonen verfolgte Welt

Die Morgenlandfahrt: LSD für die (ehemalige) Sowjetunion

Psyche und Kosmos: Was die Planeten uns über Bewusstsein verraten können

Epilog

Dank

Bibliographie

Vorwort

Vor fast einem halben Jahrhundert veränderte eine tiefgreifende Erfahrung, die nur wenige Zeitstunden dauerte, mein persönliches und berufliches Leben nachhaltig. Nur ein paar Monate nach meinem Abschluss an der medizinischen Hochschule meldete ich mich als junger Assistenzarzt in der Psychiatrie freiwillig für ein Experiment mit LSD, einer Substanz mit bemerkenswerten psychoaktiven Eigenschaften, die der Schweizer Chemiker Albert Hofmann in den pharmazeutischen Labors der Firma Sandoz in Basel entdeckt hatte.

Diese Sitzung, in der ich vor allem während der Kulminationsphase eine überwältigende und unbeschreibliche Erfahrung mit kosmischem Bewusstsein machte, weckte in mir ein intensives, lebenslanges Interesse an außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen. Seit der Zeit bestehen die meisten meiner klinischen Projekte und Forschungsunternehmen in der systematischen Untersuchung des therapeutischen, transformativen und evolutionären Potenzials dieser Zustände. Die fünfzig Jahre, in denen ich Bewusstseinsforschung betrieben habe, waren für mich ein höchst bemerkenswertes Abenteuer der Entdeckung und Selbstentdeckung.

Etwa die Hälfte dieser Zeit widmete ich der therapeutischen Arbeit mit psychedelischen Substanzen, zunächst in der Tschechoslowakei am Psychiatrischen Forschungsinstitut in Prag und dann am Maryland Psychiatric Research Center in Baltimore, USA, wo ich am letzten psychedelischen Forschungsprogramm mitwirkte, das in Amerika damals noch existierte. Seit 1975 arbeiten meine Frau Christina und ich mit dem Holotropen Atmen, einer tiefgreifenden Methode für therapeutische Zwecke und für die Selbsterforschung, die wir am Esalen-Institut in Big Sur, Kalifornien, gemeinsam entwickelt haben. Im Laufe der Jahre haben wir auch viele Menschen unterstützt, bei denen außergewöhnliche Bewusstseinszustände spontan auftraten – in psychospirituellen oder »spirituellen Krisen«, wie Christina und ich das nennen.

Der gemeinsame Nenner der Erlebnisse mit psychedelischen Substanzen besteht darin, dass sie außergewöhnliche Bewusstseinszustände enthalten oder, genauer gesagt, eine wichtige Unterkategorie dieser Zustände, die ich »holotrop« nenne. Dieses zusammengesetzte Wort bedeutet wörtlich »ausgerichtet auf Ganzheit« oder »sich in Richtung Ganzheit bewegen« (vom gr. holos, ganz, und trepein, sich auf etwas zu oder in Richtung von etwas bewegen). Dieser Begriff verweist darauf, dass wir uns in unserem alltäglichen Bewusstseinszustand nur mit einem kleinen Ausschnitt dessen identifizieren, wer wir wirklich sind. Am besten erklären lässt sich der Begriff holotrop vor dem Hintergrund der hinduistischen Unterscheidung zwischen Namarupa (Name und Gestalt, die wir in unserer alltäglichen Existenz annehmen) und Atman-Brahman (unsere tiefste Identität, die vergleichbar ist mit dem kosmischen schöpferischen Prinzip). In holotropen Bewusstseinszuständen können wir die engen Grenzen unseres Körper-Ichs transzendieren und unsere vollständige Identität zurückgewinnen. Wir machen die Erfahrung, dass wir uns mit allem, was Teil der Schöpfung ist, identifizieren können, sogar mit dem schöpferischen Prinzip selbst.

Holotrope Erfahrungen spielen eine wichtige Rolle bei schamanistischen Initiationskrisen, bei den Heilungszeremonien der Eingeborenenkulturen, den Übergangsriten der australischen Ureinwohner und systematischen spirituellen Schulungswegen wie verschiedenen Formen von Yoga, buddhistischer oder taoistischer Meditation, Sufi Dhikrs (intensive Anbetung Allahs, Anm.d.Ü.), kabbalistischen Übungen oder dem christlichen Jesusgebet (Hesychasm). Beschreibungen dieser Erfahrungen finden wir auch in der Literatur über die uralten Mysterien von Tod und Wiedergeburt, die im Mittelmeerraum und in anderen Teilen der Welt praktiziert wurden, im Namen von Inanna und Tammuz, Isis und Osiris, Dionysos, Attis, Adonis, Mithra, Wotan und vielen anderen Gottheiten. Im Alltagsleben kann es in Nahtodsituationen zu holotropen Erfahrungen kommen oder auch spontan, ohne jeden offensichtlichen Anlass. Sie können auch ausgelöst werden durch tiefgreifende Formen der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten erlebnisorientierten Therapien.

In der psychedelischen Therapie werden holotrope Zustände durch Verabreichung bewusstseinsverändernder Substanzen wie LSD, Psilocybin, Meskalin und Typtamin- oder Amphetamin-Derivate herbeigeführt. Beim Holotropen Atmen verändert sich das Bewusstsein durch eine Kombination von schnellerer Atmung, evokativer Musik (z.B. intensives Trommeln, Chorgesang, kraftvolle Orchestermusik, Anm.d.Ü.) und Körperarbeit, die energetische Blockaden löst. In spirituellen Krisen kommt es spontan zu holotropen Zuständen, mitten im Alltag, und die Ursache dafür ist meistens nicht bekannt. Wenn wir holotrope Zustände richtig verstehen und unterstützen, haben sie ein äußerst heilsames, transformatives und sogar evolutionäres Potenzial.

Parallel zu diesen Forschungen habe ich mich mit vielen Disziplinen beschäftigt, die mehr oder weniger direkt mit holotropen Bewusstseinszuständen zusammenhängen. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mich mit Anthropologen auszutauschen, und an den heiligen Zeremonien von Eingeborenenkulturen in vielen Teilen der Welt mit und ohne Einnahme von psychedelischen Pflanzen wie Peyote, Ayahuasca und magischen Pilzen teilgenommen. Damit verbunden waren Kontakte mit zahlreichen nordamerikanischen, mexikanischen, südamerikanischen und afrikanischen Schamanen und Heilern. Ich hatte auch intensive Begegnungen mit Vertreterinnen und Vertretern vieler spiritueller Disziplinen, darunter Vipassana, Zen, Vajrayana Buddhismus, Siddha Yoga, Tantra und der christliche Benediktinerorden.

Ein weiteres Gebiet, dem ich viel Aufmerksamkeit widmete, war die Thanatologie und die noch junge Disziplin der Erforschung von Nahtoderfahrungen sowie der psychologischen und spirituellen Aspekte von Tod und Sterben. Ende der 1960er- und zu Beginn der 1970er-Jahre nahm ich an einem umfassenden Forschungsprojekt teil, bei dem wir die Auswirkungen der psychedelischen Therapie auf Menschen untersuchten, die an Krebs im Endstadium litten. Ich sollte hier auch erwähnen, dass ich das Privileg hatte, einige der größten Hellsichtigen und Parapsychologen unserer Zeit, Pioniere der Bewusstseinsforschung im Labor, persönlich kennenzulernen und bei ihrer Arbeit zu erleben sowie Therapeutinnen und Therapeuten, die tiefgreifende Formen von erlebnisorientierter Therapie entwickelt haben, welche holotrope Bewusstseinszustände auslösen.

Meine erste Begegnung mit holotropen Zuständen war sehr schwierig und sowohl intellektuell als auch emotional eine große Herausforderung. In den ersten Jahren meiner Laboruntersuchungen und klinischen Forschungen mit Psychedelika prasselten täglich Erfahrungen und Beobachtungen auf mich ein, auf die mich meine medizinische und psychiatrische Ausbildung nicht vorbereitet hatte. Tatsächlich erlebte und sah ich hier Dinge, die im Kontext der wissenschaftlichen Weltanschauung, mit der ich aufwuchs, als unmöglich galten und die es eigentlich gar nicht geben sollte. Und trotzdem erlebte ich diese scheinbar unmöglichen Dinge ständig.

Nachdem ich die anfängliche Erschütterung meines Denkens, meine Ungläubigkeit in Bezug auf meine Beobachtungen und die Zweifel an meinem Geisteszustand erst einmal überwunden hatte, wurde mir allmählich klar, dass das Problem nicht in meiner Beobachtungsfähigkeit oder meinem kritischen Urteil lag, sondern im engen Denken der zeitgenössischen psychologischen und psychiatrischen Theorien und des monistischen, materialistischen Paradigmas der westlichen Wissenschaft. Natürlich war mein Weg zu dieser Erkenntnis nicht leicht, denn ich hatte mit der Ehrfurcht und dem Respekt zu kämpfen, die ich als Medizinstudent und Anfänger auf dem Gebiet der Psychiatrie dem akademischen Establishment, wissenschaftlichen Autoritäten und beeindruckenden Referenzen und Titeln entgegenbrachte.

