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Ein griechisches Söldnerheer - 10000 Mann stark - war eine in der ganzen antiken Welt gefürchtete strategische Waffe. Solch ein Trupp soll im Jahr 401 v.Chr. dem Prinzen Kyros helfen, seinen Bruder, den persischen Großkönig Artaxerxes II., zu stürzen. Die entscheidende Schlacht bei Kunaxa wird gewonnen. Doch der Thronprätendent und die griechischen Befehlshaber fallen. Nun wächst der Kriegsberichterstatter Xenophon, der den politischen Verhältnissen in seiner Vaterstadt Athen überdrüssig war und sich nur deshalb dem Unternehmen angeschlossen hat, in die Rolle des Oberkommandierenden. Wie es ihm gelungen ist, seine Einheit aus dem persischen Reich in Sicherheit zu bringen, was sie dabei gesehen, erlebt und erlitten haben - darüber hat er das in der Antike meistgelesene Buch, die Anabasis, geschrieben. Der Bonner Althistoriker Wolfgang Will hat die Geschichte gründlich erforscht und für die heutige Zeit spannend und informativ neu erzählt. Zehntausend griechische Söldner werden von dem persischen Prinzen Kyros unter einem Vorwand ins westliche Kleinasien gelockt. Als der Vormarsch beginnt, wird klar, dass das eigentliche Ziel des Unternehmens ist, den Bruder des Prinzen, Großkönig Artaxerxes, zu stürzen und Kyros auf den Thron zu bringen. Alles läuft nach Plan, bis Kyros bei Kunaxa (401 v.Chr.) fällt. Nun gilt es für das griechische Heer, sich aus Feindesland in Sicherheit zu bringen. Der Athener Xenophon (etwa 430 bis etwa 354 v.Chr.), dem wir eine detailreiche Beschreibung der Ereignisse verdanken, war eine Art Kriegsberichterstatter. Doch als die Anführer der Griechen fallen, muss er Verantwortung übernehmen. Er liefert über das militärische Geschehen hinaus Informationen über unbekannte Völker, antike Ruinenstätten, exotische Landschaften, fremdartige Flora und Fauna, aber auch über außergewöhnliche Ess- und Trinkgewohnheiten. Er berichtet über sexuelle Vorlieben, ungewöhnliche Zusammensetzungen von Heeren, über Frauen, Kinder, Hetären, Händler, Ärzte, Diener und Gefangene. Schonungslos legt er die Gräuel des Krieges offen, die ihn, den Sokrates-Schüler, immer wieder mit der Frage nach einem angemessenen moralischen Verhalten konfrontieren. Wolfgang Will hat dessen Anabasis - das in der Antike meistgelesenen Buch - kongenial in ein spannendes modernes Geschichtswerk umgesetzt.
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Wolfgang Will
DER ZUG DER 10.000
DIE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE EINES ANTIKEN SÖLDNERHEERES
C.H.Beck
Zehntausend griechische Söldner werden von dem persischen Prinzen Kyros unter einem Vorwand ins westliche Kleinasien gelockt. Als der Vormarsch beginnt, wird klar, dass das eigentliche Ziel des Unternehmens ist, den Bruder des Prinzen, Großkönig Artaxerxes, zu stürzen und Kyros auf den Thron zu bringen. Alles läuft nach Plan, bis Kyros bei Kunaxa (401 v. Chr.) fällt. Nun gilt es für das griechische Heer, sich aus Feindesland in Sicherheit zu bringen.
Der Athener Xenophon (etwa 430 bis etwa 354 v. Chr.), dem wir eine detaillierte Beschreibung der Ereignisse verdanken, war eine Art Kriegsberichterstatter. Doch als die Anführer der Griechen fallen, muss er Verantwortung übernehmen. Er liefert über das militärische Geschehen hinaus Informationen über unbekannte Völker, antike Ruinenstätten, exotische Landschaften, fremdartige Flora und Fauna, aber auch über außergewöhnliche Ess- und Trinkgewohnheiten. Er berichtet über sexuelle Vorlieben, ungewöhnliche Zusammensetzungen von Heeren, über Frauen, Kinder, Hetären, Händler, Ärzte, Diener und Gefangene. Schonungslos legt er die Gräuel des Krieges offen, die ihn, den Sokrates-Schüler, immer wieder mit der Frage nach einem angemessenen moralischen Verhalten konfrontieren. Wolfgang Will hat dessen Anabasis – das in der Antike meistgelesene Buch – kongenial in ein spannendes modernes Geschichtswerk umgesetzt.
Wolfgang Will lehrt als Privatdozent Alte Geschichte an der Universität Bonn. Von demselben Autor sind im Verlag C.H.Beck lieferbar: Athen oder Sparta (22020); Herodot und Thukydides (22020); Die Perserkriege (22019).
VORWORT
PROLOG: DIE ANABASIS
IN SKILLUS ODER DIE GEBURT EINES SCHRIFTSTELLERS
1: AUFTAKT IN ATHEN (408–401)
Der 25. Thargelion 408
Der Arginusen-Prozess
Unter den 30 Tyrannen
Die Reiterei der Dreißig
Der Sturz
2: DER ZUG INS LANDESINNERE: DIE ANABASIS (401)
Die Einladung
Der Aufbruch
Die Söldner
Der Weg
Die Kilikerin
Insurrektion und Meuterei
Weg ohne Umkehr
Am Euphrat
Große Spatzen
Die ägyptische Plage
Ein Verräter
Vor der Schlacht
Xenophon tritt auf
Entscheidung bei Kunaxa
Xenophons Kyros
Ungewissheit
Vae victoribus
Auf der Flucht
Waffenstillstand
Warten auf Tissaphernes
Ein anonymer Ratgeber
Das Komplott
Drei Nachrufe
3: DER ZUG ZUM MEER: DIE KATABASIS (400)
Die Stunde Xenophons
Vor der Heeresversammlung
Erste Erfahrungen
Am Tigris
Der philostratiotes
Ins Ungewisse
Im Gebirge
Durchs wilde Kurdistan
Am Grenzfluss
In Armenien
Tod und Bacchanal
Ein Wortwechsel
Abgründe
Thalatta! Thalatta!
