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»Man muss nicht perfekt und fehlerlos sein, um engagiert, freudvoll und gelassen zu leben. Es kommt darauf an, wie konstruktiv und achtsam wir mit den Anforderungen, Erwartungen und Herausforderungen des Alltags umgehen«, sagt Gabi Pörner. Sie zeigt auf lebendige und einfühlsame Art, wodurch wir uns wirklich unter Druck setzen, wie man mit der eigenen inneren Kraft der Mühle des Funktionierens entkommt und aus der gewonnenen persönlichen Stärke neue Perspektiven, Kreativität und Freude für den Alltag gewinnt. Die Autorin motiviert anhand einfacher Strategien und praktischer Übungen, so dass jeder individuelle Lösungen für den positiven Umgang mit Druck und Stress entwickeln und eigene Ressourcen für ein erfülltes Leben aktivieren kann.
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Das Buch
»Man muss nicht perfekt und fehlerlos sein, um engagiert, freudvoll und gelassen zu leben. Es kommt darauf an, wie konstruktiv und achtsam wir mit den Anforderungen, Erwartungen und Herausforderungen des Alltags umgehen«, sagt Gabi Pörner.
Auf lebendige und einfühlsame Art zeigt die Autorin, wie man mit der eigenen inneren Kraft der Mühle des Funktionierens entkommt und aus der gewonnenen persönlichen Stärke neue Perspektiven, Kreativität und Freude gewinnt. Ziel der ganzheitlichen Methode ist es, das eigene dynamische Gleichgewicht auch in Zeiten hoher Belastung und stetig wachsendem Druck von außen wieder herzustellen und beizubehalten. Einfache Strategien und praktische Übungen helfen dabei, individuelle Lösungen für den positiven Umgang mit Stress zu entwickeln und eigene Ressourcen für ein erfülltes Leben zu aktivieren.
Erleben Sie, wie die innere Sicherheit Mut macht und alles einfacher, klarer und leichter wird.
Die Autorin
Dr. Gabi Pörner ist Psychologin, Expertin für Persönlichkeitsentwicklung, effektive Selbstführung und Veränderungskompetenz. Seit 25 Jahren ist sie Trainerin für verschiedene Unternehmen und hat internationale Trainingsprogramme durchgeführt. Sie ist eine der gefragtesten Business Coaches für Führungskräfte, Hochleistungssportler und Privatpersonen. Sie ist NLP-Lehrtrainerin, ausgebildet in Hypnotherapie, Realtherapie und Somatic Experiencing.
Als Autorin veröffentlicht sie zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Selbstführung und Selbstvertrauen.
GABI PÖRNER
Positiv mit Druck und Stress umgehen
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ISBN 978-3-8437-1144-9
© 2015 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Lektorat: Marita Böhm
Umschlaggestaltung: Zero Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: Gettyimages/ © Thomas Vogel
Innenillustrationen: © fotolia: puckillustrations und designer_an
E-Book: LVD GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten.
Einleitung
Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.
Buddha
»Der Tag müsste 48 Stunden haben.«
»Ich bin so unter Druck – ich will nur noch meine Ruhe!«
»Es ist alles so stressig!«
Kennen Sie solche oder ähnliche Gedanken? Haben Sie auch manchmal den Eindruck, dass Sie sich wie ein Hamster im Rad drehen, auf 1000 Hochzeiten gleichzeitig tanzen und bei all dem Trubel nur noch – funktionieren? Möglicherweise kennen Sie auch das Gefühl, dass Sie – wieder einmal – nicht alles geschafft haben, was Sie sich vorgenommen haben, obwohl Sie von morgens bis abends geschuftet haben?
»Entspann dich endlich!« »Schalt doch mal ab!« »Mach doch mal Pause!« – So raten wohlmeinende gute Freunde. Als ob wir selbst noch nie auf diese Idee gekommen wären! Aber wieso klappt das nicht, obwohl wir doch eigentlich längst wissen, dass wir kürzer treten oder zumindest einen Gang runterschalten sollten, wenn wir unsere Lebensfreude, Gesundheit und Leistungsfähigkeit langfristig erhalten wollen? Wie kommt es, dass immer mehr Menschen nahezu täglich ihre geistig-körperlichen Grenzen ignorieren und sich immer mehr zumuten?
Wir leben in einer äußerst komplexen, unübersichtlichen und widersprüchlichen Welt, erleben seit geraumer Zeit einen rasanten technologischen, sozialen, wirtschaftlichen Wandel, der zu tief greifenden Veränderungen unserer Lebens- und Arbeitswelt geführt hat und zunehmend auf Hochleistung, Hochgeschwindigkeit, Konkurrenz, Erfolg und Konsum ausgerichtet ist.
»Der Schnelle frisst den Langsamen«, so lautet die Devise in Unternehmen zur Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. So mühen sich viele Menschen ab, in immer kürzerer Zeit immer mehr zu erledigen, bis sie völlig erledigt sind. Sie wollen möglichst viel in jede Minute hineinpressen, checken ihre E-Mails, während sie telefonieren, und verdoppeln ihre Anstrengungen, um endlich »gut genug« zu sein. Sie hetzen mit dem Handy durch den Tag und von einem Ort zum anderen, hecheln ihren Aufgaben hinterher und ärgern sich über alles, was ihren Tagesplan über den Haufen wirft – über die Kollegin, die schnell etwas wissen will, über eine Präsentation, die länger als angekündigt dauert, über den Stau auf der Autobahn, die Schlange im Supermarkt – schlicht darüber, dass wieder einmal nicht alles reibungslos läuft! Und wenn sie abends erschöpft nach Hause kommen, wollen sie nur noch eines: ihre Ruhe. Doch oft warten daheim Kinder, Haushalt und Partnerin oder Partner – und auch dort bemühen sie sich, Pflichten und Erwartungen zu erfüllen. Und wenn sie endlich im Bett liegen und schlafen könnten, beginnt nicht selten das Gedankenkarussell – und wieder ist nichts mit Ruhe. Also verschieben viele Menschen die Erholung aufs Wochenende. Aber da will man alles nachholen, was unter der Woche liegen geblieben ist, und jede freie Minute nutzen – Sport treiben, Freunde treffen, shoppen, das Neueste auf Facebook oder Twitter teilen, »leere« Zeiten ausfüllen mit Smartphone, TV oder Tablet – immer in der Angst, etwas Wichtiges zu verpassen. Kurz: Erholung findet auch hier meist nicht ausreichend statt.
Aber wieso glauben wir eigentlich, dass wir immer noch schneller und noch mehr in immer kürzerer Zeit leisten können? Sind viele von uns nicht in einen Zeitoptimierungswahn und eine Perfektionsfalle geraten und jagen der Illusion des immerwährenden wirtschaftlichen Wachstums und der Gewinnmaximierung nach? Schneller, höher, weiter. Besser? Wirklich? Für wen?