Mein anfänglicher Verdacht, dass die akademischen Theorien über das menschliche Bewusstsein und die menschliche Psyche völlig unzureichend waren, verwandelte sich allmählich in Gewissheit, unterstützt und bestätigt durch Tausende von klinischen Beobachtungen. Schließlich kam ich an einen Punkt, wo ich keinerlei Zweifel mehr daran hatte, dass die Daten aus der Forschung über holotrope Zustände eine kritische gedankliche Herausforderung für das wissenschaftliche Paradigma darstellen, das in Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie im Augenblick vorherrschend ist, und brachte diese Meinung in einer Reihe von Fachbüchern zum Ausdruck. Ich gelangte zu dem Schluss, dass das Denken in diesen Disziplinen eine radikale Revision erforderte, von Inhalt und Reichweite der begrifflichen Umwälzung vergleichbar, der sich die newtonschen Physiker in den ersten dreißig Jahren des 20. Jahrhunderts stellen mussten.

Die Beobachtungen, welche die Weltanschauung in Frage stellten, die mir von meinen Hochschullehrern und meiner Kultur vermittelt worden war, gingen auf viele verschiedene Gebiete und Quellen zurück. Die meisten dieser Informationen beruhten auf den außergewöhnlichen Erfahrungen, von denen meine Klientinnen und Klienten in der psychedelischen Therapie, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an unseren Workshops und Trainings für Holotropes Atmen sowie Menschen in spirituellen Krisen berichteten. Ein entscheidender Faktor bei der Transformation meiner Sicht der Welt waren die holotropen Erfahrungen verschiedenster Art, die ich selbst erlebte, sowie die Erlebnisse, von denen mir meine Frau Christina berichtete.

Das Beweismaterial, das diese grundlegende Veränderung meiner Weltanschauung bewirkte, beruhte jedoch nicht nur unmittelbar auf besonderen Bewusstseinszuständen. Im Laufe der Jahre geschahen auch in unserem Alltagsleben viele ungewöhnliche Dinge, die zu dieser Transformation beigetragen haben. Dazu gehörten bemerkenswerte Begegnungen und Erlebnisse mit Schamanen aus unterschiedlichen Kulturen, bekannten spirituellen Lehrern und Hellsichtigen sowie viele erstaunliche Zusammentreffen und Synchronizitäten. Der gemeinsame Nenner all dieser Ereignisse war die Tatsache, dass sie gar nicht hätten passieren dürfen, wenn das Universum so beschaffen wäre, wie die traditionelle Wissenschaft es darstellt – als streng deterministisches, materielles System, das regiert wird von Ketten von Ursachen und Wirkungen. Vor diesem Hintergrund entstand der Titel dieses Buches.

Impossible – Wenn Unglaubliches passiert. Das Abenteuer außergewöhnlicher Bewusstseinserfahrungen ist eine Sammlung von Geschichten über viele verschiedene Ereignisse in meinem beruflichen und persönlichen Leben, die mich zwangen, meine skeptische und materialistische wissenschaftliche Weltanschauung aufzugeben und mir die östlichen spirituellen Philosophien und die mystischen Lehren der Welt zu eigen zu machen. Durch all diese Erfahrungen bekam ich auch großen Respekt vor dem rituellen und spirituellen Leben und den Heilungstraditionen der Eingeborenenkulturen, welche die westliche Wissenschaft als primitiven Aberglauben abtut. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass die Lebenserfahrungen, die diese Geschichten beschreiben, über die Lektüre nicht ihre ganze reale und konkrete Kraft entfalten können. Dennoch hoffe ich, dass sie den Leserinnen und Lesern einen Geschmack von der Wiederverzauberung des Universums vermitteln, die sie in meinem eigenen Leben bewirkt haben.

Teil 1 des Buches besteht aus Geschichten über das Phänomen, das C.G. Jung als Synchronizität beschrieb – das höchst unwahrscheinliche Zusammentreffen von Ereignissen, die durch das Prinzip der linearen Kausalität, das den Grundpfeiler westlichen wissenschaftlichen Denkens darstellt, nicht erklärbar sind. Indem Synchronizitäten uns zeigen, dass die materielle Welt mit der menschlichen Psyche in einen spielerischen Austausch treten kann, erschüttern sie allein dadurch, dass sie existieren, die Grundlagen des newtonisch-kartesianischen Paradigmas und der monistischen materialistischen Weltanschauung. Sie zerstören die von westlichen akademischen Kreisen vertretenen grundlegenden metaphysischen Annahmen, dass Bewusstsein und Materie zwei getrennte Bereiche sind, dass Materie das Primäre und Bewusstsein ihre bloße Begleiterscheinung ist und die Ereignisse in der Welt ausschließlich von Ketten von Ursachen und Wirkungen gesteuert werden.

Teil 2, 3 und 4 des Buches enthalten Geschichten, die das augenblicklich vorherrschende wissenschaftliche Bild von der Natur und von der Reichweite des menschlichen Gedächtnisses in Frage stellen. Mainstream-Psychiater und -Neurophysiologen gehen davon aus, dass das Gehirn des Neugeborenen noch nicht weit genug entwickelt ist, um die Erinnerungen an die stundenlangen, anstrengenden und schmerzlichen Erfahrungen zu verzeichnen, die es bei seiner biologischen Geburt macht. Die Arbeit mit holotropen Bewusstseinszuständen zeigt jedoch immer wieder eindeutig, dass jede und jeder von uns in der unbewussten Psyche nicht nur die Erinnerungen an die eigene Entbindung und das damit verbundene Trauma mit sich herumträgt, sondern auch Erinnerungen an das pränatale Leben und die frühe Existenz als Embryo, an die eigene Empfängnis und das Leben ihrer oder seiner menschlichen und tierischen Vorfahren.

Es scheint nicht sehr plausibel zu sein, dass unsere gesamte biologische Geschichte in einem Molekül – der DNA – gespeichert werden kann, und diese Aufzeichnungen unter bestimmten Umständen in lebendige Erfahrungen umgesetzt werden können. Die oben genannten Erinnerungen jedoch – an die Zeit als Embryo, Vorfahren, Rasse und Phylogenese (Entstehung der Lebewesen in der Vielfalt ihrer Arten im Laufe der Erdgeschichte, Anm.d.Ü.) – finden zumindest unter Bedingungen statt, die ein materielles Substrat, das diese Informationen befördern kann, vorstellbar machen. Viele Erfahrungen in holotropen Zuständen stellen jedoch für das begriffliche Denken ein noch viel größeres Problem dar, weil sie auf Erinnerungen verweisen, für die keinerlei wie auch immer geartetes materielles Substrat existiert.

Hierzu gehören zum Beispiel erlebnisbedingte Ausschnitte aus der menschlichen Geschichte, die in den Archiven des kollektiven Unbewussten gespeichert sind, wie C.G. Jung es verstand, sowie Erinnerungen an vergangene Leben und die erlebnisbedingte Identifizierung mit Mitgliedern anderer Spezies. All diese Erfahrungen reichen eindeutig weiter als die Erlebnisstränge, die Vorfahren, Rasse und Biologie betreffen, und ein physisches Medium, das sie verzeichnet, ist nicht vorstellbar. Sie lagern offensichtlich in Bereichen, die der Wissenschaft im Augenblick noch unbekannt sind, oder sind in das Bewusstseinsfeld selbst eingebettet.

Teil 5 des Buches besteht aus Geschichten über Phänomene, die das traditionelle Forschungsmaterial der Parapsychologen sind – Telepathie und Hellsichtigkeit, Psychometrie, Erlebnisse mit Astralreichen, Kommunikation mit nicht inkarnierten Wesen und Geistführern, Begegnungen mit archetypischen Gestalten, Channeling; Phänomene, die das Einwirken von geistigen Kräften auf Materie zeigen (Siddhis), und außerkörperliche Erfahrungen, bei denen das körperlose Bewusstsein seine unmittelbare Umgebung oder entfernte Gegenden präzise wahrnimmt. Das unvoreingenommene Studium dieser ungewöhnlichen Erfahrungen und Ereignisse legt die Schlussfolgerung nahe, dass die materialistische Wissenschaft diesen gesamten Bereich sowie die Forscherinnen und Forscher, die ihn studieren, vorschnell lächerlich gemacht hat. Denn diese Beobachtungen enthüllen die Existenz von »anormalen Phänomenen«, die eine zukünftige radikale Revision der wissenschaftlichen Weltanschauung und ihrer grundlegenden metaphysischen Annahmen zur Folge haben könnten.

Ein besonderer Abschnitt des Buches (Teil 6) ist der Beschreibung von Beobachtungen gewidmet, welche an den Grundauffassungen der Mainstream-Psychiater von psychotischen Schüben rütteln, die augenblicklich als Manifestationen schwerer psychischer Erkrankungen gelten. In diesem Teil berichte ich auch von verblüffend positiven Ergebnissen höchst unorthodoxer und kontroverser Behandlungsmethoden.

Ein Beispiel für eine derartige psychiatrische »Ketzerei« ist die Auffassung, dass sich in außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen eine spirituelle Öffnung (»spirituelle Krise«) manifestieren kann, statt hier von psychotischen Schüben zu reden. Ein weiteres Beispiel besteht darin, dass wir Symptome als Ausdruck der Selbstheilungsversuche der Psyche betrachten, mit denen wir therapeutisch entsprechend arbeiten können. Bei den radikalsten und ungewöhnlichsten der in diesem Teil des Buches geschilderten Fälle werden Psychedelika zur Aktivierung statt zur Unterdrückung psychotischer Symptome eingesetzt; oder durch Anwendung einer Methode, die mit Exorzismus vergleichbar ist, dramatische Verbesserungen bei einer Patientin erzielt; oder therapeutische Durchbrüche mit Hilfe von psychodynamischen Mechanismen bewirkt, die für traditionelle Psychiaterinnen und Psychiater überhaupt keinen Sinn ergeben würden.

