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Glückliche Ferien im Zaubergarten Zwergpony Max aus dem kleinen Privatzoo braucht ein neues Zuhause. Im Zaubergarten von Herrn Bovist wäre es doch wunderbar aufgehoben, finden Tilda, Anni und Lilian. Herr Bovist sieht das leider anders. Was tun? Tilda hat die Idee: Sie bringen das kleine Pony einfach unsichtbar in Herrn Bovists Garten und verstecken es dort. Gesagt, getan. Leider stellt das Pony im Zaubergarten lauter Unfug an. Wenn es nur mit Lilians neuer Tierversteh-Zauberblume endlich klappen würde! Doch dafür braucht es noch eine ganz besondere geheime Zutat. Ob die drei cleveren Zauberblumen-Züchter sie rechtzeitig finden werden? Unsichtbar sein, durch Wände gehen und wie ein Stinktier pupsen können – in diesem Zaubergarten werden Kinderträume wahr! Der sechste Band der erfolgreichen Dein-SPIEGEL-Bestsellerreihe – mit vielen magischen Bildern von Eva Schöffmann-Davidov. +++ Jetzt neu: Mit Zauberblumen-Lexikon! +++ Alle Bände der Reihe »Der Zaubergarten«: Band 1: Geheimnisse sind blau Band 2: Abenteuer können fliegen Band 3: Überraschungen haben Fell Band 4: Freundschaft macht lustig Band 5: Wunder blühen bunt Band 6: Ferien bringen Glück Serie bei Antolin gelistet
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Seitenzahl: 151
Nelly Möhle
Ferien bringen Glück Band 6
Mit Bildern von Eva Schöffmann-Davidov
Glückliche Ferien im Zaubergarten
Zwergpony Max aus dem kleinen Privatzoo braucht ein neues Zuhause. Im Zaubergarten von Herrn Bovist wäre es doch wunderbar aufgehoben, finden Tilda, Anni und Lilian. Herr Bovist sieht das leider anders. Was tun? Tilda hat die Idee: Sie bringen das kleine Pony einfach unsichtbar in Herrn Bovists Garten und verstecken es dort. Gesagt, getan. Leider stellt das Pony im Zaubergarten lauter Unfug an. Wenn es nur mit Lilians neuer Tierversteh-Zauberblume endlich klappen würde! Doch dafür braucht es noch eine ganz besondere geheime Zutat. Ob die drei cleveren Zauberblumen-Züchter sie rechtzeitig finden werden?
Unsichtbar sein, durch Wände gehen und mit den Tieren sprechen – mit den magischen Blumen aus dem Zaubergarten erleben die Freunde Tilda, Anni und Lilian die tollsten Abenteuer.
Der sechste Band der erfolgreichen Reihe – mit vielen magischen Bildern von Eva Schöffmann-Davidov und einem Zauberblumen-Lexikon
Serie bei Antolin gelistet
Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch
© privat
Nelly Möhle liebte es als Kind, durch den riesigen Garten ihrer Großeltern zu streifen und sich Geschichten auszudenken. Zwischen Rosenranken und Tannenbäumen ließ sie ihrer Phantasie freien Lauf, und irgendwann begann sie, ihre Geschichten aufzuschreiben. Der Zaubergarten ist Nelly Möhles erste Kinderbuchreihe und landete mit dem ersten Band direkt auf der »Dein SPIEGEL«-Bestsellerliste. Die Autorin lebt mit ihrer Familie, einem Hund und einer hundertjährigen Schildkröte in Offenburg.
© Klaus Renner
Eva Schöffmann-Davidov ist eine der renommiertesten Kinder- und Jugendbuchillustratorinnen Deutschlands. Nach ihrem Studium an der Fachhochschule für Gestaltung in Augsburg machte sie sich in der Kinder- und Jugendliteratur schnell einen Namen und gewann im Lauf ihrer Karriere zahlreiche Preise für ihre Gestaltungen. Als Fachhochschuldozentin gab sie ihr Wissen und ihre Erfahrung auch an junge Künstler weiter. Heute illustriert sie Kinderbuchreihen und Jugendbücher unter anderem von Bestsellerautorinnen wie Kerstin Gier oder Tanya Stewner. Die Illustratorin lebt mit ihrer Familie in Augsburg.
Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de
Für meine Oma Elfriede, ohne die »Der Zaubergarten« niemals entstanden wäre.
