Der Zauberstab - Dominik Kriege - E-Book

Der Zauberstab E-Book

Dominik Kriege

0,0

Beschreibung

Zu seinem zwölften Geburtstag wünscht sich Leo Sonntag eine Zaubervorstellung auf seiner Feier. Seine Eltern finden über das Internet einen Magier, der sich auf Kindervorstellungen spezialisiert zu haben scheint. Die Feier im Garten wird ein großer Erfolg. Bis am Ende der Zauberer das Geburtstagskind verschwinden lässt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 92

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



»Wäre ich doch ein Zauberer,

müßt' ich nur Handflächen bewegen,

und könnt' alle Probleme, deine Sorgen,

sekundenschnell von dieser Erde fegen.«

(Christopher Tafeit)

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: MONTAGMORGEN

Kapitel 2: HAUSBESUCH

Kapitel 3: LORAZEPAM

Kapitel 4: SCHWARZE ZIFFERN AUF GELBEM GRUND

Kapitel 5: FLUG AF1711

Kapitel 6: DIE PIPELINE WIRD GEÖFFNET

Kapitel 7: ZALTBOMMEL

Kapitel 8: FSK 18

Kapitel 9: Avenue Montaigne

Kapitel 10: Nordwind

Kapitel 11: Alsterblick

Kapitel 12: Lukáš

Kapitel 13: Baumwall

Kapitel 14: U 3

Kapitel 15: August Schierhölter

1

MONTAGMORGEN

»Steffen, du bist spät heute.«

Angi blickte mich teils fragend, teils vorwurfsvoll von ihrem Schreibtisch an, als ich unser Büro betrat. Wir arbeiteten inzwischen seit sechs Jahren zusammen und ihr Gespür, das ihr als Ermittlerin zugutekam, wirkte sich in solchen Situationen auch anders aus.

»Morgen«, knurrte ich und ließ mich an meinem Platz in den Sessel fallen.

»Na, wir haben ja wieder gute Laune. Herrlich. Und ich hatte mich auf deine blöden Sprüche gefreut.«

»Angi, mach nicht so ‘n Theater! Ich habe von gestern noch ´nen Kater.« Ich versuchte mit einem meiner blöden Sprüche den Morgen zu retten. Frau Kriminalhauptkommissarin durchblickte wieder einmal das Spiel.

»Schlecht geschlafen?«

»Hm, ja.« Ich nippte an meinem Tee und verbrannte mir fast die Zunge am heißen Darjeeling. »Flyod hat fast die ganze Nacht gebellt bei dem Sturm und…« Ich ließ den Satz abrupt enden.

»Verstehe. Und…?«, Angi begann nachzuhaken. »Ich höre.«

»Das ist hier ist keine Vernehmung.«

»Steffen, euer bellender Mitbewohner ist nicht der einzige Grund für deine Laune. Was ist mit Karla?«

»Wir hatten wieder einmal Streit gestern Abend.« Ich nahm einen Schluck Tee. »Irgendwie ist es nicht mehr dasselbe wie früher. Ich denke manchmal, wir sind nur noch eine WG, die Sex hat. – Ja, für dich wäre das ideal. Ich weiß…«

»Kommt auf den Mitbewohner an.« Angi lachte auf. »Nein, im Ernst. Versteht ihr euch gar nicht mehr? Ich meine, so richtig gar nicht?«

»Ich weiß es doch nicht. Es ist alles kompliziert geworden. Seit Karla die neue Stelle hat, ist es…“ Das Klingeln des Telefons unterbrach mich in meinen Gedanken.

