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Drei subtile Kurzkrimis von der Queen of Crime Val McDermid! Wie schon in ihrer Story-Sammlung "Abgekupfert" erweist sich die erfolgreiche britische Thrillerautorin Val McDermid in diesen drei Geschichten erneut als Meisterin der kurzen Form. Neben der titelgebenden Story, "Der Whisky-Pfarrer", gibt es auch in "Der Schluck des Teufels" und "Darkling - ein Geschöpf der Dunkelheit" sozusagen wieder Spannung in der Nussschale. Ein nettes Bonbon für alle Fans!
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Seitenzahl: 51
Val McDermid
Der Whisky-Pfarrer
Drei Storys
Aus dem Englischen von Doris Styron
Knaur e-books
Drei subtile Kurzkrimis von der Queen of Crime Val McDermid!
Wie schon in ihrer Story-Sammlung Abgekupfert erweist sich die erfolgreiche britische Thrillerautorin Val McDermid in diesen drei Geschichten erneut als Meisterin der kurzen Form. Neben der titelgebenden Story, »Der Whisky-Pfarrer«, gibt es auch in »Der Schluck des Teufels« und »Darkling – ein Geschöpf der Dunkelheit« sozusagen wieder Spannung in der Nussschale. Ein nettes Bonbon für alle Fans!
Über John French, unseren Pfarrer, sind zwei Dinge allgemein bekannt: Er trinkt gern ein Gläschen, und seine Frau lässt nicht zu, dass auch nur ein Tropfen Alkohol im Haus ist. Deshalb verbringt er möglichst viel Zeit außerhalb und lässt es sich bei seinen Gemeindemitgliedern gutgehen. Selbst die strengsten Abstinenzler, trockenen Alkoholiker und die drei englischen Familien haben begriffen, dass sie für den Pfarrer Whisky im Haus haben müssen. Neue Gemeindemitglieder, die sich noch nicht auskennen, bekommen bei seinem ersten Besuch eine handfeste Version der Hochzeit zu Kana zu hören, begleitet von Mr. Frenchs vielsagendem Augenzwinkern und ausdrucksstarker Gestik. Wenn sie diesen Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstehen, erwähnt er gegenüber einem der Kirchenältesten nebenbei, der Soundso verstehe doch recht wenig von Gastfreundschaft. Vor dem nächsten Besuch des Pfarrers nimmt ihn sich der Kirchenälteste dann zur Brust. Glauben Sie mir, die meisten Leute brauchen keine zweite Ermahnung.
Aber damit wir uns nicht missverstehen. Mr. French ist kein Säufer. Ich bin in Inverbiggin geboren und aufgewachsen und habe nie erlebt, dass der Alkohol ihm geschadet hätte. Ich kenne die Trinker bei uns im Dorf, und der Pfarrer gehört nicht zu ihnen. Na gut, vielleicht geht er mit einem etwas verschwommenen Blick durchs Leben, aber das kann man ihm kaum vorwerfen. Wir brauchen doch alle etwas, das uns bei der Bewältigung unserer Enttäuschungen hilft. Und dem Pfarrer wird das nun weiß Gott rund um die Uhr abverlangt. Denn ich glaube auf keinen Fall, dass er in seiner Lebensplanung vorgesehen hatte, seine letzten Tage in Inverbiggin zu verbringen.
Auf Hochzeitsfotos habe ich Mr. French in seiner frühen Zeit hier gesehen. Mein Gott, der sah so was von gut aus! Selbst jetzt ist ihm das noch anzumerken, auch wenn er inzwischen eindeutig seine beste Zeit hinter sich hat. Aber damals wirkte er wie eine Kreuzung aus Robert Redford und dem Typ Popstar, der auch Ihrer Oma gefallen würde. Eine dichte Mähne rotblonder Haare, ein kantiges Kinn, breite Schultern und blendend weiße Zähne, die perfekter waren als die meisten Gebisse, die man in der hintersten Provinz von Stirlingshire damals zu sehen bekam. Sein Äußeres hat zwangsläufig nachgelassen, auch wenn er mit den meisten Männern hier noch gut mithalten kann. Wichtiger ist, dass er immer noch blendend predigt. Mindestens die Hälfte seiner Gemeinde besteht aus Nichtgläubigen – wenn nicht gar regelrechten Atheisten –, aber sonntags kommen sie trotzdem - ausschließlich wegen des Vergnügens, ihn zu hören. Wenn er spricht, ist das besser als alles, was es im Fernsehen gibt, weil es mit unserer Gemeinde zu tun hat. Stellen Sie sich also vor, welch guter Fang er war, als er damals hier antrat: Er sah blendend aus und war ein guter Prediger. Sein natürlicher Wirkungsort wäre selbstverständlich eine Vorzeigegemeinde in Glasgow oder Edinburgh gewesen. Der Mann hatte das Potenzial, der zukünftige Ex-Repräsentant der Generalversammlung der Kirche Schottlands zu werden.
Offensichtlich ging etwas in seiner Laufbahn ziemlich schief, dass er hier endete. Selbst Inverbiggins wohlwollendste Fürsprecher müssten zugeben, dass der Ort fast schon am Arsch der Welt liegt. Ich weiß nicht, was er in grauer Vorzeit einmal verbrochen hat, das seinen Ruf ruinierte, aber es kann nichts Triviales gewesen sein, da es ihn so weit weg ins Exil beförderte. Allerdings war die Kirche von Schottland vor ungefähr dreißig Jahren, als er hierherkam, der strengen kleinen Freikirche noch viel näher, als das heutzutage der Fall ist. Möglicherweise hat er sich also nur sonntags mal kurz auf eine der Schaukeln im Park gesetzt, die eigentlich hätten festgebunden sein müssen. Wie auch immer. Irgendwie muss er jemanden wirklich verärgert haben.
Ich weiß nicht, ob seine Frau die ganze Geschichte kennt, die hinter ihrer beider Exil steckt, aber sie weiß verdammt gut, dass sie in der Verbannung lebt. Und ihre natürliche Umgebung ist das hier auch nicht. Eigentlich sollte sie in einem noblen Stadtteil Glasgows oder Edinburghs schicke Empfänge geben, bei denen Spenden für Darfur und Gaza gesammelt werden. Einmal – und wirklich nur einmal – war sie bei einem Sommerfest so locker, dass sie mit mir sprach, als wir zusammen bei der Tombola aushalfen. »Er ist ein guter Mann«, sagte sie und ließ den Blick auf Mr. French ruhen, der überall an den Ständen Hände schüttelte. Dabei warf sie mir einen Blick zu, der so scharf war wie Jessie Robertsons spitze Zunge. »Er verdient es, unter guten Menschen zu sein. « Was sie damit meinte, war klar. Und ich brachte es nicht übers Herz, ihr zu widersprechen.
Ihre offensichtliche Verbitterung wird durch die Liebenswürdigkeit ihres Mannes aufgewogen. French mag wohl hochfliegende Pläne gehabt haben, aber dass seine Träume zerstört wurden, hat ihn nicht missgünstig und frustriert gemacht. Im Grunde ist es ziemlich erstaunlich, aber im Tausch gegen den Whisky hat er uns Mitgefühl und Verständnis geschenkt. Angetrieben durch den stetigen Nachschub an großzügig ausgeschenkten Drinks, gelingt es ihm, genau das zu treffen, was wir alle von ihm brauchen. Und das ist keine Einbahnstraße. Je mehr er sich der Herausforderung stellt, unseren Bedürfnissen gerecht zu werden, desto edler ist der Whisky, mit dem er bewirtet wird.