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Ein neues blumenmagisches Zauberabenteuer der »Dein SPIEGEL«-Bestsellerreihe Tilda und Anni fahren zu einem Kurzurlaub ins Wiesental, in eine kleine Hütte mitten im Wald. Sogar Dackel Floh kommt mit! Und das Beste daran: Ganz in der Nähe wohnt ihr neuer Freund Lilian auf dem Wiesenhof. Als sie ankommen, laufen dort bereits die Vorbereitungen für ein großes Hoffest. Doch dann verschwindet plötzlich die Lachblume, die bei der Feier für gute Laune sorgen sollte. Ob dahinter der freche Forsthaus-Michel und seine Fußballfreunde stecken? Tilda, Anni und Lilian haben alle Hände voll zu tun, die magische Pflanze wiederzufinden und das Fest zu retten. Aber Vorsicht, das Zauberblumengeheimnis darf nicht entdeckt werden! Fliegend wie ein Vogel, bärenstark und unsichtbar – mit den magischen Blumen aus dem Zaubergarten meistern die Freunde Tilda, Anni und Lilian auch die gefährlichsten Abenteuer. Der fünfte Band der erfolgreichen Reihe – mit vielen magischen Bildern von Eva Schöffmann-Davidov Alle Bände der Reihe »Der Zaubergarten«: Band 1: Geheimnisse sind blau Band 2: Abenteuer können fliegen Band 3: Überraschungen haben Fell Band 4: Freundschaft macht lustig Band 5: Wunder blühen bunt Band 6: Ferien bringen Glück (erscheint im Sommer 2022) Reihe bei Antolin gelistet
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Seitenzahl: 158
Nelly Möhle
Der Zaubergarten
Wunder blühen bunt Band 5
Mit Bildern von Eva Schöffmann-Davidov
FISCHER E-Books
Für Nathalie, Maxim, Sonja und Andrea
Hallo! Ich bin Tilda. Und ich habe dir vor kurzem meine unglaubliche Geschichte erzählt. Eine unglaubliche Geschichte? Ach was! Seit meine beste Freundin Anni und ich heimlich in den Zaubergarten geklettert sind, passiert uns ein Abenteuer nach dem anderen. Und das liegt an Herrn Bovist. Denn er züchtet Zauberblumen. Wenn man an einer dieser wunderschönen Blüten riecht, passieren einem die unglaublichsten Sachen. Und weil meine beste Freundin Anni und ich seit kurzem geprüfte Zauberblumenzüchterinnen sind, geht es erst richtig los mit den Abenteuern. Die Geschichte, die ich euch jetzt erzähle, ist uns wirklich genau so passiert. Echt und ungelogen!
»Tilda-Schatz!«, rief Mama an diesem Sonntag aus der Küche. »Komm schnell her!«
»Was gibt’s denn?«, fragte ich und streckte meinen Kopf durch die Küchentür.
Mama klopfte mit der Hand neben sich auf die Küchenbank. Hatte ich was ausgefressen? Ein paar Gedankenmurmeln flitzten durch meinen Kopf. Ohne Ergebnis.
»Ich habe gerade mit Renate telefoniert«, sagte Mama.
»Ist was mit Anni?«, fragte ich entsetzt.
»Aber nein!«, antwortete Mama. »Keine schlechten Nachrichten. Im Gegenteil: Es ist was richtig Tolles! Renate und ich würden gerne die Sommerferien nutzen und mit Anni und dir einen kleinen Freundinnenurlaub machen. Nur wir vier. Für ein paar Tage. Auf einer Hütte.«
»Eine Hütte?«, rief ich mit kieksender Stimme. »Mitten im Wald?«
Mama lachte und nippte an ihrem Kaffee. »Die Hütte gehört Renates Kollegen und liegt im schönen Wiesental. Das ist gar nicht weit von hier. Wald gibt es da auf alle Fälle. Wir müssten allerdings schon morgen los!«
Jetzt wuselten tausend Glückskäfer durch meinen Bauch. Mit Anni zusammen ein paar Tage zu verreisen war ja wohl supertoll. Ich drückte Mama viele, viele Küsse auf die Nase.
