Dialog auf dem Dach - Stefan Iserhot-Hanke - E-Book

Dialog auf dem Dach E-Book

Stefan Iserhot-Hanke

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Beschreibung

Dialog auf dem Dach ist das Ergebnis der Verarbeitung eines halben Jahres, in welchem unter anderem das Wort "Krieg" - nach vielen Jahrzehnten theoretischer Beunruhigung - wieder konkreteren Schrecken bei den Menschen in Mitteleuropa auslöst. Darauf hat Stefan Iserhot-Hanke versucht literarisch zu reagieren. Impulsiv und enthemmt. Irgendwo zwischen der naiven Sehnsucht nach Überwindung allen Übels und der lustvollen Furcht vor dem Untergang. Jedoch auch mit Humor. Denn dieses Buch soll, trotz seines tragischen Anlasses, keine Trübsalschleuder sein. Mit seinen 42 neuen lyrischen Texten verbindet der Autor nicht nur die Hoffnung auf Linderung eigener Ängste. Einen ähnlich heilsamen Effekt erhofft er sich auch bei den Lesern. Sitzen wir nicht alle gemeinsam auf dem Dach, halten uns aneinander fest und warten und diskutieren und schauen, was da am Horizont auf uns zukommt? In Dialog auf dem Dach finden sich, eingestreut zwischen den Gedichten, 24 interpretierende und ergänzende Fotografien von Christina Iserhot.

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Seitenzahl: 45

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Für Matthias & Maren

Menschen gingen an mir vorüber voller Geschäftssorgen, voll Zweifel, voll Angst – planend, hastend, spinnend, wie es ihre Art ist. – Ihre Gesichter zu harten finanziellen Knoten verzogen, ihre Beine aus Leibeskraft vorwärtsrasend, ihre Geister diese Leiber antreibend zu immer schnelleren Bewegungen – die Seelen ganz gefangen in den Sorgen der Welt.

