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Eine unterhaltsame Satire mit einem chaotischen Antihelden!Da er aus wichtigen Schlachten geflohen ist, macht sich der Militärgeistliche Attila Schmelzle auf den Weg zu seinem Vorgesetzten in Flätz. Auf seiner Reise begegnet er dabei diversen eingebildeten Gefahren und versucht sich mit allerhand abwegigen Vorkehrungen und Apparaturen zu schützen.-
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Seitenzahl: 79
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Jean Paul
Saga
Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach FlätzOriginal Coverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1808, 2020 Jean Paul und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726683349
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 3.0
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des vermutlichen katechetischen Professors Attila Schmelzle an seine Freunde, eine Ferienreise nach Flätz enthaltend, samt einer Einleitung, sein Davonlaufen und seinen Mut als voriger Feldprediger betreffend.
Nichts ist wohl lächerlicher, meine werten Freunde, als Wenn man einen Mann für einen Hasen ausgibt, der vielleicht gerade mit den entgegengesetzten Fehlern eines Löwen kämpft, wiewohl nun auch der afrikanische Leu seit Sparrmanns Reise als ein Feigling zirkuliert. Ich bin indes in diesem Falle, Freunde, wovon ich später reden werde, ehe ich meine Reise beschreibe. Ihr freilich wißt alle, daß ich gerade umgekehrt den Mut und den Waghals (ist er nur sonst kein Grobian) vergöttere, z. B. meinen Schwager, den Dragoner, der wohl nie in seinem Leben einen Menschen allein ausgeprügelt, sondern immer einen ganzen geselligen Zirkel zugleich. Wie furchtbar war nicht meine Phantasie schon in der Kindheit, wo ich, wenn der Pfarrer die stumme Kirche in einem fort anredete, mir oft den Gedanken: »Wie, wenn du geradezu aus dem Kirchstuhle hinaufschrieest: ich bin auch da, Herr Pfarrer!« so glühend ausmalte, daß ich vor Grausen hinaus mußte! – So etwas wie Rugendas 1 Schlachtstücke – entsetzliches Mordgetümmel – Seetreffen und Landstürme bei Toulon – auffliegende Flotten – und in der Kindheit Prager Schlachten auf Klavieren – und kurz, jede Karte von einem reichen Kriegsschauplatz, dies sind vielleicht zu sehr meine Liebhabereien, und ich lese und kaufe nichts lieber; es könnte mich oft zu manchem versuchen, hielte mich nicht meine Lage aufrecht. Soll indes rechter Mut etwas Höheres sein als bloßes Denken und Wollen: so genehmigt ihr es am ersten, Werteste, wenn auch der meinige einst dadurch in tätige Worte ausbrechen will, daß ich meine künftige Katecheten, so gut es in Vorlesungen möglich, zu christlichen Heroen stähle. – Es ist bekannt, daß ich immer, wenigstens zehn Äcker weit, von jedem Ufer voll Badgäste und Wasserschwimmer fern spazieren gehe, um für mein Leben zu sorgen, bloß weil ich gewiß voraussehe, daß ich, falls einer davon ertrinken wollte, ohne weiteres (denn das Herz überflügelt den Kopf) ihm, dem Narren, rettend nachspringen würde in irgendeine bodenlose Tiefe hinein, wo wir beide ersöffen. – Und wenn das Träumen der Widerschein des Wachens ist, so frag’ ich euch, Treue, erinnert ihr euch nicht mehr, daß ich euch Träume von mir erzählt habe, deren sich kein Cäsar, Alexander und Luther schämen darf? Hab’ ich nicht – um nur an einige zu erinnern – Rom gestürmt und mich mit dem Papste und dem Elefantenorden des Kardinalkollegiums zugleich duelliert? Bin ich nicht zu Pferde, worauf ich als Revuezuschauer gesessen, in ein bataillon quarré eingebrochen und habe in Aachen die Perücke Karls des Großen, wofür die Stadt jährlich 10 Rthlr. Frisiergeld zahlt, und darauf in Halberstadt von Gleim Friedrichs Hut erobert und beide aufeinander aufgesetzt und habe mich doch noch umgekehrt, nachdem ich vorher auf einem erstürmten Wälle die Kanone gegen den Kanonier selber umgekehrt? – Habe ich nicht mich beschneiden und doch als Jude mich zählen lassen und mit Schinken bewirten, wiewohl’s Affenschinken am Orinoko waren (nach Humboldt)? Und tausend dergleichen; denn z. B. den Flätzer Konsistorialpräsidenten hab’ ich aus dem Schloßfenster geworfen – Knalloder Alarmfidibus von Heinrich Backofen in Gotha, das Dutzend zu 6 gr., und jeder wie ein Kanonenknall schlagend, hab’ ich so ruhig angehört, daß die Fidibus mich nicht einmal aufweckten – und mehr.