»Prima!«, sagte ich dann ganz außer Atem. »Aber packen kann ich erst heute Abend. Weil ich jetzt gleich mit Anni zum Schuppen muss.«
Der Schuppen ist unser Geheimversteck ganz hinten im Garten von Oma und Opa, direkt an der großen Steinmauer. Dort klettern wir auch still und heimlich in den Zaubergarten, um Herrn Bovist und seinen riesigen Hund Rupert zu besuchen.
Schon klingelte es. Das konnte nur meine beste Freundin sein. Wir hatten viel zu besprechen!
Auf dem Weg zum Garten meiner Großeltern planten Anni und ich schon einmal, was unbedingt mit in den Hüttenurlaub musste. Als wir wenig später mit Opas langer Holzleiter über die große Gartenmauer in den geheimen Zaubergarten kletterten, waren unsere Taschen in Gedanken schon gepackt. Und als wir uns durch den dichten Dschungel kämpften, trällerten wir: »Eine Hüttenfahrt, die ist lustig! Eine Hüttenfahrt, die ist schööön!«
Dabei mussten wir aufpassen, dass keine Blätter oder Zweige in unseren singenden Mündern landeten. Weil es im Dschungel einfach so viele davon gibt. Im Slalom umrundeten wir Büsche und Bäume, Farne und Gräser. Auf der Gewächshauslichtung funkelte das alte Glashaus in der Sommersonne wie Mamas schicke Glitzerohrringe. Kurz legten wir eine Pause bei Kalli, dem Riesenhasen, ein. Aber unser Freund wollte lieber weiter die Kleeblätter mümmeln und beachtete uns nicht wirklich. Also hüpften wir weiter über die Maulwurfshügel und tauchten in das Tannenwäldchen ein, bis wir vor dem hübschesten Hexenhaus standen, das die Welt je gesehen hat.
»Herr Boviiist!«, rief ich gut gelaunt nach unserem alten Freund. »Ruuupert!«
Aber nur der große, graue Hund begrüßte uns Sekunden später schwanzwedelnd auf der kleinen Lichtung.
»Herr Bovist?«, brüllte Anni und legte dabei ihre Hände wie einen Trichter um den Mund. »Wo steckst du?«
»Hiiier!«, kam eine dünne Stimme aus dem Haus.
Wir fanden Herrn Bovist ausgestreckt auf dem roten Samtsofa liegend. Ein langes weißes Kabel führte von der Steckdose neben der Tür bis zu seinem Rücken. Und sein weißes Haar stand wild in alle Himmelsrichtungen ab. Wie elektrisiert.
»Geht es dir gut?«, fragte ich den alten Mann und legte meine Hand auf seine Stirn. So macht Mama das immer bei uns Kannegießerkindern. »Stehst du unter Strom?«
Herr Bovist stöhnte. »Ich habe Rücken!«, verkündete er.
»Jeder hat einen Rücken«, stellte Anni fest und kratzte sich am Bauch.
Da lachte Herr Bovist endlich mal. Aber nur kurz. Schon verzog er wieder das Gesicht. »Mein Rücken schmerzt. Ich habe mir einen Hexenschuss eingefangen!«
»Einen Hexenschuss?«, fragten Anni und ich wie aus einem Mund. Das hörte sich ja richtig fies an.
»Welche Hexe schießt denn auf dich?«, hakte ich nach. »Mit einer Pistole?«
»Nein, nein«, antwortete Herr Bovist. »Da war keine richtige Hexe am Werk. Bei einem Hexenschuss schießt ein übler Schmerz in den Rücken. So dass man sich kaum noch bewegen kann. Ich habe gestern Abend noch die Erde im Gewächshaus gelockert. Das war ein Fehler!«
»Da hat sozusagen die Hexe in deinen Rücken geschossen«, fasste Anni zusammen.