Hallo! Ich bin Tilda. Und ich habe dir nun schon ganz schön oft von meinen Abenteuern aus dem Zaubergarten erzählt. Also, eigentlich sind es natürlich auch die Abenteuer von Anni, meiner allerbesten Freundin. Denn die ist immer dabei. Seit kurzem ist auch unser Freund Lilian mit von der Partie. Und ohne Herrn Bovist und seinen Hund Rupert gäbe es überhaupt keine Abenteuer. Die beiden leben nämlich im geheimen Zaubergarten und züchten dort Zauberblumen. Wenn man an einer ihrer Blüten riecht, kann man plötzlich fliegen. Oder so schnell rennen wie ein Gepard. Oder man wird sogar unsichtbar. Echt und ungelogen!
Und was uns dieses Mal für ein wahnsinniges Abenteuer passiert ist, möchte ich euch genau jetzt erzählen.
Ich muss mit dem Erzählen an einem Sonntag beginnen, dem vorletzten Sonntag in den Sommerferien.
Meine ganze Familie Kannegießer saß unter dem gestreiften Sonnenschirm auf der Terrasse, als drinnen das Telefon klingelte. Ich flitzte in den Flur.
»Matilda Kannegießer«, sagte ich mit vornehmer Stimme in den Hörer.
»Hallo, Tilda!«, antwortete eine meiner absoluten Lieblingsstimmen, und ein wohliges Kribbeln wuselte durch meinen gesamten Körper.
»Lilian!«, konnte ich nur sagen.
Anni, Lilian und ich sind das Zauberblumenkleeblatt. Wie die drei Blätter eines Kleeblatts gehören wir fest zusammen. Geprüfte Zauberblumenzüchter sind wir auch. Und natürlich allerbeste Freunde.
»Ich bin mit Oma Emilia bei Herrn Bovist im Zaubergarten«, sagte Lilian in den Hörer. »Du musst unbedingt kommen! Und bring Anni mit. Herr Bovist hat eine Überraschung für uns.«
»Eine Überraschung?«, kiekste ich begeistert. »Was ist es denn?«
Lilian lachte am anderen Ende der Leitung. »Keine Ahnung, ist ja eine Überraschung!«, sagte er. »Am besten, ihr kommt sofort, dann erfahren wir, was es ist!«
Tuuut, tuuut, tuuut. Er hatte aufgelegt.
Zurück am Tisch fragte Mama: »Wer war das?«
»Anni«, flunkerte ich schnell. Weil meine Familie nichts vom Zaubergarten wissen darf. »Wir treffen uns beim Schuppen.«
Papa kruschtelte mit der Zeitung und sagte: »Habt ihr schon gehört? Heras Tierwelt wird aufgelöst!«
»Quatsch!«, sagte Mama nur.
Papa räusperte sich und las laut vor: »Jedes Kind unserer Stadt kennt und liebt Heras Tierwelt. Nun ist die Besitzerin Hera Schmurgel unerwartet gestorben und hinterlässt unzählige Tiere. Die Stadtverwaltung kann den kleinen Privatzoo nicht übernehmen. Aus diesem Grund werden die Tiere bei neuen Besitzern untergebracht. Die Stadt verliert eine feste Größe: Heras wundervolle Tierwelt!«
Entsetzt stellte ich fest: »Dann kann ich ja meinen Geburtstag nicht bei Hera feiern!«
Ich liebe Kindergeburtstage bei Heras Tierwelt. Da darf man Ziegen füttern und Kaninchen streicheln und Schweine bürsten. Sogar eine große Schlange gibt es, die dem Geburtstagskind auch mal um den Hals gelegt wird. Aber das will ich nie, weil ich die mächtige Schlange etwas gruselig finde. Das Aller-, Allerbeste ist das Ponyreiten. Da dürfen wir die Ponys erst putzen, und dann führen wir uns gegenseitig auf der großen Ponykoppel herum. Oder sogar durch den Stadtwald. Ich will immer Max halten. Er ist ein winzig kleines Pony und richtig, richtig süß. Auf ihm dürfen nur leichte Kinder sitzen, weil er schon so alt ist.
