Deutschlands neue Außenpolitik – und wer macht sie? Debatten, Institutionen und Personen. Ein Essay - Martin Weber - E-Book

Deutschlands neue Außenpolitik – und wer macht sie? Debatten, Institutionen und Personen. Ein Essay E-Book

Martin Weber

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2007
Beschreibung

Essay aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Politik - Thema: Deutsche Außenpolitik, Note: 1,3, Universität Potsdam, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Bundesregierung ist „finster entschlossen“, einen eigenen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anzustreben und „von dem Geeiere weg[zu]kommen“, das bisher ihre Haltung in dieser Frage bestimmte (FAZ, 12.5.04). Dieses Ansinnen ist ein Ausdruck dessen, was unter dem Begriff „neue deutsche Außenpolitik“ firmiert. Nach einer Annäherung an den Inhalt dieses Begriffes, werde ich die dazu geführten wissenschaftlichen Debatten darstellen. Die Ursachen für die dort ausgeprägt skeptische Bewertung der aktuellen Außenpolitik, werden zu großen Teilen bei den außenpolitischen Eliten fest gemacht. Im Anschluss werde ich daher erörtern, wer die außenpolitischen Eliten sind und wo ihre Defizite liegen.

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Inhalt

 

„Deutschlands neue Außenpolitik und wer macht sie? Debatten, Institutionen und Personen“  - Ein Essay

Literatur

 

Deutschlands neue Außenpolitik – und wer macht sie? Debatten, Institutionen und Personen. Ein Essay

Die Bundesregierung ist „finster entschlossen“, einen eigenen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anzustreben und „von dem Geeiere weg[zu]kommen“, das bisher ihre Haltung in dieser Frage bestimmte (FAZ, 12.5.04). Dieses Ansinnen ist ein Ausdruck dessen, was unter dem Begriff „neue deutsche Außenpolitik“ firmiert. Nach einer Annäherung an den Inhalt dieses Begriffes, werde ich die dazu geführten wissenschaftlichen Debatten darstellen. Die Ursachen für die dort ausgeprägt skeptische Bewertung der aktuellen Außenpolitik, werden zu großen Teilen bei den außenpolitischen Eliten fest gemacht. Im Anschluss werde ich daher erörtern, wer die außenpolitischen Eliten sind und wo ihre Defizite liegen.

Die deutsche Nachkriegsaußenpolitik weist spezifische Merkmale auf, die der Bundesrepublik die Bezeichnung „Zivilmacht“ einbrachten: So war nach 1949 die Zugehörigkeit der Bundesrepublik zur Europäischen Gemeinschaft der einzige Weg, ihre außenpolitische Souveränität zumindest teilweise zurück zu erlangen. Als „Handelstaat“, der seine außenpolitischen Ziele nur ökonomisch verfolgen konnte und durfte (Jerabek, S. 26), war Stabilität das herausragende außenpolitische Interesse. Dieses Ziel zu erreichen wurde durch multilaterale Kooperation sowie durch die besondere Pflege sehr guter Beziehungen sowohl zu den USA als auch zu Frankreich gesichert. Nach Krippendorf bestand die deutsche Außenpolitik nach 1949 im wesentlichen aus einer „Strategie des Mitmachens“ (Krippendorf, S. 75), entsprach nach Link aber den damaligen machtpolitischen Realitäten (Link, WT43, S. 49). Die Veränderungen des Jahres 1990 ermöglichten schließlich einen Wandel dieser Strategie. Das Ende des Ost-West-Konfliktes brachte ein völlig verändertes internationales System mit sich und gleichzeitig hatte das vereinigte Deutschland nach Art. 7 Abs. 2 des „Zwei-Plus-Vier-Vertrages“ die volle außenpolitische Souveränität wiedererlangt. Vor diesem Hintergrund kann der Begriff „neue deutsche Außenpolitik“ definiert werden als all diejenigen Aktivitäten oder Unterlassungen der deutschen Regierung gegenüber anderen Regierungen sowie innerhalb anderer Politikforen - wie beispielsweise der Europäischen Union - die eine Abkehr von den außenpolitischen Traditionen vor 1990 darstellen.