Doch genug! Es ist Zeit, mit wenigem die Verleumdung meines Feldpredigeramtes, die leider auch in Flätz umläuft, bloß dadurch, wie ein Cäsar den Alexander, zu zerstäuben, daß ich sie berühre. Es sei daran wahr, was wolle, es ist immer wenig oder nichts. Euer großer Minister und General in Flätz – vielleicht der größte überall – denn es gibt nicht viele Schabacker – konnte allerdings, wie jeder große Mann, gegen mich eingenommen werden, doch nicht mit dem Geschütz der Wahrheit; denn letzteres stell’ ich euch hierher, ihr Herzen, und drückt ihr’s nur zu meinem Besten ab! Es laufen nämlich im Flätzischen unsinnige Gerüchte um, daß ich aus bedeutenden Schlachten Reißaus genommen (so pöbelhaft spricht man), und daß nachher, als man Feldprediger zu Dank- und Siegespredigten gesucht, nichts zu haben gewesen. Das Lächerliche davon erhellt wohl am besten, wenn ich sage, daß ich in gar keinem Treffen gewesen bin, sondern mehrere Stunden vor demselben mich so viele Meilen rückwärts dahin gezogen habe, wo mich unsere Leute, sobald sie geschlagen worden, notwendig treffen mußten. Zu keiner Zeit ist der Rückzug wohl so gut – ein guter aber wird für das Meisterstück der Kriegskunst gehalten – und mit solcher Ordnung, Stärke und Sicherheit zu machen, als eben vor dem Treffen, wo man ja noch nicht geschlagen ist.
Ich könnte zwar als hoffentlicher Professor der Katechetik zu solchen Verfumfeiungen meines Mutes stillsitzen und lächeln – denn schmied’ ich meine künftigen Katecheten durch sokratisches Fragen zum Weiterfragen zu: so hab’ ich sie zu Helden gehärtet, da nichts gegen sie zu Felde zieht als Kinder – Katecheten dürfen ohnehin Feuer fürchten, nur Licht nicht, da in unseren Tagen, wie in London, die Fenster eingeworfen werden, wenn sie nicht erleuchtet sind, anstatt daß es sonst den Völkern mit dem Lichte ging wie den Hunden mit dem Wasser, die, wenn man ihnen lange keines gibt, endlich die Scheu vor dem Wasser bekommen – und überhaupt säuselt für Katecheten jeder Park lieblicher und wohlriechender als ein schwefelhafter Artilleriepark-, und der Kriegsfuß, worauf die Zeit gesetzt wird, ist ihnen der wahre teuflische Pferdefuß der Menschheit. – –
Aber ich denke anders – ordentlich als wäre der Patengeist des Taufnamen Attila, mehr als sich’s gehört, in mich gefahren, ist mir daran gelegen, immer nur meinen Mut zu beweisen, was ich denn hier wieder mit einigen Zeilen tun will, teuerste Freunde! Ich könnte diese Beweise schön durch bloße Schlüsse und gelehrte Zitate führen. Z. B. wenn Galen 2 bemerkt, daß Tiere mit großen Hinterbacken schüchtern sind: so brauch’ ich bloß mich umzuwenden, und dem Feinde nur den Rücken – und was darunter ist – zu zeigen, wenn er sehen soll, daß es mir nicht an Tapferkeit fehlt, sondern an Fleisch. – Wenn nach bekannten Erfahrungen Fleischspeisen herzhaft machen: so kann ich dartun, daß ich hierin keinem