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Geldanlage im Lebenszyklus-Modell – Einfach zu Ihrer Vermögensstrategie Die Behavioral-Finance-Forschung ist sich einig: Stundenlange Aktienanalyse, Fragen nach dem optimalen Markteinstieg und tägliche Kontrolle der Portfolio-Performance sind für Sie als Privatanleger völlig unnötig. Viel wichtiger ist, sich den eigenen Anlagehorizont und die persönliche Risikotoleranz bewusst zu machen, um die optimale Anlagestrategie zu finden. Die hier versammelten Expertinnen und Experten – allesamt renommierte Finanzwirtschaftlerinnen und -wirtschaftler mit Professuren an verschiedenen deutschen Hochschulen – zeigen leicht verständlich, wie ein finanziell sorgenfreies Leben möglich wird. Neueste Forschungserkenntnisse werden zu einer einfach umsetzbaren Vermögensstrategie für alle Lebenslagen verwoben – egal, ob Sie am Anfang oder Ende Ihres Erwerbslebens stehen.
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Seitenzahl: 354
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Heiko Jacobs, Christine Laudenbach, Sebastian Müller, Philipp Schreiber, Martin Weber
Die genial einfache Vermögensstrategie
So gelingt die finanzielle Unabhängigkeit
Campus VerlagFrankfurt/New York
Über das Buch
Geldanlage im Lebenszyklus-Modell – Einfach zu Ihrer Vermögensstrategie Die Behavioral-Finance-Forschung ist sich einig: Stundenlange Aktienanalyse, Fragen nach dem optimalen Markteinstieg und tägliche Kontrolle der Portfolio-Performance sind für Sie als Privatanleger völlig unnötig. Viel wichtiger ist, sich den eigenen Anlagehorizont und die persönliche Risikotoleranz bewusst zu machen, um die optimale Anlagestrategie zu finden. Die hier versammelten Expertinnen und Experten – allesamt renommierte Finanzwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit Professuren an verschiedenen deutschen Hochschulen – zeigen leicht verständlich, wie ein finanziell sorgenfreies Leben möglich wird. Neueste Forschungserkenntnisse werden zu einer einfach umsetzbaren Vermögensstrategie für alle Lebenslagen verwoben – egal, ob Sie am Anfang oder Ende Ihres Erwerbslebens stehen.
Kapitel 1Sparen und Anlegen im Lebenszyklus – eine Einleitung
Lebenszyklus-Modell
Die Lebensplanung ist voller Trade-offs
Tour d’horizon
Kapitel 2: Rendite, Risiko, Anlageklassen und Anlagestile
Kapitel 3: Behavioral-Finance-Forschung – Über die Psychologie der (Ent-)Sparer
Kapitel 4: Wissenschaftlich fundiert investieren – Wie geht’s?
Kapitel 5: Umsetzung und Beurteilung konkreter Anlagemöglichkeiten
Kapitel 6: Investieren im Zeitverlauf
Kapitel 7: Die Rentenentscheidung – Wann gehe ich in Rente?
Kapitel 8: Entsparen – Die Wahl zwischen Rente und Einmalzahlung
Kapitel 9: Strategien für kontinuierliches Entsparen
Kapitel 10: Umsetzung der Geldanlage – Eigenständig versus Berater
Offene Worte zum Schluss der Einleitung
Das Autoren-Team
Kapitel 2Rendite, Risiko, Anlageklassen und Anlagestile
Vermögensaufbau mit Aktien, Anleihen und dem risikolosen Zins
Die Macht des Zinseszinses
Auch Dividenden zählen
Börsenbarometer – vom DAX bis zum Nikkei
Kurs- versus Performanceindizes
Die andere Seite der Medaille: Risiko
»Diversification is the only free lunch in investment«
Konkurrierende Anlagestile
Kapitel 3Behavioral-Finance-Forschung – Über die Psychologie der (Ent-)Sparer
Zeitpräferenzen
Ungeduld und Zeitinkonsistenz – Planänderungen, wenn morgen heute wird
Rolle von Zeitpräferenzen bei Finanzentscheidungen
Selbsteinschätzung
Tatsächliche versus gefühlte Fähigkeiten
Hin und her – Taschen leer
»Framing«: Der Einfluss der Darstellung auf Entscheidungen
Wie der Entscheidungskontext unser Verhalten beeinflusst
Rendite scheint nicht gleich Rendite
Verlustaversion und Verlustwahrnehmung – 5 Euro sind nicht 5 Euro
Zum sicheren Umgang mit dem Risiko
Spezifische Fehler beim Handeln
Die Aufmerksamkeit ist limitiert – Anleger nutzen das weltweite Angebot nicht
Dispositionseffekt – Verliereraktien bleiben zu lange im Depot
Kapitel 4Wissenschaftlich fundiert investieren – Wie geht’s?
Die Effizienzmarkthypothese: Von Dartpfeil werfenden Affen und einem Nobelpreis
Kein Käufer ohne Verkäufer
Der Preis ist richtig!
Was sagt die Forschung zur Idee effizienter Märkte?
Lassen sich die Kurse von Wertpapiern vorhersagen?
Verarbeiten Finanzmärkte Informationen schnell und korrekt?
Kann man als Privatanleger oder Fondsmanager den Markt schlagen?
Fazit
Und es gibt sie doch: Zweifel an der Effizienzmarkthypothese
»Aber Fonds X hat den Markt doch zehnmal hintereinander geschlagen …«
»Aber der Chart sieht doch so gut aus …«
… und was ist mit Warren Buffett?
Passiv zu investieren wird immer beliebter, ist das ein Problem?
Wie investiert man am besten passiv?
Maximale Diversifikation – bestmögliche Risikostreuung
Minimale Kosten – möglichst geringe Gebühren und Handelsaktivitäten
Capital Asset Pricing Modell
Investor A ist risikoscheu
Investor B will mehr Rendite
Investor C will noch mehr
Kapitel 5Umsetzung und Beurteilung konkreter Anlagemöglichkeiten
Wie kann eine sinnvolle Vermögensaufteilung aussehen?
Breite Diversifikation durch Aktien und Anleihen
Eine Daumenregel zur Vermögensaufteilung
Mit der 60-40-Heuristik in der goldenen Mitte
Aufteilung zwischen riskantem und risikofreiem Vermögensanteil
Fast ohne Risiko: Kurzlaufende Staatsanleihen höchster Bonität und Tagesgeldkonten
Das Rendite-Risiko-Verhältnis bleibt gleich
Über welche Produkte sollte die Anlagestrategie umgesetzt werden?