Mama riss mich aus meinen Gedanken. »Das ist ja wirklich traurig!«, sagte sie. »Kommt, wir machen eine Fahrradtour zu Heras Tierwelt und verabschieden uns wenigstens von den tierischen Bewohnern. Meine Güte, wie viele Kindergeburtstage wir dort gefeiert haben!«
Meine große Schwester Leni verkündete. »Ich bin raus. Ich treffe mich mit meiner Clique bei Amanda am Pool.« Amanda ist Lenis stinkreiche Freundin.
»Wir starten heute mit dem Teichbau«, erklärte Finn, und Jonas nickte. Die beiden sind Zwillinge und zwei Jahre älter als ich. »Zusammen mit Opa!«
Mama guckte nun etwas mürrisch. Deshalb sagte ich schnell: »Und ich bin mit Anni beim Schuppen!«
Mamas Augenbrauen waren jetzt ein einziger, dicker Strich.
Ich streichelte über ihre wirren Locken und sagte: »Von Zwergpony Max will ich mich auf alle Fälle noch verabschieden! Nur nicht heute!«
Schnell machte ich mich aus dem Staub.
Wenig später flitzten Anni und ich auf dem mittleren Weg durch den riesigen Garten meiner Großeltern. Denn dort, ganz hinten an der großen Steinmauer, steht unser Geheimversteck.
»Ich bin sooo gespannt auf Herrn Bovists Überraschung!«, sagte die hüpfende Anni bestimmt zum hundertsten Mal, und ihre schwarzen Pantherhaare wippten munter mit. Da waren wir gerade am grünen Schuppen angekommen. Genau neben der kleinen Hütte lehnten wir Opas lange Holzleiter an die große Mauer aus Natursteinen, kletterten fix nach oben, zogen die Leiter nach und rutschten auf der anderen Seite wieder hinab.
Sofort verschluckte uns der wildeste Dschungel, den man sich vorstellen kann. Die Bäume stehen in diesem Teil des Zaubergartens so dicht, dass man sich im Slalom um die mächtigen Baumstämme herumschlängeln muss, über herumliegende Äste steigt, Farne und Büsche umrundet und durch Moos und altes, vertrocknetes Laub raschelt. Bis der Wald einen urplötzlich wieder ausspuckt und man auf einer kleinen Blumenlichtung mit dem hübschesten Gewächshaus aller Zeiten steht.
»Und ich freu mich so auf Lilian!«, sagte ich. Deshalb rief ich unserem Riesenhasen Kalli auch nur ein kurzes »Hallo« zu, bevor wir auf der anderen Seite der Lichtung durch das dichte Tannenwäldchen rannten. Und dann standen wir auf der Hexenhauslichtung, und mein Herz pumperte wie verrückt. Wegen dem Gerenne, ist ja klar.
Aus dem Arbeitshäuschen drangen Stimmen. Also schauten Anni und ich als Erstes dort hinein.
»Da seid ihr ja endlich!«, rief Lilian mit fröhlich hüpfenden Locken. Und dann umarmten wir uns und lachten und lachten.
»So eine Wiedersehensfreude!«, sagte Herr Bovist. In der Hand hielt er eine wunderhübschen Glasschatulle. Sie bestand aus vielen Glasplättchen, die mit Goldrändern zusammengefügt waren. Ein bisschen wie die Schmuckschatulle einer Prinzessin. Denn im Innern war sie in viele kleine Fächer unterteilt. Und in jedem Abteil befanden sich unzählige weiße Kügelchen.
»Sind das etwa Zaubergutzis?«, fragte Anni.
Lilians Familie nennt mit Zauberessenzen gefüllte Süßigkeiten Gutzis. Und diese Kügelchen sahen aus wie klitzekleine Pfefferminzpastillen. Rund und weiß und süß.
»So ist es, so ist es!«, antwortete Herr Bovist. Wir Kinder drängten uns um unseren Lehrer herum. »In dieser Schatulle befindet sich mein Kuriosenkabinett«, fuhr er fort und kicherte leise.
»Hä?«, machte Anni.
»Als Zauberblumenzüchter forschst du ständig an neuen Zauberwirkungen«, erklärte Herr Bovist und klappte den Glasdeckel auf. »Dabei kommt natürlich auch viel Unsinn zustande, vor allem am Anfang der Blumenzüchterkarriere.«
Anni rief: »Wie unser Yetizauber!«
»Tierverstehzauber!«, sagte Lilian mit roten Backen: »Eigentlich sollte es ein Tierverstehzauber werden!«
Unser bester Freund hatte für die Aufnahmeprüfung in den Kreis einen Zauber erfinden wollen, mit dem man Tiere verstehen kann. Leider war es stattdessen aber ein Yetizauber geworden: Es wuchs einem ein langes Zottelfell. Außerdem riesige Knubbelohren, lange Krallen und eine zuckende Nase.