»So ist es, so ist es«, antwortete Herr Bovist. »Seitdem liege ich die meiste Zeit auf meinem Heizkissen. Das macht den Schmerz erträglich.«
»Ich kann dir mal den Rücken durchklopfen«, schlug Anni vor. »Das mache ich manchmal bei Mama. Wenn sie zu viel gearbeitet hat.«
»Um Himmels willen«, sagte Herr Bovist und riss seine braunen Augen weit auf. »Danke für das Angebot, doch ich verzichte lieber. Es wäre jedoch schön, wenn ihr mir etwas Kräuterlimonade bringen könntet.«
Das konnten wir natürlich. Zu dritt schlürften wir kurz darauf den grünen Trunk.
»Doof, dass du gerade jetzt den Schuss im Rücken hast«, stellte ich fest. »Anni und ich können dir die nächsten Tage überhaupt nicht helfen. Weil wir morgen mit unseren Mamas auf eine Hütte fahren. Ins schöne Wiesental.«
»Ins Wiesental?«, fragte Herr Bovist und richtete sich stöhnend auf. »Aber da wohnen doch die lieben Knöterichs!«
»Echt jetzt?«, rief ich, und mein Herz machte einen glücklichen Hopser. »Lilian wohnt im Wiesental?«
Lilian ist unser Freund. Seit er mit Anni und mir die Aufnahmeprüfung in den Kreis gemacht hat. Der Kreis ist ein Club für Zauberblumenzüchter, und nur wer die Prüfung auch bestanden hat, wird als Mitglied aufgenommen. So wie wir drei.
»Prima!«, rief Anni, und ihr breiter Mund grinste von einem Ohr zum anderen.
Herr Bovist saß jetzt aufrecht. Er schlüpfte mit seinen blumenbestrumpften Füßen in die karierten Hausschuhe. »Viola und Lilian sind erst vor kurzer Zeit zu Emilia auf den Wiesenhof gezogen«, erzählte unser Freund. »Wunderschön ist es dort. Das alte Bauernhaus ist so groß, dass alle Knöterichs darin Platz haben.«
»Wir brauchen die Telefonnummer«, sagte ich. »Damit wir uns mit Lilian verabreden können.«
»94 85 660«, sagte Herr Bovist.
Ich staunte. Aber dann fiel mir wieder ein, dass Herr Bovist Emilia liebt. Und Emilia liebt Herrn Bovist. Zum Glück, denn deshalb kann Herr Bovist die lange Telefonnummer auswendig. Jedenfalls flitzte ich in Windeseile zum Telefon und wählte die Nummer.
Nur wenig später waren Anni und ich für den nächsten Tag mit unserem Freund Lilian Knöterich auf dem Wiesenhof verabredet.
Oh, wie war das Leben schön!
»Können wir dir noch etwas Gutes tun, bevor wir in Urlaub fahren?«, fragte ich Herrn Bovist später am Nachmittag. »Wir müssen bald nach Hause. Zum Packen!«
»Das könntet ihr in der Tat«, antwortete Herr Bovist. »Ich hatte die Samen eurer letzten Unsichtbarkeitsblume geerntet und zum Trocknen auf den Tisch im Labor gestellt. Wie hieß die Blume gleich?«
»Prinzessin Milla«, antwortete ich. Ganz traurig wurde ich. Weil die schöne Blume nach einer Woche gestorben war. Wie fast alle Zauberblumen. Aber Herr Bovist sagt, das ist kein Sterben, sondern der Kreislauf des Lebens, und deswegen warten schon die Samen darauf, dass wir sie pflanzen und neue Zauberblumen daraus werden.