»Ja, Reinders.«

»Guten Morgen, meine Lieblingskollegen. Unser Dienstgruppenleiter möchte uns alle in fünf Minuten zum Meeting sehen. Große Runde. Wir sind im Raum ‘Brüssel‘. Cheerio!«

Angi sah mich erneut fragend an, obwohl sie die Antwort dieses Mal schon kannte. »Wann lädt der Chef zur Audienz?«

»Fünf Minuten gewährt er uns noch. Max sagte, dass er alle sehen möchte. Das war es dann wohl mit einem ruhigen Wochenanfang.«

Irgendwer hatte sich einmal ausgedacht die Konferenz- und Besprechungsräume im Polizeipräsidium Bonn nach europäischen Hauptstädten zu benennen. Dabei hatte man jedoch nicht an die Räume, die teilbar waren, gedacht. So gab es im Laufe der Zeit einige Kuriositäten wie ‘London 1+2 zusammen‘ oder ‘Madrid+Lissabon geteilt‘. Heute also ging es nach ‘Brüssel‘.

Angi und ich gingen mit Notizbuch, Kaffee und Tee bewaffnet durch die Verbindung zwischen den beiden Gebäudeteilen an der Königswinterer Straße.

Als diese Glas-Stahl-Konstruktion saniert wurde, bemerkte der Berliner Handwerker: »Dit wird ‘ne richtig schöne Beamtenlaufbahn hier. Passt of, dat ihr nicht mal jeblitzt werdet!«

Angi versicherte ihm – zwanghaft ein Gespräch vermeiden zu wollen –, dass Verkehrsdelikte bei uns nicht bearbeitet würden.

»Wat macht ihr denn? Na, is och ejal. Eine Frage: Mein Schwager hat ‘nen 16 Jahre alten Skoda und will damit sene Tochter zum Studentenwohnheim bringen. Liegt in ‘ner Umweltzone. Und nu?«

»Ja, hallo, Meister! Nur mit Umweltplakette!« Angi musste sich sichtlich zusammenreißen. »Wenn er die überhaupt bekommt.« Damit schien für beide Seiten die Diskussion beendet.

Ich lachte in mich hinein, als ich an diese Begegnung dachte, die ich damals aus für mich sicherer Entfernung miterlebt hatte. Die Qualitäten meiner Kollegin wusste ich durchaus zu schätzen. Ihr Humor war genau auf meiner Linie und sie verstand es oft, fehlende Puzzleteile bei Ermittlungen zu sehen, während ich noch die Schachtel hin und her drehte. Ihre schulterlangen braunen Haare trug sie mal offen, mal zum einem Zopf gebunden. Sie wusste ihre Wirkung geschickt einzusetzen. In einer Vernehmung strich sie sich gerne das Haar hinter das Ohr. Ja, sie war die nette Kriminalpolizistin, der man sich anvertrauen konnte. Sofern sie eine Aussage vor Gericht zu tätigen hatte, erschien Angi, eigentlich Angelika, mit Dutt und im schwarzen Hosenanzug. Ja, sie war die erfolgreiche Kriminalpolizistin, die strängend ihre Ermittlungsansätze verfolgte und vor Gericht jedes Detail parat hatte. Privat tauchte sie gerne in das Bonner Nachtleben ein, schaltete hier und da mal mit einem Joint auf dem Balkon ab. Ja, sie war die lebenslustige Kollegin, Anfang 30, die nichts anbrennen ließ. Ich verlor mich in meinen Tagträumen als wir die ‘Beamtenlaufbahn‘ verließen.

Auf dem Flur vor den Besprechungsräumen trafen wir Max, den Kollegen, der uns vorschriftsmäßig eingeladen hatte. Er war heute bester Laune und lieferte den Grund direkt mit: »Ich habe gerade, eher so zufällig, eine Rezension bei Google gefunden. Die musste ich euch ausdrucken!« Max quietschte beinahe vor Vergnügen und hielt uns das DIN A4-Blatt hin.

Meine Nacht im PG-Hotel,

Anreise sehr unangenehm,

Blutend und mit zu Festen Handschellen in einen kleinen Raum gebracht, wo das Hotel Personal mir beim ausziehen geholfen hat. :)

Sie untersuchten meinen Körper als wären sie Biologen.

Wurde dann in mein Hotel Zimmer gebracht und drauf hingewiesen das ich "die fresse zu halten habe.

Zu meinem Hotelzimmer kann ich nur sagen das es sehr ungemütlich eingerichtet war, Toilette war im Boden fest gemacht wie ein plumsklo.