Da ist es doch kein Wunder, dass sich viele Menschen in Anbetracht der unterschiedlichen Anforderungen und Aufgaben, die von außen an sie herangetragen werden, fremdbestimmt, getrieben und ausgelaugt fühlen. Es ist doch nachvollziehbar, dass sie zwischen Arbeit, Partnerschaft, Kindern, privaten Geborgenheitswünschen hin- und hergerissen sind und oftmals das Gefühl haben, eigentlich keiner Seite gerecht zu werden. Ist es nicht verständlich, dass immer mehr Menschen rastlos, angespannt und nervös sind, weil sie unter innerem Druck und Stress leiden?
Wenn dann noch private Krisen und Herausforderungen, wie etwa die Trennung vom Partner, Geldsorgen, Krankheit oder die Pflege der Eltern hinzukommen, steigt der innere Druck weiter, und es wird immer schwieriger, den eigenen Ansprüchen sowie den Erwartungen anderer gerecht zu werden. Wer sagt, dass wir allen Anforderungen gerecht werden müssen?
Seit Jahren melden Krankenkassen steigende Zahlen von Burn-out, Ängsten, Depressionen und anderen Krankheiten als Ergebnis unserer erlebten Anforderungen. Kann es nicht sein, dass Psyche und Körper damit nonverbal ein »So geht es nicht weiter« ausdrücken?
»Ich träume von einer einsamen Insel«, erzählte mir ein Trainingsteilnehmer. »Niemand will etwas von mir, niemand zerrt an mir«, und beschreibt damit die Sehnsucht vieler Menschen nach Ruhe, Frieden und Rückkehr zu sich selbst. Diese Sehnsucht will wahrgenommen, ernst genommen und in unser Leben integriert werden. Wir brauchen die Verbindung zu uns selbst als innere Heimat, als essenziellen Bezugspunkt, der uns Halt, Sicherheit und Orientierungshilfe gibt, denn vor lauter TUN wird das SEIN oftmals in den Hintergrund gedrängt. Und wir brauchen als Gegengewicht zum Stress und der Hektik des Alltags Oasen der Ruhe und Erholung, in denen wir unsere Batterien aufladen, wieder an unsere innere Kraft und Stärke andocken und unser Leben aktiv gelassen und motiviert gestalten können, statt nur zu funktionieren. Der konstruktive Umgang mit Druck und Stress ist ein zentrales Thema in unserer Gesellschaft und gewinnt für jeden Einzelnen von uns mehr und mehr an Bedeutung. Wie schaffen wir es, in herausfordernden Situationen präsent und klar zu bleiben? Wie können wir uns angemessen abgrenzen, sodass wir unseren eigenen Standpunkt souverän darlegen können?
Ich interessiere mich seit vielen Jahren für das Thema »Stress und Gelassenheit« und beschäftige mich seit Langem mit den Auswirkungen gesellschaftlicher Einflüsse auf den Einzelnen, aber auch mit westlichen und östlichen Methoden zur Erforschung von Body-Mind-Ansätzen, Entspannungsmethoden und Meditation. Es freut mich, dass Meditation seit einigen Jahren wissenschaftlich erforscht wird und zahlreiche Erfolge nachweisen kann. Mir ist es ein Anliegen, Theorie und Praxis miteinander zu verknüpfen, sodass Sie neue Perspektiven und praktische Lösungen finden und diese konkret und sicher umsetzen können.
In diesem Buch geht es NICHT um Selbstoptimierung zum Zweck einer noch effektiveren Selbstausbeutung. Vielmehr geht es um Sie selbst und darum, was hinter dem Gefühl des Getriebenseins stecken könnte. Es geht um Ihre Beziehung zu sich selbst wie zu anderen. Es geht darum, wie Sie neue Lebenskraft und Energie gewinnen, eine ganz individuelle dynamische Balance in Ihrem Leben herstellen können. Mir ist es wichtig, dass Sie ein Verständnis für die Seite in sich entwickeln, die Sie zu so viel Arbeit und Action antreibt, dass Sie dadurch gestresst sind.
Dabei befassen wir uns ausführlich mit den Antworten auf folgende Fragen:
•Wodurch geraten Sie unter Druck und in Stress? – Was sind die wirklichen Ursachen?
•Wie können Sie ein Mehr an innerer Freiheit und Flexibilität gewinnen?
•Wie können Sie gut für Ihr Wohlbefinden sorgen?
•Wie können Sie Ihre innere Kraft und Stärke reaktivieren?
•Wie können Sie eine gute, wohlwollende Beziehung zu sich selbst herstellen und wertschätzend mit sich umgehen?
•Was können Sie ganz konkret tun, wenn Sie doch mal unter Druck stehen?
•Wie können Sie im Alltag aktiv gelassen und besonnen handeln, auch wenn die äußeren Bedingungen nicht ideal sind?
Letztlich geht es in diesem Buch um die Qualität Ihres Lebens, um Selbstverwirklichung und um die Frage, wie Sie sich selbst bewusst führen und zufrieden leben können. Am Ende eines jeden Kapitels bekommen Sie erprobte Übungen, wirkungsvolle Methoden und Techniken an die Hand, mit deren Hilfe Sie Ihre zugrunde liegenden Stressmuster erkennen und Ihren ganz persönlichen Weg zur Gelassenheit finden können. Sie brauchen nicht den Beruf zu wechseln, Sie müssen auch nicht ins Kloster oder barfuß nach Santiago oder auf die einsame Insel. Sie können mit dem Streben nach Gelassenheit und innerem Frieden genau hier und genau jetzt, an dem Platz, an dem Sie sind, beginnen, denn der wichtigste Schritt ist die Entschlossenheit, konstruktiv mit Druck und Stress umgehen zu wollen.
Wundern Sie sich nicht, wenn manches im Buch wiederholt wird. Das ist durchaus beabsichtigt und dient zum tieferen Verständnis. Hilfreich ist es zudem, wenn Sie sich dazu ein Notizbuch besorgen, in das Sie Ihre persönlichen Erfahrungen und Antworten eintragen. Dadurch, dass Sie Ihre Erkenntnisse, Gedanken und persönlichen Fortschritte in Ihrem »Logbuch« notieren, werden Ihnen die Zusammenhänge noch bewusster. Sie gewinnen Schritt für Schritt Abstand zu einengenden mentalen Mustern, lernen Neues dazu und bekommen mehr an Wahlfreiheit, Kompetenz, Kraft und innerer Sicherheit. Dies wirkt sich wohltuend auf Ihre Stimmungslage und Motivation aus und dient dem langfristigen Erhalt Ihrer Gesundheit. Und nicht nur das – wenn wir wertschätzend mit uns selbst umgehen, überträgt sich dies auch auf die Beziehungen zu unseren Mitmenschen.