In Teil 7 dieses Buches widme ich mich der Einstellung der traditionellen Wissenschaft zu Beobachtungen aus der Bewusstseinsforschung und der transpersonalen Psychologie, die ihr Paradigma sprengen. Hier geht es auch um die Erweiterung des traditionellen Psychologiestudiums auf die Bereiche Spiritualität, Wechselbeziehung zwischen Körper und Geist sowie Transformation. Die erste hier erzählte Geschichte ist ein extremes, aber typisches Beispiel für den Widerstand gegen die neuen wissenschaftlichen Daten, auf den wir bei vielen Mitgliedern der akademischen Gemeinschaft stoßen. Dazu gehört der brillante, weltbekannte Wissenschaftler, der seine intellektuellen Überzeugungen derart borniert und entschlossen verteidigt, dass seine Haltung der eines religiösen Fundamentalisten vergleichbar ist. Die zweite Geschichte schildert, was passiert, wenn traditionell ausgebildete Fachleute mit einer materialistischen Einstellung Gelegenheit bekommen, eigene Erfahrungen mit holotropen Bewusstseinszuständen zu machen. Die dritte schildert, wie mein eigener entschiedener Widerstand gegen die Astrologie – eine Disziplin, die von »ernsthaften« Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verspottet und lächerlich gemacht wird – einer Fülle von überzeugenden Beobachtungen weichen musste.

Dies ist ein sehr persönliches Buch, das viele intime Details aus meinem privaten und beruflichen Leben enthüllt. Die meisten Kliniker und Forscher würden zögern, so viele persönliche Informationen preiszugeben, weil sie befürchten, dies könne ihrem Ruf als Wissenschaftler schaden. Ich teile die Irrungen und Wirrungen meiner persönlichen Suche hier deswegen so offen mit, weil ich mir wünsche, dass diese Informationen den Kampf und die Schwierigkeiten von Menschen lindern, die sich ernsthaft auf den Weg der Selbsterforschung begeben, und sie ihnen helfen mögen, die Fehler und Fallgruben, die mit dem Aufbruch in neues, unerforschtes Gelände verbunden sind, zu vermeiden.

Ich hoffe, aufgeschlossene Leserinnen und Leser werden die persönlichen Geschichten, die ich in diesen Memoiren mitteile, als Zeugnisse meiner leidenschaftlichen, unkonventionellen Suche nach dem Wissen und der Weisheit betrachten, die in den tiefsten Winkeln der menschlichen Psyche verborgen sind. Wenn dieses Buch auch nur einem Bruchteil von Tausenden von Menschen, die holotrope Bewusstseinszustände erleben und außergewöhnliche Realitäten erforschen, nützliche Informationen vermittelt und sie auf ihrem Weg unterstützt, habe ich das Opfer meiner Privatsphäre nicht umsonst gebracht.

Stanislav Grof, Dr. med., Dr. phil.

Wiesbaden, Deutschland

September 2022

Prolog

Die Entdeckung kosmischen Bewusstseins Meine erste LSD-Sitzung

Die Erfahrung, von der ich im Folgenden berichten werde, war mit Sicherheit die wichtigste und einflussreichste meines Lebens. Auch wenn sie nur wenige Stunden – und der bedeutungsvollste Teil nur etwa zehn Minuten – dauerte, ließ sie mich beruflich einen völlig anderen Weg einschlagen als den, für den ich ausgebildet war und auf den ich mich vorbereitet hatte. Sie stellte die Weichen für eine Laufbahn, die ich bis auf den heutigen Tag mit großer Leidenschaft und Entschlossenheit verfolge. Sie leitete auch den Prozess einer tiefen persönlichen, inneren Transformation und eines spirituellen Erwachens ein. Heute, fast fünfzig Jahre später, betrachte ich diese Erfahrung als eine Initiation, vergleichbar der, die den Einweihungskandidaten in uralten Mysterienspielen erwartet.

Diese Geschichte führt uns zurück in die Zeit, in der ich mein Medizinstudium abgeschlossen hatte und meine Laufbahn als Psychiater begann. Mitte der 1950er-Jahre betrieb man in der psychiatrischen Abteilung des medizinischen Fachbereichs an der Karls-Universität in Prag, wo ich vom vierten Jahr meines Medizinstudiums an als studentische Hilfskraft gearbeitet hatte, Forschungen mit Melleril. Das war einer der ersten Tranquilizer, der in den pharmazeutischen Labors der Schweizer Firma Sandoz in Basel hergestellt wurde. Mein Vorgesetzter hatte gute Arbeitsbeziehungen zu Sandoz und erhielt von Zeit zu Zeit Gratisproben der Produkte dieses Unternehmens. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit bekam er für Testzwecke eine Lieferung von Lysergsäurediethylamid oder LSD-25, einer damals noch neuen, experimentellen Substanz mit bemerkenswerten psychoaktiven Eigenschaften.

Die erstaunlichen Wirkungen dieses Präparats auf die menschliche Psyche waren im April 1943 vom leitenden Chemiker bei Sandoz, Dr. Albert Hofmann, entdeckt worden, der sich, als er diese Substanz in seinem Labor synthetisch herstellte, versehentlich selbst in einen Rausch versetzte. Als das passierte, musste er seine Arbeit im Labor mitten am Tag unterbrechen, weil er äußerst unruhig wurde und sich schwindelig fühlte. Diese körperlichen Befindlichkeiten entwickelten sich zu einem traumähnlichen Erleben, verbunden mit einer Flut von phantastischen Bildern und kaleidoskopischen Farbspielen, das etwa zwei Stunden anhielt.

Drei Tage später beschloss Dr. Hofmann, eine sorgfältig abgewogene Dosis LSD zu nehmen, um seinen Verdacht zu bestätigen, dass sein abnormer Geisteszustand auf einem Rauschzustand beruhte, der durch LSD-25 ausgelöst worden war. Obwohl das eine vernünftige Vermutung war, konnte er sich nicht vorstellen, wie die Droge in sein System gelangt war. Bei diesem geplanten Selbstexperiment nahm er 250 Mikrogramm oder Gammas (1 Millionstel Gramm) LSD zu sich, was er, da er sich für einen »konservativen Menschen« hielt, als »Minidosis« betrachtete. Diese Einschätzung beruhte auf der Tatsache, dass Ergot-Alkaloide meistens in Milligramm-Dosierungen eingenommen werden. Er konnte nicht wissen, dass er eine Substanz zu sich nahm, die bislang nie da gewesene Wirkungen zeigen würde. Es war die stärkste psychoaktive Droge, die jemals entdeckt wurde. In der späteren klinischen Arbeit der 1950er- und 1960er-Jahre des letzten Jahrhunderts galt die Dosis, die Albert Hofmann nahm, als ziemlich hoch, und entsprechende Sitzungen erforderten stundenlange Vorbereitungen, Supervision durch zwei Begleitpersonen, Übernachtung im Behandlungszentrum und anschließende Auswertungsinterviews.

Weil es in vielen Geschichten dieses Buches um LSD geht, gebe ich hier eine kurze Beschreibung dieses historischen Experiments. Nachdem er 250 Mikrogramm LSD-25 eingenommen hatte, war Albert Hofmann bereits nach einer Stunde nicht mehr imstande zu arbeiten und bat seinen Assistenten, ihn nach Hause zu begleiten. Weil die Benutzung von Autos aufgrund des Krieges strengen Restriktionen unterlag, stand kein Wagen zur Verfügung, und sie mussten mit dem Fahrrad fahren. Hofmanns Bericht über diese Fahrradfahrt durch die Straßen von Basel unter Einfluss einer hohen Dosis LSD ist inzwischen zur Legende geworden. Nachdem er zu Hause angekommen war, fühlte er sich wie besessen von dämonischen Kräften, die sein Denken und seinen Körper völlig beherrschten, und er fürchtete, den Verstand zu verlieren. Seine freundliche Nachbarin, die ihm ein Glas Milch brachte, erschien ihm als gefährliche Hexe, die ihn verzaubern wollte. Er fühlte sich körperlich so elend, dass er sicher war, sterben zu müssen, und bat seinen Assistenten, einen Arzt zu rufen.

Als der Arzt eintraf, war der Höhepunkt der Krise bereits überschritten, und Hofmanns Zustand hatte sich radikal verändert. Er lag nicht mehr im Sterben. Er hatte seine eigene Geburt erlebt und fühlte sich wie neugeboren, wiederbelebt und verjüngt. Am Tag nach dem LSD-Experiment war er in einer ausgezeichneten körperlichen und geistigen Verfassung. Er schrieb einen Bericht über seine außergewöhnlichen Erfahrungen und legte ihn seinem Chef Dr. Arthur Stoll vor. Zufällig war Dr. Stolls Sohn, Werner A. Stoll, praktizierender Psychiater in Zürich und zeigte großes Interesse daran, die Wirkungen von LSD in einem klinischen Versuch zu erforschen. Seinen bahnbrechenden Bericht über die Wirkung von LSD-25 auf »normale freiwillige Versuchspersonen« und psychiatrische Patienten veröffentlichte er 1947, und dieser Artikel wurde in der wissenschaftlichen Welt über Nacht zu einer Sensation.

Werner Stolls frühe LSD-Studien zeigen, dass winzige Dosierungen dieser außergewöhnlichen Substanz – in der Größenordnung von Millionstel eines Gramms – für die Dauer von sechs bis zehn Stunden tiefgreifende Veränderungen im Bewusstsein seiner Experimentteilnehmer zu bewirken vermochten. Vertreter der Firma Sandoz stellten jetzt Forschern und Therapeuten in der ganzen Welt Proben von LSD zur Verfügung und erbaten Feedback zu seiner Wirkung und seinem Potenzial. Sie wollten wissen, ob diese Substanz in Psychologie und Psychiatrie legale Anwendung finden konnte.