Aktive Fonds kommen Anleger teuer zu stehen
Alternative Ansätze und Anlagemöglichkeiten
BIP-Gewichtung statt Marktkapitalisierung
Absicherung von Währungsrisiken?
Unternehmensanleihen
Rohstoffinvestments
Pro …
… und contra
Immobilieninvestments
Offene Immobilienfonds haben einen Konstruktionsfehler
Geschlossene Immobilienfonds sind riskant
Hedgefonds und Private Equity
»Hedge« bedeutet »absichern« – von wegen
Im Gleichlauf mit Aktien
Smart Beta als Renditeturbo?
Die bekanntesten Smart-Beta-Ansätze
Warum existieren Faktorprämien?
Das Data-Mining-Problem
Warum Smart Beta vermutlich weniger bringt als gedacht
Zusammenfassung
Kapitel 6Investieren im Zeitverlauf
Mit dem Anlegen starten: Einmalige Anlage oder zeitliche Aufteilung?
Investieren mit Sparplänen
Vor- und Nachteile von Sparplänen
Mythos Cost-Average
Anpassungen der Portfolios im Zeitverlauf
Portfolioanpassungen bei Veränderungen der Lebenssituation
Portfoliorebalancing
Reaktion auf Veränderungen des Marktumfelds
Lassen sich Crashs am Aktienmarkt vorhersagen?
Anlegen im Niedrigzinsumfeld: Lassen sich Zinssatzentwicklungen prognostizieren?
Fazit
Kapitel 7Die Renteneintrittsentscheidung – Wann gehe ich in Rente?
Generelle Funktionsweise der Rentenversicherung
Lebenserwartung bei Renteneintritt
Auswirkungen des Renteneintrittszeitpunkts auf die Rentenhöhe
Gesetzliche Rentenversicherung
Berechnung der Rentenhöhe
Veränderung der Rentenhöhe bei früherem oder späterem Renteneintritt
Möglichkeiten zur Verringerung des Abschlags bei frühzeitigem Renteneintritt
Betriebliche Altersvorsorge
Private Altersvorsorge
Verhaltenswissenschaftliche Aspekte bei der Renteneintrittsentscheidung
Zeitinkonsistenz – warum die Frührente lockt
Framing – warum die Abschläge schwer wiegen
Kapitel 8Entsparen – Die Wahl zwischen Rente und Einmalzahlung
Das Entscheidungsproblem in der Praxis
Von der Rente zur einmaligen Kapitalauszahlung
Von der Einmaleinlage zur Rente
Das Langlebigkeitsrisiko
Langlebigkeitsrisiko aus Sicht der Versicherung
Langlebigkeitsrisiko aus Sicht einer Privatperson
Kapital oder Rente? Zu beachtende Faktoren
Rationale Faktoren
Vererbungsmotiv und Absicherung durch die Familie
Zu hohe Preise und adverse Selektion
Gewünschter Konsumpfad und unerwartete Ausgaben
Gesetzliche Rente und andere Einkünfte
Verhaltenswissenschaftliche Faktoren
Framing: Investition oder Versicherung?
Zeitpräferenz
Risikopräferenz, Verlustaversion und Referenzpunkt
Fehleinschätzung der eigenen Lebenserwartung
Zusammenspiel der Faktoren
Fazit
Kapitel 9Strategien für kontinuierliches Entsparen
Das Leben ist wieder voller Trade-offs
Strategie 1: Sichere Anlage – konstante Entnahme (Konsum)
Strategie 2: Anlage am Kapitalmarkt – konstante Entnahme (Konsum)
Strategie 3: Anlage am Kapitalmarkt – variable Entnahme (Konsum)
Simulationen der Strategien
Simulation der Renditen
Die Annuitätenformel für den Entnahmeplan
Anlageerfolge der Strategien
Strategie 1: Sichere Anlage – konstante Entnahme
Strategie 2: Sichere Anlage – konstante Entnahme
Strategie 3: Sichere Anlage – konstante Entnahme
Welche Strategie passt zu wem?
Kapitel 10Umsetzung der Geldanlage – Eigenständig versus Berater
Klassische Finanzberatung
Wozu brauchen Menschen Anlageberatung?
Potenzial und Fallstricke der Anlageberatung
Qualitätsmerkmale der Beratung
Auch der Finanzberater ist nicht objektiv
Qualität von Beratung und Kosten der Beratung – ein Interessenkonflikt?
Robo-Advisor – Algorithmen für die Vermögensverwaltung
Hilfe zur Selbsthilfe – Beratungstools
Sparplanrechner – Zinsen und Renditen online ermitteln
»Renten-Cockpit« im Testlauf
Das Risiko im Simulator erfahren
DANKSAGUNG
ANMERKUNGEN
ANHANG
Literaturangaben
Zu Kapitel 1
Zu Kapitel 2
Zu Kapitel 3
Zu Kapitel 4
Zu Kapitel 5
Zu Kapitel 6
Zu Kapitel 7
Zu Kapitel 8
Zu Kapitel 9
Zu Kapitel 10
Berechnungsdetails und Hinweise zu den Tabellen und Abbildungen aus Kapitel 5
Berechnungsdetails und Hinweise zu den Tabellen und Abbildungen aus Kapitel 6
Register
Wir wollen ein gutes Leben: Dazu gehört neben Familie, Freunden und Gesundheit sicherlich auch genug Geld. Dabei ist es ist nicht Geld per se, das uns glücklich macht, vielmehr wird das Geld erst dadurch wertvoll, dass man sich dafür etwas kaufen kann. Selbstverständlich hat auch der Volksmund recht, wenn er sagt, »Geld alleine macht nicht glücklich.« »Mit Geld kann man zwar ein Haus kaufen, aber kein Heim; kann man eine Uhr kaufen, aber nicht die Zeit«, heißt es dazu in China.