Offizier nachstehe, welcher bei seinem Speisewirt große Bratenrechnungen nicht nur machen, sondern auch unsaldiert bestehen läßt, um zu jeder Stunde, sogar bei seinem Feinde selber (dem Wirte), ein off enes Dokument zu haben, daß er das Seinige (und Fremdes dazu) gegessen und gemeines Fleisch auf den Kriegsfuß gesetzt, lebend nicht, wie ein anderer, von Tapferkeit, sondern für Tapferkeit. – Ebensowenig hab’ ich je als Feldprediger hinter irgendeinem Offizier unter dem Regimente zurückstehen wollen, der ein Löwe ist und mithin jeden Raub angreift, nur daß er wie dieser König der Tiere das Feuer fürchtet – oder der, wie König Jakob von England, welcher, davonlaufend vor nackten Degen, desto kühner vor ganz Europa dem stürmenden Luther mit Buch und Feder entgegenschritt, gleichfalls bei ähnlicher Idiosynkrasie 3 sowohl mündlich als schriftlich mit jedem Kriegsheer anbindet. Hier entsinn’ ich mich vergnügt eines wackern Sous-Lieutenants, der bei mir beichtete – wiewohl er mir noch das Beichtgeld schuldig ist, so wie noch besser seinen Wirtinnen das Sündengeld – welcher in Rücksicht der Herzhaftigkeit vielleicht etwas von jenem indischen Hunde hatte, den Alexander geschenkt bekommen, als einen Hunds-Alexander. Der Mazedonier ließ zur Probe auf den Wunderhund andere Helden- oder Wappentiere anlaufen – erstlich einen Hirschen – – aber der Hund ruhte; – dann eine Sau – er ruhte; – sogar einen Bären – er ruhte: jetzt wollt’ ihn Alexander verurteilen, als man endlich einen Löwen einließ; da stand der Hund auf und zerriß den Löwen. Ebenso der Sous-Lieutenant. Ein Duellant, ein Auswärtsfeind, ein Franzose ist ihm nur Hirsch und Sau und Bär, und er bleibt liegen; aber nun komme und klopfe an sein ältster stärkster Feind, sein Gläubiger, und fodere ihm für verjährte Freuden jetziges Schmerzengeld ab und woll’ ihm so Vergangenheit und Zukunft zugleich abrauben; der Lieutenant fährt auf und wirft den Gläubiger die Treppe hinab. Leider steh’ ich auch erst bei der Sau und werde natürlich verkannt.
Quo – sagt Livius XII. 5. mit Recht – quo timoris minus est, eo minus ferme periculi est, oder zu deutsch – je weniger man Furcht hat, desto weniger Gefahr ist fast dabei; ich kehre den Satz eben so richtig um, je weniger Gefahr, desto kleiner die Furcht, ja es kann Lagen geben, wo man ganz und gar von Furcht nichts weiß – worunter meine gehört. Um desto verhaßter muß mir jede Afterrede über Hasenherzigkeit erscheinen.
Ich schicke meiner Ferienreise noch einige Tatsachen voraus, welche beweisen, wie leicht Vorsicht – d. h. wenn ein Mensch nicht dem dummen Hamster gleichen will, der sich sogar gegen einen Mann zu Pferde auflehnt – für Feigheit gelte. Ich wünschte übrigens nur, ich könnte ebenso glücklich einen ganz anderen Vorwurf, den eines Waghalses, ablehnen, wiewohl ich doch im folgenden gute Fakta beizubringen gedenke, die ihn entkräften.