Dr. Stolls Pilotstudie zeigte einige interessante Ähnlichkeiten zwischen der LSD-Erfahrung und der Symptomatologie natürlich auftretender Psychosen auf. Deshalb ging man davon aus, dass die Erforschung dieser »experimentellen Psychosen« interessante Einsichten in die Ursachen von natürlich auftretenden psychotischen Zuständen liefern konnte, vor allem die von Schizophrenie, der rätselhaftesten unter den psychiatrischen Störungen.

Der Beipackzettel der Firma Sandoz zu den LSD-Proben enthielt auch eine kleine Anmerkung, die mein persönliches und berufliches Leben grundlegend veränderte. Hier wies man darauf hin, dass Fachleute im psychischen Gesundheitswesen, die mit psychotischen Patienten arbeiteten, diese Substanz möglicherweise als revolutionäres, unkonventionelles Hilfsmittel für ihre Ausbildung benutzen konnten. Die Möglichkeit, die Erfahrung einer reversiblen »experimentellen Psychose« zu machen, schien für Psychiater, Psychologen, Krankenschwestern, Sozialarbeiter und Studenten der Psychiatrie eine einzigartige Gelegenheit zu sein, ein intimes, persönliches Wissen über die innere Welt ihrer Patientinnen und Patienten zu erwerben, um diese besser verstehen, wirkungsvoller mit ihnen kommunizieren und sie folglich auch effektiver behandeln zu können.

Ich fand diese ungewöhnliche Ausbildungschance höchst aufregend und bat meinen Vorgesetzten Dr. George Roubicek um eine LSD-Sitzung. Leider beschloss die Belegschaft der psychiatrischen Klinik, dass Studenten aus verschiedenen Gründen nicht als freiwillige Versuchsteilnehmer zugelassen werden sollten. Dr. Roubicek war jedoch zu beschäftigt, um stundenlang die LSD-Sitzungen seiner Experimentteilnehmer zu begleiten und brauchte Hilfe. Es gab keine Einwände dagegen, dass ich die psychedelischen Sitzungen anderer Personen überwachte und Protokoll über ihre Erfahrungen führte. Und so kam es, dass ich bei den LSD-Sitzungen vieler tschechischer Psychiater und Psychologen, prominenter Künstler und anderer interessanter Menschen anwesend war, bevor ich selbst die für einen Versuchsteilnehmer erforderlichen Qualifikationen erworben hatte. Als ich dann an der medizinischen Hochschule meinen Abschluss machte und die Voraussetzungen für eine Sitzung erfüllte, war mein Appetit darauf durch die phantastischen Berichte der Menschen, die ich in ihren Sitzungen beobachtet hatte, wiederholt geweckt worden.

Im Herbst 1956 konnte ich nach meinem Abschluss an der medizinischen Hochschule endlich selbst eine Sitzung nehmen. Dr. Roubiceks spezielles Interesse galt der Erforschung der elektrischen Aktivität des Gehirns. Eine Bedingung für die Teilnahme an der LSD-Studie war die Einwilligung, vor, während und nach der Sitzung ein EEG machen zu lassen. Zu der Zeit, als meine Sitzung stattfand, war er besonders fasziniert von dem Vorgang, den er als »Antreiben« der Gehirnwellen oder »Einwirken« auf diese bezeichnete. Zu diesem Zweck wurden die Versuchsteilnehmer mit Hilfe einer stroboskopischen Lichtquelle (schnell und kurz, grell aufleuchtendes Licht, Anm.d.Ü.) vielen verschiedenen Lichtfrequenzen ausgesetzt, um herauszufinden, inwieweit man auf die Gehirnwellen im subokzipitalen (unterhalb des Hinterhauptsbeins, Anm.d.Ü.) Bereich »einwirken«, das heißt, sie zwingen konnte, die eintreffende Frequenz zu empfangen. Erpicht darauf, endlich selbst Erfahrungen mit LSD zu machen, erklärte ich mich einverstanden, mein EEG machen und meine Gehirnwellen »antreiben« zu lassen. Mein Bruder Paul, zu der Zeit Medizinstudent und sehr interessiert an Psychiatrie, war einverstanden, meine Sitzung zu begleiten.

Die ersten Wirkungen des LSD spürte ich etwa eine Dreiviertelstunde nach der Einnahme. Zunächst empfand ich ein leichtes Unwohlsein, Benommenheit und Übelkeit. Dann verschwanden diese Symptome, und stattdessen sah ich eine phantastische Show von abstrakten und geometrischen Bildern in unglaublichen Farben, die sich in raschen, kaleidoskopischen Sequenzen entfalteten. Einige ähnelten kunstvollen Bleiglasfenstern in gotischen Kathedralen, andere den Arabesken in muslimischen Moscheen. Die Erlesenheit dieser Visionen erinnerte mich an Sheherazade und die Welt von Tausendundeine Nacht und an die erstaunliche Schönheit der Alhambra und von Xanadu. Das waren damals die einzigen Assoziationen, die mir einfielen. Heute glaube ich, dass meine Psyche auf irgendeine Weise die Fähigkeit entwickelte, eine Reihe von wild wuchernden, bruchstückhaften Bildern zu produzieren, den graphischen Darstellungen nicht linearer Gleichungen ähnlich, die moderne Computer hervorbringen können.

Im weiteren Verlauf der Sitzung bewegte sich meine Erfahrung von diesem Reich der köstlichen ästhetischen Genüsse weiter zur Begegnung und Konfrontation mit meiner unbewussten Psyche. Es ist schwer, Worte zu finden für die berauschende Fuge der Emotionen, Visionen und erhellenden Einsichten in mein Leben und die Existenz überhaupt, die mir auf dieser Ebene meiner Psyche zugänglich waren. Diese Erfahrung ging so tief und war so erschütternd, dass sie mein bisheriges Interesse an der freudschen Psychoanalyse sofort verblassen ließ. Ich konnte kaum glauben, was ich in diesen wenigen Stunden alles erfuhr und lernte. Das atemberaubende ästhetische Fest und die reiche Fülle meiner psychologischen Einsichten hätten bereits für sich genommen gereicht, um aus meiner ersten Begegnung mit LSD eine wirklich unvergessliche Erfahrung zu machen.

Es gab jedoch noch einen weiteren Aspekt meiner Sitzung, der alles übertraf, was da passierte. Nach etwa drei Stunden erschien Dr. Roubiceks Assistentin und verkündete, es sei Zeit für das EEG-Experiment. Sie führte mich in eine kleine Kabine, brachte viele Elektroden auf meiner Kopfhaut an und bat mich, mich hinzulegen und die Augen zu schließen. Dann brachte sie ein riesiges stroboskopisches Licht über meinem Kopf in Position und schaltete es ein. Zu der Zeit war die Wirkung der Droge auf dem Höhepunkt, was die Lichtblitze enorm verstärkte.

Der Anblick eines Lichts von unglaublicher Leuchtkraft und übernatürlicher Schönheit warf mich fast um. Ich musste dabei an die mystischen Erfahrungen denken, von denen ich in spirituellen Büchern gelesen hatte, in denen man Visionen von göttlichem Licht mit dem Glühen von »Millionen von Sonnen« verglich. Mir kam auch kurz in den Sinn, dass es so im Epizentrum der Atombombenexplosion von Hiroshima oder Nagasaki ausgesehen haben musste. Heute würde ich dieses Licht eher mit dem Dharmakaya oder dem ursprünglichen Klaren Licht vergleichen, dem unbeschreiblichen Leuchten, das laut Tibetischem Totenbuch (Bardo Thödol) im Augenblick unseres Todes vor uns erscheint.

Ich hatte das Gefühl, dass ein göttlicher Blitzstrahl mein bewusstes Selbst aus meinem Körper katapultierte. Die Assistentin, das Labor, die psychiatrische Klinik und Prag verschwanden aus meinem Wahrnehmungsfeld und schließlich der ganze Planet. Mein Bewusstsein dehnte sich mit unvorstellbarer Geschwindigkeit aus bis in kosmische Dimensionen. Es gab zwischen mir und dem Universum keinerlei Grenzen oder Unterschiede mehr. Die Assistentin hielt sich sorgfältig an ihre Anweisungen. Sie drehte die Frequenz des stroboskopischen Lichts allmählich von zwei auf 60 Hertz und wieder zurück, dann für kurze Zeit auf die Mitte des Alphabands, des Thetabands und schließlich des Deltabands. Und während das alles geschah, bewegte ich mich im Zentrum eines kosmischen Dramas von unvorstellbaren Ausmaßen.

In der Literatur über Astronomie, die ich später entdeckte und im Laufe der Jahre las, stieß ich auf Begriffe für einige der phantastischen Erfahrungen, die ich in diesen bemerkenswerten zehn Zeitminuten machte – Urknall, Reise durch schwarze und weiße Löcher, Identifikation mit explodierenden Supernova und zusammenstürzenden Sternen und andere seltsame Phänomene. Obwohl ich keine angemessenen Worte für das hatte, was ich da erlebte, hegte ich keinerlei Zweifel daran, dass es an die Erfahrungen, die ich aus den großen mystischen Schriften der Welt kannte, sehr nahe heranreichte. Und obwohl das LSD eine so tiefe Wirkung auf meine Psyche hatte, konnte ich den Witz und die Paradoxie der Situation sehen: Das Göttliche manifestierte sich und übernahm die Regie in einem seriösen wissenschaftlichen Experiment mit einer Substanz, die im Reagenzglas eines Chemikers aus dem 20. Jahrhundert hergestellt worden war – und das in der psychiatrischen Klinik eines Landes, das von der (ehemaligen) Sowjetunion beherrscht wurde und ein marxistisches Regime hatte.