Am Ende des Tages brauchen wir Geld, um unsere materiellen Bedürfnisse zu befriedigen und um damit zu konsumieren. Zum alltäglichen Konsum gehören Nahrungsmittel, die Wohnung, das Auto, der Urlaub oder der Stadionbesuch zum Heimspiel des Lieblingsfußballvereins. Unter unser weit gefasstes Konsumverständnis fallen darüber hinaus Dinge wie die Spende an Wohltätigkeitsorganisationen, der Abschluss einer Risikolebensversicherung oder das Vererben des Geldes an die Kinder. Manchmal konsumieren wir auch nicht freiwillig. Krankheiten oder Unfälle erfordern einen Rollator, den altersgerechten Umbau der Wohnung oder einen Platz im Pflegeheim.
Egal ob Sie nun vermögend oder weniger vermögend sind, ob Sie einen ökologischen, nachhaltigen Lebensstil pflegen, in jedem Fall werden Sie versuchen, den Nutzen aus Ihrem Geld und damit Ihren Konsum zu maximieren – und das Ihr ganzes Leben lang. Was Sie konsumieren, hängt von Ihren Präferenzen ab: Der eine kauft beim Biobauern, fährt Fahrrad oder E-Auto und lebt am Ende in einem naturnahen, gemeinschaftlichen Wohnprojekt. Der andere sitzt im Maserati, reist im Luxusliner und landet in einer Seniorenresidenz an der Elbchaussee.
Wie aber stellt man es an, den eigenen Konsum im Leben bestmöglich zu maximieren? Sollen wir besser direkt konsumieren, was wir verdienen, oder besser erst sparen, damit wir später mehr konsumieren können? Und wenn wir sparen, wie sollen wir das Geld anlegen? Wie können wir mit den Unsicherheiten sowohl beim Verdienst als auch bei den Ergebnissen unserer Geldanlagen umgehen? Es geht bei der Geldanlage auch nicht nur darum, ob ich in eine Aktie oder in Gold investiere, sondern es stellt sich zudem die Frage, zu welchem Zeitpunkt im Leben investiert und wann Geld ausgegeben, also wann konsumiert wird. Auch die Risiken einer Geldanlage gilt es im Auge zu haben. Gleiches gilt für die Themen Absicherung von Lebensrisiken, wie Unfalltod oder Berufsunfähigkeit, oder für die Kreditabsicherung beim Hauskauf. Die finanzielle Lebensplanung ist komplex.
Viele denken sich, früher war es einfacher: Wir hatten oft eine relativ sichere Anstellung und ein vorhersehbares Einkommen. Die Rente war sicher, das Wort des früheren Bundesarbeitsministers Norbert Blüm galt. Den Kindern wurde eine Ausbildung geboten, oft konnten sie sich später über ein Erbe freuen. Heute ist vieles komplizierter: Arbeitsplätze sind oft unsicher und die Entwicklung der Einkommenssituation ist nicht mehr so vorhersagbar. Die Renten sind deutlich gekürzt. Wir müssen selbst vorsorgen, um unseren Konsum im Alter sicherzustellen.
Auf der anderen Seite bieten sich heute neue Chancen: Wir haben fundiertes Wissen über Kapitalmärkte, Aktien, Anleihen, Kursverläufe und Börsen. Auch als »normale« Bürger können wir uns an den Ertragsquellen der Kapitalmärkte einfach und kostengünstig beteiligen. Wir haben zudem die Möglichkeit, den Geldfluss so zu steuern, dass er für unsere Risikovorstellung und Lebenssituation vielleicht besser passt als frühere vorgegebene Standardlösungen.
Diese Diskussion zeigt die Idee dieses Buches. Die Themen Sparen und Anlegen stellen uns heute vor große Herausforderungen. Es gibt aber auch deutlich mehr Möglichkeiten, sie individuell, getreu unseren eigenen Präferenzen anzugehen. Wir sollten und müssen uns mit dem Thema auseinandersetzen. Unser Buch liefert die Grundlagen dafür, erklärt Zusammenhänge und zeigt Möglichkeiten für das Sparen fürs Alter und das Entsparen im Alter auf. Es enttarnt auch Binsenweisheiten, die teuer werden können.
Das Lebenszyklus-Modell hat viele Stellschrauben. In diesem Buch analysieren wir allen voran seine finanziellen Aspekte, wenngleich wir immer im Blick haben, dass es nicht nur um (möglichst viel) Geld, sondern um den Gesamtnutzen aus dem Konsum des Geldes geht. Explizit ausklammern werden wir Fragen, wie sich zum Beispiel durch mehr Sport und gesunde Ernährung der Todeszeitpunkt vielleicht auf später verschieben kann. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir ohne Sterbetafeln für unsere Lebensplanung auskommen sollten.
Im Fokus dieses Buches stehen die optimalen Anlagemöglichkeiten für das Vermögen. Denn wenn wir schon gewillt sind, Geld zu sparen, und damit in einer Periode auf Konsum verzichten, möchten wir dafür wenigstens in späteren Perioden möglichst viel Geld zurückerhalten. Dabei betrifft das Thema optimale Geldanlage mitnichten nur die Ansparphase bis zum Beginn der Rente, sondern den gesamten Lebenszyklus. Es ergibt nämlich keinen Sinn, irgendwann im Leben, beispielsweise mit Eintritt der Rente, aufzuhören, das Vermögen optimal anzulegen.
Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen ist das Thema Risiko der Geldanlage und dabei vor allem die Frage, ob und wie sich das Risiko Ihrer Geldanlage im Laufe Ihres Lebens ändern soll. Am Ende wird sich herauskristallisieren, dass Sie die Frage, wie riskant Sie Ihr Gespartes im Laufe Ihres Lebens anlegen wollen, zwar selbst beantworten müssen, die Wissenschaft Ihnen aber wertvolle Hilfestellung bieten kann. Zum Beispiel kann sie in einem ersten Schritt zeigen, wie Sie das Risiko der Geldanlage objektiv messen können. Da Geld(anlage) und Konsum untrennbar miteinander verknüpft sind, legen wir mit unserer Anlagestrategie letztendlich fest, welche – finanziellen – Risiken wir für unseren Konsum in Kauf nehmen wollen.