Dieses Buch soll Sie dabei unterstützen, mehr Zuversicht, Selbstvertrauen, Klarheit und innere Stärke zu entwickeln, um den Wechselfällen des Lebens, Herausforderungen und Anforderungen konstruktiv begegnen und in dynamischer Balance bleiben zu können.
Ein bekanntes Sprichwort lautet »Vorbeugen ist besser als Heilen«. Das ist wohl wahr. Und so liegt es in unserer eigenen Verantwortung, wie bewusst wir uns selbst führen, gerade auch dann, wenn wir in herausfordernden Situationen stecken und nicht allen Ansprüchen gerecht werden können.
Ich bin davon überzeugt, dass wir Menschen alle Ressourcen in uns tragen, die wir für unsere Veränderung und Weiterentwicklung brauchen, sodass wir zufrieden und erfüllt leben können. Es geht nicht von heute auf morgen, aber es geht, das weiß ich aus jahrelanger Erfahrung im Trainings- und Coachingbereich. Natürlich wird es immer wieder hektischere Zeiten geben. Ja und? Das Gute ist, dass jeder auf seine Weise lernen kann, positiv mit Druck und Stress umzugehen. Dies ist ein lebenslanger Entfaltungs- und Lernprozess, der sich wirklich lohnt.
Dazu wünsche ich Ihnen viel Freude und Ausdauer!
Noch etwas vorneweg:
Am besten wäre es, wenn Sie sich jetzt gleich von dem Ideal der immerwährenden gleichmütigen Gelassenheit, des ewigen inneren Friedens und der absoluten Ruhe verabschieden, auch wenn Sie sich das noch so sehr wünschen sollten. Obwohl dies ein wertvolles Idealziel ist, gilt es anzuerkennen, dass Probleme, Herausforderungen und ein gewisses Maß an Stress im Alltag zum Leben, zum Lernen, zur Entwicklung gehören. Sie sind das Salz in der Suppe, und unser Job ist es, darauf zu achten, dass die Suppe nicht versalzen wird, sondern genau die Zusammensetzung hat, damit sie »rund« schmeckt und uns guttut.
Sie müssen nicht perfekt, fehlerlos und pausenlos im Einsatz sein, um sich dann, irgendwann in ferner Zukunft, in Ihrer Haut wohlfühlen zu dürfen, sich irgendwann des Lebens zu freuen. Starten Sie lieber jetzt damit, denn das Leben findet immer nur JETZT und HIER statt.
Und noch etwas vorneweg:
Auf meiner Webseite finden Sie als Zusatzangebot Interviews in Form eines Fragebogens, den Frauen und Männer unterschiedlichen Alters, in unterschiedlichen familiären Konstellationen und mit Berufen, die, wie ich unterstellte, mit Stress verbunden sind, ausgefüllt haben. Teilgenommen haben Carina Vogt, Weltmeisterin im Skispringen und Polizistin, Sascha Benecken, Weltcupgesamtsieger im Rennrodeln, Marina Sanavio, selbstständige Versicherungsmathematikerin, Bettina P., die mit ihrer Familie in London lebt und arbeitet, Susanne Dix, Mediatorin und Therapeutin, Stephan Winkler, Hoteldirektor eines 5-Sterne-Resorts in Bali, Matthias Ehrlich, ehemaliger Vertriebsvorstand von 1&1, und Jörg Marks, Geschäftsleiter Technik & Bau und Gesamtprojektleiter BER beim Flughafen Berlin Brandenburg. Sie berichten über ihre Erfahrungen im Umgang mit Stress und Gelassenheit, beschreiben, welche Ressourcen ihnen Kraft geben, um sich herausfordernden Situationen zu stellen, und geben Tipps zum konstruktiven Umgang mit Druck und Stress.
Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass alle so ehrlich und offen über sich geschrieben haben. Vielen, vielen Dank an alle, die mitgemacht haben. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist.
www.Tim-Training.de
Nun beschäftigen wir uns als Erstes damit, was Stress ist, wann er uns schadet, wofür wir ihn brauchen und wodurch er für uns als Wecksignal für ein erfülltes Leben werden kann.
Pausenlos powern – o Stress, lass nach!
Die größte Herausforderung ist nicht, etwas Bestimmtes zu werden oder zu haben, sondern mit dir selbst in Frieden zu sein – unabhängig von äußeren Umständen.
Chris Hunt
Wir leben in einem vergleichsweise sicheren Land, haben in der Regel ein Dach über dem Kopf, genug zum Essen und zum Trinken, verdienen unseren Lebensunterhalt, haben Freunde, mit denen wir uns austauschen können. Und doch sind viele von uns im Stress und eilen von einem Termin zum nächsten. Das Credo unserer Gesellschaft könnte lauten: »Ich hetze, also bin ich.« Oder, wie Tim Bentzko singt: »Ich muss nur noch kurz die Welt retten, noch 148 Mails checken, wer weiß, was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel.«
Vielleicht kommt Ihnen folgende Situation bekannt vor:
Herr Müller soll in seiner Firma vor einem wichtigen Kunden eine Präsentation halten. Er, der gern präsentiert, ist gut vorbereitet. Da er noch den Meetingraum checken will, geht er extra früh aus dem Haus und fährt gut gelaunt auf der Autobahn. Doch die beschwingte Stimmung währt nur kurz – ausgerechnet heute fahren lauter lahme Enten auf der linken Spur, die nicht daran denken, ihn vorbeizulassen. Er ärgert sich über die »Schnarchschnecken«, und es dauert nicht lange, da kommt der Verkehr zum Stehen. »So ein Mist!« Im Radio hört er die Staumeldung für seinen Autobahnabschnitt, und eine freundliche weibliche Stimme weist darauf hin: »Bitte weichen Sie auf die umliegenden Straßen aus.« Auch das noch! Ausgerechnet heute ein Stau – typisch! Herr Müller stöhnt auf, sein Herz schlägt schneller, vor lauter Wut würde er am liebsten aufs Gaspedal treten und seinem Vordermann mutwillig ins Auto fahren. Das tut er natürlich nicht, sondern er telefoniert mit seinem Kollegen und bittet ihn, den Meetingraum vorzubereiten und im äußersten Notfall seine Präsentation zu übernehmen. Gut, dass er ihm vorher noch die Präsentation per Mail geschickt hatte! Immer wieder schaut Herr Müller auf die Uhr. Er kommt ins Schwitzen und malt sich aus, dass er nicht rechtzeitig erscheint, dass der Auftrag flöten geht, dass sein Chef sauer ist, dass aus seiner anstehenden Beförderung nichts wird. Seine Gedanken drehen sich im Kreis, er wird immer hektischer und nervöser. Endlich geht es weiter, er rast los, ärgert sich über jede rote Ampel – die ganze Welt hat sich gegen ihn verschworen – und schafft es trotz allem noch, kurz vor dem Meeting in der Firma einzutreffen. So hat er noch ein paar Augenblicke Zeit, um Luft zu holen, durchzuatmen, sich zu beruhigen und sich innerlich zu sammeln. Sein Kollege hat alles vorbereitet, Herr Müller kontrolliert noch mal, ob alles für ihn passt, und ist froh, dass er es rechtzeitig geschafft hat. Da kommen schon die Teilnehmer, das Meeting beginnt. Jetzt freut er sich auf seine Präsentation, ist wach, klar und weiß, was er sagen will. Und wieder schlägt sein Herz schneller.