Sichtbare und unsichtbare Feinde
In Trapezunt
Die Fluchtburg
4: AM SCHWARZEN MEER: DIE PARABASIS (400)
Ein Vorfall in Kerasus
Barbarotatoi
Aufenthalt in Kotyora
Die Kolonie
Xenophon als Redner
Abrechnungen
Intermezzo in Paphlagonien
Archon Autokrator
Das Heer zerfällt
Xenophon, der Retter
Im Hafen von Kalpe
Zeit der Opfer
Zum Bosporus
Der Harmost
5: AM BOSPORUS: DIE EPISTASIS (400/399)
Tumulte in Byzanz
Ein Agent Spartas
Bei König Seuthes
Ein Gastmahl
Krieg und Eros
Ein nächtlicher Überfall
Die Geschäfte des Herakleides
Eine Frage des Soldes
Abschied von Seuthes
Mit Gott an unserer Seite
Erinnerung an Sokrates
Exkurs: Parasangen, Stadien und Monate
6: DER LANGE WEG NACH HAUSE (399–354)
Unter spartanischem Kommando
Im Stab des Agesilaos
Zurück in Griechenland
Der Untergang der Mora
Skillus oder Über die Hauswirtschaft
Pax domi, foris bellum
Unordnung und Verwirrung
Ein letzter Schicksalsschlag
Am Ende wieder Athen
EPILOG: XENOPHON, DER ATHENER
ANHANG
QUELLENNACHWEISE
Vorwort
Prolog: Die Anabasis
In Skillus oder Die Geburt eines Schriftstellers
1. Auftakt in Athen (408–401)
Der 25. Thargelion 408
Der Arginusen-Prozess
Unter den 30 Tyrannen
Die Reiterei der Dreißig
Der Sturz
2. Der Zug ins Landesinnere: Die Anabasis (401)
Die Einladung
Der Aufbruch
Die Söldner
Der Weg
Die Kilikerin
Insurrektion und Meuterei
Weg ohne Umkehr
Am Euphrat
Große Spatzen
Die ägyptische Plage
Ein Verräter
Vor der Schlacht
Xenophon tritt auf
Entscheidung bei Kunaxa
Xenophons Kyros
Ungewissheit
Vae victoribus
Auf der Flucht
Waffenstillstand
Warten auf Tissaphernes
Ein anonymer Ratgeber
Das Komplott
Drei Nachrufe
3. Der Zug zum Meer: Die Katabasis (400)
Die Stunde Xenophons
Vor der Heeresversammlung
Erste Erfahrungen
Am Tigris
Der philostratiotes
Ins Ungewisse
Im Gebirge
Durchs wilde Kurdistan
Am Grenzfluss
In Armenien
Tod und Bacchanal
Ein Wortwechsel
Zum Meer
Abgründe
Thalatta! Thalatta!
Sichtbare und unsichtbare Feinde
In Trapezunt
Die Fluchtburg
4. Am Schwarzen Meer: Die Parabasis (400)
Ein Vorfall in Kerasus
Barbarotatoi
Aufenthalt in Kotyora
Die Kolonie
Xenophon als Redner
Abrechnungen
Intermezzo in Paphlagonien
Archon Autokrator
Das Heer zerfällt
Xenophon, der Retter
Im Hafen von Kalpe
Zeit der Opfer
Zum Bosporus
Der Harmost
5. Am Bosporus: Die Epistasis (400/399)
Tumulte in Byzanz
Ein Agent Spartas
Bei König Seuthes
Ein Gastmahl
Krieg und Eros
Ein nächtlicher Überfall
Die Geschäfte des Herakleides
Eine Frage des Soldes
Abschied von Seuthes
Mit Gott an unserer Seite
Erinnerung an Sokrates
Exkurs: Parasangen, Stadien und Monate
6. Der lange Weg nach Hause (399–354)
Unter spartanischem Kommando
Im Stab des Agesilaos
Zurück in Griechenland
Der Untergang der Mora
Skillus oder Über die Hauswirtschaft
Pax domi, foris bellum
Unordnung und Verwirrung
Ein letzter Schicksalsschlag
Am Ende wieder Athen
Epilog: Xenophon, der Athener
XENOPHONS WERK
1. Historische Schriften
2. Sokrateische Schriften
3. Politisch-didaktische, staatstheoretische Schriften
4. Ökonomische Schriften
5. Hippische Schriften
6. Unechte Schriften
GLOSSAR
MASSE UND MÜNZEN
Längenmaße
Hohlmaße
Münzen
CHRONOLOGIE
LITERATURHINWEISE
Textausgaben
Übersetzungen
Kommentare
Weitere Übersetzungen
Sekundärliteratur
DANKSAGUNG
ABBILDUNGSNACHWEIS
Abbildungen
Karten
REGISTER
KARTE: ANTIKE GEBIETE UND ORTE IM UMFELD DES ZUGS DER 10.000
KARTE: HEUTIGE LÄNDER UND STÄDTE IM UMFELD DES ZUGS DER 10.000
Fußnoten
Das Leben Xenophons mit diesem Buch nachzuzeichnen ist mein Ziel. Im Mittelpunkt steht dabei die Anabasis, das erste erhaltene Memoirenwerk der abendländischen Geschichte – ein Werk mit vielen Facetten, das nicht nur von Griechen und Persern, sondern von vielen Völkern, die in den Grenzen des persischen Reiches beheimatet waren, handelt. Es erzählt die Geschichte von zehntausend griechischen Söldnern, die, von einem persischen Prinzen bezahlt, nach Osten in ein Gebiet ziehen, das außerhalb ihrer Vorstellungen liegt. Ihr Auftrag lautet, den Großkönig zu stürzen, doch bis kurz vor der Entscheidungsschlacht wissen nur ihre Feldherren davon. Die Söldner siegen und scheitern doch, denn der Thronprätendent, ihr Soldherr, fällt in diesem Kampf. Auf sich gestellt, müssen sie ohne Proviant und Führer den Rückweg durch feindliches Territorium antreten. Es ist dies im Gegensatz zum Titel, der «Hinaufzug» bedeutet, eine Katabasis, der Weg «hinab» zum Schwarzen Meer und dann nach Byzanz, und umfasst den spannendsten und weitaus längsten Teil ihres großen Marsches. Er belegt die uralte Erfahrung, die schon der große Xerxes machen musste, dass es sehr viel leichter ist, in ein Land einzufallen als wieder unbeschadet aus ihm herauszufinden.
Im Handbuch der Altertumswissenschaften gilt der Rückzug der griechischen Söldner aus dem Hochland von Babylon als ein «unvergängliches Ruhmesblatt der griechischen Kriegsgeschichte». Ein (Lorbeer-)Blatt besitzt freilich auch eine Unterseite, auf die wenig oder kein Licht fällt. Daher soll der Rückweg hier nicht allein aus der Perspektive der Griechen, sondern auch aus der Sicht der Völker, durch die das Söldnerheer zog, betrachtet werden.
Mit Beginn der Katabasis hat sich für den Autor alles verändert, so dass das Werk mit dem ersten Kapitel des dritten Buches gleichsam neu einsetzt. Während Xenophon in der titelgebenden Anabasis nur Beobachter ist, wird er nun selbst beobachtet: von den Persern, von den Griechen, von den Söldnern und Mitfeldherren, von den Göttern, an die er glaubt, und vor allem von sich selbst. Er gibt jetzt Einblicke in sein Denken und Fühlen, in seine An- und Einsichten, seine Hoffnungen und Ängste. Das Publikum erfährt, was der Autor es glauben machen will, und ebenso, was er ganz gegen seine Absicht verrät. So ist es insbesondere der Mensch Xenophon, der fasziniert. Welches Tal er gerade durchzog und welchen Berg die Zehntausend überschritten, vermag über ihn nicht mehr auszusagen als die genaue Route, die Hannibals Elefanten über die Alpen nahmen, über das Leben des Karthagers. Die Anabasis soll hier weder als Wanderführer noch als Kompendium der antiken Kriegskunst verstanden werden. Sie ist wie andere meist autobiographisch gefärbte Schriften Xenophons ein Zeugnis für sein Leben, seine Ziele, Siege und Enttäuschungen, und nur über sie ist es möglich, neue Antworten zu geben auf die alte Frage, wie es gewesen sein könnte.
