Deutschland und Israel nach dem 7. Oktober - Fania Oz-Salzberger - E-Book

Deutschland und Israel nach dem 7. Oktober E-Book

Fania Oz-Salzberger

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Beschreibung

Ein Datum, das die Welt verändert hat: der 7. Oktober 2023

Der - so eine der Kernthesen von Fania Oz-Salzberger - völkermordende Überfall der Hamas auf die israelische Bevölkerung hat einen furchtbaren Krieg nach sich gezogen. Die Welt ist seitdem eine andere, auch das traditionell enge Verhältnis zwischen Deutschland und Israel. Die Historikerin Fania Oz-Salzberger geht dieser Veränderung nach und appelliert leidenschaftlich an die deutsche Öffentlichkeit, zu Israel zu stehen, aber dessen Politik zu kritisieren, wo immer es nötig ist. Die Tochter von Amos Oz benennt die gegenwärtigen Konflikte und Probleme und zeigt, darin ihrem Vater folgend, eine mögliche Zukunft von zwei Staaten, Israel und Palästina.

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Seitenzahl: 55

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Cover

Titel

Fania Oz-Salzberger

Deutschland und Israel nach dem 7. Oktober

Aus dem Englischen von Michael Bischoff

Suhrkamp

Impressum

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eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2024

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 2024

© der deutschsprachigen Ausgabe Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 2024

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Umschlaggestaltung : Rothfos & Gabler, Hamburg

eISBN 978-3-518-78186-9

www.suhrkamp.de

Widmung

Im Gedenken an meinen geliebten Freund Shai Doron (1960-2024), der in Jerusalem mit Weisheit und Humor einen humanistischen Zionismus praktizierte.

Dieses kleine Buch ist eine Einladung an ein deutsches sowie ein internationales Publikum, in einen Dialog mit Israelis zu treten, vor allem mit dem Teil der israelischen Gesellschaft, der wie ich zionistisch und liberal gesinnt ist, friedenssuchend und der Demokratie verpflichtet. Wie die brennenden Kibbuzim an der Grenze zu Gaza, deren Bewohner massakriert wurden, wurden auch wir gemäßigten Israelis am 7. Oktober schwer getroffen. In der Folge sind unser Weltbild und unsere am meisten geschätzten Werte sowohl von der globalen propalästinensischen Linken als auch von unserer eigenen rechtsextremen Regierung stark unter Druck geraten.

Meine Stimme in diesem Gespräch ist weder objektiv noch neutral. An diesem Schwarzen Samstag fügten die Hamas und der Islamische Dschihad engsten Freunden und Kolleginnen von mir denkbar schrecklichste Leiden und Schmerzen zu. Bekannte meiner Kinder wurden abgeschlachtet. Mehr als die Hälfte der Opfer waren kaum älter als zwanzig Jahre, Besucherinnen und Besucher des Nova-Festivals und junge Leute in den Kibbuzim. Auch Ältere waren Ziel der Angriffe, Dutzende wurden in den Städten Sderot und Ofakim getötet. Siebzig- und Achtzigjährige wurden als Geiseln verschleppt, einige in der Gefangenschaft ermordet. Frauen und Männer wurden vergewaltigt, ganze Familien im Stil der Nazis vor den Augen ihrer Angehörigen exekutiert. Eine der grauenvollen Beerdigungen, an denen ich teilnahm, war die Bestattung einer Mutter und ihres Sohnes, die in ihrer Wohnung im Kibbuz Kfar Aza ermordet wurden, einander in den Armen haltend. Eine Katastrophe ist über uns hereingebrochen.

Hat diese Katastrophe meine menschliche und politische Persönlichkeit verändert? Ja, definitiv. Sie hat mein Bewusstsein für das Böse, das angeborene wie das kulturell geprägte, geschärft, das von unseren liberalen Sozialwissenschaften ignoriert wurde. Sie hat mich jedoch nicht in einer Weise verändert, die mich zwingen würde, mein politisches Engagement und meine Hoffnung aufzugeben.

Was als schockierender und bösartiger Angriff auf Zivilisten begann, wurde zu einem schlimmen Krieg unter der schlechtesten Regierung in der Geschichte Israels. Israel war am 7. Oktober nicht in seiner Existenz bedroht, doch wegen der rücksichtslosen und teilweise kriminellen Kriegsführung dieser Regierung, ihrer selbstzerstörerischen Außen- und antidemokratischen Innenpolitik stehen wir heute tatsächlich vor einer existenziellen Bedrohung. Nicht seitens der Hamas oder der Hisbollah und nicht einmal seitens des Iran, sondern von innen her. Doch ebenso wie die Kibbuzim ist das liberale Israel immer noch lebendig. Seine Werte sind zu stark, als dass sie so leicht zerstört werden könnten, weder von der Hamas noch vom jüdischen Ultranationalismus.