Solcherlei Stresssituationen ereignen sich in Variationen immer wieder. Doch – was ist Stress überhaupt? Kommt Stress nur dann vor, wenn etwas anders als geplant läuft? Wofür ist Stress gut, und was passiert, wenn Stress chronisch wird?
»Ich bin so im Stress«, sagen viele Leute. Damit wollen sie ausdrücken, dass sie viel zu tun haben, dass sie einen hektischen Tag hatten oder unter Zeitdruck stehen, dass viele unterschiedliche Dinge auf sie einstürmen und sie nicht wissen, wie sie alles unter einen Hut bekommen sollen. Sie sind im Stress, wenn sie mit einem Kollegen einen Konflikt oder mit dem Partner Streit haben.
Die Teilnehmer meines letzten Trainings zum Thema »Stresslösung und Ressourcenaktivierung« verstanden unter Stress:
•Abwesenheit von Ausgeglichenheit
•Anspannung, Druck
•Zeitdruck
•einen Belastungszustand
•Hektik und Nervosität
•Stress – das Normalste der Welt
•Positiver Stress – motiviert – »Go!«
•Negativer Stress – demotivierend – »Stopp!«
Stress gehört zum Leben wie die Luft zum Atmen, dennoch wird er im heutigen Sprachgebrauch meist negativ bewertet – kein Wunder bei all den schädlichen Folgen, die chronischer Stress mit sich bringen kann. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht im Stress eine der größten Gesundheitsgefahren für das 21. Jahrhundert.
Was ist Stress?
Der Begriff »Stress« stammt aus dem Lateinischen: »stingere« – anspannen, bzw. aus dem Englischen: »stress« – Druck, Anspannung. Ursprünglich wurde er in der Werkzeugkunde verwendet, um herauszufinden, welche Bedingungen es braucht, damit ein Bauwerk äußeren Einflüssen wie Wetter oder Naturkatastrophen standhält. Der Urvater der Stressforschung, der ungarisch-kanadische Mediziner Dr. Hans Selye, adaptierte den Begriff und bezeichnete bereits in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Stress als eine »unspezifische Antwort des Körpers auf jede Anforderung, die an ihn gestellt wird«. Er unterscheidet dabei stressauslösende Situationen, sogenannte Stressoren, von Stressreaktionen. Er war es auch, der die Begriffe Eustress und Distress prägte, wobei er Eustressals »Würze des Lebens« betrachtete (»eu«, vom Griechischen abgeleitet, bedeutet »gut«) und damit positiven, motivierenden, aufmerksamkeitssteigernden Stress verband, der uns leistungsfähig macht, zum Beispiel Lampenfieber vor einem wichtigen Termin oder bei interessanten, herausfordernden Aufgaben. Eustress entsteht auch, wenn man sich verliebt, heiratet, bei einem spannenden Fußballspiel oder Skispringen live oder im Fernsehen für seine Favoriten mitfiebert.
Selye benutzte den Begriff Distress (»dis« – aus dem Lateinischen mit der Bedeutung »schlecht«) für negativen Stress, der als Belastung empfunden wird.
Wenn wir heute alltagssprachlich von Stress sprechen, meinen wir in aller Regel Distress. Dank neuerer Forschungen und achtsamkeitsbasierter Ansätze entwickelte sich ein vertieftes Wissen und Verständnis für das ganze Thema Stress, Stresslösung und Gelassenheit. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Stresstheorien kann heute zusammengefasst Folgendes unter »Stress« verstanden werden:
Stress ist eine instinktive Reaktion auf akute Gefahr. Äußere oder innere Stressauslöser rufen blitzschnell Stressreaktionen hervor, die sich körperlich, emotional, mental und im Verhalten zeigen und dem Überleben dienen.
Vor ein paar Wochen war ich unterwegs zur Hochzeit meiner Nichte. Es war schönes Wetter, und ich fuhr mit 160 km/h auf der Autobahn auf der Überholspur. Plötzlich schleuderte der Wagen vor mir nach links zur Leitplanke, nach rechts und dann wieder nach links und blieb schließlich abrupt quer zur Leitplanke stehen. Ich sah einen Reifen wegrollen. Schlagartig drückte ich auf die Bremse. Ich dachte überhaupt nichts, war nur vollkommen wach und klar. Mein Wagen schleuderte und stoppte etwa einen Meter vor dem anderen Auto. Nach einer Schrecksekunde stieg ich aus und ging zu der Frau, die benommen hinter dem Lenkrad saß. Das Fahrzeug, das ich überholt hatte, hielt auch. Es war eine KFZ-Mechanikerin, die sofort ein Warndreieck aufstellte und die Polizei anrief. Im Nu war die Autobahn dicht. Ich funktionierte gut, hatte keinerlei Gefühle, hielt die verunfallte Frau am Arm, sprach mit ihr und wartete, bis Polizei und Krankenwagen kamen. In dieser unvorhergesehenen Situation hatte meine rasche Stressreaktion tatsächlich etwas mit Überleben zu tun! Schließlich fuhr ich weiter. Nach etwa 50 km begann ich zu zittern, konnte mich nicht mehr ruhig halten, begann zu weinen. Alles Zeichen, dass sich die Stressenergie wieder löste. Ich hatte bis dahin gar nicht gemerkt, dass mein ganzes System im Ausnahmezustand gewesen war, war nur sehr froh gewesen, dass meine Reflexe so gut funktioniert hatten! Bei der nächsten Gelegenheit verließ ich die Autobahn, machte einen kurzen Spaziergang, aß und trank etwas und konnte dann – wieder beruhigt – meine Reise fortsetzen.
Typische Stressauslöser
Viele äußere und innere Ursachen können uns stressen: Hitze und Kälte, Hunger und Durst, Lärm, Luftdruckveränderungen, hohe Abgaskonzentration in der Luft, das Großstadtleben, Vergiftungen, aber auch körperliche Beschwerden und Krankheiten, Operationen, der Tod eines uns nahestehenden Menschen, Probleme und Sorgen, Konflikte oder Ärger in der Partnerschaft oder/und mit Kindern, wenig Zuspruch und mangelnde Unterstützung vonseiten des Partners, finanzielle Sorgen, Pflege der Eltern, Einsamkeit.