Die Anabasis ist eines der großartigsten Bücher der griechischen Prosa, sie ist gleichsam ihr Herz. Sie zeigt uns die Menschen einer Umbruchzeit, sie zeigt sie in einer ihnen fremden und feindlichen Umgebung und in Situationen, da jede Entscheidung eine über Leben und Tod – nicht nur der Söldner – war. Sie zeigt ihre hässliche Seite und ihre solidarische. Wo die bloße Selbsterhaltung zum Gesetz und Maßstab wird, ist Unrecht nicht fern. Der Autor ist sich dessen freilich bewusst. Die verlogene Attitüde des Kolonialherrn ist ihm fremd. Nirgends erhebt er sich über fremde Sitten oder Bräuche, auf welche die Griechen ansonsten herabzublicken pflegten. Barbaren nennt er die Angehörigen der zahlreichen Ethnien des Perserreiches, wie das im Wortschatz der Griechen üblich ist, doch dies bezeichnet nur den Sprachunterschied. Selten verschleiert oder beschönigt Xenophon das, was die Zehntausend in den Augen der einheimischen Bevölkerung waren: eine Art bewaffneter Heuschreckenschwarm, der gierig über ihre Vorräte herfiel. Schlimmer noch als eine ägyptische Plage raubten sie ganze Herden oder versklavten diejenigen, die Widerstand zu leisten versuchten. Anders freilich als die üblichen Eroberer der Antike wie Alexander der Große oder Caesar, denen die Geschichte Kränze flicht, fielen sie nicht in ein fremdes Land ein, um es auszuplündern, sondern sie wollten es im Gegenteil nach dem Scheitern der Mission, für die sie bezahlt worden waren, auf dem schnellstmöglichen Weg verlassen. Hätte sie der Großkönig nicht an der Rückkehr nach Westen auf den festen Straßen, die sein Reich durchzogen, gehindert, wäre das Unternehmen schnell und ohne Gewalttaten, wenn auch auf Kosten der Bevölkerung, die das Heer hätte ernähren müssen, zu Ende gegangen.
Die Anabasis zeigt aber noch ein anderes: Auch eine Räuberbande – im Übrigen waren die meisten Heere der Antike solche, wie das zynische Wort vom Krieg verrät, der sich selbst ernährt – kann positive Züge einer menschlichen Gemeinschaft entwickeln. Die Söldner, aus den verschiedensten Städten und Volksgruppen stammend, die sich noch vor kurzem im großen griechischen Krieg unversöhnlich mit Hass und Wut bekämpft hatten, fanden nun angesichts einer dreifachen Bedrohung durch Mensch, Land und Klima zu gemeinsamem Handeln. Dabei standen sie nicht unter dem Befehl eines Einzelnen, sie waren gleichsam eine demokratische Polis auf Wanderschaft. Die Feldherren und Hauptleute, die sie führten, wurden von allen gewählt und konnten auch ebenso schnell wieder abgesetzt werden. Über ihr Handeln und vor allem die Verwendung von Geldern waren sie dem Heer gegenüber rechenschaftspflichtig, alle Entscheidungen wurden gemeinsam getroffen. Das war ein Modell, wie es die griechische Welt im Militärischen noch nicht kannte, doch es funktionierte, wie die Anabasis zeigt, und rettete die meisten Söldner vor dem sicheren Tod in Anatolien, sei es durch Waffen, sei es durch Hunger, sei es durch Krankheit oder Kälte.
Xenophon erzählt dies alles mit großer Anschaulichkeit, er entwirft mit seiner Schilderung der Kämpfe und Schicksale der Griechen im Geiste Herodots, wie Jacob Burckhardt sagt, eine unbeschreibliche Reihe von Bildern, die sich zu einem großartigen Gemälde «an Ereignissen, Gegenden und Völkerschilderungen» ergänzen. Festungen müssen erobert, Gebirge überstiegen, Flüsse durchquert, Überfälle vereitelt werden. Hindernis türmt sich auf Hindernis, bis die Griechen schließlich das ersehnte Meer erreichen, das sich dann doch nur als Zwischenstation entpuppt. Xenophon schreibt detailreich, genau, trocken, ohne Klage, einziges Pathos ist wie in der Odyssee die Sehnsucht der hier zu Land, dort zur See Zurückkehrenden nach ihrer Heimat. Xenophon reiht die vielen Episoden des Marsches fast atemlos aneinander, Unterbrechungen gönnt er sich nur, um Reden einzuschieben, welche die diplomatischen, strategischen und logistischen Entscheidungen erläutern. Sie machen jedoch mehr als ein Drittel des Werkes aus, im letzten Buch sogar über die Hälfte, da hier der Zug sein Ziel, den griechischen Boden, erreicht hat, und Xenophon es vornehmlich darum zu tun ist, sich zu rechtfertigen. Vor allem sind es die Vorwürfe der Bereicherung, die ihm als einem der Feldherren galten und die er sowohl in der Endphase des Zuges 399 als auch noch später, als er schon in Skillus lebte, zurückzuweisen bemüht war. Die Reden sind in ihrer äußeren Form erst lange nach den Ereignissen verfasst, beruhen aber inhaltlich in vielem auf den Aufzeichnungen, die während des Marsches entstanden, wenn sie auch manche Gedanken aus späterer Zeit enthalten.
Sicherlich erzählt Xenophon oft, wie er sich nachträglich wünschte, dass es geschehen wäre, und wie es ihm seine Erinnerung auch vorgaukelte. Er erzählt aber mit dem Anspruch und dem festen Glauben, das zu beschreiben, was er auch gesehen oder gehört hat. Vor Lügen bewahrte ihn, dass viele Augenzeugen noch lebten, die ihm widersprechen und so sein Werk insgesamt in Frage stellen konnten. Unmerklich und unvermeidlich schlichen sich freilich, ohne dass wir das korrigieren können, auch Irrtümer ein, sei es, dass sein Gedächtnis ihn trog, sei es, dass er korrigierte, was unglaubhaft geklungen hätte, sei es, dass ihn etwas Unangenehmes – unbewusst – davon abhielt, es niederzuschreiben, oder sei es, dass er glaubte, auf Tote oder Freunde Rücksicht nehmen zu müssen. Nicht alles, was er berichtet, wird sich also trotz der Tagebuchaufzeichnungen auch genauso zugetragen haben.
*
Die Anabasis machte Xenophon schon unter seinen Zeitgenossen berühmt, einen Niederschlag in der zeitgenössischen Literatur fand sie aber kaum. Die attischen Publizisten und Redner interessierten sich wenig für das geschilderte Ereignis, ihnen lag die Vergangenheit Athens am Herzen. Wo der Publizist Isokrates oder der Redner Demosthenes vom Zug der Zehntausend sprechen, erwähnen sie nur den Spartaner Klearchos, von Xenophon ist nirgends die Rede. Doch die Anabasis erreichte anders als andere, meist regional begrenzte Publikationen, ein panhellenisches Publikum. Das war von Xenophon beabsichtigt. An keiner einzigen Stelle bezeichnet er die Zehntausend als mistho-phoroi, also als Soldempfänger. Dieses Wort hat er nur für die Griechen übrig, die im Dienste des Landesfeindes, der Perser, standen; die Zehntausend sind und heißen für ihn nur Hellenen, so er sie nicht einfach Soldaten nennt. Mit ihnen konnte sich das griechische Publikum im Mutterland identifizieren, wenn es von ihren Abenteuern las. Darüber hinaus interessierte es sich für unbekannte Tiere, die noch keine Namen in seiner Sprache hatten, für exotisch anmutende Sitten und Gebräuche oder für Bauwerke und Ruinen untergegangener Reiche. Nicht zuletzt wurde die Anabasis im 4. Jahrhundert zu einem militärischen Handbuch, auch wenn sie nicht als solches konzipiert war. Alexander der Große führte sie im Reisegepäck mit, als er sich auf den Spuren der Zehntausend nach Asien aufmachte, und er flößte mit deren Beispiel seinen Soldaten Mut ein, als sie bei Issos den Völkermassen des Großkönigs gegenüberstanden.