»Ja, genau!«, sagte Herr Bovist. »Jedenfalls liegen ihre Samen noch auf dem Tisch im Labor. Bitte kontrolliert, dass sie vorschriftsmäßig trocknen und keinen Schimmel ansetzen oder gar faulen. Eventuell müssen die Samen gewendet werden. Könnt ihr das bitte übernehmen? Dann muss ich mich nicht ins Arbeitshäuschen schleppen.«
»Wird erledigt«, antwortete ich.
»Noch etwas«, sagte Herr Bovist. »Würdet ihr diese Pfefferminzbonbons bitte Emilia geben? Sie sind für ihren Ziegenbock Peter. Ich wollte sie eigentlich selbst vorbeibringen. Aber mit meinem schmerzenden Rücken ist eine Autofahrt unmöglich!«
»Klar wie Klößchenbrühe«, sagte Anni und schnappte sich die Dose. Scheppernd fiel sie zu Boden. Viele, viele kugelrunde und schneeweiße Kügelchen kugelten über den Blumenteppich.
»Hilfe«, machte Anni und warf sich auf den Boden. »Kommt her, ihr kleinen Mistdinger!«
»Gute Güte«, machte Herr Bovist. Bücken konnte er sich ja nicht. Wegen der Hexe im Rücken. Aber ich krabbelte wie ein Suchhund über den Teppich. Und hatte schon fünf Kügelchen beisammen. Wie Pfefferminzpastillen sahen sie aus. Pling, pling, pling, machten sie, als sie zurück in die Blechdose purzelten.
»Und das letzte Bonbon ist für mich«, sagte Anni fröhlich und warf sich ein winziges Zuckerkügelchen in den Rachen.
»Neieiein!«, machte Herr Bovist entsetzt und kniff die Augen zusammen. Dabei stöhnte er sehr, sehr laut. Und ich glaube, daran war nicht der schmerzende Rücken schuld. »Kind, du weißt doch, dass du dir hier bei mir nicht einfach etwas Essbares in den Mund stecken darfst! Dies ist ein Zauberblumenhaushalt!«
Herr Bovist vergisst immer wieder, dass Anni furchtbar gerne futtert, und lässt irgendwelche Leckereien mit Zauberfüllung herumstehen. Deshalb musste Anni auch schon mit so einigen Zauberkräften klarkommen. Zum Beispiel mit erbsengrüner Haut. Oder mit Haaren, die rasend schnell gewachsen sind. Und riesige Knubbelohren hatte sie auch schon.
Jedenfalls riss Anni in dem Moment ihre blauen Augen sehr weit auf. »Uuups!«, machte sie. »Ist in den Kügelchen etwa Zauber drin? Bin ich schon grün? Oder wächst mir ein Horn?« Sie tastete ihr Gesicht ab.
Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte nichts dergleichen entdecken.
Herr Bovist schnüffelte laut. Dabei zuckte seine lange Nase wie bei einer Maus.
Und da roch ich es auch: Ein würziger Duft waberte in meine Nasenlöcher.
»Wurstig!«, stellte ich fest. »Es riecht hier nach Papas Leberwurst!«
Das fand Rupert wohl auch. Seine lange, rosafarbene Zunge wischte über Annis nackten Unterarm.
»Iiih!«, kreischte sie. »Weg, du oller Wurstschädel!«
Ich musste Herrn Bovist fragen: »Wieso braucht Emilia Wurstduft?«
»Na, für Peter«, erklärte der alte Mann. »Wie jeder anständige Ziegenbock stinkt er fürchterlich nach Bock. Ziegendame Heidi liebt Peters Bockgestank. Aber weil Emilia dieses Jahr keine Ziegenbabys mehr möchte, soll Peter die Pastillen bekommen. Ohne Bockgestank will Heidi keine Babys von Peter.«
»Oha!«, machte ich. »Und wieso Wurstgeruch?«
»Eigentlich sollte es ein blumiger Duft werden«, erklärte Herr Bovist. »Aber etwas ist schiefgelaufen. Auf die Schnelle muss jetzt dieser wurstige Geruch reichen!«
Ich kicherte. »Rupert liebt den Duft jedenfalls!«
Gerade näherte sich Ruperts Zunge wieder Annis Haut.