Im beruflichen Umfeld zählen zu den typischen Stressauslösern: Umstrukturierungen in der Firma, Termindruck, eine neue Arbeitsstelle, neue Arbeitsprozesse und Technologien, Übermotivation oder Unterforderung, Konkurrenz, permanente Erreichbarkeit, Telefonate über verschiedene Zeitzonen in Englisch, häufige Unterbrechungen der Arbeitsabläufe, schlechtes Arbeitsklima und Unzufriedenheit im Beruf, unfaires Verhalten, fehlende Anerkennung oder Druck durch Führungskräfte, Prüfungen oder der Versuch, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren und allen Seiten gerecht zu werden.
Sie wissen selbst, wie viele Situationen Stress auslösen können. Manche Stressauslöser nehmen wir kaum wahr. Gravierende Lebensereignisse wie zum Beispiel Unfälle, Hochzeit, Scheidung, Krankheit, das Antreten einer neuen Arbeitsstelle oder die Entlassung aus einer Firma beschäftigen uns über einen längeren Zeitraum, in dem wir das Vergangene verarbeiten und integrieren. Stress kommt oftmals auf, wenn ein anderer einen Standpunkt vertritt, der dem unsrigen diametral entgegengesetzt ist und damit unsere bewussten oder unbewussten Einstellungen infrage stellt oder gar abwertet. Stress und Druck entstehen auch, wenn wir aus unseren vertrauten Gewohnheiten gerissen werden und an unsere bisherigen Grenzen stoßen, aber auch dann, wenn wir unsere eigenen Ansprüche nicht erfüllen oder den Erwartungen anderer nicht gerecht werden. Und auch dann, wenn andere unseren unausgesprochenen Erwartungen an sie nicht entsprechen. Und oft reicht allein schon ein negativer Gedanke, um das ganze Stresssystem zu aktivieren!
Tatsache ist, dass häufig unsere Einstellungen in Bezug auf die Situation Druck und Stress auslösen und nicht die Situation selbst! Neue, überraschende, unvorhergesehene, vermeintlich oder tatsächlich gefährliche Situationen, für die wir augenblicklich noch keine klare Handlungsstrategie parat haben, führen zu Stressreaktionen ebenso wie Situationen, in denen unser Selbstbild gefährdet ist. Auch Stress der Mutter im Mutterleib und in der frühen Kindheit kann im späteren Leben Auswirkungen haben. In einer amerikanischen Langzeituntersuchung von Cory Burghy et al. konnte nachgewiesen werden, dass weibliche Babys und Kleinkinder, deren Eltern sich häufig streiten oder nervös und genervt sind, im Alter von 18 Jahren stärker unter Ängsten und Depressionen litten als Gleichaltrige, deren Elternhaus harmonisch war.
Typische Stressreaktionen
Auch wenn ich davon ausgehe, dass Sie die verschiedensten Stressreaktionen kennen, werde ich sie kurz vorstellen.
Stress entsteht allgemein dann, wenn unser Nervensystem aus der Balance gerät. Physiologisch wird vom autonomen Nervensystem, dem willens- und bewusstseinsunabhängigen System, der Sympathikus aktiviert, blitzschnell werden die Hormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausgeschüttet, diverse physiologische Prozesse werden in Gang gesetzt, die uns hellwach machen und uns auf eine rasche Hochleistung vorbereiten. Ein Teil des Großhirns wird blockiert, da jedes Nachdenken schädlich sein könnte. Alles, was wir in diesem Moment nicht zum Überleben brauchen, wird zurückgefahren – Regenerationsprozesse des Körper werden unterbunden, Appetit, Verdauung und Lust auf Sex verlieren völlig an Bedeutung.
Dieser Mechanismus existiert seit Jahrtausenden und verhalf unserer Spezies zu überleben. Damals, in den Zeiten des berühmten Säbelzahntigers, war bei drohender Gefahr rasches Handeln unumgänglich – unser System entschied sich in Windeseile für eine der drei Reaktionsmöglichkeiten, mit Stress umzugehen: Kampf gegen, Flucht vor gefährlichen Tieren oder Totstellreflex. Wenn weder Kampf noch Flucht möglich waren, dann verhielt man sich still und stellte sich tot, bis die Gefährdung vorüber war.
Nach solchen Stresssituationen gab es wieder Zeiten der Ruhe und Entspannung, in denen man Verletzungen auskurieren und wieder zu Kräften kommen konnte. Hier dominiert der Gegenspieler des Sympathikus – der Parasympathikus, der für Wachstum, regenerative Prozesse und Nahrungsaufnahme zuständig ist.
Befinden wir uns heute in einer Stresssituation, spielt sich immer noch der gleiche uralte innewohnende Mechanismus in uns ab. Unser ganzes inneres System bereitet sich schleunigst auf Hochleistung vor, stellt uns jede Menge Energie zur Verfügung, damit wir kämpfen oder weglaufen können. Unser System verhält sich so, als ob der Säbelzahntiger noch immer hinter uns her wäre! Während unsere Vorfahren sich nach einer belastenden Stresssituation genügend Erholungspausen zur Regeneration und Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts gönnten, erleben wir heutzutage mehrmals täglich oder gar chronisch Stress. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir in einer Gesellschaft leben, die gierig dem nächsten Adrenalinkick nachjagt und ständig aufgeregt in Alarmbereitschaft ist. Ein Hype jagt den nächsten, wir werden täglich von außen angestoßen, etwas zu konsumieren, bekommen medial jede Menge Angebote, uns über alles Mögliche aufzuregen, zum Beispiel über Politik, Wirtschaft, Sport, das Leben der Promis. Wenn ich in der U-Bahn oder am Flughafen bin und mich umschaue, sehe ich fast nur Menschen, die mit ihrem Smartphone beschäftigt sind, um ja nichts zu verpassen. Im Fernsehen vergeht kaum ein Tag ohne Krimi, ohne neues Drama. Bei ständigem Stress schüttet unser Körper kontinuierlich Cortisol aus, verspannt sich chronisch, unser Immunsystem wird geschwächt, die Zellen bekommen nicht mehr den nötigen Sauerstoff, im Körper finden keine Reparaturprozesse statt, und langfristig ist anhaltender Stress schädlich. Peter Levine, der Begründer von Somatic Experiencing®, einer effektiven Methode zur Lösung von traumatischem Stress, verglich chronischen Stress mit einem Auto und meinte, das sei, als wenn jemand immer auf dem Gaspedal stünde. Damit ein Auto gut auf den Straßen fahren könne, müsse man ja auch das Bremspedal benutzen. Gaspedal und Bremse müssen besonnen benutzt und in einem abgestimmten, harmonischen Verhältnis zueinander stehen. Das Gleiche gilt für unseren Körper, auch hier sollten sich Sympathikus und Parasympathikus ausbalanciert abwechseln. Es können verschiedene typische Stressreaktionen unterschieden werden.