Die breite Nachwirkung des Schriftstellers Xenophon setzt dann in der späten römischen Republik ein. Schon der ältere Cato las ihn, einzelne Schriften sind im Werk Ciceros nachzuweisen, der ihn aber vornehmlich als Philosophen sah und auch dort einen Socraticus nennt, wo er von der Anabasis spricht. Von Caesar bezeugt sein Biograph Sueton, dass er die Kyrupädie las, doch kann keinerlei Zweifel daran bestehen, dass ihm die Anabasis nach Stil und Anlage Vorbild für seine Kommentare zum Gallischen Krieg war, auch wenn sich dort keine direkten Verweise darauf finden. Zu dieser Zeit ist auch zum ersten Mal von einem Marsch der Zehntausend die Rede. Xenophon selbst spricht niemals von «den Zehntausend». Es waren ja deutlich mehr, die von Ephesos aufgebrochen waren, vom umfangreichen Tross ganz abgesehen. Als jedoch immer mehr der Rückzug zum Thema wurde, rückte die Zahl, die Xenophon bei der Ankunft am Schwarzen Meer angibt, und die grosso modo 10.000 lautet – Xenophon zählt rund 8000 Schwerbewaffnete und 1800 Leichtbewaffnete – in den Blickpunkt der Rezipienten. Der Biograph Plutarch berichtet, dass Antonius, Caesars Mitkonsul im letzten Lebensjahr, voller Bewunderung von den myrioi sprach, den Zehntausend, die den schweren Weg von Babylonien nach Griechenland geschafft hatten. Der römische Historiker Pompeius Trogus gedenkt im 1. Jahrhundert v. Chr., soweit wir wissen, als Erster der decem milia Graecorum. In der Kaiserzeit aber ist der Begriff kanonisch, wie mehrere Erwähnungen zeigen.
Spuren der Anabasis finden sich auch bei Tacitus und – wohl sekundär vermittelt – in den militärischen wie rhetorischen Beispielsammlungen des ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, doch erlebte sie ihre Renaissance vornehmlich in der griechischsprachigen Welt, zu der die Mehrheit des Imperium Romanum zählte. Plutarch benutzt sie in seinen Biographien wie in den Moralia, von höchster Bedeutung aber wird sie für den Historiker Arrian, der sich auch als neuer Xenophon verstand. Wie dieser schrieb er, indem er den Titel und die Einteilung in sieben Bücher übernahm, eine Anabasis, nämlich die Alexanders des Großen. So sehr Arrian Xenophon bewunderte, so sehr fürchtete er aber auch, dass dessen Anabasis sein eigenes Werk verdunkeln könnte. Mehr als ein halbes Jahrtausend nach seinem Ende war der lange Marsch der Zehntausend noch bevorzugte Lektüre in einem Reich, das Griechenland wie Persien beerbt hatte, und Arrian kommt nicht umhin, dies zu beklagen: «So geschieht es, dass Alexanders Taten weit weniger bekannt sind als die kümmerlichen Quisquilien einer früheren Zeit. Ja, es ist sogar jener Zug der Zehntausend mit Kyros gegen den Perserkönig Artaxerxes, das, was Klearchos und die anderen, die man mit diesem zusammen fing, erlitten, wie auch ihr Rückmarsch unter Führung Xenophons gerade wegen dieses Xenophon weit bekannter bei den Menschen als ein Alexander mit all seinen Leistungen.»
In der Spätantike und im Mittelalter las und verstand niemand mehr griechische Werke. Xenophon wurde vergessen, doch er überlebte in Byzanz und kam mit dessen Untergang wieder in den Westen.
*
In der deutschen Klassik begeisterte sich von den Weimarer Autoren namentlich Christoph Martin Wieland – Herder zog die Kyrupädie vor – für die Anabasis. In seinem Briefroman Aristipp füllen Gespräche über die Anabasis mehrere Seiten. Sie ist bei Jean Paul ebenso präsent wie später bei Heinrich Heine, die Katabasis stärker als die Anabasis. Mit den beiden Wörtern, mit denen Xenophon den Höhepunkt des Zuges beschreibt, beginnt auch Heines Gedicht «Meeresgruß»: «Thalatta! Thalatta!» In den Jubel der Söldner stimmten noch viele Schriftsteller ein, am bekanntesten aber ist wohl sein Nachklang bei James Joyce, der die Telemachie in seinem Ulysses mit dem Lob des Meeres eröffnet: «Die rotzgrüne See. Die scrotumzusammenziehende See. Epi oinopa ponton. Ah, Dedalus, die Griechen. Ich muß dir Unterricht geben. Du mußt sie im Original lesen. Thalatta! Thalatta! Sie ist unsere große liebe Mutter. Komm her und sieh.» Auch in Finnegans Wake klingt das Rauschen des Meeres, verballhornt, sogar mehrmals nach: «Galata!, Galata!» und einer von Joyce’ Bewunderern, Arno Schmidt, folgt ihm in Seelandschaft mit Pocahontas: «Dalladda, Dalladda».
Heine mit Xenophon verband Thomas Wolfes großer Roman Schau heimwärts, Engel!, dessen Held sowohl Lyrik wie das Griechische liebt und deshalb nicht nur Gedichte Heines auswendig lernt, sondern auch «die ganze Stelle aus der Anabasis, das anschwellende, aufsteigende, triumphale Griechisch, jene Episode, in der die darbenden Übriggebliebenen des Heers der Zehntausend schließlich zum Meer kommen und, es beim Namen nennend, den großen Schrei ausstoßen».
Wie «Odyssee» zum Synonym für «Irrfahrt» wurde, verband sich mit dem Namen «Anabasis» – eigentlich war es aber die Katabasis – auch die Vorstellung von mancherlei Irrwegen, die aber doch letzten und guten Endes noch zum erstrebten Ziel führen. Jaroslav Hašek hat dem ein langes Kapitel gewidmet («Svejks Budweiser Anabasis»). «Immer vorwärts zu marschieren, das nennt man «Anabasis». Sich durch unbekannte Landschaften hindurcharbeiten. Von Feinden umzingelt sein, welche auf die erstbeste Gelegenheit warten, einem den Hals umzudrehen. Wenn aber einer einen guten Kopf hat, wie ihn Xenophon hatte, dann vollbringt er wahre Wunder bei seinem Marsch.»
Ähnlich betitelte Rudolf Borchardt seine Aufzeichnungen über den Sommer 1944 Anabasis, da sie «hier wie da ein Entkommen aus scheinbar aussichtsloser Lage mit unerwartet glücklichem Ausgang» schildern. Am nächsten kommt Xenophon aber Viktor Sklovskijs Sentimentale Reise von 1923, denn auch sie ist eine Mischung von Autobiographie, Memoirenwerk, Erinnerung und Dokumentarbericht, eine Reise durch Russland, Galizien und Persien, durch Aufstand, Revolution und Bürgerkrieg, durch Hunger, Kälte, Krankheit und Tod. Wie vor ihm Xenophon zieht er durchs Land der Karduchen und das, was er an ethnischem Hass, an Pogromen, Gemetzel und Gewalt erlebt, relativiert alles, was Xenophon berichtet, mit dessen Katabasis Sklovskij auch seine eigene durch Kurdistan vergleicht und deren Gemeinsamkeiten er nicht nur in den durchlebten Leiden, sondern auch in der Führung des Rückzugs durch selbstgewählte Offiziere sieht.