Natürlich haben auch Anlageberater das zentrale Problem »Risiko« erkannt. Sie bieten in der Praxis oft einfache Regeln zur Lösung an. Weisheiten wie »Ihr Aktienanteil sollte bei 100 minus Lebensalter liegen« sind – wie viele ähnliche Daumenregeln – zumeist Blödsinn. Wenn Sie Vermögen vererben, spricht auch im hohen Alter nichts gegen eine Anlage ins Risiko. Schließlich geht es irgendwann einmal um den Konsum der Erben. Wenn Sie allerdings mit 80 Jahren in ein Pflegeheim möchten oder müssen, sollten Sie mit 79 Jahren nicht ihr gesamtes Vermögen in Aktien investieren.
Bei der Antwort auf die Frage, wie viel Risiko mit einem Investment eingegangen werden kann, kommt es letztendlich auf die Konsumbedürfnisse an, die durch das gesparte Vermögen befriedigt werden sollen: Die Hausfinanzierung sollte sicher stehen, für die Luxusyacht kann vielleicht besonders riskant angelegt werden.
In diesem Buch zeigen wir auch, dass man beim Sparen fürs Alter und beim Entsparen im Alter manche Entscheidungen richtig oder falsch treffen kann. Wenn wir für eine Anlagealternative hohe Gebühren zahlen, ist das falsch, denn die hohen Gebühren schmälern unser Vermögen mehr als nötig. Bei anderen Entscheidungen hängt die bestmögliche Alternative letztendlich von Ihrer eigenen Präferenz ab. Ein absolutes Richtig oder Falsch gibt es da nicht. So ist für die meisten ein Aktiendepot eine gute Sache, wer aber das Risiko scheut wie der Teufel das Weihwasser, verzichtet am Ende vielleicht doch besser darauf. Auch zu Themen wie diesen werden wir versuchen, Ihnen – basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen – klare Empfehlungen zu geben.
Ob Sie Ihr Geld lieber jetzt ausgeben oder fürs Alter vorsorgen, ist letztendlich Ihre Sache – oder wie die Wissenschaft es ausdrückt: eine Frage Ihrer persönlichen Zeitpräferenz. Und ob Sie Ihr Geld lieber sicher auf dem Sparbuch liegen lassen oder mit einer höheren erwarteten Rendite am Aktienmarkt riskant anlegen, ist letztendlich auch Ihre Sache – oder wie die Wissenschaft es ausdrückt: eine Frage Ihrer persönlichen Risikopräferenz. Wenn es um Präferenzen, also Neigungen geht, heißt es abzuwägen. Es gibt bei der Geldanlage keine Mehrrendite ohne Risiko, und wer in jungen Jahren Maserati fährt, hat weniger Geld für die Seniorenresidenz an der Elbchaussee. Die Lebensplanung ist voller solcher Abwägungen oder Trade-offs, also gegenläufiger Abhängigkeiten, bei denen nur etwas besser wird, wenn das andere schlechter wird.
Exkurs
Die Zukunft ist unsicher – Wahrscheinlichkeiten
Das Lebenszykluskonzept basiert auf drei zentralen Kenngrößen: Vermögen, Einkommen und Konsum. Doch wie können wir den Konsum über unser ganzes Leben maximieren, wenn wir nicht wissen, wie unser Leben genau verlaufen wird? Welchen Beruf übe ich in 20 Jahren aus? Wie hoch wird mein Einkommen in diesem Beruf sein? Wie entwickelt sich das Rentensystem? Wie lange werde ich leben? Welche Renditen werfen meine Investitionen ab? All das sind Fragen, deren Antworten mit Unsicherheit behaftet sind.
Die Wissenschaft hat ein außerordentlich hilfreiches Instrumentarium entwickelt, um mit Unsicherheit umzugehen: das Konzept der Wahrscheinlichkeit. Wir wissen nicht, wann wir sterben, aber ein 67-Jähriger sollte schon wissen, dass es für ihn wahrscheinlicher ist, nach dem 80. Geburtstag zu sterben als vorher. Ein 67-jähriger Raucher stirbt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit vor seinem 75. Geburtstag als ein 67-jähriger Nichtraucher vor seinem 80. Geburtstag.
Sie sehen an den Beispielen, dass Wahrscheinlichkeiten die Unsicherheit abbilden und beschreiben, nicht aber beseitigen können. Ein Raucher lebt zwar im Durchschnitt kürzer als ein Nichtraucher (oder präziser gesagt, seine erwartete Lebensdauer ist geringer), aber trotzdem kennt jeder von uns einen Raucher, der zum Glück richtig alt geworden ist.
Vielen Menschen fällt es schwer, mit Wahrscheinlichkeiten rational umzugehen. Was nützt es uns, dass eine Aktienanlage eine höhere erwartete Rendite erzielt als ein Sparbuch, wenn wir gerade viel Geld in einem Börsencrash verlieren. Das ist sehr ärgerlich, zeigt aber gerade sehr deutlich, dass eine ex ante, gemäß den vorhandenen Wahrscheinlichkeiten optimal getroffene Entscheidung durchaus ex post, nach Auflösung der Unsicherheit, zu einem schlechten Ergebnis führen kann. Der Zufall war gegen uns, aber wir hatten die richtige Entscheidung gefällt. Wer das nicht nachvollziehen kann, der möge sich beim Thema Geldanlage an Wahrsager, Hexen oder Kaffeesatzleser wenden.
Heute oder morgen – Zeitpräferenz
Weshalb rauchen manche Menschen und andere nicht? Und warum fällt es manchen schwer, zu sparen, anderen hingegen leicht? Auch wenn diese Entscheidungen auf den ersten Blick sehr unterschiedlich sind, so werden sie alle von einer Eigenschaft des Menschen beeinflusst: der sogenannten Zeitpräferenz.
Unsere Zeitpräferenz bestimmt, wie wir heutigen und zukünftigen Konsum (genauer Nutzen aus Konsum) miteinander vergleichen und gegeneinander abwägen. Obwohl es sich sehr theoretisch anhört, hat das Konzept große praktische Relevanz. Allgemein haben Menschen eine Präferenz dafür, positive Dinge lieber früher als später zu erhalten, sei es der erste Kuss, das neue Auto oder das neue Sofa.
Je nachdem, wie stark wir aktuellen Konsum gegenüber dem künftigen Konsum bevorzugen, sind wir mehr oder weniger ungeduldig. Weniger ungeduldige Menschen sind eher bereit, länger auf einen Konsum zu warten, was sich positiv auf ihre Sparbereitschaft auswirkt. Ungeduldigen Menschen fällt das Sparen schwerer. Sie rauchen auch mehr, weil für sie der unmittelbare Genuss des Rauchens tendenziell wichtiger ist als das Krankheitsrisiko in der Zukunft.