Körperliche Stressreaktionen
Erlebt ein Mensch beispielsweise einen unerwarteten Konflikt mit seinem Partner, eine plötzliche Abwertung vonseiten des Chefs in einem Meeting, kann das als Stress erlebt werden und zu körperlichen Reaktionen führen. Nach einer Schrecksekunde beginnt sein Herz, schneller zu schlagen, er atmet schneller und flacher, der Blutdruck steigt. Er spürt eine innere Unruhe und wird nervös, hektisch, kann feuchte Hände bekommen, dazu wird ihm warm, seine Wangen fangen an zu glühen. Er spürt vielleicht einen Druck im Magen und beißt die Zähne zusammen, alle Muskeln spannen sich an. Der ganze Körper ist bereit zum raschen Handeln.
Chronischer Stress kann zu Erschöpfung, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, aber auch zu Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Kopfschmerzen, Hormonstörungen oder Reizdarm führen. Infolge der geschwächten Immunabwehr kommt es wiederholt zu Infektionen. Auch Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfälle können mit chronischem Stress zu tun haben. Möglicherweise verändert sich durch permanenten Stress sogar die menschliche Genetik.
Mentale Stressreaktionen
Bei kurzfristigem Stress sind Menschen hellwach, die Sinne geschärft. Eventuelle Müdigkeit ist sofort verflogen!
Bei anhaltendem Stress dagegen haben Menschen Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und bei einer Sache zu bleiben, sie können schlechter planen, beginnen mit einer Aufgabe, lassen sie dann liegen und fangen mit der nächsten an. Oft werden Menschen im Dauerstress vergesslich, sie verlegen Gegenstände und suchen ständig danach, oder sie können kaum mehr zuhören und sich Dinge schlecht merken, manchmal leiden sie auch unter Wortfindungsstörungen. Ihre Gedanken kreisen, sie sind in der Denk- oder Grübelfalle gefangen oder kritisieren sich übermäßig. Logisches Denken und Problemlösen fällt ihnen zunehmend schwerer, Selbstreflexion und Selbstmotivation lassen nach, sie zweifeln an sich und am Sinn ihrer Arbeit, an ihrer Partnerschaft und schließlich sogar am Sinn ihres Lebens. Sie zweifeln an allem, nur nicht an ihrem Verstand!
Emotionale Stressreaktionen
Kurzfristige Stressreaktionen können, besonders wenn sie mit Erfolgserlebnissen verbunden sind, ungeheuer motivieren, doch bei lang andauerndem Stress fühlen sich viele Menschen zunehmend unsicher, haben Angst, »es nicht zu schaffen«, zu versagen, sich lächerlich zu machen, nicht mehr anerkannt oder geliebt zu werden. Sie können Emotionen weniger steuern, gehen schnell an die Decke, können mit Panikattacken reagieren, aber auch mit Lustlosigkeit, Teilnahmslosigkeit, Depression, Resignation. Sie können sich ausgelaugt und als Opfer fühlen, nehmen Dinge sehr schnell persönlich und fühlen sich rasch angegriffen.
Verhaltensbezogene Stressreaktionen
Bei kurzfristigem Stress ist eine sofortige Handlungsbereitschaft da, was manchmal lebensrettend sein kann.
Bei chronischem Stress hingegen neigen Menschen beispielsweise dazu, hastig und übermäßig zu essen, zu trinken, zu rauchen, Beruhigungsmittel oder andere Drogen zu nehmen. Sie hängen süchtig vor dem PC oder kaufen häufig Klamotten, sind unentwegt in Aktion, können keine Minute ruhig sitzen, treiben exzessiv Sport, wollen mehrere Dinge gleichzeitig machen, muten sich zu viel zu, treiben sich unentwegt an und gönnen sich keine Pause, reagieren rasch gereizt, gehen bei Kleinigkeiten schnell an die Decke oder ziehen sich von anderen zurück, wirken gleichgültig, sprechen nur das Nötigste und machen Dienst nach Vorschrift.
Manche Menschen spüren bei Stress stark ihre körperlichen Symptome, andere nehmen mehr ihre Gedanken wahr, wieder andere werden von ihren Emotionen dominiert oder nehmen überhaupt keine mehr wahr, und andere spüren den Stress in erster Linie am Verhalten und ihren Reaktionen im Umgang mit anderen. Man sieht Menschen, die über einen längeren Zeitraum gestresst sind, oft an, dass sie belastet sind.
Stressreaktionen hängen wesentlich davon ab, wie wir die auslösenden Situationen bewusst oder unbewusst bewerten. Unsere Bewertungen einer äußeren Situation wiederum hängen von vielerlei Einflüssen ab – von unseren persönlichen Erfahrungen, gespeicherten Erlebnissen, Zielen, von unseren kulturellen und individuellen Werten und Bedürfnissen. Auch unsere Einstellungen, unsere Erwartungen und Ansprüche, unsere Rollen und unser Selbstbild haben einen großen Einfluss bei der Bewertung einer Situation. Daran ist zu erkennen, welchen maßgeblichen Einfluss unsere inneren Muster auf unsere Stressreaktionen haben, die durch äußere Situationen ausgelöst werden. So kann die gleiche Situation bei dem einen Menschen starke Stressreaktionen hervorrufen, während sie beim anderen nur ein mildes Lächeln hervorruft und den Dritten anspornt und motiviert.
Angenommen, einer aus dem Freundeskreis soll zum 40. Geburtstag des Gastgebers eine Rede halten. Frau Renner meldet sich freiwillig. Ihr macht es Spaß, sich zu zeigen, vor anderen zu reden und sie zu unterhalten. Sie hat schon oft vor Gruppen geredet und weiß, dass sie gut ankommt. Herrn Schneider dagegen würde dies in höchste Bedrängnis bringen. Er mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen, hat Angst, aus dem Konzept gebracht zu werden und den roten Faden zu verlieren, wenn alle Blicke auf ihn gerichtet sind.
Wie gesagt, wir geraten oftmals nicht durch äußere Situationen, sondern durch unsere individuellen bewussten oder unbewussten Interpretationen der Situation in Stress. Äußere Situationen fungieren demzufolge als Einladungen, auf die wir entsprechend unserer inneren Muster reagieren. Weil unsere Stressreaktionen aber so schnell ablaufen, sind wir uns oft unserer Bewertungen nicht bewusst, schreiben sie allein den auslösenden Situationen zu und wundern uns, dass wir uns anders verhalten, als wir uns vorgenommen haben.