Schließlich fand die Anabasis Eingang in das Hörspiel, in die Malerei, in den Comic und in den Film. Ihre stärkste Wirkung entfaltete sie aber als Anfangslektüre des Griechischen an den Gymnasien, wenn auch der Unterricht über die Rapporte von Marschleistungen oft den eigentlichen Inhalt vergessen ließ. Doch die Anabasis ist weit mehr als eine Aneinanderreihung von Kilometerzahlen im Wechsel von kurzen Schlachten und langen Pausen. Sie handelt eben nicht nur vom Krieg, sondern auch vom Alltag der Griechen, der Perser und vieler in deren Großreich lebender Völker. So war es ein Verlust, als die Kultusbürokratie im Lehrplan den einen Sokratesschüler durch einen anderen, Platon nämlich, ersetzte, und die Kämpfe um das Lebensnotwendige durch die um die unsterbliche Seele.
Triphylien ist eine gebirgige Landschaft im Nordwesten der Peloponnes, durchzogen vom Alpheios und seinen Nebenbächen. Sie hatte eine wechselvolle, jedoch schwer durchschaubare Geschichte im Spannungsfeld der Nachbarn Sparta und Elis. 402 erklärten die Lakedaimonier den Eleiern den Krieg, weil diese sie nahezu zwei Jahrzehnte vorher von den Olympischen Spielen ausgeschlossen hatten. Das war der Anlass; Grund war, dass die Lakedaimonier ihre Hegemonie gegenüber den als (eigen)mächtig erachteten Eleiern festigen wollten. Nach zweijährigen Kämpfen gelang dies, und die Lakedaimonier beanspruchten das Gebiet südlich des Alpheios für sich. Hier lagen der Ort Skillus und in seiner Nähe das großflächige Landgut, das die Spartaner um das Jahr 390 «dem Mann ohne Heimat» schenkten oder liehen. Es befand sich ungefähr 20 Stadien vom Zeusheiligtum in Olympia entfernt am Weg, der von Sparta dorthin führt, vielleicht in der Nähe des heutigen Dorfes Makrisia in der weiten Tallandschaft, die sich um das Städtchen Krestena erstreckt.
Der neue Besitzer, Xenophon, liebte dieses Stück Land und beschrieb es selbst als Idylle. Prunkstück war ein heiliger Bezirk (Temenos) mit Altar und Tempel. Xenophon ließ ihn nach dem Vorbild des Artemision von Ephesos in kleinem Maßstab aus Beutegeldern errichten, die ihm als einem ihrer Feldherren die Zehntausend anvertraut hatten, um damit den Göttern nach geglückter Rettung zu danken. Mit dem Bau war entweder 388 oder 384 begonnen worden. Xenophon nämlich hatte das Geld, als er 394 Asien verließ, dem Tempelwärter der Artemis in Ephesos anvertraut, einem Priester namens Megabyzos, da er sich selbst – nach eigenen Worten – auf einem gefährlichen Kriegszug befand. Zur Feier der Spiele in Olympia reiste dieser Megabyzos in den achtziger Jahren (eben 388 oder 384)[1] nach Olympia, besuchte Xenophon auf seinem Weg und übergab ihm die zurückgelassenen Gelder.
Karte 1: Skillus, Xenophons Wohnort im Exil.
Xenophon pflegte sein Gut und je vertrauter er mit seinen neuen Pflichten wurde, desto mehr Raum nahmen auch seine schriftstellerischen Ambitionen ein, die frühen Einflüssen entsprangen. Aufgewachsen in einer geschichtsträchtigen Zeit, hatte er den Peloponnesischen Krieg zunächst als Kind und Jugendlicher und dann die entscheidenden Jahre als junger Mann «mit wachem Sinn und gespannter Aufmerksamkeit» miterlebt. Er hatte in seiner Jugend die Historien Herodots gelesen und die Forschungen des Thukydides, der nach dem Krieg aus der Verbannung zurückgekehrt war, verfolgt. Er wusste, dass seit Kyros dem Großen, über den er noch eine umfangreiche Monographie schreiben sollte, persische Geschichte auch griechische war. Sein Marsch bis Babylon und der siebenjährige Aufenthalt in Asien hatten sein Wissen vielfältig erweitert. So tief war noch kein griechisches Heer ins Perserreich eingedrungen. Erst Alexander der Große würde 70 Jahre später wieder Euphrat und Tigris erreichen.
Zurückgekehrt nach Griechenland erfuhr Xenophon vom Tod des Thukydides, seines historiographischen Vorbildes. Er hielt das nachgelassene Werk in Händen, ein Fragment, das mit dem Sommer 411 und den damaligen Ereignissen an der kleinasiatischen Küste vorzeitig endete. So beschloss er, das Werk im Stil seines Vorgängers bis zum Ende des Krieges im Jahre 404 fortzusetzen. Wann genau er das tat, bleibt unklar. Es setzt den Tod des Thukydides voraus, der in die neunziger Jahre fällt. Zu vermuten ist, dass Xenophon erst in Skillus damit begann. Nach dem Ende seines militärischen Lebens verfügte er nun über die Muße, sich dem zu widmen, was ihm wohl schon lange vorschwebte. Er begann über das zu schreiben, was er gut zu kennen glaubte: seine eigene Zeit. Er war Zeuge des Arginusen-Prozesses geworden, hatte Triumph und Sturz des Alkibiades erlebt, während des Belagerung Athens durch die Spartaner gehungert und im innerathenischen Bürgerkrieg gekämpft. Das war der Stoff, aus dem er die ersten beiden Bücher seiner Hellenika formte. So führt er zunächst das abgebrochene Werk des Thukydides nahtlos weiter. Ohne Absatz, Einführung oder auch nur seinen Namen zu nennen, stellt er sich ganz in den Dienst seines Vorgängers und übernimmt auch dessen chronologisches Gerüst, die nach Sommer und Winter getrennte Jahreszählung. Xenophon berichtet nur über die wichtigsten Vorgänge, enthält sich persönlicher Kommentare oder Ratschläge und fügt wie sein Vorgänger Reden ein, um Hintergründe zu erhellen und die Motive der Handelnden zu beleuchten. Er benutzt vielerlei Quellen, seine Stärke aber ist das autobiographische Erzählen, das sich bei Herodot nirgends und bei Thukydides nur an wenigen Stellen findet.
Dieser erste Teil der später Hellenika (Griechische Geschichte) genannten Bücher, mit dem seine schriftstellerische Tätigkeit ihren Anfang nimmt, folgt bis zum zweiten Buch genau dem thukydideischen Werkplan, dem zufolge der Krieg «drei mal neun» Jahre, vom Frühjahr 431 bis zum Frühjahr 404, dauerte. Mit der Imitatio des Thukydides dokumentiert Xenophon die Einheit des Werkes, es ist aber auch die Arbeit eines jungen Historikers, der noch nicht zu seinem Stil gefunden hat. Der Glaube an die Götter trennt ihn später scharf von dem Agnostiker Thukydides, verbindet ihn aber mit dessen Vorgänger Herodot.