Zeitpräferenz und Zins am Kapitalmarkt sind verwandt, aber nicht identisch. Der Zins gibt an, wie viel dem Markt ein Euro heute zu einem zukünftigen Zeitpunkt wert ist. Die Zeitpräferenz ist eine individuelle Präferenz und kann sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Sie ist zum Beispiel ausschlaggebend dafür, ob ein Mensch, wenn der jährliche Zinssatz bei 5 Prozent liegt, lieber jetzt 1 000 Euro nimmt oder in einem Jahr 1 050 Euro.
Ziel dieses Buches ist, zunächst einmal finanzielle Abwägungen transparent zu machen. In einem zweiten Schritt geht es darum, Ihnen finanzwirtschaftliches Wissen in gut aufbereiteter Form an die Hand zu geben, sodass Sie die Abwägungen bezüglich Ihrer Präferenzen optimal treffen können, oder konkreter gesagt, sodass Sie den Nutzen aus dem Konsum Ihres Geldes unter den vorgegebenen Restriktionen im Rahmen Ihrer eigenen Präferenzen maximieren. Damit das gelingen kann, zeigen wir auch, in welche allzu menschliche psychologische Fallstricke Anleger geraten können, die sie daran hindern, ihr Geld optimal anzulegen.
Abwägungen (Trade-offs):
Erwartete Rendite versus Risiko:
Da helfen wir viel.
Konsum heute versus Konsum morgen:
Da helfen wir ein wenig.
Vererben versus Konsum:
Das sprechen wir an.
Sicherheit des Ersparten im Alter:
Das diskutieren wir viel.
Andere Themen wie zum Beispiel Immobilien – die zweifelsohne eine wichtige Assetklasse sind – oder steuerliche Aspekte der Vermögensstrategie werden wir aber nicht behandeln. Zum einen gibt es hier sehr gute andere Quellen, zum anderen würde das Buch zu umfangreich und letztendlich wollen wir uns als Finanzwirtschaftler auf das beschränken, was wir wirklich können.
Um Ihnen vorab einen Einblick in die Thematik zu geben, laden wir Sie im Folgenden zu einem Streifzug, einer kleinen Tour d’horizon, durch unser Buch ein, das sich nach diesem Einleitungskapitel in Kapitel 2 zunächst mit den Themen Rendite und Risiko beschäftigt.
Anleger nennen als Ziel ihrer Kapitalanlage oft »hohe Rendite und geringes Risiko«. Doch das eine ist ohne das andere nicht zu haben: Hundert US-Dollar im Jahr 1928 mit Risiko in Aktien investiert, wären heute 185-mal so viel wert wie das magere Resultat auf einem Sparbuch. Kapitel 2 beschreibt diesen untrennbaren Zusammenhang von »Rendite« und »Risiko«, den wichtigsten Kenngrößen jeder Spar- und Entsparstrategie. Die zentralen Fragen für Anleger lauten: Wie misst man Rendite? Wie wichtig ist die Rolle des Zinseszinseffekts? Welche Bedeutung haben Dividenden? Und was genau ist Risiko?
Mit Verzerrungen im finanziellen Entscheidungsverhalten sowie bestimmten Vorlieben und Abneigungen machen wir uns das Leben oft selbst noch schwerer. Kapitel 3 stellt die wichtigsten Fallstricke im Hinblick auf Investitions- und Konsumentscheidungen vor und erläutert, wie man ihnen begegnen kann. Ein Denkfehler, der viel Geld kosten kann, ist zum Beispiel das »Hyperbolic Discounting«. Viele Menschen möchten lieber 1 000 Euro heute bekommen als 1 100 in einem Jahr. Aber in zehn Jahren sind ihnen 1 000 Euro weniger lieb als 1 100 Euro in elf Jahren. Zudem überschätzen viele Anleger ihre Fähigkeiten, sie sind »overconfident« und glauben, mit ihren Anlageentscheidungen ein besseres Ergebnis als die durchschnittliche Entwicklung an den Märkten erzielen zu können. Kapitel 3 geht auch der Frage nach, warum in Deutschland so wenig Menschen in Aktien investieren.
Die Antwort ist ziemlich eindeutig: Für Privatanleger ist die mit mehreren Nobelpreisen ausgezeichnete passive Anlagephilosophie am erfolgversprechendsten. Einbetten lässt sie sich in das Capital Asset Pricing Model, das CAPM, das erstaunlich einfache Regeln für das optimale Portfolio jedes Investors bereithält. Kapitel 4 zeigt anhand neuester theoretischer und empirischer Forschungsergebnisse, warum weder Privatanleger noch Finanzinvestoren mit einer aktiven Anlagestrategie den Markt zuverlässig schlagen können, also eine Rendite erzielen werden, die über der durchschnittlichen Entwicklung der Märkte liegt. Selbstverständlich würden wir lieber aktiv handeln und der nächste Warren Buffett werden, doch selbst der rät inzwischen zum passiven Investieren. Wer das tut und es dann noch schafft, psychologische Fallstricke zu umschiffen, der macht – schon fast – alles richtig.
In diesem Kapitel beschreiben wir, wie sich passives Anlegen ins reale Leben überführen lässt. Wie genau sieht eine sinnvolle Vermögensaufteilung aus? Welche Anlagevehikel gibt es? Wie funktionieren sie? Und was kostet die Umsetzung? Wir gehen außerdem auf Sinn und Unsinn von einigen in der Praxis viel diskutieren Investitionsmöglichkeiten ein: Die Palette reicht von Rohstoffen und Immobilien über geschlossene Fonds bis hin zu quantitativen Strategien wie Smart Beta oder Momentum-Strategien.