Herr Bovist strich Lilian über den Kopf. »Aller Anfang ist schwer, und jeder Zauberblumenzüchter fängt klein an«, sagte er und nahm ein Kügelchen aus einem der Fächer. »Hier seht ihr meine Zauberergebnisse, die kein Mensch wirklich brauchen kann. Nimmt man zum Beispiel dieses Kügelchen ein, bekommt man eine Zunge wie ein Chamäleon.«
»Wow!«, raunte Anni und steckte sich eine lange Haarsträhne in den Mund.
»Kann man mit der Zunge Spinnen fangen, die ganz oben in der Zimmerecke sitzen?«, fragte ich interessiert.
Herr Bovist antwortete: »Bestimmt, wenn man das möchte!«
Er zeigte auf weiße Schildchen, die in den einzelnen Fächern zwischen den Pastillen lagen. »Wie gesagt, sind die meisten Zaubereigenschaften in diesem Kästchen völlig sinnlos«, sagte er. »Aber auf dem Weg zu wirklich nützlichen Zaubern entstehen sie eben. Man sammelt damit seine Erfahrungen und wird mit der Zeit immer besser. Aber das ist ein langer Weg!« Er klappte den gläsernen Deckel vorsichtig zu. »Ihr Kinder seid nun so weit, neue Zauber zu erfinden«, fuhr er mit feierlicher Stimme fort. »Deshalb werde ich euch in die Zucht und Anwendung der wertvollen Wünschelpilze einweihen. Denn ohne Wünschelpilze ist kein neuer Zauber möglich!«
Anni, Lilian und ich guckten uns erst sprachlos an. Und dann jubelten wir los.
»Endlich!«, brüllte Lilian.
»Wir erfinden die besten neuen Zauber aller Zeiten!«, rief Anni und schlenkerte so begeistert mit den Armen, dass sie fast die gläserne Schatulle vom Tisch gefegt hätte.
Die Wünschelpilze sind nämlich die wichtigste Zutat zum Erfinden neuer Zauber. Herr Bovist züchtet sie in einem dunklen und muffigen Mauerraum, im hintersten Winkel des Zaubergartens.
Herr Bovist klatschte lachend in die Hände und sagte: »Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Morgen, in aller Frühe, beginnen wir mit den Grundlagen. Dazu treffen wir uns im Wünschelraum.«
»Erst morgen?«, fragte ich enttäuscht. »Wieso denn nicht jetzt gleich? Wir haben Zeit!« Anni nickte so sehr, dass ihre Haare den Staub vom Bücherregal aufwirbelten.
Herr Bovist schüttelte sacht den Kopf. »Pilze der Gattung der Boviste mögen weder Hitze noch Sonnenlicht«, erklärte er. »Deshalb baue ich sie in diesem schattigen und feuchten Raum in der Mauer an. Meine Wünschelpilze sind nachtaktiv. Das heißt, sie wachsen nachts und entfalten dann auch ihre volle Kraft in der Knolle. Tagsüber ziehen sie sich etwas zusammen, ihre Kraft entschwindet in die Wurzeln.«
In dem Moment streckte Emilia ihren Kopf zur Tür herein. »Kommst du, Konrad?«, fragte Lilians Oma mit Blick auf die Uhr. »Ich muss bald los. Sonst schaffen wir es nicht mehr, vorher die Blumen vom Wiesenhof in deine Blumenkästen einzutopfen.«
»Selbstverständlich, selbstverständlich«, sagte Herr Bovist schnell. »Ich werde hier nicht mehr gebraucht.« Er zwinkerte uns zu. »Wir sehen uns morgen in aller Frühe am Wünschelraum.« Schon war unser Freund verschwunden.
Lilian machte einen Hopser und verkündete: »Ich muss sofort ein paar Zauberblumensamen im Gewächshaus einpflanzen. Unser Tierverstehzauber geht in die zweite Runde.«
»Äh!«, machte ich. »Du hast aber schon mitbekommen, dass wir erst einmal nur Boviste züchten und pflegen. Neue Zauber kommen erst später dran!«
»Pah!«, machte Lilian. »Uns haben bisher einfach die Wünschelpilze als Zutat gefehlt. Der Rest des Tierverstehzaubers ist gut durchdacht und genau ausgetüftelt. Bald ist das große und internationale Züchtertreffen. Wir reichen den Tierverstehzauber als Neuzüchtung ein. Und machen damit den ersten Platz!«
Lilian schaute uns mit seinen schönen und unglaublich grünen Augen der Reihe nach an.