Wasser war abgestellt.

Matratze hart wie ein Stein.

Und Getränke gab es nur aus nem Plastik Becher.

Aber für den Preis bei einer kostenlosen

Übernachtung kann man wohl nicht meckern :)

Mfg

Merhanrababa.

Immerhin gab es von diesem Mitbürger, der eine Nacht im Polizeigewahrsam verbringen durfte, zwei Sterne bei Google!

Nach und nach füllte sich ‘Brüssel‘ mit den anderen Kolleginnen und Kollegen, die sich freie Plätze an einem der in U-Form aufgestellten Tische suchten. Dienstgruppenleiter Oberbrinkhaus schaute in die Runde und stellte schweigend die Anwesenheit fest.

»Guten Morgen, zusammen. Ich will Sie nicht lange aufhalten an diesem Montagmorgen und werde direkt ins Thema einsteigen. Wir werden eine neue Ermittlungsgruppe gründen.«

»Wieso? Die Bewertung bei Google war doch hervorragend!«, platzte es aus Max heraus.

»Herr Ritter, bitte.« Der Gesichtsausdruck von Oberbrinkhaus wechselte in Richtung ernst. »Wir werden gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem KK 12 eine Ermittlungsgruppe bilden. Es gibt einen Vermisstenfall aus Beuel-Ost. Ein zwölfjähriger Junge wurde von seinen Eltern am Freitagabend vermisst gemeldet.«

Noch bevor Nachfragen aufkamen, warum das KK 12 hinzugezogen wurde, fuhr der Dienstgruppenleiter fort: »Ein Sexualdelikt ist nicht auszuschließen. Daher wurden wir angewiesen, sowohl Personal aus dem KK 42 [Personenfahndung, Vermisstensachen] und dem KK 12 [Sexualdelikte, BTM-Delikte] zusammen zu führen. Ihr alle wisst, wie sensibilisiert die Öffentlichkeit ist und wir wollen hier kein zweites Lügde.«

Max Ritter saß der Schalk nicht mehr im Nacken. Unter seiner rotblonden Kurzhaarfrisur hatte sich die Stirn verkrampft und die Google-Bewertung war vergessen. »Ich wäre dafür, dass Herr Reinders die Ermittlungsgruppe leitet. Frau Martin und er haben die meiste Erfahrung und sind gut vernetzt in alle Richtungen. Ich weiß ja nicht, inwieweit wir hier noch Unterstützung bekommen?!«

»Nun, die Kollegen der Wache Innenstadt haben die Meldung aufgenommen. Viel mehr wird noch nicht passiert sein. Ich kläre, welche Möglichkeiten wir haben. Die WaPo [Wasserschutzpolizei] hat bereits mit Kontrollfahrten rheinabwärts begonnen. Mehr weiß ich im Moment noch nicht.«

»Immerhin ist das schon mal angelaufen«, sagte ich, während ich bereits mein Team im Kopf formierte. »Ich kümmere mich darum, dass wir mit dem THW und den Hilfsorganisationen die Ufer absuchen. Da haben wir ja leider Erfahrungen aus den letzten Jahren, dass Kinder beim Spielen den Halt verloren.«

»Gut. Herr Reinders leitet die Ermittlungsgruppe Delta. Verteilen Sie bitte dringliche Sachen innerhalb Ihrer Abteilungen an die weiteren Kolleginnen und Kollegen! Frau Martin, Herr Ritter, Herr Herbst, Frau Gonzalez – Sie gehören der Ermittlungsgruppe an. Das KK 12 ist gerade dabei freie Leute zu finden, die stoßen dann dazu. Die Unterlagen der Wache Innenstadt liegen vor. Gibt es in diesem Moment noch Fragen?«

»Ja!« Max schaute nachdenklich auf sein Notizbuch, als würde er weiter mitschreiben. »Wissen Sie bereits, ob den Eltern kürzlich etwas aufgefallen ist? Etwas Ungewöhnliches? Sie wissen, was ich meine.«