Selbst wenn Sie sich auf eine passive, kostengünstige und breit diversifizierte Anlagestrategie festgelegt haben, sind im Zeitablauf nicht mehr viele, aber doch ein paar Entscheidungen zu treffen, denn die Geldanlage ist keine statische Angelegenheit. Kapitel 6 geht zuerst der Frage nach, welches die bessere Alternative ist, ein Sparplan – hier werden regelmäßig kleinere Beträge investiert – oder die Einmalanlage eines größeren Betrages, und räumt gleichzeitig mit dem Cost-Average-Effekt auf. Anschließend bleibt zu entscheiden, ob und wie oft das Portfolio angepasst werden sollte. Gründe dafür können neue Lebensumstände oder Veränderungen des Marktumfeldes sein. Im zweiten Teil des Kapitels lesen Sie, wie man reagieren sollte, wenn beispielsweise die Europäische Zentralbank die Leitzinsen senkt, das niedrige Zinsumfeld weiter anhält oder es einen Crash am Aktienmarkt gibt und die Weltwirtschaft sich abkühlt.
Der Eintritt in den Ruhestand stellt für die meisten Menschen den Beginn der Entsparphase dar. Der Zeitpunkt des Rentenbeginns kann jedoch auch von Ihnen bestimmt werden. Gehen Sie früher in den Ruhestand, haben Sie weniger Zeit zum Sparen, Ihre Rente ist niedriger und Sie benötigen mehr Kapital zum Entsparen – und umgekehrt. Die Komplexität des Problems wird noch dadurch erhöht, dass sich die Vorstellungen über den Zeitpunkt des Renteneintritts im Lauf des Lebens verändern.
Bei Renteneintritt ist oft zu entscheiden, ob man sich das angesparte Vermögen als Einmalzahlung oder lieber in Form einer Annuität, sozusagen als Leibrente, auszahlen lassen möchte. Bei der Entscheidung zwischen diesen Optionen steht das »Langlebigkeitsrisiko« – so nennt die Versicherungsbranche es, wenn wir älter werden als gedacht – im Fokus. Aus wissenschaftlicher Sicht sprechen viele Gründe dafür, auf die Annuität zu setzen, alleine schon deshalb, weil wir dank des medizinischen Fortschritts länger leben, als wir es selbst erwarten. Doch die Leibrente ist vergleichsweise unpopulär.
Wer in Rente geht, ist mit der Frage konfrontiert, wie genau das angesparte Vermögen über die restliche Lebensdauer ausgegeben werden soll. Eine Möglichkeit ist, eine auf die eigenen Bedürfnisse angepasste Anlage- und Entnahmestrategie zu entwickeln und umzusetzen. Beispielsweise könnte man das Kapital risikofrei anlegen oder in ein breit gestreutes »Weltportfolio« investieren. Aus dieser Anlage könnte man gleichbleibende Beträge (»Konstanter-Konsum-Ansatz«) oder aber Beträge in Abhängigkeit von der erzielten Rendite (»Dynamischer-Konsum-Ansatz«) für die Lebenshaltung entnehmen. Kapitel 9 liefert die Entscheidungsgrundlagen.
Die jüngste Forschung zeigt, dass die grundlegende Frage, ob man finanzielle Entscheidungen besser mit oder ohne professionellem Berater treffen sollte, sehr vielschichtig ist und keine einfachen Antworten zulässt. Wir zeigen auf, warum das so ist, und gehen dabei auch auf mögliche Anreizkonflikte ein: Unser Berater kann auf der Gehaltsliste eines Geldinstituts stehen und daher Produkte aus seinem Haus empfehlen. Auch alternative Konzepte, wie der Robo-Advisor, der mit künstlicher Intelligenz und Heuristiken arbeitet, werden unter die Lupe genommen. Doch es gibt auch weiche Faktoren in der Beratung wie ein erfahrener und guter Umgang mit der Unsicherheit von Finanzmärkten, hier kommt die Professionalität von unabhängigen Beratern als eine Art »Money Doctor« ins Spiel – und das für alle Phasen des Lebenszyklus.
Wir Autoren sind Wissenschaftler und unsere Wahrheiten sind nicht immer einfach oder gar nur schwarz oder weiß. Wir denken in Daten, Statistiken und Wahrscheinlichkeiten und leiten daraus Aussagen ab, die möglichst faktenbasiert sind und nicht nur Meinungen darstellen. Nicht immer stimmen die wissenschaftlich fundierten allgemeingültigen Aussagen mit persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen Einzelner überein. Und das muss auch nicht sein. Denn obwohl niemand ihm glauben wollte, hatte Galileo Galilei selbstverständlich recht, als er sagte: »Und sie dreht sich doch.«
Nicht dass wir uns mit dem Universalgenie vergleichen wollen, denken wir dennoch wie alle Wissenschaftler bei unserer Argumentation immer zuerst daran, welches die optimale Lösung des jeweiligen Problems ist. So ist in der Forschung unumstritten, dass Anleger nicht zu viel handeln sollen, wie die alte Börsenweisheit »Hin und her macht Taschen leer!« sagt. Viele Studien zeigen, dass Marktteilnehmer, die mehr handeln, geringere Erträge erzielen als Marktteilnehmer, die mehr Gelassenheit an den Tag legen. Trotzdem handeln wir viel, ja deutlich zu viel, weil wir overconfident sind und glauben, dass wir besser als der Aktienmarkt abschneiden werden. Wir hoffen auch, via Zeitung und Internet gut informiert zu sein und zum richtigen Zeitpunkt zu kaufen. Doch professionelle Daytrader und Börsenmakler handeln in Sekundenbruchteilen über den Globus; schneller als wir unsere Order überhaupt abgeben können.
Das Aufzeigen von psychologischen Fallstricken wie dem Overconfidence Bias wird der zweite Schritt unserer Analysen sein. Erst wenn wir die Fallstricke kennen, können wir im dritten Schritt Überlegungen anstellen, wie wir sie vermeiden können. Wir versuchen in diesem Buch zu lehren, wie das gelingt.
Und manchmal ist es ganz simpel und persönlich: Wenn mich der Druck zum Handeln übermannt, stelle ich mir immer vor, wie die Person wohl aussieht, die mir meine Wertpapiere abkaufen wird. Wieso glaube ich eigentlich, mehr zu wissen als mein Gegenüber, denn mein Gegenüber wird nur kaufen, wenn er glaubt, dass das Papier mehr wert ist, als ich dafür verlange – und das kann ein Argument sein, um mich richtig, das heißt rational zu verhalten.