»Ich muss jetzt ganz schnell nach Hause«, verkündete sie hastig. »Bevor Rupert mich auffrisst!« Sie hat nämlich fürchterliche Hundeangst.
Herr Bovist hob seine Hand und sagte: »Eins noch: Ihr beide seid geprüfte Zauberblumenzüchterinnen. Geht bitte verantwortungsvoll und vernünftig mit eurem Wissen um. Egal, wo ihr seid! Auch im Urlaub! Vergesst das nie. Ich verlasse mich auf euch!«
»Klar wie Klößchenbrühe«, sagte Anni.
»Selbstverständlich!«, bestätigte ich. Das sagt Herr Bovist auch immer, wenn eine Sache glasklar ist.
Wieder näherte sich Ruperts Riesenschädel meiner duftenden Freundin.
»Hilfe!«, rief Anni. Schon war sie durch die grüne Tür verschwunden. Und Rupert wetzte hinterher.
»Hiiilfe!«, hörte ich Anni wieder draußen auf der Wiese kreischen.
Herr Bovist lachte. »Vielleicht ist das eine Lehre für das Kind, so dass sie sich in meinem Haushalt nichts mehr in den Mund schiebt!«
Das glaubte ich ja eher nicht. Aber gut.
»Bis bald, Herr Bovist«, sagte ich zu meinem Freund. »Und werde deine Hexe schnell wieder los!«
Ein letztes Mal winkte ich ihm zu. Dann hüpfte ich hinter Anni und Rupert her.
Der große Hund saß vor der geschlossenen Tür des Arbeitshäuschens und guckte traurig.
»Lass ihn ja nicht rein!«, rief Annis Stimme von drinnen.
Also quetschte ich mich allein durch einen schmalen Türspalt ins Innere. Direkt in die Leberwurstgeruchswolke hinein.
Im Labor steht ein alter Schrank mit vielen, vielen Schubladen. Die sind zum Verstauen der Zaubersamen da. Und ein kleiner Tisch hat auch noch Platz. Auf der zerfurchten Holzplatte stand ein Glastellerchen, und darauf lagen sieben Samen.
»Tadaaa!«, machte Anni. »Kein Schimmel weit und breit.«
»Die sehen aber komisch aus«, stellte ich fest und schnippte mit dem Finger gegen den Teller. »Kein bisschen wie weiße Perlen.«
»Eher wie Vogeleier«, sagte Anni. Sie schnüffelte sogar an den gefleckten Samen. »Nur viel kleiner.«
»Stimmt!«, antwortete ich und legte einen Samen in meine Hand. »Ob daraus überhaupt eine Unsichtbarkeitsblume wächst?«
»Vielleicht sind das gar nicht Millas Samen«, sagte Anni. »Sondern die von einer anderen Zauberpflanze. Und Herr Bovist hat was durcheinandergebracht!«
»Das glaube ich ja eher nicht«, antwortete ich. »Herr Bovist ist in der Zauberblumenzucht ein alter Hase. Da verwechselt er doch keine Samen!«
»Dann sollten wir unbedingt testen, mit was wir es bei diesen kleinen Samen zu tun haben«, sagte Anni und lachte ihr tiefes Lachen. »Hohohooo!«
»Du hast so was von recht!«, antwortete ich. »Wir topfen einen Samen ein und nehmen ihn mit in den Hüttenurlaub. Dann wissen wir, ob es sich wirklich um Unsichtbarkeitsblumensamen handelt. Außerdem bleiben wir als Zauberblumenzüchter in Übung. Es ist ein Forschungsprojekt. Jawohl!«
Geschwind steckte ich einen der gesprenkelten Samen in meine Hosentasche. Plötzlich durchzuckte mich ein Gedanke: »Meinst du, wir sollten Herrn Bovist um Erlaubnis fragen?«
»Eher nicht«, antwortete Anni. »Dann ist es ja kein Forschungsprojekt. Weil der Profi uns schon alles verrät. Und was ist, wenn er es uns nicht erlaubt?«
»Hmmm«, machte ich. »Außerdem hat Herr Bovist genug mit seiner Hexe im Rücken zu tun. Wir berichten ihm nach unserer Rückkehr einfach von unseren Forschungsergebnissen.«
»Auf zum Gewächshaus«, rief Anni.