Im Mittelpunkt der dazu seit Anfang der 90er Jahre geführten Debatte, stand die Frage, ob das vereinigte Deutschland zukünftig eher Machtpolitik oder eine „wertorientierte Außenpolitik“ mit dem Ziel einer „Zivilisierung“ der internationalen Beziehungen betreiben wird. Für bloße außenpolitische Kontinuität hingegen, das heißt, eine an bisher geltenden Prinzipien ausgerichtete Außenpolitik sprach, dass die Europäische Gemeinschaft die „heimliche Großmacht“ Deutschland integriert, europäisiert und damit für nationale Machtaspirationen untauglich machte (Bredow/Jäger, S. 32) Die Analysten der außenpolitischen Praxis in den 90er Jahren kamen zu dem überwiegenden Ergebnis, dass trotz einzelner Maßnahmen, wie des deutschen Alleingangs bei der Anerkennung der Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens im Jahr 1991, von einer „neuen Außenpolitik“ keine Rede sein konnte (Risse, S. 24). Die deutsche Außenpolitik zeichnete sich also durch ein hohes Maß an Kontinuität aus.

Mit der Machtübernahme Schröders und Fischers 1998, welche gleichzeitig einen Generationenwechsel darstellte, erfuhr die Außen- und Sicherheitspolitik einen neuerlichen Einschnitt. Die Folgen dieser Zäsur wurden erstmals im März 1999 in drastischer Weise sichtbar. Mit dem Entschluss, am Kosovokrieg teilzunehmen, war die Bundesregierung die erste „linke“ deutsche Regierung seit 1918 und die erste Bundesregierung, die deutsches Militär offensiv und dazu ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates gegen einen souveränen Staat einsetzte (Jerábek, S. 33). Äußerungen des Bundeskanzlers, wonach Deutschland gut beraten sei, sich selbst als „große Macht“ zu sehen und seine Außenpolitik entsprechend auszurichten (Schröder, S. 394), unterstützen die Vermutung eines grundlegenden außenpolitischen Wandels seit 1998 ebenso, wie die rigoros konfrontative Haltung des Bundeskanzlers gegenüber den USA im Vorfeld des Irakkrieges. Die im Zuge des Irakkonfliktes erreichte und bisher einzigartige Intensität des deutsch-französischen Kooperationsverhältnisses, stellte zumindest die zeitweise Aufgabe der bisherigen außenpolitischen Maxime des „Sowohl-als-auch“ zwischen Frankreich und den USA dar (Maull, APuZ, S. 18). Das ausschließlich auf nationale Interessendurchsetzung bedachte deutsche und von Paris unterstützte Verhalten in Sachen Stabilitäts- und Wachstumspakt im November 2003, welches exemplarisch für die stärkere Betonung nationaler Interessen im europäischen Integrationsprozess steht, sei ein weiteres Indiz für eine außenpolitische Neuorientierung (Maull, APuZ, S. 18).

Obwohl die in der Folge dieser Neuerungen geführte wissenschaftliche Debatte um die deutsche Außenpolitik unter rot-grün eine gewisse Neuorientierung anerkennt, fällt die Einschätzung unterschiedlich aus, ob die außenpolitische Praxis die Bezeichnung „neue deutsche Außenpolitik“ tatsächlich verdient. Als Befürworter einer machtbewussteren Außenpolitik sieht Schöllgen die Weichen für eine „neue deutsche Außenpolitik“ insbesondere durch die deutsche Haltung gegenüber der US-Regierung im Vorfeld des Irakkrieges gestellt und verortet die Bundesrepublik im Kreis der europäischen Großmächte (Schöllgen, S. 9; 15). Maull hingegen wertet dieses Verhalten als „unilateralistischen Sündenfall“ (Maull, APuZ, S. 17), durch den die Bundesregierung unkalkulierbar und unglaubwürdig geworden sei (Hacke, S. 7 f.). Auch die verstärkt an nationalen Interessen ausgerichtete Europapolitik stelle keine wirklich neue außenpolitische Leitlinie dar, sondern oft lediglich die kurzfristige Durchsetzung deutscher Interessen. Elsenhans schließlich bescheinigt der deutschen Außenpolitik einen „gewissen Wilhelminismus“, da „man durch Nachholen gleich werden wolle wie die anderen“ (Elsenhans, WT 43, S. 35). Eine aus strategischer Perspektive erfolgreiche Neuorientierung der deutschen Außenpolitik sei jedenfalls nicht erfolgt (Maull, APuZ, S. 19). Hellmann sieht insbesondere in der im Wahlkampf 2002 von Schröder benutzten Metapher des „deutschen Weges“ eine Äußerung grundlegender Verschiebungen in der außenpolitischen Orientierung. Allerdings stehe diese „rhetorische Kraftmeierei“ in einem deutlichen Missverhältnis zu den tatsächlichen Möglichkeiten der deutschen Außenpolitik (Hellmann, APuZ, S. 32; 35). Diese Diskrepanz sei Ausdruck einer tiefen Krise, welche neben fehlenden Ressourcen aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, vor allem auf die Vernachlässigung und die systematische Auszehrung der Außenpolitik sowie auf das Fehlen eines außenpolitischen Strategiediskurses zurück zu führen ist. „Die Verantwortung hierfür tragen im engeren Sinne die außenpolitischen Entscheidungsträger (...)“ (Maull, IP, S. 27).

