Die Überwindung der Ferne - Stefan Iserhot-Hanke - E-Book

Die Überwindung der Ferne E-Book

Stefan Iserhot-Hanke

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Beschreibung

Dann kommt der Aufbruch früh wie noch nie noch vor dem ersten Tag der Schöpfung und dem Gesang der blauschwarzen Vögel im Stadtpark dem Morgenschimmer auf den grauen Zweigen im Osten Wir lassen alles zurück Stofftiere Eheringe Bibeln Und sagen den Kindern kein Wort wohin

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Seitenzahl: 41

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Für

Willem

INHALT

DAS ERSTE WORT

ABENDS LEUCHTEST DU

KOPFSTEINE

KUBUS

MÖ ´81

LAUBPÜSTER

STATION I

STATUS QUO

STATION II

ENTSCHEIDUNG

STATION III

AUFBRUCH

STATION IV

RASTEN

STATION V

MUT UND RAT

STATION VI

ZWEIFEL

STATION VII

HOFFNUNG

STATION VIII

ANKUNFT

STATION IX

RÜCKBLICK

KONSTANTINOPEL

RELAIS

(1 – 4)

FILMSZENEN IM KOPF

FREMDE GEGEND

RELAIS

(5 – 8)

JAPANISCHE BAUMKRONEN

VERBOTENE INSEL

VATER

RELAIS

(9 – 12)