Dieser Tag markierte den Beginn meiner radikalen Abkehr vom traditionellen Denken der Psychiatrie und dem monistischen Materialismus der westlichen Wissenschaft. Ich ging aus dieser Erfahrung bis ins Innerste erschüttert hervor und war zutiefst beeindruckt von ihrer durchdringenden Kraft. Da ich damals noch nicht – wie heute – glaubte, dass das Potenzial für mystische Erfahrungen ein natürliches Geburtsrecht aller menschlichen Wesen ist, führte ich meine Erlebnisse ausschließlich auf die Wirkung des LSD zurück. Ich hatte das starke Gefühl, dass das Studium außergewöhnlicher Bewusstseinszustände im Allgemeinen und der durch psychedelische Substanzen ausgelösten Zustände im Besonderen das mit Abstand interessanteste Gebiet der Psychiatrie war, das ich mir vorstellen konnte. Mir wurde klar, dass psychedelische Erfahrungen – in einem sehr viel größeren Maße als Träume, die in der Psychoanalyse eine so entscheidende Rolle spielen – tatsächlich, um Freuds Worte zu benutzen, »ein Königsweg zum Unbewussten« sind. Und ich beschloss auf der Stelle, mein Leben dem Studium außergewöhnlicher Bewusstseinszustände zu widmen.

Teil 1

Das Mysterium der Synchronizität

Im Zwielicht des Uhrwerk-Universums

Viele von uns kennen aus ihrem eigenen Leben Situationen, in denen das scheinbar logische und voraussagbare Gewebe der Alltagsrealität, das aus komplexen Ketten von Ursachen und Wirkungen besteht, zu zerreißen scheint und wir erstaunliche und höchst unwahrscheinliche Zufälle erleben. In Phasen von holotropen Bewusstseinszuständen – zur Erinnerung: holotrop bedeutet, »sich auf die Ganzheit zubewegen« – kann es so häufig zu solchen Brüchen in der linearen Kausalität kommen, dass uns an der Sicht der Welt, mit der wir alle aufgewachsen sind, ernsthafte Zweifel kommen. Da dieses außergewöhnliche Phänomen in vielen Geschichten, die ich in diesem Buch erzähle, eine wichtige Rolle spielt, will ich hier kurz erläutern, warum es für das Verständnis des Wesens der Wirklichkeit, des Bewusstseins und der menschlichen Psyche so wichtig ist.

Der Wissenschaftler, der das Phänomen des Zusammentreffens von bedeutsamen Vorfällen, das sich einer rationalen Erklärung widersetzt, ins Blickfeld akademischer Kreise rückte, war der Schweizer Psychologe Carl Gustav Jung. Da er sich der Tatsache bewusst war, dass der unerschütterliche Glaube an einen rigiden Determinismus den Grundpfeiler der westlichen wissenschaftlichen Weltanschauung bildete, zögerte er mehr als zwanzig Jahre, bevor er seine Entdeckungen veröffentlichte. Weil er von seinen Kollegen heftige Zweifel und scharfe Kritik erwartete, wollte er sicher sein, dass er seine ketzerischen Behauptungen mit Hunderten von Beispielen belegen konnte. Schließlich beschrieb er seine bahnbrechenden Beobachtungen in seinem berühmten Aufsatz mit dem Titel: »Synchronizität als Prinzip akausaler Zusammenhänge« (Jung 1967/1982).

Jung beginnt seinen Aufsatz mit Beispielen für das ungewöhnliche Zusammentreffen von Ereignissen, wie es manchmal im Alltag passiert. Als einen der ersten Menschen, der an diesem Phänomen und seinen wissenschaftlichen Ausführungen Interesse zeigte, erwähnt er anerkennend den österreichischen, lamarckistischen Biologen Paul Kammerer, dessen tragisches Leben durch Arthur Köstlers Buch Der Krötenküsser. Der Fall des Biologen Paul Kammerer (Köstler 1974) bekannt geworden war. Bei einer der bemerkenswerten Überschneidungen von Ereignissen, die Kammerer beschrieb, hatte sein Straßenbahnfahrschein die gleiche Nummer wie die Theaterkarte, die er kurz darauf kaufte. Außerdem überreichte man ihm die gleiche Zahlenfolge am selben Abend später noch einmal als Telefonnummer, nach der er gefragt hatte.

Im selben Aufsatz gibt Jung auch die amüsante Geschichte zum Besten, die der berühmte französische Astronom Flammarion über einen gewissen Monsieur Deschamps und einen speziellen Pflaumenpudding erzählte. Als Deschamps noch ein Junge war, gab ihm ein Monsieur de Fontgibu von diesem seltenen Pudding zu kosten. In den folgenden zehn Jahren bekam er die Köstlichkeit nicht wieder zu Gesicht, bis er den Pudding eines Tages auf der Speisekarte eines Pariser Restaurants entdeckte. Als er ihn beim Ober bestellen wollte, musste er erfahren, dass die letzte Portion bereits von Monsieur de Fontgibu bestellt und verspeist worden war, der zufällig gerade im selben Restaurant aß.

Viele Jahre später wurde Monsieur Deschamps auf ein Fest eingeladen, wo man diesen Pudding als besondere Spezialität servierte. Während er ihn aß, machte er die Bemerkung, dass jetzt nur noch Monsieur de Fontgibu fehle, durch den er diese Köstlichkeit kennengelernt habe und der auch bei seiner zweiten Begegnung mit dem Pudding anwesend gewesen sei. In diesem Augenblick klingelte es an der Haustür, und ein alter, völlig verwirrt wirkender Mann kam herein. Es war Monsieur de Fontgibu, der versehentlich hereinplatzte, weil man ihm für den Besuch, den er jemandem abstatten wollte, eine falsche Adresse angegeben hatte.

Diese bemerkenswerten Überschneidungen von Ereignissen lassen sich mit dem Verständnis der materialistischen Wissenschaft vom Universum nur schwer in Einklang bringen, denn hier wird die Welt in Form von Ketten von Ursachen und Wirkungen beschrieben. Und die Wahrscheinlichkeit, dass diese Ereignisse zufällig passierten, ist so gering, dass wir sie als Erklärung nicht ernsthaft in Betracht ziehen können. Naheliegender ist es, sich vorzustellen, dass diese Vorkommnisse eine tiefere Bedeutung haben und spielerische Schöpfungen einer kosmischen Intelligenz sind. Diese Erklärung ist vor allem dann plausibel, wenn diese Ereignisse einen gewissen Humor beinhalten, was oft der Fall ist.

Obwohl solche Zusammentreffen bereits für sich genommen höchst interessant sind, ergänzte C.G. Jung dieses provozierende, anormale Phänomen noch um eine weitere faszinierende Dimension. Kammerer und Flammarion beschrieben höchst unwahrscheinliche Zusammentreffen von Ereignissen, und die Geschichte über den Pflaumenpudding entbehrt mit Sicherheit nicht eines gewissen Humors. Beide schildern jedoch Ereignisse aus der materiellen Welt. Jungs Beobachtungen hingegen eröffneten noch eine zusätzliche, erstaunliche Dimension dieses verblüffenden Phänomens. Er gab zahlreiche Beispiele für das, was er »Synchronizität« nannte – ein bemerkenswertes Zusammentreffen von Ereignissen in der allgemein akzeptierten Realität, die in einem bedeutungsvollen Zusammenhang standen mit inneren Erfahrungen wie Träumen oder Visionen. Er definierte Synchronizität als »die Gleichzeitigkeit eines gewissen psychischen Zustands mit einem oder mehreren äußeren Ereignissen, welche als sinngemäße Parallelen zu dem momentanen subjektiven Zustand erscheinen«. Solche Situationen zeigen, dass unsere Psyche mit einer scheinbar rein materiellen Welt in einen spielerischen Austausch treten kann. Durch die Tatsache, dass das möglich ist, verwischen sich die Grenzen zwischen subjektiver und objektiver Realität.

Während er sich mit diesem Phänomen auseinandersetzte, bekam Jung großes Interesse an den Entwicklungen der relativistischen Quantenphysik und der radikal neuen Sicht der Welt, die sie aufzeigte. Er stand in einem regen intellektuellen Austausch mit Wolfgang Pauli, einem Mitbegründer der Quantenphysik, der Jungs Klient und persönlicher Freund war. Unter Paulis Anleitung lernte Jung die revolutionären neuen Vorstellungen der modernen Physik kennen und damit auch die Herausforderungen, mit denen diese Disziplin das deterministische Denken und die lineare Kausalität erstmals konfrontierte. Jung war durchaus klar, dass seine Beobachtungen im Kontext des sich neu entfaltenden Bildes der Wirklichkeit viel plausibler und akzeptabler waren.

Weitere Unterstützung für seine Ideen erfuhr Jung von niemand Geringerem als Albert Einstein, der Jung bei einem persönlichen Besuch ermunterte, den Gedanken der Synchronizität weiterzuverfolgen, weil er mit den neuen Entdeckungen der Physik völlig im Einklang stand (Jung 1972). Gegen Ende seines Lebens war Jung von der wichtigen Rolle der Synchronizität in der natürlichen Ordnung der Dinge so überzeugt, dass er sie in seinem täglichen Leben als leitendes Prinzip benutzte.