Wer aber sind die Entscheidungsträger der „neuen deutschen Außenpolitik”, die außenpolitischenEliten und wo liegt ihre „Schuld“ an der außenpolitischen Krise?

In den Sozialwissenschaften herrscht weitgehend Konsens, dass Eliten Personen sind, die sich durch ihre institutionalisierte gesellschaftliche Macht beziehungsweise ihren Einfluss auf bedeutende gesellschaftliche Entscheidungen auszeichnen (Hoffmann-Lange, S. 19). Pareto teilt die „Eliteklasse“ weiter in die „governing élite“ und die „non-governing élite“ ein (Bottomore, S. 2). Die „governing élite“ beziehungsweise Moscas „politische Klasse“ (Mosca, S. 53), schließt dabei alle Individuen ein, die direkt oder indirekt eine „beachtliche Rolle“ in der Regierung spielen (Bottomore, S. 2). Die außenpolitischen Eliten sind nach dieser Definition also diejenigen Akteure, die eine beachtliche Rolle in der Außenpolitik spielen, wobei diese auch institutionell gestützt sein muss. Um die außenpolitischen Eliten benennen zu können, bedarf es daher der Analyse der Institutionen sowie der darin agierenden Personen, die einen erheblichen Einfluss auf Konzipierung und praktische Gestaltung der deutschen Außenpolitik haben. Dafür bieten sich generell folgende Methoden an: Die Positionsmethode schließt von der Position des Akteurs, die er formal in der Regierung einnimmt, auf seinen Einfluss. Die Reputationsmethode versucht die außenpolitischen Eliten aufgrund der Wahrnehmung ihrer Bedeutsamkeit insbesondere durch andere Teile der politischen Eliten einzugrenzen. Die Entscheidungsmethode schließlich sucht nach den ausschlaggebenden Akteuren besonders bedeutsamer Entscheidungen.

Nach Art. 32 Abs. 1 GG ist die Pflege der auswärtigen Beziehungen Sache des Bundes und nach Art. 73 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die „auswärtigen Angelegenheiten“. Diese Kompetenzzuweisung erfährt aufgrund des deutschen Föderalismus in Bezug auf die EU-Politik eine bedeutende Ausnahme. So stehen den Ländern in Fragen der Übertragung nationaler Kompetenzen auf die europäische Ebene beachtliche Mitspracherechte zu. Unter der Voraussetzung, dass die zu übertragende Materie in ihren alleinigen Zuständigkeitsbereich fällt, nehmen die Länder im Ministerrat sogar den Platz des Bundes ein (Art. 23, insbesondere Absatz 6 GG).

Bundeskanzler, Außenminister und Verteidigungsminister sind die klassischen Akteure in den auswärtigen Beziehungen (Siwert-Probst, S. 13). Aufgrund seiner durch die Richtlinienkompetenz (Art. 65 GG) verliehenen dominanten Position innerhalb der Exekutive, kann der Bundeskanzler als Entscheidungszentrum der außenpolitischen Führungseliten angesehen werden. Er ist grundsätzlich einflussreicher als jeder andere außenpolitische Akteur oder jede andere Akteursgruppe. Wie dominant der jeweilige Bundeskanzler tatsächlich ist, hängt neben persönlichen Präferenzen vor allem von der Koalitionskonstellation ab. Koalitionspolitisch notwendige Rücksichtnahmen, aber auch die Frage, wer in der Öffentlichkeit als „Macher“ des prestigeträchtigen Bereichs der Außenpolitik angesehen wird, entscheiden über den Grad der Dominanz des Bundeskanzlers. Eng mit letzterem verbunden ist die in nahezu allen bisherigen Bundesregierungen beobachtbare Tendenz, dass der Kanzler außenpolitisch mit fortschreitender Amtsdauer auf Kosten des Außenministers immer bestimmender wird. Die zunehmende Dominanz wurde beispielsweise 2002 sehr deutlich, als Schröder den Plan lancierte, die Zuständigkeit für die Europapolitik im Kanzleramt zu integrieren. Bei den Vorbereitungen seiner Entscheidungen spielt die außenpolitische Abteilung des Bundeskanzleramtes, einer formal nirgends vorgesehenen, aber dennoch sehr einflussreichen Institution, eine wesentliche Rolle. Als Außenminister übt Fischer ebenfalls erheblichen Einfluss auf Konzipierung und praktische Gestaltung der Außenpolitik aus. Innerhalb seines Ressorts wird dem Planungsstab, der mit engen Vertrauten von Fischer besetzt ist, von Erler spürbarer Einfluss auf die grundlegenden außenpolitischen Entscheidungen zugeschrieben.