Ein Mann kam zum Coaching zu mir, weil er nicht verstand, warum er in Meetings immer wieder wütend reagierte, wenn ein bestimmter Kollege ihm widersprach. Er fühlte sich von ihm persönlich angegriffen und hatte sich schon oft vorgenommen, gelassen zu bleiben, doch immer wieder wurde er laut und ärgerte sich hinterher maßlos über sich selbst und sein Verhalten. Er wusste ja, dass dieses Verhalten langfristig seiner Karriere abträglich sein würde! Ganz offensichtlich war er in einem Muster gefangen. Erst als er erkannte, dass der Tonfall und die Mimik des Kollegen ihn unbewusst an seinen kritisierenden Vater erinnerten, konnte er seine Gefühle der Beschämung und Demütigung aus der Vergangenheit integrieren. Erst dann konnte er sich aus der unbewussten Übertragung und Reiz-Reaktion-Koppelung lösen und wahrnehmen, dass der Kollege ihn mit seinen Äußerungen nicht angriff, sondern diese sachlich hinterfragte, um die Zusammenhänge besser verstehen zu können.
Wir kennen als prototypische Stressreaktion den Kampfreflex, den Fluchtreflex und den Totstellreflex. Es gibt aber auch noch den Orientierungsreflex. Wenn wir zum Beispiel im Wald spazieren gehen und plötzlich ein Geräusch hören, halten wir inne, nehmen eine Habachtstellung ein, wenden uns mit dem ganzen Körper in diese Richtung und schauen, ob Gefahr droht. Dabei verengen sich die Augen, der Kopf hebt sich leicht nach oben, wir sind wachsam und überprüfen die Umgebung. Wenn wir die Situation als ungefährlich bewertet haben, machen wir einen tiefen Atemzug und gehen beruhigt weiter. Haben wir sie als gefährlich eingestuft, macht sich unser Körper automatisch bereit für Kampf oder Flucht. Bei chronischem Stress kann es passieren, dass sich unser Nacken über die Maßen anspannt, wir quasi im Orientierungsreflex stecken bleiben. Wir können den Nacken wieder lösen, indem wir den Kopf immer wieder leicht anheben, dabei die Wirbelsäule strecken, langsam und bewusst den ganzen Oberkörper nach rechts und links drehen und dabei die Umgebung genau wahrnehmen. Als Entspannungsreaktion erfolgt ein tiefes Atmen.
Wofür ist Stress gut?
•Während chronischer Stress uns schadet, ist kurzfristiger Stress sinnvoll. Er hilft uns in akuten Situationen, Gefahren zu meistern und Herausforderungen anzunehmen.
•Dadurch sind wir in der Lage, uns immer wieder an neue Situationen anzupassen.
•Stress kann uns auf unsere bisherigen Grenzen der Komfortzone aufmerksam machen.
•Stress kann uns motivieren und neugierig machen, über unsere Grenzen hinauszuwachsen und Neuland zu betreten.
•Er gibt uns Kraft und mobilisiert Energie, macht uns wach und aufmerksam, Dinge anzupacken und uns Herausforderungen zu stellen.
•Er schützt uns, indem wir angreifen oder fliehen. Er hilft uns, uns innerlich totzustellen, und sorgt dafür, dass wir eine traumatische Erfahrung überstehen.
•Stress kann unsere Verbindung zu vertrauten Menschen stärken, dann nämlich, wenn wir mit ihnen über eine stressige Situation reden.
Traumatischer Stress
Ein Trauma ist eine tief greifende, existenzielle Erfahrung und normale Reaktion auf eine überwältigende Situation. Bei einem Trauma, zum Beispiel bei einschneidenden Veränderungen, Verlusterlebnissen, bei massiven Kränkungen und Mobbing, bei Krisen, Unfällen, Operationen, Missbrauch, Naturkatastrophen, mobilisiert der Körper immense Energie und bereitet sich reflexhaft auf Kampf oder Flucht vor. Wenn dann aber beides im Augenblick nicht möglich ist, bleibt nur noch der Totstellreflex übrig, der auch im Tierreich eine wichtige Funktion innehat: Die Überlebenschancen erhöhen sich, man wird nicht so leicht gesehen und reduziert die Angriffslust des Gegners, zudem wird Schmerz gedämpft.
Außer Schocktraumen gibt es auch Entwicklungstraumen infolge von wiederholten Verletzungen in der Kindheit, die zu Bindungsproblemen, einem erhöhten Stresslevel und Schwierigkeiten im Umgang mit Stress und Entspannung führen.
Die hohe Stressenergie kann bei einem Trauma nicht vollständig entladen werden, sie verbleibt im Nervensystem. Dadurch verliert dieses seine volle Flexibilität. Das bedeutet, dass an einem Trauma die körperlich-biologischen Reaktionen maßgeblich beteiligt sind. Als Folge können typische Stresssymptome wie Übererregbarkeit, Hypersensibilität, Überaktivität, Panikstörungen, psychosomatische Erkrankungen, Depressionen, Gefühle von Entfremdung entstehen. Da während eines solchen stressreichen Ereignisses die aktivierten Reaktionen maßgeblich vom Stammhirn gesteuert werden, sind sie durch Willen und Intellekt kaum beeinflussbar.
Peter Levine, ein amerikanischer Biophysiker, Mediziner und Psychologe, entwickelte Somatic Experiencing®, eine sehr effektive Methode zur Verarbeitung von Traumen. Er stellte sich die Frage: Warum werden Tiere, die in freier Wildbahn leben, höchst selten traumatisiert? Er kam zu dem Schluss, dass dabei biologische Mechanismen dominieren müssen, und entwickelte daraufhin seine Methode, in deren Mittelpunkt der Körper mit seinen biologischen Erregungs- und Stressmustern steht. Ich habe die Ausbildung in Somatic Experiencing® gemacht, weil mich genau diese physiologisch-psychologische Ausrichtung in Verbindung mit Achtsamkeit und Gewahrsein faszinierte und immer noch fasziniert. Der Schlüssel zur Stresslösung liegt nun darin, die Aufmerksamkeit auf die inneren Empfindungen zu richten und nicht direkt in das Trauma einzutauchen. Es gilt zunächst, achtsam Ressourcen aufzubauen und zu verankern, danach behutsam den Rand des Traumas zu tangieren und schließlich in die vorhandenen Ressourcen zu wechseln. Durch das einfühlsame Hin- und Herpendeln zwischen Ressourcen und Trauma kann schrittweise die im Nervensystem gestaute Stressenergie entladen werden. Diese Mikrostresslösungen erfolgen unwillkürlich etwa durch Zittern, Gähnen, Vibrieren, Tränen der Erleichterung. Zudem werden die durch die vergangene Stresssituation unterbrochenen Reflexe durch langsame Bewegung wieder vervollständigt. Auf diese Weise können auch abgespaltene Gefühle integriert werden, und so findet der Klient im Verlauf der gemeinsamen Arbeit wieder zu seiner ursprünglichen Lebendigkeit und Lebensfreude zurück. Er weiß nun, dass »es vorbei ist«, spürt, dass das Trauma der Vergangenheit angehört. Er fühlt sich erlöst, kann angemessen und stimmig mit seinen Gefühlen umgehen, gerät in herausfordernden Situationen weniger in Stress und kann dadurch wieder gegenwärtiger leben.