Die berühmteste der vielen Synchronizitäten in Jungs eigenem Leben passierte in einer Therapiesitzung mit einer seiner Patientinnen. Diese Frau hatte große Widerstände gegen die Psychotherapie, Jungs Interpretationen und die Vorstellung von transpersonalen Realitäten. Als die Therapie bei der Analyse eines ihrer Träume, in dem es um einen goldenen Skarabäus ging, in eine Sackgasse geriet, hörte Jung ein Geräusch, als ob etwas oder jemand von außen leise ans Fenster klopfte. Als er nachschauen ging, fand er auf der Fensterbank einen rosa schimmernden Rosenkäfer, der versuchte, ins Zimmer zu gelangen. Es handelte sich um ein äußerst seltenes Exemplar – einem goldenen Skarabäus so ähnlich, wie diese Breitengrade es aufzubringen vermochten. Nie zuvor hatte Jung so etwas erlebt. Er öffnete das Fenster, holte den Käfer herein und zeigte ihn seiner Patientin. Diese ungewöhnliche Synchronizität wurde zum wichtigen Wendepunkt in der Therapie dieser Frau.

Die Beobachtung von Synchronizitäten hatte einen tiefen Einfluss auf Jungs Denken und seine Arbeit, vor allem auf sein Verständnis der Archetypen, der ursprünglichen, lenkenden und organisierenden Prinzipien des kollektiven Unbewussten. Die Entdeckung der Archetypen und ihrer Rolle in der menschlichen Psyche ist Jungs wichtigster Beitrag zur Psychologie. Jung war in seiner beruflichen Laufbahn stark beeinflusst von der kartesianischen-kantschen Sicht, welche die westliche Wissenschaft mit ihrer strikten Trennung zwischen subjektiv und objektiv, zwischen innen und außen beherrschte. Unter ihrem Bann sah er in den Archetypen anfangs transindividuelle, im Wesentlichen aber innerpsychische Prinzipien, vergleichbar biologischen Instinkten. Er nahm an, dass die grundlegende Matrix für diese Prinzipien im Gehirn verankert war und von Generation zu Generation weitervererbt wurde.

Die Existenz von sychronistischen Ereignissen führte Jung zu der Erkenntnis, dass Archetypen sowohl die Psyche als auch die materielle Welt transzendieren und autonome Bedeutungsmuster sind, die sowohl der Psyche als auch der Materie Informationen übermitteln. Er sah, dass sie eine Brücke schlagen zwischen innen und außen und auf die Existenz einer Zwielichtzone zwischen Materie und Bewusstsein verweisen. Aus diesem Grund schrieb Jung den Archetypen schließlich eine »psychoide« (psycheähnliche) Qualität zu.

Stephan A. Hoeller formuliert Jungs voll ausgereifte Auffassung der Archetypen ebenso kurz und bündig wie poetisch mit den Worten: »Manifestiert sich der Archetyp als synchronistisches Prinzip, ist das wirklich Ehrfurcht gebietend, wenn nicht geradezu ein Wunder – ein unheimlicher Bewohner der Schwelle. Zugleich psychisch und physisch, könnte man ihn mit dem doppelköpfigen Gott Janus vergleichen: Beide Gesichter des Archetyps vereint zu einem einzigen Kopf gemeinsamer Bedeutung« (Hoeller 1994). Nachdem Jungs Aufsatz über Synchronizität erschienen war, hat dieser Gedanke in der Wissenschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen und ist zum Thema vieler Artikel und Bücher geworden (von Franz 1992, Aziz 1990, Mansfeld 1995).

In den fünfzig Jahren, die ich jetzt Bewusstseinsforschung betreibe, habe ich bei meinen Patientinnen und Patienten zahlreiche ungewöhnliche Synchronizitäten beobachtet, viele Geschichten von Forscher- und Therapeutenkollegen und -kolleginnen gehört und selbst Hunderte von entsprechenden Erlebnissen gehabt. Für dieses Kapitel habe ich eine kleine, repräsentative Auswahl der interessantesten Geschichten aus meiner Sammlung zusammengestellt. Die erste weist durchaus Parallelen zu Jungs Begegnung mit dem goldenen Käfer auf, da auch hier an einem höchst unwahrscheinlichen Ort und zu einer höchst unwahrscheinlichen Zeit ein Insekt auftaucht.

Die Macht der Tierwelt

Eine Gottesanbeterin in Manhattan

In einem seiner vielen Workshops am Esalen-Institut in Big Sur, Kalifornien, hielt unser Freund und Lehrer Joseph Campbell einen langen Vortrag über sein Lieblingsthema – die Arbeit von C.G. Jung und dessen revolutionäre Beiträge zum Verständnis von Mythologie und Psychologie. Bei seiner Rede erwähnte er auch flüchtig das Phänomen der Synchronizität. Eine der Teilnehmerinnen, die diesen Begriff nicht kannte, unterbrach Joe und bat ihr zu erklären, was Synchronizität bedeute. Nachdem er eine kurze, allgemeine Definition und Beschreibung des Gedankens der Synchronizität gegeben hatte, beschloss Joe, seine Erklärungen anhand eines konkreten Beispiels zu verdeutlichen. Statt Jungs Geschichte über den Skarabäus zu erzählen, die man bei dieser Gelegenheit meistens zu hören bekommt, beschloss Joe, seinen Zuhörerinnen und Zuhörern eine bemerkenswerte Synchronizität aus seinem eigenen Leben zu erzählen.

Bevor sie in ihren späteren Lebensjahren nach Hawaii zogen, hatten Joe und seine Frau Jean Erdman in New York in Greenwich Village gelebt. Ihre Wohnung lag im 14. Stock eines Hochhauses am Waverley Place in der Sixth Avenue. Joes Arbeitszimmer hatte zwei Doppelfenster – das eine bot eine Aussicht auf den Hudson River, und das andere zeigte zur Sixth Avenue. Aus dem ersten Fenster hatte man einen schönen Blick auf den Fluss, und bei schönem Wetter standen immer beide Fensterflügel offen. Der Blick aus dem anderen Doppelfenster war uninteressant, und die Campbells öffneten es selten. Laut Joe hatten sie dieses Fenster in den ganzen vierzig Jahren, die sie dort wohnten, vielleicht zwei-, dreimal geöffnet.

An diesem Tag zu Beginn der 1980er-Jahre saß Joe in seinem Arbeitszimmer an seinem Opus magnum, The Way of the Animal Powers, einer umfassenden Enzyklopädie der schamanistischen Mythologien der Welt. Zu der Zeit schrieb er gerade das Kapitel über die Mythologie der afrikanischen Buschmänner, eines Stammes, der in der Kalahari-Wüste lebt. Eine der wichtigsten Gottheiten im Pantheon der Buschmänner ist die Gottesanbeterin, die die Wesenszüge des Narren und des Schöpfergottes in sich vereint. Joe war völlig vertieft in seine Arbeit und sein Schreibtisch übersät mit Artikeln und Büchern zu diesem Thema. Besonders beeindruckt war er von der Geschichte, die Laurens van der Post über seine Kinderfrau Klara erzählte, die eine Halbblut-Buschfrau war und ihn seit seiner Geburt betreute. Van der Post erinnerte sich lebhaft daran, dass Klara in seiner Kindheit hin und wieder mit einer Gottesanbeterin (Mantis religiosa) kommunizierte. Wenn sie mit einem Mitglied dieser Spezies redete und ihm konkrete Fragen stellte, schien das Insekt sie mit Bewegungen seiner Beine und seines ganzen Körpers zu beantworten.

Mitten in seiner Arbeit verspürte Joe plötzlich den unwiderstehlichen und völlig irrationalen Impuls, aufzustehen und einen der Flügel jenes Doppelfensters zu öffnen, das zur Sixth Avenue zeigte. Nachdem er es geöffnet hatte, schaute er, ohne zu wissen warum, automatisch nach rechts. Die Begegnung mit einer Gottesanbeterin ist so ziemlich das Letzte, was man in Manhattan erwartet. Doch da war sie, ein großes Exemplar ihrer Gattung, im 14. Stock eines Hochhauses mitten in Manhattan, und kletterte langsam weiter nach oben! Laut Joe wandte sie ihm den Kopf zu und schenkte ihm einen bedeutungsvollen Blick. Obwohl die Begegnung nur wenige Sekunden dauerte, hatte sie etwas Unheimliches und hinterließ bei Joe einen tiefen Eindruck. Er sagte, er könne bestätigen, was er vor wenigen Minuten erst in Laurens van der Posts Geschichte gelesen hatte: Das Gesicht der Gottesanbeterin hatte etwas eigenartig Menschliches. Mit ihrem »herzförmigen Kinn, den hohen Wangenknochen und der gelben Haut sah sie wie ein Buschmann aus.«

Das Auftauchen einer Gottesanbeterin im 14. Stock eines Hochhauses mitten in Manhattan ist, gelinde gesagt, bereits als solches ein ziemlich ungewöhnliches Ereignis. Aber wenn wir den Zeitpunkt ihres Erscheinens berücksichtigen, der mit Joes intensiver Vertiefung in die Mythologie der Kalahari-Buschmänner zusammenfiel, und seinen unerklärlichen Impuls, das Fenster zu öffnen und die Begegnung aktiv zu suchen, ist die statistische Unwahrscheinlichkeit dieser Verkettung von Ereignissen wirklich astronomisch. Nur ein durch und durch materialistisch orientierter Mensch, der seiner Weltanschauung mit quasi-religiösem Eifer anhängt, würde glauben, dass so etwas reiner Zufall ist.