CLAUS MIT C

DIE LAGE

AM MORGEN

DIE LAGE AM MITTAG

DIE LAGE AM ABEND

DIE LAGE DER NACHT

BARFÜẞIGE PAARE

HALLIGBILDER

20. JULI

HALLIGBILDER 22. JULI

HALLIGBILDER 24. JULI

HALLIGBILDER 26. JULI

HALLIGBILDER 28. JULI

HALLIGBILDER 30. JULI

HALLIGBILDER 1. AUGUST

HALLIGBILDER 3. AUGUST

HALLIGBILDER 5. AUGUST

HALLIGBILDER 7. AUGUST

HALLIGBILDER 9. AUGUST

TELEFONGESPRÄCH MIT

ANNA

TELEFONGESPRÄCH MIT HENRY

TELEFONGESPRÄCH MIT JULE

TELEFONGESPRÄCH MIT MAX

ERSTE SÄTZE DREIER WELTBERÜHMTER UNGESCHRIEBENER ROMANE

DER MUND MEINER MUTTER

SPRECHEN

SANATORIUM I

MITTAGSRUHE

SANATORIUM II

ZELLENFENSTER

SANATORIUM III

LOST PLACE

SANATORIUM IV

AUF STATION

IM SPIEGEL

AUF BÄUMEN

SCHLIMME WORTE

ALLES WIRD GUT

VIELE LACHEN TROTZDEM

MONITOR DREI

KINDERZEICHNUNG

TODESANZEIGE

EINIGKEIT

SANFTE SENKEN

HOHE HALLEN

DAS LETZTE WORT

DIE ÜBERWINDUNG DER FERNE

EINS

DIE ÜBERWINDUNG DER FERNE ZWEI

DIE ÜBERWINDUNG DER FERNE DREI

DAS ERSTE WORT

Das erste

Wort

das er jemals

sagte

verschwiegen sie ihm

Sooft er

auch fragte

ABENDS LEUCHTEST DU

Abends

leuchtest du

ich seh dich schimmern

auf unserem alten Sofa

Irgendwas aus dir

aus deinem tiefsten Innern

hüllt mich ein

scheint zu mir

Draußen vor dem Fenster

verschlägt es der Welt

die Sprache

und das Gefühl

für jede Wirklichkeit

Abends

leuchtest du

ich seh dich schimmern…

KOPFSTEINE

Auf einmal

heben und senken sich

des Kopfsteine des Pflasters

unter meinen Schuhsohlen

im rasenden Rhythmus

von Zylinderkolben

aus Milliarden blankrasierten Schädeln

KUBUS

Da sitzt er

auf einem am Boden verschraubten Stuhl

aus Stahlrohr

unter 80 Metern getürmten Platten

im summenden Heizungskeller

dieses grauen Kubus´

Seit den frühen 70ern

sitzt er dort

gefangen

in der brutalistischen Vision

seiner Jugend

Und zermartert sich

seinen Betonschädel

über die Zukunft

menschenwürdigen Wohnens

MÖ ´81

Die Kinos am Hauptbahnhof

und in Hafennähe

begannen schon frühmorgens

mit ihren Vorstellungen

auf dem Spielplan meist

skandinavische Gymnastikfilme

B-Movie-Action

Kitsch und Krieg

Im Eintritt inbegriffen

Coca-Cola, ein Minifläschchen Bacardi

Liebesbonbons

und der skeptische Blick

des tätowierten Irokesen

hinter der Scheibe

Die Säle

in denen man rauchen durfte

waren leer

bis auf kleine Gruppen

ständig kichernder Japaner

und mindestens einem müffelnden Typen

ganz hinten

unter dem grün leuchtenden Licht

des Notausgangs

Danach konnte man

bei Karstadt an der Mö

schräg gegenüber von Sankt Petri

besonders an nasskalten Wintervormittagen

in der warmen Cafeteria

an einem der kleinen Tische an der Garderobe

bei einem halben Brötchen mit Kakao

günstig Zeit totschlagen

und den Bildern des Films

nachhängen

An Tagen ganz ohne Geld

blieb nur der Gang vor den Klos

im II. Klasse Bahnhofsrestaurant

am Boden

neben den anderen

auch wenn die Toilettenfrau

nach all den Wochen

mehr zu sich selbst

etwas wie

noch so jung und schon so weit unten

sagte

und einen vorwurfsvoll

und gleichzeitig mitleidig

und gleichzeitig angewidert

ansah

Oft blieben nur

die warmen Abteile

der U- und S-Bahnzüge

in denen man halbe Tage

mit hochgeschlagenem Kragen

und tiefgezogener Mütze

an der kalten Scheibe klebte

um diese erbarmungslose Winterstadt

an sich vorbeifliegen zu lassen

von Endstation zu Endstation

zu Endstation

Wenn das Wetter ganz schlecht war

schlich man sich

gleich nach dem Frühstück

in den Keller

und wartete

zwischen Kartons, alten Möbeln

Altglas und Illustrierten

bis der Schultag vorbei war

auf Mutters Schritte horchend

die in der Wohnung über einem

stundenlang

von Raum zu Raum

wanderten

Manchmal

wenn sie den Müll nach unten brachte

ging sie an einem vorbei

man hätte sie berühren können

an der Schulter vielleicht

doch sie bemerkte

den Sohn nicht

in der dunklen Ecke

hinter der verbeulten Waschmaschine

Und wenn sie das Haus verließ

gegen Nachmittag

und man blinzelnd

durchs Treppenhaus schlich

nach oben

in die Wohnung

hingen ihre Wärme

und ihr Geruch

noch in den Zimmern

LAUBPÜSTER

Draußen püstern sie

den Sommer weg

seine Hinterlassenschaft

die von den Bäumen schwebte

liegenblieb

Vertrocknete Epidermen

zerbröselte Gittergewebe

zerfallene Strukturen

verdurstete Zellen

verdorrte Cuticulas

entfärbte Chloroplasten

verödete Stomata

leblose Vakuolen

verlassene Palisaden

verschrumpelte Schwämme

vereinsamte interzellulare Räume

Draußen püstern sie all das weg

ühhh, ühhh, ühhh

als wenn sie das Laub verachten würden

hasserfüllt geradezu

warum nicht schhh, schhh, schhh

wie früher mit dem Besen?

Das wäre wenigstens beruhigend, meditativ nahezu