Schwupps, flitzte sie im Galopp in Richtung Tannenwäldchen, dicht gefolgt von Rupert. Also gab auch ich Gas und rannte hinterher.
Vor dem Glashaus erklärte Anni dem armen Rupert: »Du musst wieder draußen warten. Sonst bekomme ich noch Schreikrämpfe wegen deiner Schleckerei!«
Ich suchte als Erstes einen hübschen Blumentopf aus dem schiefen Regal heraus. Etwas Erde und Pferdeäpfel hinein, und schon versank der gesprenkelte Samen im stinkigen Dunkel.
»Noch Wasser dazu und fertig«, sagte Anni und holte die Gießkanne.
»Tschüs, Kalli!«, rief ich zum Abschied dem Riesenhasen zu.
Da war Anni schon in Richtung Mauer unterwegs. Wieder im Galopp, weil Rupert ihr dicht auf den Fersen war und immer wieder seine lange Zunge ausfuhr.
»Iiih!«, kreischte es aus dem Dschungel. »Weg, du oller Wurstschädel!«
Langsam folgte ich den beiden. Schließlich trug ich den Blumentopfschatz. Ihm durfte nichts passieren!
Zu Hause wartete eine tolle Überraschung auf mich: Dackel Floh!
»Floh fährt mit uns auf die Hütte«, rief Mama und versuchte, Flohs Gekläffe zu übertönen. »Tante Ilse wurde doch am Knie operiert. Da kann sie sich nicht so gut um Floh kümmern. Deshalb nehmen wir ihn mit. Eine Hütte im Wald ist unglaublich dackelfreundlich.«
Das fand ich auch. Und weil wir am nächsten Morgen früh zum Hüttenurlaub aufbrechen wollten, durfte Floh schon heute bei mir im Zimmer übernachten.
Der Dackel schnarchte auf seinem Kissen, als ich in mein Pflanzentagebuch schrieb:
Sonntag, 13. Juli
Ich habe eine neue Unsichtbarkeitsblume gepflanzt. Denke ich zumindest. Der Samen sieht etwas seltsam aus: Wie ein gesprenkeltes Vogelei. Nur viel kleiner.
Morgen fahren Mama, Renate, Anni, Floh und ich ins Wiesental. Da werde ich Lilian wiedersehen! Ich freue mich wie verrückt!
Und gerade, als ich das Tagebuch in meiner bereits gepackten Tasche verstaute, zuckte ein Gedankenblitz durch meinen Kopf.
»Das Notfallsäckchen!«, rief ich.
Floh blinzelte.