Die traditionelle Psychiatrie unterscheidet nicht zwischen tatsächlichen Synchronizitäten und psychotischen Fehlinterpretationen der Welt. Da die materialistische Weltsicht streng deterministisch ist und die Möglichkeit »bedeutungsvoller Zusammentreffen« nicht akzeptiert, würde sie die bloße Andeutung ungewöhnlicher Synchronizitäten in den Berichten eines Patienten automatisch als »Realitätsverwirrung« und damit als Symptom für eine ernsthafte psychische Erkrankung interpretieren. Es kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass es echte Synchronizitäten gibt, bei denen jeder, der Zugang zu den Fakten hat, zugeben muss, dass die hier zusammentreffenden Ereignisse nicht mit statistischer Wahrscheinlichkeit zu erklären sind. Auf Joes ungewöhnliche Begegnung mit der Gottesanbeterin trifft das mit Sicherheit zu.

Die sterbende Königin

Wenn Voraussagen im Traum sich bei Tag erfüllen

Im Jahre 1964 lud mich Joshua Bierer, eine britische Psychiaterin, ein, am Kongress für Soziale Psychiatrie in London teilzunehmen. Joshua war die Organisatorin dieser Konferenz und koordinierte das Programm. Mein Vortrag war Teil eines Symposiums über LSD-Psychotherapie. So hatte ich Gelegenheit, mit mehreren Pionierinnen und Pionieren auf dem Gebiet der psychedelischen Therapie in Kontakt zu kommen, deren Arbeit ich bislang nur aus ihren Schriften kannte. Ich lernte dort zwei bemerkenswerte Frauen kennen: die britischen Therapeutinnen Joyce Martin und Pauline McCririck. Beide hatten eine traditionelle Ausbildung in freudscher Psychoanalyse, praktizierten aber jetzt in Joyces luxuriösem Haus in der bekannten Welbeck Street LSD-Psychotherapie. Gemeinsam hatten sie die »fusion therapy « (Verschmelzungstherapie oder »anaklitische Therapie«, Anm.d.Ü.) entwickelt, wie sie das nannten, eine psychedelische Behandlungsmethode, die selbst einigen der aufgeschlossenen, mutigen Therapeutinnen und Therapeuten, die ihren Patienten LSD gaben, zu revolutionär war.

Diese Methode, besonders geeignet für Patienten, die in ihrer Kleinkindzeit von den Eltern allein gelassen und abgelehnt wurden und keine emotionale Zuwendung erfuhren, war verbunden mit engem Körperkontakt zwischen Therapeutin und Patientin während der LSD-Sitzung. In ihren Sitzungen verbrachten diese Patienten mehrere Stunden in tiefer Regression und lagen auf einem Sofa unter einer Decke, während Joyce oder Pauline neben ihnen lag und sie im Arm hielt, wie eine gute Mutter, die ihr Kind tröstet. Ihre revolutionäre Methode spaltete die Gemeinde der LSD-Therapeutinnen und -Therapeuten. Manche von ihnen sahen darin eine wirkungsvolle und konsequente Möglichkeit der Heilung von »Traumata aufgrund von Unterlassung«, die auf mütterliche Versäumnisse und negatives mütterliches Verhalten zurückgingen. Andere wiederum reagierten entsetzt auf die radikale »anaklitische«* Therapie und warnten vor den irreversiblen Schäden, die der enge Körperkontakt zwischen Therapeutin und Patientin in einem außergewöhnlichen Bewusstseinszustand dieser Beziehung zufügen würde.

Ich gehörte zu denen, die von Joyces und Paulines »Verschmelzungstherapie« fasziniert waren, denn für mich war klar, dass ein »Trauma«, das auf »Unterlassung« beruhte, nicht durch eine Redekur geheilt werden konnte. Ich stellte den beiden Frauen viele Fragen nach ihrer unorthodoxen Methode, und als sie sahen, dass ich aufrichtig interessiert war, luden sie mich in die Welbeck-Klinik ein, damit ich ihre Patientinnen und Patienten kennenlernen und selbst Erfahrungen mit ihrer Methode machen konnte. Ich war beeindruckt, als ich herausfand, wie sehr ihre Patientinnen und Patienten von der körperlichen Zuwendung profitierten, die sie in ihren psychedelischen Sitzungen bekamen. Mir wurde auch klar, dass Joyce und Pauline viel weniger mit Übertragungsproblemen zu kämpfen hatten als der durchschnittliche freudsche Analytiker mit seiner distanzierten »Neutralität«.

Bei der Internationalen Konferenz über LSD-Psychotherapie, die im Mai 1965 in Amityville, Long Island, stattfand, zeigten Joyce und Pauline ihren faszinierenden Film über die Anwendung ihrer Methode in der psychedelischen Therapie. Bei der anschließenden hitzigen Diskussion kreisten die meisten Fragen um das Thema Übertragung und Gegenübertragung. Pauline lieferte eine sehr interessante und überzeugende Erklärung dafür, dass ihr Ansatz in dieser Hinsicht weniger Probleme mit sich brachte als die orthodoxe freudsche Haltung. Die meisten Patientinnen und Patienten, die in die Therapie kamen, so erläuterte sie, hätten als Säuglinge und Kinder an mangelnder Zuwendung von Seiten ihrer Eltern gelitten. Die kalte Haltung der freudschen Analytikerinnen und Analytiker führe häufig zu einer Reaktivierung der aus den kindlichen Entbehrungen entstandenen emotionalen Verletzungen und löse bei den Patienten verzweifelte Versuche aus, die Aufmerksamkeit und Befriedigung zu bekommen, die man ihnen in ihrer Kindheit vorenthalten hatte.

Im Gegensatz dazu korrigierte die anaklitische Therapie laut Pauline die früheren Erfahrungen, indem sie die alten Sehnsüchte nach Verschmelzung und Anlehnung befriedigte. Waren ihre emotionalen Wunden geheilt, realisierten die Patienten, dass die Therapeutin kein angemessenes Sexualobjekt für sie war, und waren jetzt imstande, außerhalb der therapeutischen Beziehung einen passenden Partner zu finden. Pauline erklärte, hier zeige sich eine Parallele zur Entwicklung von frühen Objektbeziehungen. Menschen, die in ihrer Säuglingszeit und Kindheit richtig bemuttert wurden, sind in der Lage, sich emotional von ihren Müttern zu lösen und zu reifen Beziehungen überzugehen. Wer hingegen emotional vernachlässigt wurde, bleibt pathologisch gebunden und ist sein Leben lang voll verzweifelter Sehnsucht auf der Suche nach der Befriedigung seiner primitiven, infantilen Bedürfnisse.

Nachdem ich von Joyces und Paulines LSD-Patientinnen und -Patienten in der Klinik in der Welbeck Street begeisterte Berichte gehört hatte, bekam ich großes Interesse, die »anaklitische Methode« in Eigenerfahrung kennenzulernen. Meine Sitzung mit Pauline war ein wirklich bemerkenswertes Erlebnis. Obwohl wir beide voll bekleidet waren und zwischen uns eine Decke lag, regredierte ich bis in die frühe Kindheit und identifizierte mich mit einem Säugling, der an der Brust einer guten Mutter saugt und den Kontakt mit ihrem nackten Körper spürt. Dann ging die Erfahrung noch tiefer, und ich wurde zum Fötus in einem guten Schoß, selig im Fruchtwasser schwebend. Mehr als drei Zeitstunden, die sich subjektiv wie eine Ewigkeit anfühlten, erlebte ich beide Situationen – »gute Brust« und »guter Schoß« – gleichzeitig oder abwechselnd. Ich war mit meiner Mutter über Ströme von zwei nährenden Flüssigkeiten verbunden – Milch und Blut –, die sich manchmal anfühlten wie heilige Elixiere. Höhepunkt der Sitzung war die Verschmelzung mit der Großen Mutter Göttin, die an die Stelle der menschlichen Mutter trat. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass ich diese Sitzung als äußerst heilsam empfand.

1966 hatte ich anlässlich einer Konferenz über LSD-Psychotherapie in Amsterdam Gelegenheit, eine weitere, ähnlich bemerkenswerte Sitzung bei Pauline zu nehmen und zum zweiten Mal persönliche Erfahrungen mit der »anaklitischen Therapie« zu machen. Pauline und ich wurden gute Freunde und sahen uns gelegentlich bei Fachtagungen oder meinen Besuchen in London. Als Joyce Martin Ende der 1960er-Jahre starb, verlor Pauline den Menschen, der ihre eigenen psychedelischen Sitzungen bislang begleitet hatte, und bat mich, Joyces Rolle zu übernehmen. Zu der Zeit lebte ich jedoch nicht mehr in Europa. Ich hatte ein Stipendium für die Johns-Hopkins-Universität bekommen und wohnte und arbeitete jetzt in Baltimore. Dass Pauline für diese Sitzungen wiederholt über den Atlantik reiste und viel Geld, Zeit und Energie investierte, zeigt, wie stark sie von dieser Arbeit überzeugt war. Im Umfeld einer dieser Sitzungen erlebte ich eine bemerkenswerte Synchronizität:

Am Tag von Paulines Sitzung erwachte ich zwischen vier und fünf Uhr morgens aus einem sehr beunruhigenden Traum. Er spielte in einem düsteren Schloss oder vielmehr einer Burg, irgendwann im Mittelalter. Die Atmosphäre war geprägt von Aufruhr und Chaos, viele Menschen hasteten mit Fackeln in den Händen durch dunkle Gänge. Ich hörte verzweifelte und erregte Stimmen, die laut riefen: »Die Königin … die Königin … die Königin liegt im Sterben!« Ich war eine der Personen, die in Panik durch das Schloss rannten. Nach einer atemlosen Hetze durch das Labyrinth der spärlich beleuchteten Gänge gelangte ich schließlich in ein Zimmer, in dem eine alte Frau – eindeutig die Königin – in einem großen Bett mit vier geschnitzten hölzernen Säulen und reich verziertem Baldachin lag. Sie rang nach Luft, und ihr Gesicht war qualvoll verzerrt, sie erlebte die letzten Momente ihres Lebens. Ich starrte sie verzweifelt an, überwältigt von heftigen Emotionen, denn ich wusste, die sterbende Frau war meine Mutter.