Auch wenn die letztendliche Entscheidungsbefugnis bei Bundeskanzler und Außenminister institutionalisiert ist, sind doch zahlreiche weitere Akteure auszumachen, deren zumeist informeller Einfluss auf außenpolitische Richtungsentscheidungen beachtlich ist. Insbesondere in Krisensituationen spielen die „elder statesmen“ eine nicht zu unterschätzende Rolle. Genscher ist hier laut Erler am einflussreichsten. Beachtlicher Einfluss in europäischen Problembereichen wird Verheugen zugeschrieben. Auch Mitglieder des Bundestages, insbesondere einzelne Personen aus der Gruppe der Fachabgeordneten wie Erler, Klose, Schäuble, Rühe und Gerhardt, zählt Erler zu den außenpolitischen Eliten. Zwar haben diese Personen keine „wirkliche“ Entscheidungsbefugnis, ihr Einfluss ist also nicht formal-institutionell abgesichert. Dennoch arbeiten sie auf informeller Ebene mit den entscheidenden Akteuren der Exekutive zusammen und werden von diesen konsultiert. Die Arbeit der „Think Tanks“ trägt ebenfalls nicht unwesentlich zu außenpolitischen Richtungsentscheidungen bei, wobei einzelne Personen innerhalb dieser nicht den außenpolitischen Eliten zuzurechnen sind.

In der Debatte um die „weltpolitische Reife“ der außenpolitischen Eliten werden verschiedene Ursachenkomplexe für deren Verantwortung für die diagnostizierte Krise der Außenpolitik angeführt. Diese reichen von fehlenden außenpolitischen Traditionen über die „Wahrnehmung der Welt aus der Perspektive der Angst“ (Elsenhans, WT29, S. 147) bis hin zu unzureichenden Ausbildungsmöglichkeiten. Einigkeit herrscht darüber, dass es in Deutschland aktuell an fähigen außenpolitischen Eliten mangelt. Dieser Mangel hätte allerdings durch die klügere Nutzung des für die derzeitigen außenpolitischen Herausforderungen sehr gut gerüsteten diplomatischen Personals der DDR zumindest teilweise behoben werden können (Campbell, S. 31). Da die deutsche Außenpolitik immer nationalstaatlich orientiert und auf Europa fixiert blieb, fehle den deutschen Eliten die in der internationalen Politik entscheidende Fähigkeit des interkulturellen Interessenausgleichs, die Elsenhans als „Fähigkeit zum informellen Weltreich“ bezeichnet (Elsenhans, WT 25, S. 123). Immer wieder wird bemängelt, dass die deutschen außenpolitischen Eliten keine stimmigen Vorstellungen davon hätten, wie Weltordnungspolitik aussehen könnte. Dies ist auf den in vielen Beiträgen beklagten Umstand zurückzuführen, dass bisher kein umfassender außenpolitischer Strategiediskurs geführt wurde, aber auch auf das mangelnde Interesse und die mangelnde Expertise der deutschen parlamentarischen Elite in außenpolitischen Problembereichen (Masala, S. 52). Czempiel sieht die Ursachen der „etwas hölzernen Präsenz“ deutscher Eliten in den Foren der Weltpolitik in der deutschen Hochschulbildung, deren Curricula nicht den Anforderungen an internationale Führungskräfte entsprächen sowie im bürokratischen Beförderungswesen. Die Dominanz von Juristen in der Außenpolitik führe schließlich dazu, dass Außenpolitik in Deutschland vorwiegend als Durchsetzung von Rechtsansprüchen verstanden und betrieben werde.