»Fast hätte ich das Wichtigste vergessen«, erklärte ich dem kleinen Hund. »Ein Zauberblumenzüchter fährt niemals nie ohne sein Notfallsäckchen in den Urlaub!«
Schnell zog ich das grüne Ledersäckchen aus dem Versteck im Puppenhaus. Dort war es sicher vor meiner neugierigen Familie. Vorsichtig öffnete ich es und betrachtete die Gutzis darin. Die Süßigkeiten hatten wir bei unserem letzten Abenteuer mit Zauberessenzen gefüllt. Für die Aufnahmeprüfung in den Kreis. Zwei Bonbons waren mit der Essenz des Flugzaubers gefüllt. In die Kaugummis hatten wir Schnelligkeitszauber geträufelt. Wenn man eins davon kaut, kann man so schnell flitzen wie ein Gepard. Echt und ungelogen. Und zwei Gummibärchen waren mit Lilians Yetizauber getränkt. Da wird man am ganzen Körper behaart. Und es wachsen einem Krallen. Und Knubbelohren, mit denen man prima hören kann. Und eine zuckende Supernase bekommt man auch. Lilians Yetiessenz ist nicht wirklich praktisch. Weil wir Kinder schlecht eine Woche als behaarte Wesen herumrennen können. Da würden mich meine Eltern sofort ins Krankenhaus bringen. Eigentlich wollte unser Freund ja auch einen Tierverstehzauber gezüchtet haben. Das hatte aber nicht geklappt.
Ich steckte das Notfallsäckchen zum Tagebuch in die Reisetasche.
»Gute Nacht, Floh!«, sagte ich zu Floh und knipste das Licht aus.
Und weil der Dackel seinen Namen hörte, rappelte er sich auf und hopste zu mir ins Bett.
»Wir werden im Urlaub richtig viel Spaß haben«, raunte ich ins Dackelohr.
Im Nullkommanix waren wir eingeschlafen.
An diesem Montagmorgen hüpften Floh und ich ruck, zuck aus dem Bett. Weil wir so einen aufregenden Tag vor uns hatten, ist ja klar!
Als Erstes schaute ich nach dem Blumentopf auf meinem Fensterbrett.
»Schau mal, hier ist schon ein kleiner Halm zu sehen!«, sagte ich fröhlich und hielt Floh den Topf vor die lange Schnauze. »Wir sind wirklich prima Zauberpflanzenzüchterinnen!«
Zwar war der Halm eher braun statt grün, aber das konnte ja noch werden. Jetzt brauchte ich ein sicheres Transportmittel für unsere Zauberblume. Also besuchte ich als Nächstes Leni in ihrem Zimmer. Sie ist meine Schwester und schon vierzehn Jahre alt. Sie lag noch im Bett und schaute mich aus verschlafenen Augen mürrisch an.
»Ich schlafe noch«, sagte sie maulig.
»Stimmt nicht«, antwortete ich und marschierte schnurstracks zu ihrem Bücherregal. Dort stand eine runde und recht hohe Pappschachtel mit vielen bunten Blümchen drauf. Total hübsch. Mama hatte die Schachtel mal geschenkt bekommen. Mit einer riiiesigen Flasche Schaumgetränk drin. Oder so. Und Leni hatte sich die schöne Schachtel gleich mal unter den Nagel gerissen.
»Du, Leni«, fragte ich mit sehr, sehr lieber Stimme. »Leihst du mir deine Schachtel aus? Ich passe auch richtig gut drauf auf. Ehrenwort!«
Lenis Augen waren schon wieder zu.
»Hmmm«, machte sie.
Schwupps, rannte ich zurück in mein Zimmer.
Der Blumentopf passte wunderbar in die hübsche Schachtel. Und die Schachtel passte wunderbar in meinen neuen roten Wanderrucksack.
»Wir sind startklar!«, sagte ich zufrieden.
Wenig später stand die gesamte Familie Kannegießer um das winzig kleine Auto von Renate herum.
»Haha!«, machte Finn. »In die Konservendose passt ihr gar nicht alle rein.«
»Am besten läuft Floh nebenher«, sagte der grinsende Jonas.
Finn und Jonas sind meine zwei Jahre älteren Brüder. Und Zwillinge. Und manchmal sind sie auch ganz schön gemein.
»Halt dir besser die Ohren zu«, sagte ich zu Floh. Das ist mein Trick, um Gemeinheiten nicht hören zu müssen.
Renate tätschelte das hellgrüne Autodach. »Klar passen da alle rein! Mein kleiner Laubfrosch hat schon ganz andere Frachten transportiert.«