Als ich frühmorgens aus diesem Traum erwachte, war mir sehr unbehaglich zumute, und ich war voller Befürchtungen. Ich hatte das starke Gefühl, dass dieser Traum mit der Sitzung zusammenhing, die ich Pauline an diesem Tag geben würde, und verspürte einen starken Widerwillen, sie stattfinden zu lassen. Das hatte ich noch nie erlebt. Mein Unbehagen stand in scharfem Kontrast zu der Begeisterung, in die mich die Aussicht auf eine psychedelische Sitzung meistens versetzte. Ich lag im Bett, dachte über den Traum nach und versuchte meine unheimlichen Gefühle zu verstehen. Als der Tag anbrach und die Sonne in mein Schlafzimmer schien, verschwand meine eigenartige Stimmung allmählich. Ich kam wieder auf den Boden, und damit kehrte auch die Zuversicht zurück, die ich in Bezug auf unsere bevorstehende Sitzung empfand.

In den ersten Stunden von Paulines Sitzung passierte nichts Besonderes, das heißt, nichts, was ich nicht bereits schon einmal in solchen Sitzungen miterlebt hatte. Da Pauline eine hohe Dosis LSD genommen hatte, gingen ihre Erfahrungen natürlich tief. Sie erinnerte sich an hochemotionale Ereignisse aus ihrer Kindheit und Säuglingszeit, durchlebte noch einmal ihre schwierige Geburt und machte Erfahrungen mit transpersonalen Elementen aus dem kollektiven Unbewussten. Nach etwa fünf Stunden stieß Pauline auf eine Erinnerung aus ihrer Kindheit, bei der es um eine königliche Parade ging. Plötzlich begann sie, die britische Nationalhymne zu singen: »God save our gracious Queen, long live our noble Queen, god save the Queen …«

Während sie das sang, war sie auf einmal alarmiert. »Mein Gott, Stan, ich singe hier: ›God save the Queen.‹ Als ich Kind war, hatten wir einen König, keine Königin; warum singe ich dann ›God save the Queen‹?« Plötzlich verzerrten sich ihre Gesichtsmuskeln zu einem Ausdruck von großer Qual, der geradezu unheimliche Ähnlichkeit mit dem Gesichtsausdruck der sterbenden Königin aus meinem Traum hatte, an die ich mich genau erinnern konnte. »Stan, hier geht es gar nicht mehr um meine Kindheit«, fuhr sie fort. Sie war ganz offensichtlich verzweifelt und in großer Panik und rang heftig nach Luft. »Ich bin die Königin, und ich liege im Sterben.«

Zu der Zeit hatte ich schon häufig beobachtet, wie Menschen in psychedelischen Sitzungen ihren eigenen Tod erleben, sodass ich Paulines körperlichen Zustand nicht besonders alarmierend fand oder mir Sorgen um sie machte. Was mich jedoch erstaunte, war, dass sie mir meinen Traum aus der letzten Nacht vorführte und die sterbende Königin, die hier eine so zentrale Rolle gespielt hatte, präzise verkörperte.

Paulines Sitzung nahm ein glückliches Ende. Auf ihr Todeserlebnis durch Identifikation mit der alten Königin folgten die Wiedergeburt und ein »psychedelisches Nachglühen«, das mehrere Tage anhielt. Ihrer Meinung nach stammte ihre Erfahrung aus dem kollektiven Unbewussten oder möglicherweise auch aus ihrer eigenen karmischen Chronik. Sie sah darin einen Zusammenhang mit ihrer lebenslangen Faszination vom Königtum und ihrer Vorliebe für teure und extravagante Kleidung und Schmuck. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich den erstaunlichen Traum hatte, in dem ich Paulines Erlebnisse in der Sitzung vorausahnte. Hin und wieder fällt mir diese bemerkenswerte Synchronizität ein, und ich frage mich, woher sie kam und was sie zu bedeuten hatte. Hing diese seltsame Verbindung zwischen uns mit den psychedelischen Sitzungen zusammen, die ich selbst bei Pauline genommen hatte, und in denen ich als Fötus in einem guten Schoß und als Säugling an einer guten Brust symbiotisch mit ihr verschmolz?

* Säuglinge und Kleinkinder haben starke primitive Bedürfnisse nach instinktiver Befriedigung und Sicherheit, die Kinderärzte und Kinderpsychiater anaklitisch nennen (von gr. anaklinein, was so viel wie klammern oder anlehnen bedeutet). Dazu gehört das Bedürfnis, dass die Bezugspersonen das Kind halten, streicheln, trösten und mit ihm spielen und es im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit seiner Betreuer steht. Werden diese Bedürfnisse nicht befriedigt, hat das für das betroffene Individuum in seinem späteren Leben schwerwiegende Folgen.

Die Regenbogenbrücke der Götter

Im Reich der nordischen Sagen

Bedeutungsvolle und vielversprechende Synchronizitäten können Anzeichen für den Beginn eines tiefen spirituellen Erwachens sein und dieses begleiten. Doch manchmal werden sie auch zur Fallgrube. Vielleicht schenken uns diese Erlebnisse das überzeugende Gefühl, nicht nur eingebettet zu sein in einen größeren kosmischen Zusammenhang von Bedeutung und Sinn, sondern auch der Fokus oder das Zentrum dieses größeren Ganzen zu sein. Und doch kann das überwältigende Gefühl einer alles umfassenden Verbundenheit, das diese Synchronizitäten oft begleitet, uns in die Irre führen, und wir sollten nicht naiv darauf vertrauen und danach handeln. Wie die folgende Geschichte uns zeigt, sind selbst die wunderbarsten Synchronizitäten keine Garantie dafür, dass die Situation, in der sie auftreten, ein gutes Ende nimmt.

Die Ereignisse, die ich im Folgenden beschreibe, fanden etwa vier Jahre nach meiner Einreise in die Vereinigten Staaten statt. Zu der Zeit hielt ich Ausschau nach einer Lebenspartnerin, wobei mir wohlmeinende, besorgte Freunde unaufgefordert halfen. Ende 1971 erhielt ich einen Anruf von Leni und Bob Schwartz, die zu meinem engsten Freundeskreis gehörten. Ihr Haus in Lower Manhattan, das Lenis exzellenten Geschmack verriet, war ein beliebter Treffpunkt vieler kultureller Größen der damaligen Zeit, von Joseph Campbell bis hin zu Betty Friedan. Leni und Bob, beide am Apparat, waren ganz aufgeregt und erzählten mir abwechselnd von ihrer jüngsten Entdeckung. »Wir haben gerade einen ganz besonderen Menschen kennengelernt. Sie lebt in Miami und heißt Joan Halifax. Sie ist Anthropologin, eine schöne und kluge Frau. Sie hat Feldforschung bei den Dogon in Afrika und in der südlichen Sahara gemacht und führt außerdem Untersuchungen über die Santeria und andere karibische Religionen durch. Ihr beide habt so viel gemeinsam! Du wirst sie ganz bestimmt ins Herz schließen.«

Ich schrieb mir Joans Namen und Telefonnummer auf und dankte Bob und Leni für ihre Bemühungen. Aber nach einer gerade beendeten, stürmischen Beziehung (siehe Seite 191 ff.) war ich nicht bereit, mich gleich in die nächste zu stürzen. Gelegentlich wanderten jedoch meine Gedanken zu Joan, und ich stellte mir vor, wie unsere Begegnung verlaufen würde, und spielte mit dem Gedanken, sie anzurufen. Nach mehreren Monaten beschloss ich endlich, es zu wagen. Ich wollte die jährliche Konferenz der American-Psychiatric-Association in Dallas, Texas, besuchen, um dort die Resultate unserer Forschungen über LSD-Psychotherapie mit Krebspatienten im Endstadium vorzulegen. Die Konferenz endete an einem Freitag, und ich konnte auf dem Weg zurück nach Baltimore ohne weiteres einen Abstecher nach Miami machen und das Wochenende dort verbringen.

Ich wählte Joans Nummer, und als sie den Hörer abnahm, stellte ich mich vor und sagte: »Ich bin Stan Grof aus Baltimore. Unsere gemeinsamen Freunde Bob und Leni Schwartz erzählen mir ständig, dass wir beide uns kennenlernen sollten. Wären auch Sie daran interessiert? Ich könnte nächstes Wochenende nach Miami kommen. Ist es möglich, dass wir uns treffen?«

»Tut mir leid«, lautete Joans Antwort. »Ich bin nächstes Wochenende nicht hier, sondern in Dallas. Ich fahre zum Treffen der American-Psychiatric-Association, um von meiner Arbeit mit den Santeria zu berichten.«

»Das ist ja höchst interessant«, sagte ich und staunte über dieses Zusammentreffen. »Ich werde auch in Dallas sein und dieselbe Konferenz besuchen. Ich wollte auf dem Rückweg in Miami Station machen. In welchem Hotel wohnen Sie?«

»Im Baker-Hotel«, lautete Joans Antwort.