Prentice Mulford, 1834 - 1891 „Der Unfug des Lebens“

INHALT

WARTEN

EIN NIE GEFUNDENES DING

ALTMODISCHER ABSCHIED

VERSCHWINDEORT

IN IHREM ZIMMER

DEINE BLASSE SCHRIFT

NICHTS

KINDERSTIMMEN

EIN NIE GEHÖRTER TON

NEUE WELTORDNUNG

DYSTOPIE

EINE NIE GESCHMECKTE FRUCHT

DIALOG AUF DEM DACH

KINDER AM FLUSS

GROSSER AUSTAUSCH

GRISSOR EUSTEISCH

DAS ERSTE GERÜCHT

RUTHENIUM

EIN NIE GEATMETER DUFT

SCHNEEMANN

30.222.934

EIN NIE GESEHENES LICHT

ANGSTMASCHINE

ERÖFFNUNGSSZENE

FRONTEINSATZ

EIN NIE GESPÜRTES GEFÜHL

FINDLING

WÄHREND WIR SPIELTEN

FLUGSCHIRMCHEN

DAS ZWEITE GERÜCHT

EINE NIE ERLEBTE BALANCE

BAHNHOFSIDYLL

ZWISCHENZEIT

TRAUERANZEIGE

DAS MEDIUM

EIN NIE BEMERKTER SINN

DAS DRITTE GERÜCHT

DER ERSTE TROPFEN

TROTZDEM

IN DEINEN ARMEN

HEIMKEHR

SCHLUSS

HINTERHER

WARTEN

Wir sitzen im Kreis

auf weißen Gartenstühlen

und halten unser Glas mit Aperol Spritz

in die Nachmittagssonne

Unsere Kinder spielen unten am See

ab und zu streicht ein Hund um unsere Beine

wir sprechen gedämpft

über die weitere Gestaltung des Abends

und warten

dass es aufhört

oder beginnt

EIN NIE GEFUNDENES DING

Neulich fand ich etwas

von dem ich bis heute

nicht weiß

was es war

es erinnerte an nichts

was an Zweck und Funktion

menschlich vorstellbar wäre

auch kann ich mich jetzt schon

nicht mehr erinnern

wo ich es fand

in der verkrümelten Ritze

zwischen den Sofakissen

im flockigen Staub

unter der Kommode im Flur

unter dem Waschbecken im Gästeklo

oder anderswo

und wenn ihr nun neugierig seid

einen Blick drauf zu werfen

tut es mir leid

gern würd ich‘s euch zeigen

doch hab ich‘s verlegt

irgendwo

und kann es nicht finden

ALTMODISCHER ABSCHIED

Vor der Abfahrt singen wir im Chor noch alte Lieder, die jeder kennt von Kindesbeinen an: „Junge, komm bald wieder, Scheiden tut weh.“ Manche sind gefasst, andere schluchzen laut und bitterlich. Komm heil zurück, noch vor dem ersten Frost und Schnee. Mach uns den Abschied nicht so schwer, wir entbehren dich nämlich jetzt schon allzu sehr. Beisammen stehen wir, vereint im Schmerz. Und brich deiner alten Mutter nicht das Herz, der armen blieb der Mann doch schon im Krieg. Denk auch an deine liebe Frau und an die wilde Kinderschar, sie werden schrecklich dich vermissen. Eine Locke deiner Jüngsten leg dir getreu unter das Kissen. Bedenke, was aus ihnen ohne dich - Vater, Ernährer, Ehemann - allein und verlassen in der Heimat nur werden soll und kann. Nimm mit, als Talisman, diesen bunten Kiesel aus heimischer Erde, er wird dich beschützen, was immer auch kommen werde. Mögest du in allen Abenteuern und Gefahren stets einen kühlen Kopf bewahren. Gib auf dich acht und bleibe, wie du bist. Wir heben alle im Kreise das Glas, wünschen viel Glück, Erfolg, Gelingen und Spaß und trinken auf dich. Doch lass von fremden Weiberröcken deine Hände. Mach uns keine Schande in der Fremde. Spiel nicht den Helden und versprich beizeiten dich zu melden. Schick uns ab und an ein Telegramm oder eine Karte mit Sonnenuntergang. Auch ein Umschlag mit Geld gefällt. Grüß uns die große weite Welt. Und denk immer daran, wo dein Vaterhaus steht. Nimm unseren Segen und bleib auf Gottes rechten Wegen. Vergiss nie, wo für dich immer eine Tür offen steht. Komm bald wieder heim. Bis dahin wirst du in unserem Beten, Hoffen und Sehnen sein. Und bist du am Horizont nur noch ein winziger Punkt, weint Marie sich die Augen rot und wund. Sie liebt dich doch immer noch sehr und winkt dir mit einem weißen Taschentuch hinterher…

VERSCHWINDEORT

Fünf nach Zwölf

hinter Schaufensterglas

Schlagzeilen vom Untergang

der uralten Welt

wie ich sie gekannt haben soll

Eigentlich gestern

spätestens übermorgen

in brandneuer Ordnung

oder im Schmelzwasser

ertrunken

verdunstet

im permanenten Hochsommer

Nur drei Schritte weiter

locken Flucht und Vergessen

Palmen und Südseestrände

und klimaneutrale Kreuzfahrten

mit Kampfpreisen

zu den Ruinen der Pole

Meine nackten Füße

schmiegen sich müde gelaufen

auf einen Gullydeckel mit Stadtwappen

aus schwarzen Löchern

im Gusseisenrund

atmet mich

Fäulnis an

Ich schrumpfe

genau wie damals Mister C.1

meine Beine baumeln am rostigen Rand

ich beuge mich vor

keine Ratten zu sehn

lasse mich fallen

verschwinde

1„Die unglaubliche Geschichte des Mr. C.“, Jack Arnold, 1957

IN IHREM ZIMMER

Plötzlich musste sie sich setzen

die Beine trugen nicht so recht

am Himmel draußen

trieben graue Fetzen

und auch war ihr

ein bisschen schlecht

Das hatte sie bisher noch nie

so anfallartig

schlapp und matt

ihr zitterten ganz leicht die Knie

so ganz allein

in dieser fremd gewordenen Stadt

Vom Horizont klang dumpfes Grollen

sie gestand sich ein

beunruhigt zu sein

als würden Panzerketten rollen

doch war das vielleicht

Täuschung bloß

In Wirklichkeit

war gar nichts los

und jeder Stein auf seinem Stein

und alles war normal

gewohnt wie immer

an seinem Platz

in ihrem kleinen Zimmer

DEINE BLASSE SCHRIFT

Gib mir einen Hinweis nur

nur einen Denkanstoß

ein winziges Indiz

keine Welterklärung

keine Worte für die Ewigkeit

einen Anfang nur

eine Idee