Wieweit Xenophons Arbeit an diesem Werkstück seiner Hellenika bereits gediehen war, als sie von einem unerwarteten Ereignis unterbrochen wurde, wissen wir nicht. Was Xenophon aus seiner Beschaulichkeit in Skillus riss, war eine Art Reisetagebuch: Der erste Bericht über den Zug der Zehntausend war veröffentlicht worden, geschrieben von einem, der dabei war, dem Feldherrn Sophainetos, gebürtig aus Stymphalos auf der nordöstlichen Peloponnes. Mit ihm war auch schon ein Titel geboren: Anabasis Kyrou, der «Feldzug des Kyros». Nur vier Fragmente haben sich daraus erhalten, so dass sich die Wirkung des Werkes nicht ermessen lässt. Für Xenophon war es aber auf jeden Fall ein Weckruf. Er reagierte. Vielleicht sah er sich nicht ausreichend gewürdigt. Xenophon äußert sich nicht dazu. Er erwähnt Sophainetos mehrmals rein sachlich, irgendwelche Animositäten sind daraus nicht abzuleiten. Lange Jahre nach seinem Abschluss war der Marsch der Zehntausend offenkundig immer noch Gesprächsthema, alte Vorwürfe gegen Xenophon waren nicht vergessen. So hatten die Söldner ihm wie anderen Feldherren unterstellt, die Beutegelder nicht korrekt abgerechnet und in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Schon der Bau des Tempels auf seinem Land aus solchen Geldern sollte diese Behauptungen entkräften. Auch seine Anabasis dient diesem Vorhaben. Sie wird zwar die Schilderung eines großen Abenteuers, aber sie ist auch eine doppelte Rechtfertigung: das erste Buch, die eigentliche Anabasis, vor Athen, und die Bücher drei bis sieben, die Katabasis, vor den Söldnern, die den Marsch überlebten.
Als Xenophon an diesem autobiographischen Werk schrieb, waren wohl bereits zwei Jahrzehnte seit dem Ereignis vergangen. In Griechenland hatte schon die 100. Olympiade begonnen, die Zeit zwischen 380 und 376. Xenophon selbst erzählt zu Beginn des fünften Buches der Anabasis, dass seine beiden Söhne anlässlich des jährlichen Festes für die Artemis in Skillus an einer Jagd teilnahmen, die vor allem für Jugendliche ausgerichtet worden war. Sie müssen damals also schon mindestens 14 Jahre alt gewesen sein. Nach Skillus kamen beide als kleine Kinder zusammen mit der Mutter, sind also wohl nach Xenophons Rückkehr aus Asien geboren, d.h., als terminus post quem für die Abfassung bietet sich – cum grano salis – das Jahr 380 an.
Um glaubhafter zu wirken, spricht Xenophon wie später Caesar in der dritten Person von sich und erfindet zusätzlich einen Verfasser, dem er den Bericht zuschreibt. Dem Werk fehlt das sonst übliche Vorwort, in dem der Autor sich und seine Ziele vorstellt. Es erschien anonym und beginnt medias in res am persischen Königshof. Der Name des angeblichen Verfassers ist nur in den Hellenika überliefert, von den Zeitgenossen kannte ihn niemand: «Wie nun Kyros sein Heer sammelte, mit diesem gegen seinen Bruder zog, wie die Schlacht geschlagen und Kyros getötet wurde, und wie schließlich die Griechen sich ans Meer retteten, das hat Themistogenes aus Syrakus aufgeschrieben.»
Der Satz ist offenkundig eingeschoben, denn er unterbricht den laufenden Text. Das erhärtet die Vermutung, dass Xenophon ursprünglich die Ereignisse des Kyroszuges im Rahmen seiner griechischen Geschichte, also der Hellenika, hatte darstellen wollen. Wie viele der Zeitgenossen die Fiktion durchschauten, wissen wir nicht. Auffällig ist freilich, dass der Historiker Ephoros zwar die Anabasis als Quelle benutzt, Xenophon aber nicht als Autor erwähnt. Er kennt ihn – jedenfalls in dem, was von seinem Werk überlebte – nur als den Feldherrn, der die verbliebenen Söldner an den Spartaner Thibron übergab. Ansonsten spricht er von ihm nur als dem Autor der Hellenika. Später freilich herrschte an Xenophons Urheberschaft kein Zweifel mehr, wie der junge Plutarch (ca. 46–120) verrät: «Xenophon war selbst Gegenstand seiner Geschichte, indem er seine Kriegsführung und seine vom Glück begünstigten Taten beschrieb und das Werk dem Syrakusaner Themistogenes zuschreibt, damit er mehr Glauben verdiene und einem anderen den Ruhm der Erzählung überlasse.»
Als er an der Anabasis zu schreiben begann, stützte sich Xenophon auf vier Quellen: den Bericht des Sophainetos, zeitgenössische Itinerarien, also Reisehandbücher mit Entfernungsangaben, sein eigenes Tagebuch und sein Gedächtnis. Vor allem Letzteres, in dem mehr die guten als die schlechten Taten haften blieben, half ihm, die Geschichte in seinem Sinn zu färben. Die erste Frage, der er sich stellen musste, und die ihm andere stellten, war die nach seinen Motiven. Das war heikel, denn die Teilnahme am Zug galt im demokratischen Athen als Verrat. So beantwortet Xenophon die Frage zunächst negativ: Weder als Feldherr noch als Hauptmann noch als (gewöhnlicher) Soldat sei er (anfangs) mitgezogen. Er war zunächst – das ist die beste Lesart – eine Art embedded journalist. Daran gibt es keine Zweifel: Er wollte über den Zug berichten. Das sagt er zwar nicht – wie er auch sein wichtigstes Motiv, von dem später zu reden sein wird, nicht nennt –, doch sein Tagebuch, in das er nicht nur Kriegsereignisse notierte, ist Beleg genug.
Das große Interesse des jungen Xenophon an der Geschichtsschreibung wurde schon erwähnt. Gründe dafür gab es viele, aber ein Erlebnis spielte sicher eine große Rolle, und das führt zurück in das Jahr 408, genauer zum 25. des Monats Thargelion unter dem Archon Diokles.
1
Über die frühen Jahre Xenophons in Athen unterrichten uns die ersten beiden Bücher seiner Hellenika. Sie sind eine autobiographische Quelle ersten Ranges, obwohl Xenophon seine eigene Person nie erwähnt. Indirekt wird aber deutlich, was ihn prägte, welchen politischen Vorstellungen er anhing und auch, was ihn schließlich 401 dazu trieb, Athen zu verlassen. In einer Zeit, in der er für Vorbilder empfänglich war, beeinflussten Xenophon drei ganz unterschiedliche Personen: ein Feldherr (Alkibiades), ein Historiker (Thukydides) und ein Philosoph (Sokrates), denen er wohl allen, auch wenn wir es nur von Letzterem sicher wissen, in Athen begegnete. Den Anfang machte die Person, um die das Denken und Fühlen der Athener in den letzten zwei Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts im Guten wie im Schlechten kreiste: Alkibiades. Dass Xenophon diesen, einen Mann seines Standes – jung, reich und mächtig, die größte militärische Begabung der Stadt, Schüler und Freund des Sokrates, Sieger in Olympia –, in seinen Jugendjahren bewunderte, sagt er nicht, doch in den Hellenika zeichnet er mit überraschend wenigen Strichen ein Bild von ihm, das ihn als den Mann zeigt, der Athen hätte retten können. Es ist ein kühnes Porträt, das seine Überzeugungskraft aus der Kargheit der Mittel gewinnt und wie das Werk eines erfahrenen Historikers wirkt, doch es ist das Früheste, das Xenophon schrieb.