Oberbrinkhaus hielt kurz inne. »Der Junge hatte am Freitag Geburtstag. Er wurde zwölf.«

»Hm, bisschen früh für eine Midlifecrisis«, versuchte Max die Stimmung aufzulockern. »Sorry, blöder Spruch. – Ist der Junge am Freitag verschwunden? An seinem Geburtstag?«

»Ja, korrekt. Es sei eine richtig schöne Feier gewesen. Draußen im Garten, das Wetter war ja spitze. Nach der Feier, als Alle beim Aufräumen waren, ist er abgehauen.«

»Kann ich verstehen. Aufräumen hätte ich auch keinen Bock drauf.« Der Gedanke kam und schon hatte ich ihn ausgesprochen. »Aber dass er dann ganz abgehauen ist… Irgendwas muss da gewesen sein. Ist den Eltern in der ersten Erinnerung nichts Merkwürdiges im Gedächtnis geblieben? Irgendwie ein Bauchgefühl oder so?«

»Der Zauberer sei irgendwie eigenartig gewesen.«

»Der Zauberer?«

»Ja, die Eltern hatten einen Zauberer für die Gartenparty angeheuert.«

»Ha! Und der hat den Kleinen verschwinden lassen. Zappzarapp!« Max konnte es wieder nicht lassen, wobei dieses Mal Gelächter in der Runde folgte.

»Der war gut«, stimmte ich Max zu, der wohlwollend nickend quittierte.

»Ein eigenartiger Zauberer… Joa, das ist mal was Neues. Wissen wir bereits mehr über diesen Heini?«, fragte ich.

Der Dienstgruppenführer schaute kurz in die Unterlagen. »Nur seinen Namen: Monsieur lâche.«

2

HAUSBESUCH

Angi und ich gingen über den Innenhof zu den Parkplätzen, auf denen diverse Streifenwagen geparkt waren.

»Mit den BMW 3ern haben die sich echt keinen Gefallen getan«, beurteilte Angi im Vorbeigehen die geparkten Autos. »Ich bin froh, dass ich da nicht mehr bin. In den Gurken kannste dich nicht richtig bewegen. Zwei Wetterschutzjacken, vielleicht noch ein Praktikant und die Karre ist schon übervoll.«

»Dann nehmen wir lieber den hier«. Ich drückte auf die Funkfernbedienung des schwarzen Audi A4 und ging zur Fahrertür. »Magst du in der Handakte gucken, ob wir noch was haben?«

Für ihre Verhältnisse höchstmotiviert nahm Angi die Unterlagen mit auf den Beifahrersitz und blätterte darin herum, während ich durch die Schranke fuhr und auf die Königswinterer Straße Richtung Norden einbog. Die Handakte enthielt keine besonderen Informationen: Junge, 12 Jahre alt, vermisst, seit Freitagabend. Aufgenommen durch Polizeiwache Innenstadt, Nachtdienst. Weitergeleitet zur Bearbeitung an das KK 42.

Als ich auf der Siegburger Straße war kam ein Lebenszeichen von der Beifahrerseite: »Hier ist ‚Mont Liban‘. Da kannste hervorragend libanesisch essen. Früher war da ein Italiener, der war auch gut. Ach, hatte ich dir von meinen Mailand-Trip erzählt, wo ich abends mit Carola die beiden Italiener abgeschleppt habe? Der hatte schon … na ja, ‘ne dicke Nudel.«

»Nö. So etwas wird mir gerne verheimlicht. Aber freut mich, dass du im Urlaub guten Appetit hattest.«

»Och, Steffen. Als ob du nicht deine Handfesseln mit Klara benutzt. Kannst mich nichts vormachen.«

»Was? Ähm, Lüge, Lüge.« Ich räusperte mich und Angi grinste breit über das ganze Gesicht.

»Da vorne links«, sagte sie und machte eine kurze Kopfbewegung. »Schevastesstraße und dann rechts. Im Röhnfeld.« Angi machte einen anerkennenden Blick