Ich bestehe weiterhin darauf, vom Krieg der Hamas gegen Israel statt von einem Krieg Israels gegen die Hamas zu sprechen, denn ungeachtet des »Kontexts«, ungeachtet der langen Geschichte des Konflikts, nahm diese Runde ihren Anfang in einem der barbarischsten Angriffe der modernen Geschichte durch die Hamas und den Islamischen Dschihad. Es folgte ein schmutziger, hässlicher Städtekampf. Manche israelischen Soldaten – beileibe nicht alle – lassen sich von einem Rachegefühl leiten, das von den Extremisten in der Regierung befeuert und von irrsinnigen Szenarien für die Zukunft Gazas angestachelt wird. Auch während ich dies schreibe, werden immer noch zahlreiche unschuldige Opfer, viele Palästinenser und einige Juden, getötet.

Was als ein gerechter Krieg zur Bestrafung und Zerschlagung der Hamas und ihrer Anführer in Gaza begann, fand seinen Fortgang in israelischen Aktionen, die unmoralisch und illegal waren und in manchen Fällen auf Kriegsverbrechen hinausliefen. Selbstverständlich ist alles, was die Hamas seit dem 7. Oktober getan hat, ein einziges grauenhaftes Kriegsverbrechen an Israelis und Palästinensern. Ich bin absolut davon überzeugt, dass es der Hamas um Völkermord an den Israelis geht.

Ich glaube, dass Völkermord nicht die Absicht Israels in diesem Krieg ist, trotz zahlreicher hysterischer und extremistischer Äußerungen, die unseren öffentlichen Diskurs trüben und Einfluss auf einige Kriegshandlungen haben. Hässlich und schmutzig, ja. Zivilisten in Gefahr bringen, darunter durch Bombardierung und Hunger, ja. Eine ganze Nation auslöschen, nein. Aber was die israelische Regierung hier verfolgt, ist der blanke Hohn: das eklatante Fehlen einer Zukunftsperspektive.

Benjamin Netanjahus Koalition biedert sich den Extremisten an, die er verantwortungslos in sein Kabinett geholt hat, um seine eigene politische Haut zu retten. Er und seine willfährigen Minister und Knesset-Abgeordneten sind zu feige, zu brutal und zu dumm, um diesem Krieg ein ehrenvolles und legitimierbares Ziel zu geben, ein ethisch vertretbares Ende zu formulieren und zu bestimmen, was »am Tag danach« geschehen soll. Das Verhalten meiner Regierung im Krieg, in der Außenpolitik und – nicht zuletzt – in der Innenpolitik erfüllt mich mit Scham, Abscheu und dem Wunsch nach einem demokratischen zivilen Ungehorsam.

Ich will aber die Emotionen beiseitelassen und eine vernunftgeleitete Analyse anbieten. Rational und analytisch zu sein, ist eine Bürgerpflicht, und viele Menschen vernachlässigen diese Verpflichtung. Grausamkeiten und Kriege lassen das Schlechteste im Menschen hervortreten, und in vielen Fällen schalten sich unsere Steinzeitinstinkte oder unser Reptilienbewusstsein ein. Der Hass auf unsere Feinde dehnt sich auch auf die Unschuldigen unter ihnen aus, und wir verwechseln Rache mit Gerechtigkeit. Das biblische »Auge um Auge« tritt an die Stelle der modernen Feinabstimmung der Strafen und der Suche nach einer gewaltfreien Lösung. Die Veredelung des Menschen ist nur einen Schuss weit entfernt von unzivilisierter Brutalität. Der 7. Oktober 2023 war in mehr als einer Hinsicht ein Sieg der Barbarei über die Zivilisation.

*

Ich spreche hier vom »israelisch-deutschen Dialog«, doch wenn ich das erweitern könnte, würde es lauten: »Wir brauchen unbedingt einen neuen israelisch-deutschen Dialog.« Denn seit dem 7. Oktober hat in Wirklichkeit gar kein Dialog stattgefunden. Als Erstes wäre über die innerdeutsche Debatte – Meinungsbeiträge in den Medien, öffentliche Debatten, bereits erschienene Bücher, Gespräche zwischen Freunden und Nichtfreunden Israels – zu sagen, dass sie in Israel schlichtweg unbekannt ist. Es wird nicht über sie berichtet, sie bleibt unbeachtet.