Das Ereignis, das zur Wegmarke im Leben des jungen Xenophon wurde, war ohne Zweifel die triumphale Rückkehr des aus seiner Heimat verbannten Alkibiades. Sieben Jahre hatte dieser Athen nicht mehr betreten, nachdem er mit der athenischen Flotte nach Sizilien aufgebrochen, in Abwesenheit wegen der Profanierung der Eleusinischen Mysterien zum Tode verurteilt und ins spartanische Exil geflohen war. Obwohl er inzwischen wieder die Seiten gewechselt und als Feldherr der in Samos stationierten athenischen Flotte wichtige Erfolge für seine Heimatstadt errungen hatte, zögerte er zurückzukehren. Er wusste, dass er trotz alledem ein großes Risiko einging, denn die Volksversammlung hatte ihn noch nicht rehabilitiert. So sammelte er zuerst 100 Talente an Beutegeld, um nicht mit leeren Händen zu kommen. Dann schickte er einen Mitfeldherrn mit dem übrigen Heer nach Athen voraus, während er selbst mit 20 Trieren und dem eingetriebenen Geld zur Insel Paros und dann nach Gytheion auf der Peloponnes fuhr, wo die lakedaimonischen Werften lagen. Er wollte Zeit gewinnen, um die Lage in Athen zu erkunden. Schließlich wagte er es. Am Hafen drängte sich eine Menschenmenge aus dem Piräus und der Oberstadt, während sich sein Schiff der Küste näherte. Es war der 25. Tag des attischen Monats Thargelion, etwa Mitte Juni 408. Inmitten der Neugierigen stand der junge Xenophon. Daran gibt es keinen Zweifel, denn er beschreibt selbst, was er sah.
Die Triere ankert am Ufer, doch Alkibiades bleibt zunächst unsichtbar. Noch immer wittert er eine Falle. Schließlich kommt er an Deck, um Ausschau zu halten, ob sich Freunde unter die Menge gemischt hätten. Als er seinen Neffen und andere Verwandte entdeckt hat, geht er an Land, begleitet von einer Leibwache, die jeden Versuch, ihn gefangen zu nehmen, vereiteln soll. Doch die Menschen jubeln ihm auf seinem langen Weg in die Oberstadt zu. Er spricht im Rat und er spricht in der Volksversammlung. Der Demos erblickt in ihm den wiedergeborenen Helden, von jeglichen früheren Anschuldigungen gereinigt: Er allein kann der Stadt wieder die frühere Machtstellung verschaffen. Niemand wagt öffentlich zu widersprechen, als er, mit goldenen Kränzen geschmückt, feierlich zum Feldherrn mit unumschränkten Vollmachten zu Wasser und zu Land ausgerufen wird. Insgeheim aber beharren seine Gegner darauf, er allein sei schuld an allem Übel und er allein werde die Ursache sein für alles Schreckliche, das der Stadt noch drohe.
Xenophon referiert im Rückblick die aufeinanderprallenden Meinungen. Begeisterung und Bewunderung überwiegen bei weitem; sein eigenes Bild, das er aus der Erinnerung von Alkibiades zeichnet, lässt nur den Schluss zu, dass auch er alle Hoffnung auf ihn setzte. Und sie schien sich auch sogleich zu erfüllen. Seit die Spartaner das Fort Dekeleia im Norden Attikas besetzt hatten, verzichteten die Athener darauf, ihre große Prozession nach Eleusis auf dem Landweg zu veranstalten. Sie wichen auf Schiffe aus, und das erzeugte ein Gefühl der Ohnmacht. Jetzt aber führte sie Alkibiades wieder auf dem gewohnten Weg nach Eleusis. Der Göttin wegen war er zu Verbannung und Tod verurteilt worden. Nun war er der Erste, der ihr huldigte. Auf der Höhe seines Ansehens und seiner Macht stand jedoch sein erneuter Sturz bevor.
Rein dramaturgisch zumindest gefiel das dem Autor Xenophon, denn die Hellenika sind eine einzige Geschichte von raschen Wechseln, von Aufstieg und Fall. So nutzt er auch hier die Gelegenheit, ein vaticinium ex eventu zu zitieren, das bald nach 404 in Athen umlief. Als Alkibiades in den Hafen einfuhr, feierten die Athener nämlich gerade das Fest der Plynterien. Alljährlich wurde dabei das alte Holzbildnis der Athena Polias am sechstletzten Tag des Monats Thargelion ans Meer getragen und dort feierlich gewaschen (gr. plynein). Dazu nahmen die Priesterinnen den Schmuck ab und verhüllten das Bild. Erst nach Einbruch der Dunkelheit kehrte es dann, neu eingekleidet, zum Heiligtum auf der Akropolis zurück. Viele Athener betrachteten die kurze Abwesenheit der Göttin aber als ungünstiges Vorzeichen und verschoben daher alle irgendwie wichtigen Aufgaben. Alkibiades wird dem keinen Glauben geschenkt haben, aber möglicherweise Xenophon, der in der Anabasis großen Wert auf göttliche Vorzeichen legt. Die Plynterien 408 gestaltet er jedenfalls als Peripetie, der erneute Umschwung im Leben des Alkibiades kündigt sich in seiner Darstellung hier schon an.
Xenophon schreibt lakonisch. In der Sparsamkeit der Wortwahl übertrifft er sein Vorbild Thukydides. Kein Prädikat, kein lobendes Wort, keine Wertung. Während Thukydides seinem wichtigen Werkpersonal lange Reden gibt, spricht Alkibiades bei Xenophon nur zwei Sätze. Es ist alles auf sein Tun bzw. die Wirkung, die dieses erzielt, konzentriert. In eigener Person urteilt Xenophon nie. Allenfalls lässt er, wie anlässlich der Rückkehr des Alkibiades 408, Athener Bürger für sich sprechen. Dort steht den langen Zeilen der Anerkennung nur ein Satz der Anklage gegenüber. Vermutlich spiegelt sich hier Xenophons eigene Meinung. Alkibiades galt ihm als frühes Vorbild eines Strategen. Später, nach der Begegnung mit dem Spartanerkönig Agesilaos und seinen eigenen Erfahrungen in Asien, entwickelte er wohl in manchem andere Vorstellungen. Der Zug der Zehntausend wurde dann sein größter Lehrmeister.
Zwei Jahre waren seit Alkibiades’ Einzug in Athen vergangen, ein Jahr seit der Niederlage zur See, nach der er zum zweiten Mal ins Exil gegangen war, als ein Ereignis stattfand, das Athen nicht weniger erregte als die Heimkehr des Alkibiades. Xenophon hatte zu dieser Zeit die Ephebenausbildung abgeschlossen, er diente in der Reiterei. Was die Athener bewegte, war keine Schlacht, sondern deren unmittelbaren Folgen.