Wer sich dafür interessiert, dem empfehle ich das großartige Buch »Sprache ohne Worte« von Peter Levine, in dem er sich dem Thema »Trauma und Traumaheilung« ausführlich und einfühlsam widmet. Dadurch wird unter anderem nachvollziehbar, warum so viele Menschen, die ein Trauma erlebt haben, nicht oder nur schwer darüber sprechen können und nicht nur von ihren Gefühlen, sondern auch von ihren körperlichen Empfindungen abgeschnitten sind.
Fazit: Stressreaktionen sind allen Menschen angeboren, um bei Gefahr sämtliche Energien und Kräfte zu mobilisieren, die der Sicherung des Überlebens dienen. Während unsere Vorfahren sich nach einer Stresssituation erholen konnten, erleben viele Menschen heutzutage mehrmals täglich oder gar chronisch Stressreaktionen. Dieser ist langfristig gesundheitsschädlich. Stress dient ursprünglich dem Überleben. Doch geht es bei uns wirklich ums Überleben, wenn wir in Stress geraten, weil die Milch übergekocht ist, unser Partner nicht das tut, was wir gerne hätten, oder weil wir im Stau stehen? Sicher nicht, oder?
Fragen und Übungen
Für eine erste Einordnung und Standortbestimmung zum Thema Stress bitte ich Sie, die folgenden Fragen schriftlich zu beantworten. Die schriftliche Beschäftigung mit diesen Fragen hilft Ihnen, mehr Klarheit zu gewinnen.
•Kreuzen Sie zunächst auf einer persönlichen Stressskala von 0 bis 10 Ihren gegenwärtigen vorherrschenden Stresswert an.
0 – gar kein Stress ………… 10 – massiver Stress
Notieren Sie die Antworten in Ihr Logbuch:
•In welcher immer wiederkehrenden konkreten Situation geraten Sie unter Druck und in Stress?
•Woran genau merken Sie, dass Sie im Stress sind?
–körperlich
–mental
–emotional
–im Verhalten
•Wie gehen Sie mit innerem Druck und Stress um?
•Glauben Sie, dass Ihr Stress schädlich ist? Wenn ja, wie kommen Sie darauf?
•Wofür könnte er gut sein?
•Welche Möglichkeiten zur Entspannung und Erholung nutzen Sie?
•Was gibt Ihnen Kraft und Energie?
Bis jetzt haben Sie zwar immer wieder von »Gelassenheit« gelesen, aber was können wir darunter verstehen? Damit beschäftigen wir uns im folgenden Kapitel.
Sehnsuchtsziel Gelassenheit
Gelassenheit kann man lernen. Man braucht dazu nur Offenheit, Motivation, ein bisschen Ausdauer und vor allem Bereitschaft, sich von den alten, eingefahrenen Bahnen zu lösen, in denen unser Denken und Handeln sich häufig bewegt.
Ludwig Bechstein, Schriftsteller (1801–1860)
»Ich wäre so gern gelassener.«
Diesen mit einem Seufzer begleiteten Wunsch höre ich immer wieder. Inzwischen wird in jeder Yogastunde über Gelassenheit gesprochen, Wohlfühlmagazine schreiben über »das Wunder der Gelassenheit«, und Wellnesshotels werben mit »innerer Ruhe und Gelassenheit«. Gelassenheit gilt als neue Zauberformel für immerwährendes Glück, ist das Sehnsuchtsziel gestresster Mitmenschen und Gegenbegriff zu Nervosität, Hektik, Anspannung, Stress, Rastlosigkeit. Vor ein paar Tagen gab es im Sportteil der »Münchner Abendzeitung« die Überschrift »Hätte mir mehr Gelassenheit gewünscht«.
In vergangenen Trainings befragte ich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, was sie mit Gelassenheit verbinden und wofür sie wichtig sei. Dabei nannten sie als positive Begriffe: Coolness, Ruhe, Besonnenheit in hektischen Situationen, unaufgeregtes, souveränes Handeln. Sie sagten: »Menschen, die gelassen sind, lassen sich nicht provozieren, behalten den Überblick, haben mehr Geduld, bleiben auch in schwierigen Situationen ruhig.« Sie warfen auch die Frage auf, ob ein gelassener Mensch jemand sei, an dem alles abpralle, den nichts mehr berühre, der alles über sich ergehen lasse, der sich für nichts mehr begeistern und sich demzufolge auch nicht mehr richtig engagieren könne. Dazu fielen ihnen Begriffe wie Desinteresse, Kaltherzigkeit, Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit ein.
Was bedeutet Gelassenheit?
Ich will mich gar nicht darüber auslassen, dass Gelassenheit in verschiedenen Kulturen, Religionen und Philosophien eine bedeutende Rolle gespielt hat, und erwähne hier nur kurz die philosophische Gruppe der Stoiker im alten Griechenland und Rom, auf die der Begriff »stoische Ruhe« zurückgeht und denen es darum ging, seine Emotionen und Leidenschaften zu zügeln, um seinen Platz in der Ordnung der Welt zu finden, ein natur- und vernunftgemäßes Leben und Weisheit anzustreben.
In dem Wort »Gelassenheit« steckt das Verb »lassen«. Meister Eckhart, ein christlicher Mystiker aus dem Mittelalter, sagte: »Man muss erst lassen können, um gelassen zu sein.« Dazu fallen mir in diesem Zusammenhang weitere Verben ein: zulassen, loslassen, sein lassen, einlassen.
Zulassen
Viele Menschen haben gelernt, bestimmte Gefühle, aber auch Gedanken zu verstecken und wegzudrücken, auch vor sich selbst. Das kostet Energie. Wenn wir andere Meinungen, Vorstellungen, Widersprüche, Uneindeutigkeiten und Unsicherheit, aber zum Beispiel auch Tränen, Wut, Neid, Ohnmacht, Schmerz zulassen, kommt es zu einer Öffnung. Gefühle und Gedanken, stressende Ansprüche und Einstellungen, die vorher verborgen waren, können nun wahrgenommen und gesehen werden, schlummernde Potenziale können sich entfalten.
Sie können sich selbst immer wieder fragen, was Sie in Ihrem Leben noch mehr zulassen wollen und was Sie immer wieder daran hindern könnte.
Loslassen
Um loslassen zu können, müssen wir vorher wissen, woran genau wir festhalten. Wir halten in aller Regel an Vorstellungen von uns, von anderen und dem Leben fest. Wir halten fest an Gewohnheiten, Erwartungen, Einstellungen, Überzeugungen im Hinblick darauf, wie wir uns und andere sich zu verhalten haben, die uns in Stress bringen und durch die wir uns unter Druck setzen. Manche Menschen halten fest an Beziehungen, auch wenn diese mehr als unbefriedigend sind.
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