Wir haben das Buch gemeinsam geschrieben und daher darauf verzichtet, einzelne Kapitel einzelnen Autoren zuzuordnen. Die Zusammenarbeit war möglich, weil wir uns schon lange kennen und schätzen. Vier der Autoren haben beim fünften Autor, bei Martin Weber, an der Universität Mannheim promoviert und viele Jahre als Mitarbeiter und Kollegen (aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir auf eine geschlechterneutrale Sprache, denken und meinen aber das jeweils andere Geschlecht immer mit) mit ihm gearbeitet. Wir haben zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen in unterschiedlichen Autorenkombinationen geschrieben und so viel voneinander gelernt. Vier von uns haben den Investmentfonds »Arero – der Weltfonds« konzipiert und ihn seit seiner Auflage im Oktober 2008 begleitet. In der Interaktion mit Anlegern und Nichtanlegern haben wir eine Fülle praktischer Einsichten gewonnen, die in das Buch eingeflossen sind.
Heute sind wir alle als Professoren an deutschen Hochschulen und Universitäten tätig.
Versetzen Sie sich zum Start zurück in das Amerika der 1920er-Jahre und stellen sich vor, Ihr Großvater oder Ihre Urgroßmutter habe Anfang des Jahres 1928 jeweils 100 Dollar in drei verschiedene Anlageformen investiert, um einen Beitrag zur Vermögensbildung zukünftiger Generationen zu leisten.
Die ersten 100 Dollar fließen in eine näherungsweise risikofreie Anlage. Die zweiten 100 Dollar werden in langlaufende amerikanische Staatsanleihen, die oft auch als »Renten« bezeichnet werden, investiert. Der Investor leiht dem Staat also für eine längere Zeit Geld und erhält im Gegenzug Zinsen. Die verbleibenden 100 Dollar werden auf einen breit gestreuten Korb börsennotierter amerikanischer Unternehmen aufgeteilt. Unsere Vorfahren werden also Aktionäre und zu einem winzig kleinen Prozentsatz Eigentümer an zahlreichen Firmen. Sie nehmen direkt an deren wirtschaftlicher Entwicklung teil. Damit es nicht zu kompliziert wird, gibt es in unserem Experiment keine Steuern und keine Gebühren.
Nehmen wir an, gut 90 Jahre seien seitdem vergangen, es ist jetzt Ende 2018. Einer der drei Vermögenstöpfe wurde Ihnen vermacht. Sie können sich also über einen unerwarteten Geldsegen freuen, zumal Sie frei entscheiden dürfen, welchen Topf Sie wählen. Ihnen stehen allerdings nur die obigen Informationen zur Verfügung.
Wie lautet Ihre Entscheidung?
Wenn Ihre Wahl auf die risikofreie Anlageform gefallen ist, sind Sie nun um circa 2 063 Dollar reicher. Das gilt zumindest dann, wenn man sich darunter eine Geldmarktanlage in Form von amerikanischen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von nur drei Monaten, sogenannte T-Bills, vorstellt. Dass die USA ihren Zahlungsverpflichtungen aus diesen Anleihen nicht nachkommen können, ist äußerst unwahrscheinlich, insofern kann die Anlage als nahezu risikofrei gelten.
Haben Sie sich hingegen für langlaufende Staatsanleihen, sogenannte T-Bonds, entschieden, so steigt Ihr Vermögen um 7 309 Dollar, zumindest dann, wenn man Anleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren als Berechnungsgrundlage nimmt.
Der klare Gewinner ist jedoch der Aktienkorb. Hier können Sie sich über satte 382 850 Dollar freuen. In unserem Beispiel bilden wir den amerikanischen Aktienmarkt durch den S&P 500 Index ab, der die Wertentwicklung von 500 der größten Firmen der Vereinigten Staaten zusammenfasst.
Nimmt man das Endvermögen als Maßstab, wäre rückblickend die Aktienanlage die mit weitem Abstand beste Wahl gewesen. Gemessen an der Anfangsinvestition von 100 Dollar im Jahr 1928 ist das Vermögen bis Ende 2018 um den Faktor 3 828 gestiegen. Sie hätten mit Aktien gut 52-mal so viel verdient wie mit klassischen Anleihen und mehr als 185-mal so viel wie mit der risikofreien Investitionsmöglichkeit. Mit dem Endvermögen aus der risikofreien Anlage könnten Sie sich einen luxuriösen Urlaub gönnen. Die Wertentwicklung der langlaufenden Anleihen würde für einen gebrauchten Kleinwagen reichen. Mit den Gewinnen aus der Aktienanlage aber könnten Sie eine Wohnung oder ein Haus kaufen, wenn Sie nicht gerade in München oder Hamburg wohnen wollen.
Diese Beispiele zeigen eindrucksvoll, warum Aktien in der Wissenschaft als der wichtigste Baustein für die langfristige Vermögensanlage angesehen werden.
Die Vorteile einer Aktienanlage zeigen sich auch und insbesondere, wenn man die Rolle der Inflation berücksichtigt. Langfristig ist deren Einfluss auf das Endvermögen gewaltig, wie die an der London Business School arbeitenden Forscher Elroy Dimson, Paul Marsh, und Mike Staunton in einer Studie aus dem Jahr 2019 zeigen. Ein US-Dollar, bereits im Jahr 1900 unters Kopfkissen gelegt, hätte heute lediglich noch eine Kaufkraft von etwa drei Cent. Hätte man diesen Dollar in den USA im Jahr 1900 zumindest risikofrei anlegt, hätte er kaufkraftbereinigt bis Ende 2018 gerade einmal 2,60 US-Dollar gebracht. Nominell wächst der risikofrei investierte Dollar in ihrer Studie zwar auf ungefähr 29 US-Dollar an, doch die Inflation hätte den Wertzuwachs nahezu vollständig aufgefressen. Langlaufende Staatsanleihen hätten real zumindest 9,90 US-Dollar geliefert. Der mit weitem Abstand größte Gewinner ist und bleibt der Aktienmarkt. Hier hätte der eine Dollar, im Jahr 1900 angelegt, nach Berechnungen des Forschertrios Ende 2018 kaufkraftbereinigt 1 521 US-Dollar erwirtschaftet.
Es ist nicht verwunderlich, dass man langfristig mit Aktien so gut gefahren ist. Aktien sind eine direkte Beteiligung am Unternehmertum dieser Welt. Dem Aktionär gehört ein Bruchteil der Schornsteine, die die Wirtschaft am Laufen halten. Insofern profitiert er direkt von Produktivitätssteigerungen und Innovationen, von Forschung und Entwicklung, von Globalisierung und Digitalisierung.