Und da schlang Anni ihre Arme um uns und rief: »Tilda, Anni, Lilian – auf jeden von uns kommt es an!«
Viele kleine Glückskäfer wuselten durch mich hindurch. Weil das Zauberblumenkleeblatt sooo toll ist!
Lilian verschwand im Labor. Das ist ein winziger Raum neben dem Arbeitszimmer. In ihn passt nur ein großer Schrank mit vielen, vielen Schubladen sowie ein kleiner Tisch mit Hocker. Schon ist das Zimmerchen rappelvoll. Und dort lagert Herr Bovist seine tausend Blumensamen. Oder fünfhundert, ich habe sie noch nicht gezählt.
»Wir brauchen alle Zauberblumen mit Tiereigenschaften«, rief er zu uns herüber. Ich hörte ihn in den Schubladen kruschteln.
Anni zog die Glasschatulle zu sich heran und betrachtete die weißen Zuckergutzis.
»O nein, Anni!«, sagte ich schnell und stellte die Schatulle auf die Fensterbank. »Finger weg!« Meine Freundin ist unglaublich neugierig. Und verfressen.
»Tsss!«, machte Anni und schnappte sich das große Zauberblumenbuch der Familie Bovist. »Dann pflanze ich auch einen Samen ein. Einen, den wir noch nicht ausprobiert haben«, teilte sie mir mit. »Um in Übung zu bleiben.«
Schon blätterte sie durch die alten Seiten. »Boah!«, machte Anni nach nur wenigen Augenblicken. »Hör dir das an: Riecht man an der fast durchscheinenden, vanillegelben Blüte mit brauner Blütennarbe, so stellt keine Wand, keine Mauer ein Hindernis mehr dar. Denn der menschliche Körper durchdringt die Materie, als wäre sie nicht vorhanden.«
»Das heißt, man kann durch Wände gehen?«, fragte ich begeistert.
»Genau!«, antwortete Anni. »Ist das nicht ein genialer Zauber?« Schon war sie im Labor verschwunden, um den Samen im Schrank zu suchen.
Mich durchzuckte ein Gedanke. »Und ich pflanze eine neue Ludmilla!«, verkündete ich laut. »Auch, um in Übung zu bleiben!«
Die Unsichtbarkeitsblume ist meine absolute Lieblingsblume. Weil ihr Zauber so unglaublich nützlich ist. Riecht man an ihrer wunderschönen blauen Blüte mit den grünen Antennen, so wird man auf der Stelle unsichtbar. Gut, ich hatte auch schon den Fall, dass man nur fastunsichtbar wurde. Wie ein Gespenst. Aber das war die absolute Ausnahme. Herr Bovist sagt, bei den Zauberblumen ist es wie bei den Menschen: Jede ist einzigartig und besonders.
Im Labor fand ich die Schublade mit den Unsichtbarkeitssamen sofort. Und ich suchte den hübschesten Samen heraus. Weiß und kugelrund lag er in meiner Hand. »Eine perfekte Perle!«, stellte ich zufrieden fest.
»Unsichtbarkeitszauber und Durch-die-Wand-Zauber«, sagte Anni. »Wir werden in unserer letzten Ferienwoche eine Menge Spaß haben!«
Und damit der Spaß beginnen konnte, flitzten wir schnurstracks mit unseren Zauberblumensamen zum Gewächshaus. Und Rupert, der größte Hund aller Zeiten, rannte in langen Sprüngen neben uns her.
Im Glashaus buddelten und schoben wir die krümelige Erde zu hübschen Erdhügeln auf. Dann bohrten wir in jeden Erdhaufen ein Loch mit dem Spatenstiel und steckten in die Krater unsere Zauberblumensamen.
»Noch schnell die Erde festgeklopft, etwas Wasser drüber, die Pferdeäpfel als Kraftfutter und fertig!«, sagte Anni und guckte mit zufriedenem Blick über das hügelige Feld. »Wir sind wirklich schon großartige Zauberblumenzüchter!«
Leider war der Sack mit Pferdeäpfeln komplett leer.