Außenpolitische Tatsachen, wie die Beteiligung am Kosovokrieg oder die Haltung der Bundesregierung im Vorfeld des Irakkrieges, stellen eine deutliche Veränderung der außenpolitischen Maximen im Gegensatz zu den bis 1990 geltenden Grundsätzen dar. Es ist daher meines Erachtens gerechtfertigt, seit 1998 von „neuer deutscher Außenpolitik“ zu sprechen. In diesem Kontext wie Bahr von „Normalisierung“ der Außenpolitik zu sprechen, halte ich hingegen für irreführend, da dies eine „Unnormalität“ voraussetzt, von der unklar ist, worin sie bestehen soll (v. Bredow, WT43, S. 19). Autoren, die zwar eine Veränderung hinsichtlich der angewandten außenpolitischen Mittel, bei den Zielen hingegen Kontinuität feststellen (Risse, S. 24 f.), verkennen meiner Ansicht nach, dass Mittel und Ziele eng zusammenhängen. Schröders offen konfrontativer Kurs und die gleichzeitige Intensivierung der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Irakkonflikt, sind andere außenpolitische Mittel, als das lange verfolgte „Sowohl-als-auch“. Mit diesen veränderten Mitteln lässt sich allerdings das alte Ziel, nicht zwischen den USA und Frankreich wählen zu müssen, nicht mehr erreichen.

Hinsichtlich der Erfolgsbilanz der „neuen deutschen Außenpolitik“ ist eine deutliche Skepsis in der Debatte erkennbar, wobei die Ursachen der Diskrepanz zwischen offiziell verlautbarten Ansprüchen und den Fähigkeiten deutscher Außenpolitik zumeist auf die außenpolitischen Eliten zurückgeführt werden. Wer in welchen Institutionen zu diesem Personenkreis zählen könnte, habe ich anhand der Positions- und Reputationsmethoden eingegrenzt. Neben den in der öffentlichen Wahrnehmung als außenpolitisch einflussreich angesehenen Akteuren wie Bundeskanzler und Außenminister, ist bemerkenswert, dass Erler institutionell nicht „vorgesehenen“ Akteuren wie ehemaligen Ministern sowie in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Parlamentariern erheblichen Einfluss zuschreibt. Weiterführend müsste in jedem Falle der Einfluss hier nicht berücksichtigter Akteure wie der Länder, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften untersucht werden. Möglicherweise könnten so weitere Ursachen für die größtenteils als mangelhaft eingeschätzte Erfolgsbilanz der deutschen Außenpolitik gefunden werden.

2040 Wörter

Literatur

Arnold, Hans: Wer und wofür? – Gedanken zur außenpolitischen Elite Deutschlands. In: WeltTrends, Nr. 28, Herbst 2000, S. 83-86.

Beer, Angelika: Ist die deutsche außenpolitischen Elite reif für die Weltpolitik? In: WeltTrends, Nr. 29, Winter 2000/2001, S. 155-160.

Bottomore, Tom: Elites and Society, 1993, London.

Bredow, Wilfried v.: Neue Erfahrungen, neue Maßstäbe, Gestalt und Gestaltungskraft deutscher Außenpolitik, in: Internationale Politik 9/2003.

Bredow, Wilfried v: Machtpolitikresistenztestanordnungsproblem. In: WeltTrends, Nr. 43, Sommer 2004, S. 18-22.

Bredow, Wilfried v./Thomas Jäger: Neue deutsche Außenpolitik, Opladen 1993.

Campbell, Edwina S.: Berlin: Look to the World! In: WeltTrends Nr. 43, Sommer 2004, S. 29-33.

Crome, Erhard: Schatten der Landmacht. In: WeltTrends, Nr. 28, Herbst 2000, S. 63-72.

Czempiel, Ernst-Otto: Reif für welche Außenpolitik? In: WeltTrends, Nr. 28, Herbst 2000, S. 9-12.

Elsenhans, Harmut: Reif für die Weltpolitik? Gedanken zur außenpolitischen Elite Deutschlands. In: WeltTrends Nr. 25, Winter 1999/2000, S. 121-128.

Elsenhans, Harmut: Zivilgesellschaftliche deutsche Außenpolitik – ein neuer Weg zum Platz an der Sonne? In: Welt-Trends, Nr. 29, Winter 2000/2001, S. 143-150.

Elsenhans, Hartmut: Selbstbeschränkter Realismus und geographisch begrenzter Idealismus. In: WeltTrends Nr. 43, Sommer 2004, S. 35-40.

Hacke, Christian (2002): Die Außenpolitik der Regierung Schröder/Fischer: Zwischenbilanz und Perspektiven. In: APuZ 48/2002. Online-Version unter: http://www.das-parlament.de/2002/48/Beilage/002/html (Zugriff: 26.5.04)