Das neue Jahr hatte sich düster angekündigt. Eines Abends «verfinsterte sich der Mond und der alte Tempel der Athena brannte ab», eröffnet Xenophon seine Schilderung. Die Lage verschlechterte sich fast täglich. 30 Trieren gingen verloren, weitere 40 – an Bord drei der zehn amtierenden Strategen – wurden auf Lesbos zu Wasser und zu Land von dem neuen spartanischen Admiral Kallikratidas eingeschlossen. Hilfe blieb aus, denn Athen war ohne Nachricht. Endlich vermochten zwei schnelle Schiffe die Blockade zu durchbrechen, eines der beiden entkam den Verfolgern und erreichte den Piräus. Die Athener mobilisierten nun alle Kräfte, über die sie im 26. Jahr des Krieges noch verfügten, und bemannten 110 Schiffe mit allen dienstfähigen Männern, Sklaven wie Freien. Auch die Bundesgenossen stellten Trieren. Als die Flotte bei der kleinen Inselgruppe der Arginusen unweit von Lesbos eintraf, war sie auf 150 Schiffe angewachsen. Die Mannschaften gingen an Land und bereiteten die Abendmahlzeit. Gegenüber am Kap Malea auf der Insel Lesbos ankerten die Schiffe der Peloponnesier. In der Nacht bemerkten die Besatzungen die Wachtfeuer der Athener und der spartanische Admiral erwog sogleich die Chancen eines nächtlichen Überfalls. Da setzte um Mitternacht starker Gewitterregen ein und hinderte ihn im letzten Augenblick. Erst gegen Morgen ließ der Regen nach und, als das Wetter aufklarte, stießen die beiden Flotten zu einer geordneten Seeschlacht aufeinander. Die Lakedaimonier hatten die schnelleren Trieren und fuhren in einer Linie, um durchzubrechen und den Gegner zu überflügeln. Doch schließlich fiel der Admiral bei einem Rammversuch von Bord. Als ungefähr gleichzeitig die Athener auf dem rechten Flügel siegten, begannen die Lakedaimonier zu fliehen. Der Sieg der Athener war vollkommen. Was danach geschah, zeitigte mit Verzögerung allerdings Folgen, die – jedenfalls für Xenophon – zum Untergang Athens beitrugen.
Auf dem offenen Meer waren noch mehr als 20 athenische Trieren manövrierunfähig zurückgeblieben. Sie waren mit Meerwasser vollgelaufen oder trieben kieloben. Die Überlebenden klammerten sich an Wrackteile, sie konnten nicht schwimmen. Bei einer Havarie auf hoher See war keine Hilfe zu erwarten; wer schwimmen konnte, überlebte nur zwei oder drei qualvolle Tage länger. Erste Pflicht des Siegers war es daher, nach der Schlacht die Schiffbrüchigen zu retten. Entsprechende Befehle wurden erteilt, doch dann kam ein Sturm auf und verhinderte die Ausfahrt der Schiffe, die inzwischen wieder bei den Arginusen ankerten. Die Rettung unterblieb.
In Athen verflog der Siegesrausch, die Jubelstimmung kippte. Zwei der siegreichen Strategen kehrten erst gar nicht in die Stadt zurück, einer war auf Lesbos eingeschlossen, einer war gefallen. Die übrigen sechs Feldherren wagten sich nach Athen. Zuerst wurde einer von ihnen wegen Veruntreuung von Geldern sowie schlechter Amtsführung angeklagt. Auch die anderen fünf wurden in Fesseln gelegt, vor das Volk geführt und dann auf Beschluss des Rates inhaftiert. Die Volksversammlung trat zusammen, die Feldherren sagten aus, ihre Chancen standen gut. Es gab viele Zeugen, die bestätigten, dass sie den Auftrag, die Schiffbrüchigen zu bergen, an fähige Trierarchen erteilt hatten, während sie selbst dem flüchtigen Feind hinterher gefahren waren. Unter den Trierarchen befand sich auch ein Mann namens Theramenes, der später unter den 30 Tyrannen noch eine große Rolle spielen sollte. Er war politisch begabt und skrupellos. Sofort erfasste er, dass es nun um seinen Kopf ging, denn die Feldherren würden die Verantwortung auf ihn und andere Trierarchen abwälzen. Viele Athener hatten – die Zahl der Ertrunkenen war vierstellig – Angehörige verloren und forderten einen Prozess. Athen befand sich in Aufruhr und – mitten im Widerstreit der Meinungen der junge Xenophon. Er war Augenzeuge der nun einberufenen Volksversammlungen und nahm Partei, wie sein Bericht verrät.
Vor der Abstimmung in der Ekklesia lagen noch einige Tage, dazu eine Sitzung des Rates, in der die Vorbeschlüsse gefasst und die Tagesordnung erstellt wurden, und – zufällig – das Apaturien-Fest. Es dauerte drei Tage und war in gewisser Weise ein Familienfest, bei dem sich Eltern und Verwandte trafen und die im letzten Jahr geborenen Kinder in die Geschlechterverbände, die Phratrien, aufgenommen wurden. Dies brachte Theramenes auf die Idee, wie er die Feier zur Stimmungsmache gegen die Feldherren nutzen konnte. Er überredete viele Leute, mit schwarzen Gewändern und kahl geschorenen Köpfen zu erscheinen, um so als angebliche Angehörige der Ertrunkenen ihre Trauer zu bekunden. Gleichzeitig stiftete er einen gewissen Kallixenos, der im Rat saß, an, dort die Feldherren anzuklagen und einen Vorbeschluss zu fassen, über diese kollektiv abzustimmen.
Der Tag der entscheidenden Volksversammlung kam. Schon früh zogen die Bürger hinauf zur Pnyx. Wer vom Land kam, musste noch in der Nacht aufbrechen. Gegen den Antrag des Kallixenos wurde Klage wegen Gesetzwidrigkeit erhoben; einige der Prytanen weigerten sich jedoch, eine Abstimmung darüber zuzulassen. Gegen diese wandte sich jetzt die Wut der von Theramenes aufgeputschten Menge. Die Prytanen knickten ein, und das gibt Xenophon die Gelegenheit, einen weiteren Mann, den dritten aus der Reihe seiner frühen Vorbilder, hervorzuheben: Allein Sokrates, der Sohn des Sophroniskos, sei seiner Meinung treu geblieben: Er werde nichts tun, was nicht dem Gesetz entspreche.
Schließlich wurde per Hand über einen Gegenantrag abgestimmt, über die Feldherren einzeln zu entscheiden. Er fand eine Mehrheit, doch dann wurde eine erneute Abstimmung erzwungen, bei der sich Kallixenos durchsetzte. Er hatte noch einen letzten Trumpf ausgespielt. Überraschend trat ein Schiffbrüchiger auf, der vorgab, sich auf einer vorbeitreibenden Mehltonne gerettet zu haben. Die Ertrinkenden hätten ihn beauftragt, dem Volk zu melden, die Feldherren hätten sie, die aufs Tapferste für die Vaterstadt gekämpft hätten, nicht gerettet.
Alle acht Strategen, die an der Schlacht teilgenommen hatten, wurden pauschal verurteilt, die sechs, die in Athen anwesend waren, den sogenannten Elfmännern übergeben und sofort hingerichtet; ihr Vermögen wurde eingezogen, der Zehnt der Göttin geweiht.