»Nicht ein einziger Kackakrümel«, sagte Anni enttäuscht und schüttelte den großen Sack über den Erdhügeln aus.
»Mistiger Mist!«, sagte Lilian. »Hoffentlich werden die Zauberblumen auch ohne Pferdeäpfel groß und stark! Mama holt mich schon Freitag wieder ab. Es darf also nichts schiefgehen! Der Tierverstehzauber muss bis dahin fertig sein!«
Ich nickte. »Wir schaffen das!«, antwortete ich. »Zum Glück sind noch Ferien!« Denn in den Ferien dürfen Anni und ich manchmal den ganzen Tag in unserem Geheimversteck verbringen, ohne dass die Erwachsenen ständig um uns herumschwirren. Und vom Schuppen in den Zaubergarten ist es dann ja nur ein Katzensprung!
Deshalb halfen Anni und ich Lilian auch noch, sein kleines, blaues Zelt aufzubauen. Und spielten dann ewig lang Verstecken. So, so schön war das. Irgendwann schaute ich glücklicherweise auf meine Armbanduhr.
»Ich muss nach Hause!«, verkündete ich »Papa kocht heute seine leckere Lasagne. Da darf ich nicht zu spät kommen!«
Gemeinsam flitzten Anni und ich zurück durch den Dschungel und über die Mauer.
»Was ist denn das?«, fragte Anni und zeigte auf lauter kleine Stöckchen, die schräg vor dem Schuppen in der Erde steckten.
Ich runzelte die Stirn. Das abgesteckte Feld war ungefähr so groß wie eine Badewanne. »Seltsam!«, antwortete ich. »Sehr seltsam!«
Was diese komischen Stöckchen zu bedeuten hatten, musste ich beim Abendessen als Erstes klären. Noch bevor ich den ersten Bissen Lasagne probierte, fragte ich meine Brüder: »Warum stecken vor dem Schuppen Stöckchen im Boden?«
»Na, das wird der Teich!«, sagte Finn mit vollem Mund.
Entsetzt starrte ich meinen Bruder an. »Ihr baut den Teich am Schuppen?«
»Klar!«, sagte Jonas.
»Auf keinen Fall!«, rief ich empört, und der Bär in meinem Bauch richtete sich grummelig auf. »Ihr könnt euren Teich überall ausbuddeln. Aber nicht am Schuppen!«
»Also, Tilda-Schatz!«, sagte Mama mit strengem Blick. »Der Schuppen gehört allen Kannegießer-Kindern!«
Und Papa meinte: »Durch den Teich wird euer Geheimversteck noch schöner!«
»Kein bisschen!«, sagte ich und fauchte dabei wie eine Katze. Anni und ich brauchten den Schuppen für uns! Stumm schaufelte ich die Lasagne in mich rein. Das beruhigte wenigstens den Wutbär in mir. Brav und gesättigt legte er sich wieder hin.
Trotzdem war ich immer noch leicht sauer, als ich an diesem Abend meine Matratze mit der Schulter in die Höhe wuchtete, um nach meinem Pflanzentagebuch zu angeln. In das Heft schreibe ich alles Wichtige über die Zauberblumen. Wunderhübsch sieht es aus, weil ich es mit Mamas wildem Dschungelgeschenkpapier beklebt habe.
In meiner schönsten Schrift notierte ich:
Sonntag, 27. Juli
Es gibt prima Neuigkeiten: Lilian, Anni und ich bekommen diese Woche Unterricht im Wünschelraum. Um alles über die Boviste zu lernen. Denn die braucht man, um neue Zauberblumen zu züchten! Ich bin richtig, richtig aufgeregt. Au†erdem haben wir heute Zauberblumensamen im Gewächshaus angepflanzt. Denn das Zauberblumenkleeblatt erfindet nun endgültig den Tierverstehzauber!
Doof ist, dass meine nervigen Brüder am Schuppen einen Teich bauen. Ich hoffe, sie kommen uns nicht zu sehr in die Quere!
Und: Ich muss unbedingt zu Heras Tierwelt, um mich von Zwergpony Max zu verabschieden!
Nachdem ich das Tagebuch wieder sicher verstaut hatte, stellte ich meinen Pferdewecker auf sechs Uhr. Zur Sicherheit. Ich durfte auf keinen Fall verschlafen!