Unser einführendes Beispiel und die Studie basieren auf Daten des US-amerikanischen Kapitalmarktes, weil wir Forscher hier auf einen umfangreichen und langjährigen Datenpool zurückgreifen können. Aber auch wenn wir uns auf die weltweiten Finanzmärkte konzentrieren würden, blieben die Erkenntnisse unverändert.
Eine Möglichkeit, die jährlichen Wertsteigerungen der drei Anlageklassen zu messen, ist, zu berechnen, mit welchem konstanten Faktor sich das Anfangsvermögen verzinsen müsste, um das ermittelte Endvermögen zu erreichen. Diese Zahl bezeichnet man auch als geometrische jährliche Rendite.
Exkurs
Geometrische versus arithmetische Rendite
Durchschnitt ist nicht gleich Durchschnitt! Die mittlere Rendite einer Investition über mehrere Perioden hinweg kann man auf unterschiedliche Arten berechnen. Die sogenannte arithmetische Durchschnittsrendite entspricht dem, was man in der Alltagssprache unter »im Durchschnitt« versteht. Zu ihrer Berechnung summiert man alle Renditen auf und teilt sie durch die Anzahl der betrachteten Perioden. Das arithmetische Mittel ist gut geeignet, um aus der Vergangenheit Rückschlüsse darüber zu ziehen, welche Rendite man in der nächsten Periode im Mittel erwarten kann. Es liefert allerdings verzerrte Ergebnisse, wenn man Aussagen über das Endvermögen des Investors treffen möchte. Stellen Sie sich vor, Sie legen heute 100 Euro an. Im nächsten Jahr steigt der Wert Ihrer Anlage auf 200 Euro (Jahresrendite von 100 Prozent), um im folgenden Jahr wieder auf 100 Euro zu fallen (Jahresrendite von -50 Prozent). Die arithmetische Durchschnittsrendite beträgt also 25 Prozent, obwohl Sie am Ende genauso viel in der Tasche haben wie am Anfang. Der arithmetische Durchschnitt liefert zu optimistische Ergebnisse, weil er mit dem Zinseszinseffekt nicht zurechtkommt.
Um diesen adäquat zu berücksichtigen, muss man auf die sogenannte geometrische Rendite zurückgreifen. Die geometrische Rendite ist ein hilfreiches Konstrukt, um eine hypothetische stabile Wertsteigerung darzustellen, die zum gleichen Endvermögen führt wie eine reale fluktuierende Anlage über eine Investitionsdauer von »t« Perioden. Im einfachsten Fall teilt man dazu das End- durch das Anfangsvermögen, nimmt die »t«-te Wurzel und zieht vom Ergebnis noch eins ab. In unserem Fall beträgt die geometrische Rendite also 0%.
Von Ausnahmefällen abgesehen liegt die geometrische Rendite unter der arithmetischen Rendite. Diese Differenz liegt im exponentiellen Zinseszinseffekt begründet und fällt umso stärker aus, je mehr eine Anlage schwankt.
In unserem Großelternbeispiel beträgt die jährliche geometrische Rendite bei der risikofreien Anlage 3,38 Prozent, bei langlaufenden Anleihen 4,83 Prozent und bei Aktien 9,49 Prozent. Auf den ersten Blick erscheinen die Renditeunterschiede gar nicht so groß, doch zwischen den Endvermögen liegen Welten.
Wie erklärt sich diese Diskrepanz? Die Antwort liegt im oft unterschätzten Zinseszinseffekt. Beim langfristigen Geldanlegen entfällt ein immer größerer Teil der Wertsteigerung nicht auf unsere ursprünglich investierte Anfangssumme, sondern auf das zusätzliche Vermögen, das wir bis zum betrachteten Zeitpunkt schon angespart haben.
Im Aktienmarkt erhalten wir die Rendite von 9,49 Prozent im ersten Jahr nur auf die 100 Dollar Anfangskapital. Im zweiten Jahr erzielen wir eine Wertsteigerung von 9,49 Prozent auf die 100 Dollar Anfangskapital sowie auf die zusätzlich über die Zinsen aus dem ersten Jahr gesparten 9,49 Dollar. Unser Gesamtvermögen beträgt also 100 × 1,0949 × 1,0949=119,68 Dollar. Nach drei Jahren sind es schon 100 × (1,0949)3=131,04 Dollar. Unser Vermögen steigt also exponentiell.
Dieser Effekt ist bei sehr langen Anlagezeiträumen sehr eindrucksvoll: In den 91 Jahren von 1928 bis 2018 erreichen wir mit Zins und Zinseszins einen Wert von 100 × (1,0949)91, was circa 382 850 Dollar entspricht.
Die folgende Abbildung zeigt, welches Endvermögen ein angelegter Euro in Abhängigkeit der geometrischen Rendite erzielt. Gerechnet haben wir für 30 Jahre. Dieser Anlagehorizont ist für einen Privatanleger realistischer als eine wohl mehr als lebenslange Anlage von 91 Jahren wie im Großelternbeispiel. Weil der Anlagehorizont deutlich kürzer ist, sind die Ergebnisse zwar weniger spektakulär. Nichtsdestotrotz sind die Unterschiede im Endvermögen – beim dargestellten Renditespektrum von 1 bis 10 Prozent im Jahr – bemerkenswert: 100 Euro, 30 Jahre mit 10 Prozent Zins angelegt, bringen am Ende 1 745 Euro. Halbiert sich der Zins auf 5 Prozent, gibt es am Ende nur 432 Euro. Das sind gut 75 Prozent weniger, als die 10-Prozent-Anlage bringt.
Vielleicht scheint es dennoch auf den ersten Blick nicht so relevant zu sein, ob man nun 7 oder 8 Prozent Rendite erhält. Doch basierend auf der Abbildung lässt sich errechnen, dass sich der Unterschied in den Vermögensendwerten für einen Anleger, der 10 000 Euro investiert, nach 30 Jahren auf 24 500 Euro summiert. Wer 7 Prozent bekommt, hat am Ende 76 123 Euro, der Anleger mit 8 Prozent verbucht hingegen 100 627 Euro auf dem Konto.
Abbildung 2.1: Wertentwicklung von 1 Euro in Abhängigkeit der geometrischen Rendite
Quelle: Eigene Darstellung